, Cavisso Consulting, zur Innungsreform
"Nicht schrittweise verbessern, sondern ganz neu denken"
Um die Herkules-Aufgabe "Innungsreform" zu bewältigen, hat sich der BVPF externe Hilfe gesichert. Unternehmensberater Ingolf F. Brauner ist auf Wandel und Veränderungsprozesse spezialisiert, steuert und moderiert die einzelnen Schritte. In Bad Brückenau informierte er zum aktuellen Status des "Zukunftsprojektes - Die Mitmachinnung". "Maurer, Telefonsex-Agentin, Onkologe, Barmixer, Rechtsanwalt, Supermarkt-Kassierer, Parkett- und Bodenleger - welcher Beruf wird überleben?" * Der Blick in die Zukunft von Dipl. Ing. Ingolf F. Brauner zeigte auf, worauf sich auch das Handwerk einrichten muss: Der gesellschaftliche und technologische Wandel stellt althergebrachte Strukturen, Aufgaben und Abläufe in Frage, disruptive Entwicklungen ersetzen kontinuierliche, Netzwerke und Plattformen überholen konventionelle Geschäftsmodelle. Vor diesem Hintergrund sei es wichtig, schnell, konsequent und mutig zu sein, sagte Brauner eindringlich. Die Innungen müssten neu denken, bevor es ein anderer tut und sich an die Spitze neuer Entwicklungen setzen, um sie mitzugestalten und um unabkömmlich zu sein. Und das mache der BVPF. "Es ist eine Ausnahme, dass sich Verbände, Organisationen oder Unternehmen so intensiv mit der Zukunft beschäftigten." Als Ziel nannte Brauner nicht nur die Neuaufstellung der Innungen, sondern auch, ihre Attraktivität zu steigern. "Attraktiv sein, heißt einzigartig sein. Wir werden die Mitglieder auf dem Weg in die Einzigartigkeit mitnehmen und darüber hinaus Noch-Nicht-Mitglieder begeistern."
Was ist bisher geschehen? In mehreren Workshops und einer Online-Umfrage wurden Innensicht und Außensicht auf die Innungen aufgenommen, den Herausforderungen und Entwicklungen gegenübergestellt und daraus eine Vision erarbeitet. Ein Projektslogan wurde formuliert: "Die Mitmach-Innung" mit dem Subtext "Fachverband mit Innovation und Kompetenz". Und zwölf Handlungsfelder wurden definiert: Marketing/Öffentlichkeitsarbeit, Dienstleistungen, Mehrwert transportieren, Fortbildung, Organisation/Struktur, Digitale Kommunikation/Social Media, Website/Newsletter, Digitale Transformation, Lobby-Arbeit, Image, Mitgliedergewinnung und Ertragsquellen/Geschäftsmodell. Keinen Handlungsbedarf sieht der Lenkungskreis beim Sachverständigen- und Tarifwesen, der Normung sowie Nachwuchswerbung und Ausbildung.
Viele Wünsche werden von
den Innungen längst erfüllt
Die Online-Umfrage erbrachte Wunschthemen von Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern. "Eine interessante Erfahrung war, dass eine Reihe davon längst von den Innungen erfüllt wird, die Mitglieder das aber nicht wissen", berichtete Brauner. Ergo müsse das Leistungspaket einheitlicher, transparenter und bekannter gemacht werden. Ein weiteres Ergebnis war, dass die Mitglieder Exklusivität und beteiligungsabhängigen Nutzen fordern, zum Beispiel einen internen Web-Bereich, und den Zugang zu gewissen Informationen und Leistungen nur auf Innungsveranstaltungen.
Und es gab noch mehr nützliche Erkenntnisse, etwa dass Nachholbedarf bei der Präsenz in digitalen Medien besteht, weil diese von Endkunden wesentlicher intensiver genutzt werden, als die Fachbetriebe sie bereitstellen, für Endkunden Sicherheit eine große Rolle spielt und in diesem Zusammenhang ein Qualitätssiegel gewünscht wird.
Der Weg zur gemeinsamen Vision
Schließlich wurden über 300 Einzelpunkte aus verschiedenen Quellen zusammengeführt, ausgewertet und den Handlungsfeldern zugeordnet. "Aus diesen Stichwortsammlungen entstanden - vorläufige - positive und motivierende Rohtexte, die zum Visionsentwurf verdichtet wurden", beschrieb Brauer das weitere Vorgehen. "Die Formulierung der Vision ist der Funke, der das Feuer entfacht. Alle Betroffenen müssen sich darin wiederfinden." Wobei er betonte, dass nichts "in Beton gegossen" sei, alles verändert und ergänzt werden könnte. "Wichtig ist, dass Sie sich damit identifizieren können", sprach er die anwesenden Innungsvertreter direkt an. Und das gilt nicht nur für diese: Um breite Unterstützung bei allen Mitgliedern zu finden, müssten die Ergebnisse auch in der Fläche mitgestaltet werden; dafür finden ab Juni Regionaltreffen statt, bei denen jeweils Brauner und ein Delegierter des Lenkungskreises teilnehmen.
*Maurer erhalten Konkurrenz durch den 3D-Druck, Telefonsex-Agentinnen werden bereits durch Computer ersetzt, in der Medizin und der Rechtsberatung sind auch bereits Computer im Einsatz, statt Kassierern gibt es intelligente Videoüberwachungssysteme. Die Sozialkompetenz des Barmixers allerdings ist nur schwer digitalisierbar. Und Parkett- und Bodenleger wird es ebenfalls weiterhin geben, denn ihre Arbeit kann nicht maschinell erledigt werden.
aus
Parkett Magazin 04/19
(Wirtschaft)