Sachverständigentag: Juristin warnt, Parkettleger widersprechen

"Schallschutz geht uns nichts an"


Ein Thema, zwei Meinungen. Es geht um Schallschutz. Rechtsanwältin Marion Kenklies warnt: "Wenn hier etwas schiefgeht, ist der Handwerker im existenzbedrohenden Bereich". Bundesinnungsmeister Peter Fendt kontert: "Schallschutz geht uns nichts an. Man sollte in das Angebot schreiben, dass man von Schallschutz nichts versteht."

Das Dilemma ist offensichtlich. Parkett- und Bodenleger wollen nicht mit Fragen und Aufgaben belastet werden, die zu einer Haftung führen können. Aber können sie sich dem in puncto Schallschutz entziehen? Die Juristin Marion Kenklies meint: "Nein, der Handwerker haftet, weil er bei einer reinen Bodensanierung der Planer und in der Aufklärungspflicht ist. Das fordert die Rechtsprechung ganz klar." Bodensanierung, das bedeutet landläufig den Austausch eines bestehenden Oberbodens gegen einen neuen Belag. Das Recht aber wird präziser. Sanierung ist eine Reparatur oder Rekonstruktion, also eine Schadensbeseitigung, die den ursprünglichen Zustand nach damals gültiger DIN wieder herstellt. Bei einer bloßen Renovierung bleibt für die DIN auch alles beim Alten. Hier geht es nur um eine Schönheitsreparatur, die ein optisch ansprechenderes Bild schaffen soll. Am aufwändigsten ist eine Modernisierung. Sie muss einen neuen, technisch besseren Zustand herstellen und die DIN 4109 in aktueller Fassung berücksichtigen.

Wann wird ein neu verlegter
Bodenbelag zum Corpus delicti?

Ärger entsteht in der Regel später zwischen Nachbarn oder zwischen Mieter und Vermieter. Dann nämlich, wenn eine unten wohnende Partei plötzlich Lärm über dem Kopf beklagt. Drei typische Probleme: Teppich kommt raus, Parkett oder Laminatboden kommt rein. Zweitens der Ersatz eines Fußbodens mit gleichem Material, etwa Fliese für Fliese. Und drittens der Ausbau eines Dachgeschosses zum Wohnraum, wobei sich der aus Ruhegründen einst in den bis dahin obersten Stock gezogene Mieter nun durch Trittschall belästigt fühlt.

Im Streifall kürzt der Mieter seine Mietzahlung und der Vermieter zieht vor Gericht. Erst dann könnte der Bodenleger ungewollt ins Spiel kommen. "Es gibt zu diesem Thema eine ausdifferenzierte Rechtsprechung nach § 280 Abs. 1 BGB", sagt Marion Kenklies. Hat der Handwerker seine vertragliche Hinweis- und Aufklärungspflicht versäumt oder hat er gar fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt? Und damit nicht genug, das Baurecht fragt eventuell auch nach konkreten Bauverhältnissen, nach dem Zweck des Gebäudes, qualitativem Zustand, architektonischem Anspruch, Gemeinschaftsbeschluss einer Eigentümergemeinschaft und anderen, allgemeinen Umständen.

Kann der Parkett- und Bodenleger all das wissen und ins Kalkül ziehen? Muss er das überhaupt? Nicht, wenn ein Schallschutz konstruktiv im Unterboden gewährleistet ist. Dann braucht der neue Oberbelag keinen Beitrag zu leisten. Folgendes Beispiel könnte für ein solche Annahme sprechen: Beim Ausbau eines Dachbodens zu zwei Wohnungen wurde der Estrich teilweise ausgetauscht. Der darunter lebende Mieter hatte nun zwei Parteien über dem Kopf und klagte. Recht bekam jedoch der Vermieter, weil nur 12 % des Estrichs verändert worden waren und das, laut Gericht, kein gewichtiger Eingriff in die Bausubstanz darstelle.

"Die Rechtsprechung
lässt messen"

Darf ein neuer Oberbelag auch als unbedeutender Eingriff in die Gebäudesubstanz verstanden werden? Offenbar nicht immer. "Für die Rechtsprechung ist nicht entscheidend, wo die Schalldämmung sitzt, sondern nur, was unten an Schall ankommt. Die Rechtsprechung lässt messen", sagt Marion Kenklies.

Dafür will der Handwerker keine Verantwortung tragen. Den Schallschutz selber messen will und kann er nicht. Doch auf die dB-Werte zur Schallisolierung von Kaschierungen und Unterlagen sollte er auch nicht setzen. Laut Bundesanzeiger gilt die Schallschutzklasse 3. Das könnte in den Vertrag geschrieben werden. "Davon nur mit ausdrücklicher Vereinbarung abweichen", rät Kenklies. "Wir vereinbaren zwar auch die DIN, aber das ist eine Sanierung unter Niveau. Das muss ausdrücklich in den Vertrag. Zusätzlich sollte der Handwerker direkt beim Bauherrn Bedenken anmelden, damit er aus der Haftung ist."

Einfach mal Bedenken anmelden? Das ist kaum ein gutes Zeichen für handwerkliche Expertise. Ganz eindeutig scheint die Schallschutz-Frage also nicht geklärt. Als Fazit bleibt: Wenn eine Dämmung unterhalb des Estrichs sitzt, ist für jedweden Oberbelag die Sache ausgestanden. Wenn nicht, muss der Schallschutz jeweils in Bezug auf die Besonderheit der Baustelle bewertet werden.
aus Parkett Magazin 05/19 (Wirtschaft)