Swiss Bedding Academy

Ideenbörse für den stationären Fachhandel


Düsseldorf. Wie sieht der Bettenfachhandel der Zukunft aus - und wie lassen sich aktuelle Probleme konkret angehen? Die Swiss Bedding Academy hatte zum Erfahrungsaustausch nach Düsseldorf eingeladen. Dabei standen Ladenkonzepte ebenso im Fokus wie Themen der Digitalisierung oder des Arbeitgebers als attraktiver Marke für Fachkräfte.

Der Händler vor Ort ist die Marke - diese Weisheit haben viele Bettenfachhändler verinnerlicht. Sie spielen das damit verbundene Potenzial häufig auch aus - als Experten für gesunden Schlaf. Das Produkt, das sie verkaufen, ist ebenfalls eine Marke, und auch die will gepflegt werden. Wie sich beide Seiten in Zeiten des digitalen Wandels erfolgreich den Kunden nahebringen lassen, war Thema der diesjährigen Swiss Bedding Academy des Schweizer Herstellers Recticel Bedding in Düsseldorf.

Das Kompetenzforum richtet sich an Fachhändler, die die Marke Swissflex führen. Es dient der Information und dem Austausch untereinander und findet einmal jährlich statt. Deutschland-Verkaufsleiter Frank Cebulla führte durch die zweitägige Veranstaltung, die mit einem gemeinsamen Kochevent am Abend begonnen hatte - eine lockere Einstimmung auf den gehaltvollen folgenden Tag.

Ohne Laufkunden zum Erfolg

Zu dessen Auftakt berichtete Dirk Scherer aus Würzburg, wie er es gemeinsam mit seiner Frau schafft, das Fachgeschäft Best Bed erfolgreich zu führen - ohne einen einzigen Passanten im Jahr. "Unsere Lage ist das Internet", erklärte er. Dabei handelt es sich bei Best Bed tatsächlich um ein stationäres Geschäft, nur eben sehr versteckt gelegen. Zufällig kommt hier niemand vorbei. "Das Müllheizkraftwerk und der Puff liegen gleich nebenan", so Scherer scherzhaft. "Dafür habe ich viele Parkplätze." Der Standort in einem Gewerbegebiet, zudem in einer der Straße abgewandten Lage, funktioniert durch die "1-A-Lage im Internet", wie Scherer es beschreibt.

"Wir werden von Google gefunden - aber nicht, weil wir dafür bezahlen", erklärte der Fachhändler, "sondern weil unsere Inhalte gut sind." Homepage und Blog sind entsprechend suchmaschinenoptimiert. In den Google-Bewertungen kommt das Unternehmen auf fünf Sterne und die Durchschnittsnote 4,9 - ein Spitzenwert. Auch der fällt nicht vom Himmel. Scherer ruft seine Kunden zuweilen an, und motiviert sie zum Online-Feedback: "Die berichten gerne über positive Erfahrungen. Die Leute freuen sich auch, wenn sie etwas zurückgeben können." Vor allem: Die Bewertungen werden in den eigenen Worten der Kunden vorgenommen, sind also authentisch. "Da darf auch mal etwas Negatives dabei sein", so Scherer.

Die sozialen Netzwerke Facebook und Instagram werden ebenfalls bespielt. Das ist auch der Job der Digital Natives, also der jungen Leute im Unternehmen. Sie stellen regelmäßig selbst gedrehte, auch witzige Videos ein. "Das wird einfach mit dem Handy gemacht, der Zeitaufwand beträgt meist nicht mehr als 15 Minuten", so Scherer. Auch hier gilt: authentisch sein, nicht perfektionistisch.

Scherer nutz ein automatisiertes E-Mail-Programm für gezieltes Marketing. Wichtig dabei sei, dass sich die Nachrichten gerade nicht wie autmatisierte Mails anhören. Ein wichtiges Element der nachträglichen Kundenansprache ist bei Best Bed der sogenannte Bett-Geburtstag: Ein Jahr nach der Auslieferung erhalten die Kunden ein Glückwunschschreiben, in denen Ihnen zum ersten Geburtstag ihres Bettes grauliert und nachgefragt wird, ob noch alles in Ordnung ist. "Wir achten schon darauf, dass wir niemanden nerven", betonte Scherer. "Jede Mail enthält auch einen Link, über den man sich abmelden kann. Auch in der persönlichen Ansprache im Geschäft wird auf Details geachtet. "Ich bin mit fast allen Kunden per Du", so Scherer. Beim Messen und Probeliegen sagt er Sätze wie diesen: "Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber ich muss sie jetzt anfassen." Und das, so Scherer, geht am besten per Du.

Nicht zuletzt begegnet er den Kunden mit Vertrauen - denn das kommt zurück und zahlt sich aus. Kissen werden von ihm ohne Gebühr verliehen: "Der kostenlose Verleih einer Matratze ist in meinen Augen eine Verkaufsschwäche. Aber viele Kunden haben schon zig Kissen ausprobiert." Der kostenlose Verleih vermittele den Kunden das Gefühl, ernst genommen zu werden. Und er führt zu einem positiven Effekt, wie Scherer berichtete: "Es sorgt regelmäßig für den Verkauf von Schlafsystemen."

Social Media richtig nutzen

Fabian Held von der Hamburger Digitalagentur Inpromo erläuterte in seinem Vortrag die Möglichkeiten, wie Handel und Industrie beziehungsweise eine Marke in der Social-Media-Kommunikation zusammenarbeiten können. Sein Unternehmen ist im Bereich des Social-Media- und Influencer-Marketings zuhause. "Die Kanäle aus dem Facebook-Universum bieten den offensichtlichsten Mehrwert für den stationären Handel", ist Held sicher.

Dazu zählen beispielsweise auch WhatsApp und Instragram. 40 Prozent der Deutschen seien bei Facebook aktiv, 44 Prozent von ihnen älter als 40 Jahre, 25 Prozent über 50 - eine ideale Zielgruppe für den Bettenfachhandel. Um den Algorithmus zu nutzen und organische Reichweite zu erreichen, braucht es relevante und regelmäßige Inhalte. "Jeder Post sollte mindestens ein Ziel verfolgen", so Held, deshalb müssten Themenwelten definiert und Redaktionspläne erstellt werden - ein zufälliger Post, weil gerade Zeit ist, bringt wenig.

Genau hier sieht er die Chance, dass Marke und Handel zusammenwachsen können: ein Social-Content-Pool, aus dem der Händler sich bedienen kann, um Inhalte auf seinen eigenen Kanälen zu spielen. So könnten vorproduzierte Fotos, Stories oder Videos in guter Qualität geliefert und mit individuelle Texten des Händlers ergänzt werden. Mit den vorhandenen technischen Möglichkeiten sei es leicht, Inhalte regional und zielgruppengenau auszuliefern. Daneben bot Held den anwesenden Händlern noch eine Reihe praktischer Tipps für den Umgang mit Facebook und Co.

Der Händler als
attraktiver Arbeitgeber

Dass der Mensch im Mittelpunkt des Handel(n)s stehen muss, ist keine neue Erkenntnis. Dass der Mensch den Unterschied macht, wenn es um Arbeitgebermarketing geht, rückt da schon eher in den Hintergrund des Bewusstsein - doch genau hier setzte Unternehmensberater Michael Guder in seinem Vortrag an: "Verkaufspersonal ist ein Schmerzthema", so Guder. Aber eines, das mit Blick auf Fachkräftemangel und dem Kampf um die Kunden dringend angegangen werden muss.

Wie schafft man es, Mitarbeiter an sein Unternehmen zu binden? "Wir haben es heute mit einer Generation der Freizeitoptimierer zu tun", so Guder. "Deren Tagesablauf ist mit den Arbeitszeiten im Einzelhandel häufig nicht zu vereinbaren. Zudem verschärfe die demographische Entwicklung den Mangel an guten Leuten. Guder brachte Teilzeit-Lösungen mit erfahrenen Mitarbeitern ins Gespräch: "Da muss man proaktiv auf die Leute zugehen."

Unternehmer müssten sich zudem die Frage stellen, was ihnen die Mitarbeiter wert seien. "Geld ist ein Hygienefaktor, aber nur einer unter mehreren", so Guder. Es komme auf weitere Faktoren an: Verantwortung und Freiräume etwa. "Entscheiden die Mitarbeiter beim Einkauf mit?" Welche Arbeitszeitmodelle möglich sind, sei ebenfalls entscheidend, aber auch das Image eines Unternehmens, da zunehmend auch Arbeitgeber von Bewertungsportalen beurteilt werden. "Die Kernfrage ist: Wie stellt sich ihr Unternehmen dar, was kann sich verändern - und was geschieht, wenn sich nichts ändert", mahnte Guder. "Das Geld muss stimmen, aber es gibt auch eine Reihe anderer Faktoren."

Der Bettenfachhandel könne, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren, mit seinen Pfunden wuchern: Kundenkontakt, Familienunternehmen, Messen, Gestaltungspielräume - die Liste lässt sich deutlich verlängern. Wichtig, so Guder, sei eine klare Personalstrategioe, die Einbindung der Mitarbeiter, eine konsequente Informations- und Kommunikationsstruktur und eine systematische Personalentwicklung. Und auch diese Liste war damit noch nicht am Ende.

Mit Kooperationen
zu neuen Zielgruppen

Den Abschlussvortrag des Kompetenzforums hielt wieder ein Bettenfachhändler: Christian Schulz aus Seevetal stellte sein Bettenhaus Heise vor, das gemeinsam mit weiteren Händlern mehrere Einrichtungsexperten unter einem Dach vereint. 1947 gegründet, wurde das Unternehmen 70 Jahre später in einen Konzeptstore verwandelt, der auf 400 Quadratmetern untergebracht ist.

Gemeinsam mit den Kollegen setzt Schulz unter dem Namen "Haus des schönen Wohnens" auf ein offenes Konzept, das unterschiedliche Produktgruppen umfasst: Küche, Bad, Heimtextilien, Wohnen und Einrichten - und natürlich Schlafen. "Wir führen eine offene Ehe", so Schulz. Eine Motivation, diesen Weg zu gehen, war für den Bettenfachhändler das Thema Frequenz. 50 bis 100 Konzeptkunden kommen täglich in das Gebäude, mehr, als er in einem Solitärkonzept erreichen könnte. "Fünf Prozent der Bevölkerung gehen in ein Bettenfachgeschäft. Das bedeutet: 95 Prozent nehmen uns nicht als Problemlöser wahr."

Der Vorteil des gemeinsamen Hauses liegt auf der Hand: "Wir haben zum Beispiel Kunden, die sich bei den Kollegen ein barriefreies Bad aussuchen, und dann zu uns kommen, um ein seniorenfreundliches Bett zu kaufen", so Schulz. Aber es gibt weitere positive Effekte. Etwa die gemeinsame Vermarktung oder Events mit größerem Budget, bei denen alle zusammenlegen. Das offene Raumkonzept inspiriert die Kunden, der direkte Austausch mit den Kollegen kommt hinzu. Im kommenden Jahr eröffnet in der Nachbarschaft ein Gartencenter, was für weiteren Zulauf sorgen dürfte.

Die Kunden, die Betten Heise anspricht, sind anspruchsvoll. Schulz nennt die Themen Best Life, Ergonomie und Schlafoptimierung, Komfortbetten und individuelle Lösungen. Für ihn ist die Generation 55plus spannend: "Diese Haushalte geben überproportional Geld aus für Produkte der Gesundheitspflege." Doch der Fachhändler will nicht ausschließlich auf der Klaviatur der Ergonomie spielen, sondern auch weitere Themen ansprechen: Luft, Schall, Klima, Ernährung beispielsweise.

"Die Frage ist, wie man diese Themen zu einem Gesamtpaket für den Kunden schnüren kann", so Schulz. "Wir können zum Beispiel Podukte aufnehmen, die tagsüber dazu beitragen, dass nachts die Schlafqualität steigt." Kooperationen, wie sie im Haus des schönen Wohnens gestaltet werden, könnten eine Chance sein, künftige Herausforderungen des stationären Handels zu meistern. Smart Home, Licht, Schrank- und Akustiklösungen, Umzüge und Seniorenlogistik, Fitnessgeräte oder E-Bikes - das Feld ist weit.
aus Haustex 07/19 (Marketing)