GHF Bundesverband Großhandel Heim & Farbe e.V.
"Wir fühlen uns dem Handwerker verpflichtet"
Der GHF wird bei seiner Jahreshauptversammlung wieder die Entwicklung der einzelnen Warengruppen sowohl der Farben- als auch der Bodenbelagsgroßhändler vorlegen. Die Mitglieder stehen vor Herausforderungen wie Nachfragerückgang, Konkurrenz durch den Baustoffhandel und einem Mangel an Lkw-Fahrern.
BTH Heimtex: Herr Lehmann, Sie sind seit rund einem Jahr Geschäftsführer im Bundesverband Großhandel Heim & Farbe (GHF). Wie ist Ihre Bilanz?
Niels Ehme Lehmann: Ich habe zunächst die Basis und Abläufe kennengelernt und bin weiterhin dabei, mir diverses Fachwissen der unterschiedlichen Verbandsaufgaben anzueignen. Mein Ziel ist es auf jeden Fall, bis Ende des Jahres einen Großteil der GHF-Mitglieder besucht zu haben.
Gemeinsam mit dem Team habe ich auch schon verschiedene Aufgaben in Angriff genommen. So haben wir unser erfolgreiches Seminarprogramm noch stärker an das Thema Boden angepasst. Nachdem der GHF 2018 ein dreitägiges Praxisseminar mit Infloor angeboten hatte, das 2020 wieder stattfinden wird, bieten wir erstmals in diesem Jahr zusätzlich zwei neue mehrtägige Praxisseminare im Bereich der Designbeläge und im Farbenbereich an. Bei den Designbelägen werden wir von Wineo unterstützt und im Farbenbereich vom Hersteller Meffert Farbwerke. Für kommendes Jahr wurde bereits mit dem Tapetenhersteller A.S. Création vereinbart, ein weiteres Praxisseminar auf die Beine zu stellen. Des Weiteren bieten wir in diesem Jahr ein neues Seminar im Bodenbereich an, das ein "TFI-Zertifikat" des Instituts für Bodensysteme beinhaltet.
BTH Heimtex: Der GHF nutzt für das Seminarprogramm auch die neuen Medien. Sie bieten Webinare für den Vertrieb an. Was beinhalten diese?
Lehmann: Für die Webinare haben wir als Partner die Deutsche Vertriebsberatung gewonnen. Die kostenlosen Webinare, die online stattfinden, dauern jeweils rund 45 Minuten. Jeden Monat behandeln sie ein anderes Vertriebsthema. Darauf aufbauend bieten wir Vertriebstrainings online an, die kostenpflichtig sind. Die Seminargebühr liegt bei rund 500 EUR. Die Teilnehmer können die Seminare vom Arbeitsplatz oder von zu Hause aus belegen und den Lehrstoff auf drei Monate verteilen, so dass sie pro Tag zwei Stunden damit beschäftigt sind. Natürlich gibt es weiterhin auch unsere bewährten Vorortseminare mit diversen Schwerpunkten.
BTH Heimtex: Damit ist Weiterbildung offensichtlich einer Ihrer Schwerpunkte. Welche weiteren haben Sie sich gesetzt?
Lehmann: Ein weiterer Schwerpunkt ist die Kommunikation. Um diese zu verbessern, haben wir unsere Webseite überarbeitet, um unseren Mitgliedern mehr Dienstleistungen anbieten zu können. So wurde unter anderem eine Jobbörse installiert, in der unsere Mitglieder ihre Stellenangebote veröffentlichen können. Zusätzlich bieten wie die Bewerbung von Hausmessen an, wodurch eine Informationsplattform entsteht, auf der sich Handel und Industrie über die anstehenden Veranstaltungen informieren können.
BTH Heimtex: Im September findet die GHF-Jahrestagung in Hamburg statt. Müssen sich die Besucher auf Neuerungen einstellen?
Lehmann: Ein erfolgreiches Konzept wird weitergeführt und die Tagung wird ähnlich ablaufen wie in den Jahren zuvor mit einem abwechslungsreichen Programm und diversen Schwerpunkten an einem beeindruckenden Veranstaltungsort, dem Kuppelsaal des Hotel Hafen Hamburg.
BTH Heimtex: Bekommen die Teilnehmer und Gäste 2019 wieder die Umsatzentwicklung der verschiedenen Sortimente präsentiert, nachdem im vergangenen Jahr aufgrund von Unstimmigkeiten in der Statistik darauf verzichtet wurde?
Michael Späth: Ja, wir sind dabei, eine Branchenabfrage fest zu installieren. Dafür fragt das IFH die Umsatzzahlen der fünf großen Unternehmen ab. Sie werden in Zukunft regelmäßig monatliche Umsätze melden und quartalsweise auch Zahlen für bestimmte Warengruppen, die dann aussagekräftig sind für die tatsächliche Entwicklung des Geschäfts.
Frank-A. Kühnel: Die genauen Zahlen werden wir erst im September bei der Jahrestagung vorstellen. Dort werden wir die Halbjahresdaten mit Produktsegmenten und die aktuellen Zahlen von 2018 und 2019 präsentieren.
BTH Heimtex: Auch wenn Sie die Zahlen noch nicht parat haben: Wie ist die Tendenz für dieses Jahr?
Späth: Im ersten Halbjahr wurden Umsatzzuwächse von bis zu 2 % erzielt.
Kühnel: Nachdem, was wir hören, war der Juni allerdings desaströs. Das liegt unter anderem am Wegfall von zwei bis drei Arbeitstagen durch Feiertage. Aber wie gesagt, verlässliche Zahlen, die noch einmal in einem Plausibilitätsscheck überprüft werden, liegen erst im September vor.
Bei der Präsentation wird hoffentlich nicht wie in den Vorjahren ein Raunen durch den Saal gehen, weil sich niemand in den Zahlen wieder findet. Fest steht, dass sich so viel Unternehmen an der Statistik beteiligen, dass wir ein Umsatzvolumen von rund 1,4 Mrd. EUR abbilden und damit dürften die Ergebnisse repräsentativ sein.
BTH Heimtex: Sie haben den Fehler in der Statistik ja nun gefunden. Wie sieht es beim Bodenbelagsgroßhandel aus?
Christina Engelhard: Die Bodenbelagsgroßhändler liefern die Umsatzzahlen der festgelegten Warengruppen: elastische und textile Beläge sowie Parkett/Laminat und Zubehör. Innerhalb dieser Warengruppen wäre eine spezifische Sortimentsanalyse interessant wie zum Beispiel textile Beläge im Wohnbereich und im Objektbereich, Designbeläge zum Verkleben und zum Klicken. Aber da müssten sich die Großhändler zunächst auf neue Untergliederungen einigen, um die Sortimentsentwicklung spezifisch abbilden zu können.
BTH Heimtex: Der Farbengroßhandel hat sich offenbar auf Produktgruppen geeinigt. Stellen Sie weniger Ansprüche?
Späth: Wir haben für uns den kleinsten gemeinsamen Nenner gesucht, den jeder melden kann. Die Zahlen, die sich der Bodengroßhandel wünscht, hätten wir auch gern. Aber die Angaben können die Farbengroßhändler nicht liefern. Die können nur das abverlangen, was jede EDV auslesen kann. Dafür haben wir wenige Warengruppen gebildet. Darin ist der Bodenbelag ganz allgemein nur eine einzige Warengruppe.
Kühnel: Ob Farben getönt sind, ob es sich um Weißfarbe handelt, für innen oder außen - das unterscheiden wir nicht. Unsere Warengruppen heißen Farben/Lacke/Lasuren, WDVS, Wandbeläge, Bodenbeläge, Trockenbau, Heimtex, Werkzeug/Maschinen und Sonstige. Wir selbst unterteilen als Handelshaus noch wesentlich detaillierter. Wenn man das aber von allen verlangen würde, verliert man die Unternehmen, die keine solche Unterteilung in ihren Warenwirtschaftssystemen haben. Und dann taugen die Zahlen nichts mehr.
Engelhard: Wenn man in den verschiedenen Warenwirtschaftssystemen eine neue Sortimentsaufteilung einführen möchte, müsste man sie zum Jahreswechsel ändern. Dann hätte man aber keine entsprechenden Vergleichszahlen zu den Vorjahren und diese sind für die Unternehmen wichtig.
BTH Heimtex: Die Tapete fließt im Farbengroßhandel in die Kategorie Wandbeläge ein. Sie leidet im Moment unter starken Umsatzrückgängen. Deshalb wurden beim Tapetengipfel in Frankfurt Maßnahmen für ihre Rettung verabschiedet, zum Beispiel eine Werbekampagne. Wie entwickelt sie sich im Großhandel?
Kühnel: Der Umsatz mit nicht übersreichbaren Tapeten ist im ersten Quartal um 3 % zurück gegangen, mittlerweile liegt der Rückgang bei 7 %. Der Zeitgeist spricht gegen die Tapete. Heute wird Glattvlies an die Wand gebracht oder Kreativtechnik. Die Konkurrenz ist groß. Jeder hat einen eigenen Bauhaus-Fächer, Corbusier-Fächer und viele mehr.
BTH Heimtex: Für Tapete ist Beratung wichtig. Wäre das ein Ansatzpunkt?
Kühnel: Der Großhandel ist doch erst dann involviert, wenn die Entscheidung für oder gegen Tapete gefallen ist. Zu uns kommen die Kunden und verlangen konkrete Muster, die entweder die Endverbraucher ausgewählt haben oder aber Architekten. Erst ab diesem Zeitpunkt können wir beraten.
BTH Heimtex: Der Großhandel hat größtenteils sehr schöne Showräume. Könnten Sie die nicht auch für den Endverbraucher öffnen?
Kühnel: Jeder Interessierte kann kommen. Aber um 16.30 Uhr ist der Showroom geschlossen. Wir haben Großhandels-Öffnungszeiten. Eine Ausweitung können wir uns nicht leisten.
Ein weiterer Punkt für die nachlassende Nachfrage nach Tapete liegt beim Handwerker. Es gibt zwar einige Malerbetriebe, die Tapete an die Wand bringen können, und die haben auch ihre Kundschaft. Aber sehr viele haben keine Mitarbeiter, die tapezieren können. Der Schwerpunkt des Malers ist das Streichen.
BTH Heimtex: Eine generelle Öffnung für den Endverbraucher kommt also für Sie nicht in Frage?
Engelhard: Nur als Dienstleistung für den Handwerker. Dem fühlen wir uns verpflichtet und wollen ihn deshalb auch nicht umgehen, sondern ihm Vorteile bieten. Endkunden, die von unseren Kunden geschickt werden, kommen zur Beratung in unsere Showrooms. Die Angebote laufen über den Handwerker, der seine Kunden zur Beratung in unsere Ausstellungen schickt, damit der Endkunde sich eine Vorstellung von dem verlegten Boden machen und eine Auswahl treffen kann.
Späth: Wir werden den Endverbraucher nicht wegjagen. Er kann Ware bei uns kaufen, bekommt sie aber für einen anderen Preis als der Maler.
Lehmann: Bei einer Öffnung besteht doch auch die Gefahr, dass sich der Endverbraucher zeitintensiv beraten lässt und danach im Internet bestellt, weil die Ware dort günstiger ist. Hinzu kommt, dass dem Handel somit die Zeit für seinen angestammten Handwerkskunden fehlt.
BTH Heimtex: Nicht nur die Tapete leidet im Moment, sondern die ganze Branche. Woran liegt der Nachfragerückgang Ihrer Meinung?
Späth: In einer Studie des Deutschen Lackverbands wird prognostiziert, dass der Farbenverbrauch in den kommenden Jahren zurück gehen wird. Es wird viel weniger renoviert als früher, weil aufgrund der hohen Mieten in den Ballungszentren kaum jemand umzieht. Zu Hause wird kaum noch geraucht und die Qualität unserer Produkte ist so hoch, dass sich die Renovierungsintervalle vergrößern. Hinzu kommt, dass es weniger verarbeitende Hände gibt. Viele Handwerksmeister wollen ihr Personal gar nicht aufstocken, weil sie mit weniger Mitarbeitern teils mehr verdienen können. Es sind also viele Faktoren, die umsatzbremsend wirken.
BTH Heimtex: Die Zahl der ausgebildeten Handwerker ist zwar stagnierend bis rückläufig, aber werkstattlose Allrounder drängen auf den Markt. Wie gehen Sie mit Ihnen um?
Späth: Wir kommen um sie nicht herum. Zwar kaufen viele von ihnen bei Baustoffhändlern und Baumärkten ein. Aber sie kommen auch zu uns. Wir bedienen sie mit einem gewissen Fingerspitzengefühl, um die angestammten Handwerkskunden nicht zu verprellen.
Das Thema ist ganz aktuell, weil Vater Staat anfängt, sich über die Meisterrolle Gedanken zu machen. Je weniger Berufe eine Meisterpflicht haben, desto mehr Werkstattlose gibt es. Im Malerhandwerk herrscht im Gegensatz zum Raumausstatter noch Meisterpflicht. Und nach der Handwerksrolle dürfen die Allrounder deshalb die Arbeiten des Malers nicht übernehmen. Die Maler- und Lackiererinnung Rhein-Main hat dazu die Initiative Faires Handwerk gestartet, mit der sie über das Handwerksrecht aufklärt. Ein Vertreter der Innung wird darüber bei der GHF-Jahrestagung einen Vortrag halten.
BTH Heimtex: Welche Malerarbeiten darf der Allrounder denn ausführen?
Späth: Außer Wände weiß zu streichen darf er nichts, und das auch nur in Innenräumen. Die Fassade ist für ihn tabu. Wenn er diese Arbeiten trotzdem ausführt, ist das illegal, also Schwarzarbeit.
BTH Heimtex: Welche Folgen hat dies für Auftraggeber, die sich für Werkstattlose entscheiden?
Späth: Wer einen Allrounder beauftragt, geht ein Risiko ein. Er hat zum Beispiel keinen Garantieanspruch. Da lauern zahlreiche Fallstricke.
BTH Heimtex: Während die Werkstattlosen auch im Farbengroßhandel einkaufen, sind Maler teilweise Kunden im Baustoffhandel. Wird der mehr und mehr zu Ihrer Konkurrenz?
Späth: Es gibt solche und solche. So lange der Baustoffhandel keine großen Flächen für Waren zur Verfügung hat, die in beheizten Räumen lagern müssen, sehe ich kein Problem. Die Unternehmen werden uns den Umsatz nicht wegnehmen. Anders sieht es mit denen aus, die neue Zentren bauen und über genug Flächen verfügen. Die stellen für uns eine Gefahr dar.
Hinzu kommt, dass der Druck auf die Industrie zunimmt. Noch geht sie meistens mit Zweitmarken in den Baustoffhandel. Aber das kann sich ändern. Irgendwann könnten die Hersteller jeden beliefern.
BTH Heimtex: Auch Internet-Händler?
Kühnel: Der Großhandel bedient doch den Internethandel. Der Eimer, der im Internet verkauft wird, läuft zu 99 % einmal bei uns durch. Die großen Internet-Shops sind Kunden beim Großhandel.
Späth: Wir haben keine Angst vor dem Internet. Das tägliche Geschäft des Farben- oder Bodenbelagsgroßhandels kann ein Internetshop ohne Niederlassungen gar nicht umsetzen. Wenn bei ihm am Abend eine Bestellung über acht Eimer Wandfarbe eingeht, die am nächsten Morgen um 8 Uhr vor Ort sein müssen - das klappt doch gar nicht. Wenn wir weiterhin einen vernünftigen Job machen, über flächendeckende Standorte und Lieferfähigkeit verfügen, behalten wir unsere Bedeutung.
Allerdings werden wir kaum noch wachsen, denn inzwischen leiden wir unter Überkapazitäten. Die Zahl der Farbengroßhändler wird also noch weiter sinken, die der Standorte gleich bleiben oder leicht zurück gehen.
BTH Heimtex: Nun haben die Farbengroßhändler ihre Situation geschildert. Wie schätzen Sie die Chancen des Internethandels für den Bodenbereich ein?
Engelhard: Im Boden ist ein Onlineshop zum aktuellen Zeitpunkt kaum zu bewältigen. Das fängt schon beim Versand der Produkte an. Außerdem werden meistens Muster von den Belägen verlangt, bevor es zu einer finalen Auswahl kommt. Bei der Vielzahl an Belägen und Einsatzbereichen ist der Handwerker auf kompetente Beratung angewiesen. Außerdem bieten wir unseren Kunden Produktschulungen an. Wir möchten ihnen auch ein klares Sortiment in unseren Hauskollektionen anbieten, das sie am nächsten Tag geliefert bekommen.
BTH Heimtex: Die Eurobaustoff hat mittlerweile hervorragende Parkettabteilungen. Und wer früher mit Holz gehandelt hat, bietet inzwischen Designbeläge an. Zwischen Holz- und Baustoffhandel verschwimmen die Linien. Hat das für Sie Konsequenzen?
Engelhard: Wir bauen auf unsere Kompetenz und unseren guten Service. Letztlich sind doch alle Produkte vergleichbar. Unsere Aufgabe ist es, die Handwerkskunden mit unseren Dienstleistungen zu überzeugen und ihnen ein kleines Produktportfolio anzubieten.
BTH Heimtex: Als Großhändler sind Sie auch für den Transport der Ware zur Baustelle zuständig. In der Logistik fehlt es zunehmend an Lkw-Fahrern. Nach dem Wegfall der Wehrpflicht gibt es keine jungen Menschen mehr, die ihren Führerschein bei der Bundeswehr machen. Macht sich der Fahrermangel im Großhandel bemerkbar?
Kühnel: Den Mangel spüren wir. Die Fluktuation in diesem Bereich steigt. Das sieht man auch an der Gehaltsentwicklung. Wie wir uns als Branche dagegen stellen können? Ich weiß es nicht. Aber es wird sicherlich Lösungen geben, zum Beispiel autonomes Fahren.
Späth: Die Gehälter für Fahrer steigen und steigen. Und wer will schon gerne wie bei uns Ware ausliefern und dafür 25 Mal abladen. Außerdem kostet ein Führerschein 7.000 bis 10.000 EUR. Zusätzlich wird die Logistik durch die Maut teurer. Mittlerweile gibt es schon Hersteller, die uns nicht beliefern können, weil sie keine Lkw zur Verfügung haben.
Die Fragen stellten Cornelia Küsel, Jochen Lange und Michael Steinert.- cornelia.kuesel@snfachpresse.de
aus
BTH Heimtex 09/19
(Wirtschaft)