A.S. Création Tapeten AG
"Wir müssen mehr für Tapete trommeln"
Mit Metropolitan Stories hat A.S. Création bereits die zweite Karte mit Endverbraucher-Werbekampagne auf dem Markt. Das Unternehmen will sich auch an der vom VDT geplanten Initiative beteiligen. Im Gegenzug verzichtet der Hersteller 2020 auf einen Stand auf der Heimtextil.
BTH Heimtex: Vor zwei Jahren haben Sie mit Neue Bude 2.0 eine Kollektion mit begleitender Endverbraucher-Werbekampagne gestartet, die mit Metropolitan Stories fortgesetzt wird. Beim Tapetengipfel des Verbands der Deutschen Tapetenindustrie haben alle Branchenteilnehmer entschieden, eine gemeinsame Kampagne auf den Weg zu bringen. Wird sich A.S. Création parallel zur eigenen Initiative mit der vom VDT für die Industrie vorgeschlagene Summe von 500.000 EUR beteiligen?
Roland Bantel: Wir werden uns auf jeden Fall beteiligen. Das haben wir bereits 2017 deutlich gemacht, als wir im Ausschuss für Marketing als Gast zugegen waren. Da aus der zu dem Zeitpunkt bereits geplanten Kampagne des VDT aber zunächst nichts wurde, haben wir uns mit unserer Kollektion Neue Bude 2.0 für eine eigene entschieden.
BTH Heimtex: Die hohen Investitionen in die Werbekampagnen wird A.S. Création angesichts rückläufiger Umsätze sicherlich kompensieren. Wo setzen Sie den Rotstift an?
Bantel: Wir werden im kommenden Jahr nicht zur Heimtextil nach Frankfurt fahren, um unsere Kommunikation direkt zum Endverbraucher deutlich verstärken zu können. Zwar haben wir in der mehr als zehnjährigen Zusammenarbeit mit der Messe viele Erfolge gemeinsam erzielt. Aber der Markt geht kontinuierlich zurück. Deshalb haben wir uns entschieden, Geld umzuschichten und mehr in den Endverbraucher zu investieren.
Stefan Gauger: Wir haben nichts gegen die Heimtextil, sie ist für die Branche wichtig. Aber für uns ist es sehr teuer, dort einen Stand zu betreiben. Wir sind davon überzeugt, dass es in den derzeit schwierigen Zeiten sinnvoller ist, das Geld für die Endverbraucher-Werbung auszugeben. Wir wollen unsere Aktivitäten bündeln und gezielt werben.
BTH Heimtex: Geht das Geld komplett in die Werbung?
Bantel: Ja, auf alle Fälle. Denn es fehlt die Frequenz. Derzeit kommen immer weniger Menschen in die Märkte - aus diversen Gründen. Das Wetter war zumindest im vergangenen Jahr ein wichtiger Grund. Bei schönem Sommerwetter will man nicht tapezieren. Das Thema Outdoor mit draußen wohnen spielt insgesamt eine zunehmende Rolle. In dieser Situation müssen wir daran arbeiten, den Endverbraucher wieder für Tapete zu begeistern. Wir müssen mehr für Tapete trommeln.
Aber teure Endverbraucher-Kampagnen und Messepräsenz - das geht derzeit einfach nicht. Unser Schwerpunkt ist der Endverbraucher. Dass wir damit auf dem richtigen Weg sind, beweist der Erfolg unserer Bude 2.0. Mit Metropolitan Stories knüpfen wir direkt an.
BTH Heimtex: Wenn A.S. Création als Marktführer der Messe Heimtextil fernbleibt, hat das doch sicherlich Signalcharakter. Besteht nicht die Gefahr, dass künftig weitere Tapetenhersteller und Zulieferer Ihrem Beispiel folgen?
Bantel: Das können wir nicht beurteilen. Wir haben uns erst einmal auf unser Ziel fokussiert, das Bewusstsein für Tapete zu stärken. Dem müssen wir in Zeiten fehlender Frequenz im Handel Rechnung tragen und das Geld in unsere eigenen Aktionen oder die VDT-Werbung umleiten. Ob wir 2021 dann wieder zur Heimtextil fahren, wird sich zeigen.
BTH Heimtex: Gibt es weitere Maßnahmen, um mehr Geld in die Werbung stecken zu können?
Bantel: Ja, wir überdenken unsere Lizenzen. Mit diesem Thema waren wir zu einem Zeitpunkt breit aufgestellt, zu dem dies sinnvoll war. Aber die Gegebenheiten haben sich verändert, dieser Entwicklung müssen wir uns anpassen. Wir haben bereits vor drei Jahren alle Lizenzen auf den Prüfstand gestellt und uns von einigen getrennt. Dazu gehört unter anderem Schöner Wohnen.
BTH Heimtex: Hat auch die nachlassende Markenaffinität der jungen Generation die Entscheidung für eine Reduzierung der Lizenzen gespielt?
Bantel: Auf alle Fälle. Die Markenaffinität verändert sich. Dennoch gibt es nach wie vor Top-Brands. Dazu gehört Versace.
BTH Heimtex: Bedeuten weniger Lizenzen auch, dass Sie die eigene Marke Livingwalls stärken werden?
Bantel: Ja, und wir konzentrieren uns auf A.S. Création und unsere Kollektionsthemen. Damit können wir auch international viel mehr Schlagkraft entwickeln. Der Erfolg unserer Strategie gibt uns derzeit recht. Bude 2.0 ist sehr gut gelaufen, mit Metropolitan Stories ziehen wir sehr gut nach. Zum Ende des Jahres erwarten wir einen weiteren Schub durch das internationale Geschäft, das etwas nachgelagert ist. Diese positive Entwicklung gibt uns Auftrieb für weitere Ideen.
BTH Heimtex: Die Kollektion Bude 2.0, mit der Sie die Endverbraucher-Kampagne gestartet haben, sprach eine breite Zielgruppe an. Die Nachfolgerin Metropolitan Stories scheint dagegen auf junge, urbane Menschen zugeschnitten zu sein. Täuscht der Eindruck?
Gauger: Grundsätzlich sprechen wir damit tatsächlich den urbanen Menschen an. Aber es geht auch um verschiedene Lebensstile, die unabhängig vom Alter sind und damit um Einflüsse, die durch Metropolen transportiert werden und sich in den vier Wänden wieder finden. Die Atmosphäre der Metropolen kann sowohl ein junger als auch ein älterer Mensch nachempfinden. Aber die Kollektion ist mit junger Handschrift komponiert. Damit wollen wir den angestaubten Charakter der Tapete, der noch in vielen Köpfen vorhanden ist, etwas auflockern.
Die Bude 2.0 startete mit schrägen, überzeichneten Typen, um Aufmerksamkeit zu erzielen. Metropolitan Stories sind auch außergewöhnlich, aber ein Stück stilvoller. Die Kollektion präsentiert darüber hinaus Einrichtungsideen und Accessoires, die zu den jeweiligen Metropolen passen. Sie erzählt Geschichten. Dieser Ansatz ist sehr erfolgreich. Im Herbst geben wir der Kampagne mit dem zweiten Teil noch mehr Schub.
BTH Heimtex: Planen Sie nach Ablauf von Metropolitan Stories eine dritte Kollektion?
Bantel: Wir planen auf jeden Fall eine Fortsetzung.
BTH Heimtex: Erst schräge Typen, jetzt die urbane Zielgruppe. Wendet sich die dritte Kollektion an die nach wie vor tapetenaffinere Landbevölkerung?
Bantel: Wir bringen nicht eine Tapete für die Landbevölkerung oder die Urbanen auf den Markt. Wir sehen unseren Schwerpunkt im Fashionbereich. Hier müssen wir neue Impulse setzen und damit der Tapete zu einem neuen Image verhelfen.
BTH Heimtex: Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Gründe für die gesunkene Tapetennachfrage?
Bantel: Die Wohnungen haben weniger Wände und auf die wird leider auch noch oft Glattvlies aufgetragen. Neben den zusätzlich schon oft genannten Gründen - Zunahme bodentiefer Fenster, Änderung des Rauchverhaltens, Verbesserung der Heizungen und Mietrechtsnovelle - wird das verfügbare Haushaltseinkommen in andere Bereiche investiert. Outdoor und Garten spielen eine große Rolle. Man lebt im Sommer draußen und investiert dort größere Beträge. Auch in Fahrräder wird investiert. Wandern und Reisen sind ebenfalls gefragt. Die Menschen verbringen immer weniger Zeit zu Hause. Vor allem die junge Generation trifft sich draußen oder kommuniziert über Social Media.
BTH Heimtex: Für die Zukunft der Tapete sind aber gerade die jungen Menschen wichtig. Erreichen Sie sie angesichts der von Ihnen geschilderten Entwicklung überhaupt noch?
Bantel: Wir glauben ja. Das zeigt sich auch immer wieder bei unseren Aktionen, die wir unter anderem an Unis durchführen. Wenn man jungen Menschen das Produkt nahe bringt und ihnen zeigt, wie man seinen Raum einfach und günstig verschönern kann, erweisen sie sich durchaus als tapetenaffin. Deshalb stecken wir viel Geld in Information über die Tapete, ihre Verarbeitbarkeit und die vielseitigen Gestaltungsmöglichkeiten, die sie bietet.
BTH: Sie konzentrieren sich bei ihren Kampagnen vor allem auf junge Menschen, die Tapete noch nicht kennen. Wäre es nicht sinnvoller, bei älteren anzusetzen, die das Produkt für sich wieder entdecken könnten?
Gauger: Die ältere Generation sprechen wir auch an. Wir müssen aber direkter mit der Jugend kommunizieren. Werbespots zeigen schöne Räume, die Einfachheit der Verarbeitung und wie man schnell mit wenig Kostenaufwand ein individuelles Wohnerlebnis erreichen kann. Im Rahmen einer Roadshow mit unserer Ape, einem italienischen Kleintransporter mit drei Rädern, haben wir dies auf dem Kölner Unigelände den Studenten vorgeführt. Die waren erstaunt darüber, wie einfach Tapezieren ist, nachdem sie selbst Bahnen an die Wand gebracht hatten.
Bantel: Das muss noch viel mehr kommuniziert werden. Wir haben 1999 die Innovation Vliestapete und deren Vorteile auf den Markt gebracht. Das ist jetzt 20 Jahre her. In dieser Zeit haben wir es leider allesamt nicht geschafft, der jüngeren Generation zu vermitteln, wie einfach es ist, Tapete auf die Wand zu bringen.
BTH: Wie wäre es mit selbstklebenden Tapeten?
Bantel: Daran arbeiten wir seit einigen Jahren. Die Herausforderung ist der Kleber im Kleisterbett, den man braucht, um Nähte zusammen zu schieben. Man muss ja beim Tapezieren immer ein wenig korrigieren. Diese Korrektur findet im Kleisterbett statt. Darin kann die Tapete quasi auf einer schwimmenden Ebene verschoben werden. Derzeit ist das Verschieben der Bahnen mit selbstklebenden Tapeten meines Wissens noch nicht möglich oder sehr schwierig.
BTH Heimtex: Wäre es aus Ihrer Sicht nicht eine Chance für kreative Maler, sich mit dem vielseitigen Produkt Tapete abzuheben?
Bantel: Das machen auch einige. Tapete ist nach wie vor ein margenstarkes Produkt, mit dem sich Geld verdienen lässt. Aber die Tapete hat nun mal insgesamt an Bedeutung verloren. Und wenn der Verarbeiter merkt, dass sie beim Endverbraucher nicht mehr so gut ankommt, setzt er andere Schwerpunkte. Seit mehreren Jahren dient Tapete nur als Akzent auf einer Wand. Das bedeutet aber im schlimmsten Fall auch, dass uns der Rest des Zimmers fehlt.
Einige Händler signalisieren uns, dass mehr Menschen Tapeten kaufen. Aber die Anzahl der verkauften Tapeten ist deutlich gesunken. Dies kann man über eine Bonanalyse auslesen: Aus ehemals durchschnittlich sechs bis sieben Roll pro Bon sind schätzungsweise zwei bis zweieinhalb Rollen geworden. Unser Ziel muss daher sein, dass wieder alle vier Wände tapeziert werden.
BTH Heimtex: Dann schätzen Sie die Zukunft der Tapete als allgemein positiv ein?
Bantel: Ich bin fest davon überzeugt, dass die Tapete weiterhin Zukunft hat. Wir sehen bereits erste Anzeichen.
Eine wichtige Bedeutung kommt aber der Beratung zu. Wenn die stimmt, stimmt auch der Umsatz. Das ist eine echte Korrelation.
Im Rahmen unserer Tapeten-Akademie haben wir festgestellt, dass der Berater vor Ort die Stilsicherheit gibt, die der Verbraucher letztlich erwartet, wenn er sich zuvor zu Hause im Netz Tapeten angesehen hat. Wenn er nicht kompetent beraten wird, wandert der Kunde ab und kommt nicht wieder. Das ist unsere große Herausforderung: Viele Mitarbeiter im Handel haben aus den verschiedensten Gründen nicht genug Beratungssicherheit. Doch die Notwendigkeit von Schulungsmaßnahmen ist schwer zu vermitteln angesichts der Tatsache, dass Tapete bei der Flächenproduktivität nachlässt. Dagegen haben diejenigen, die in Schulungen investieren und eine Leidenschaft für Tapete entwickelt haben, ihren Umsatz deutlich verbessert oder mindestens gehalten. Diese Stabilität ist ja schon eine Verbesserung gegenüber dem Markt. Die Handelspartner müssen verstehen, dass man auch schulen muss.
BTH: Wie sind sie bei Raumausstattern vertreten?
Bantel: Raumausstatter sind unsere Zielgruppe für Kollektionen im hochwertigen Bereich.
BTH: Aber im allgemeinen spielt die Tapete doch beim Raumausstatter eher eine untergeordnete Rolle.
Bantel: Wir wollen das natürlich ändern und bieten dafür entsprechende Konzepte, beispielsweise auch Digitaldruck. Der Gesamtmarkt ist derzeit einfach schwierig. Deshalb sagen wir, wir müssen auf allen Ebenen das Image der Tapete aufpeppen.
BTH: Haben Sie schon mal über Shops nachgedacht, die keine Konkurrenz für Ihre Einzelhändler sein sollen, sondern Anlaufstellen für interessierte Endkunden, also eine Art Showroom? In stark frequentierten Einkaufszonen der Großstädte böte sich eine solche Einrichtung doch an.
Bantel: Das ist ein guter Punkt. Wir würden gerne Shops einrichten. Der VDT hat das ja schon mit dem Showroom in Hamburg gemacht. Unser Problem ist, wir können es nicht finanzieren. Wir hätten deutschlandweit gerne zehn Standorte.
Gauger: Der Store, der wünschenswert wäre, liegt noch in der Zukunft. Aber wir versuchen über alle möglichen Wege Kunden zu erreichen. Über Dekorateure, Schaufenstergestalter und auch TV-Produktionen, teilweise zum Selbstkostenpreis.
BTH: Tapete wird mittlerweile auch über das Internet vertrieben, im Großhandel sinkt ihr Umsatzanteil. Bleibt dieser trotzdem ein wichtiger Abnehmer?
Bantel: Der Großhandel hat nach wie vor für uns eine sehr wichtige Bedeutung, auch für die Zukunft. Weil er viele Dinge für seine Kunden bündelt, was wir alleine nicht schaffen würden. Der Großhändler verfolgt die Strategie, sein komplettes Sortiment, das er am Lager hält, schnell zu bedienen. Diese Bündelungen, die für den Verarbeiter sehr konvenient sind, können wir nicht auffangen. Deshalb hat der Großhandel seine Daseinsberechtigung, die er auch behalten wird.
Aber die Frage ist, brauche ich künftig noch 15 Lieferanten oder muss ich mich konzentrieren. Wir fördern den Großhandel mit unserer Marke Profitex, die Exklusivität bietet.
BTH: Wir haben einen Bauboom. Tapete wird aber vor allem in der Renovierung eingesetzt. Doch die lässt vielfach auf sich warten. Erwarten sie nach dem Bauboom wieder mehr Renovierung?
Bantel: Darauf hoffen wir. Dass die Wohnungen, die vor sieben oder acht Jahren noch im alten Stil gebaut wurden, auch renoviert werden. Ich glaube an die Renovierung, vor allem durch die Landbevölkerung. In der Provinz sind die Renovierungszyklen noch anders. Wir haben einen Indikator: Die Fachhändler auf dem Land registrieren wieder mehr Kunden. Das könnte dafür sprechen, dass es von der Urbanisierung ein wenig weg geht.
| cornelia.kuesel@snfachpresse.de
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BTH Heimtex 09/19
(Wirtschaft)