Neuer Katalog, neue Kampagne
Ikea startet breit angelegte Schlaf-Offensive
Hofheim-Wallau. Der Möbelkonzern Ikea rückt das Thema Schlafen in den Mittelpunkt seiner aktuellen Markketingaktivitäten. Die Schweden werben für eine bessere "Work-Life-Sleep-Balance" - und das längst nicht nur in ihrem auflagenstarken Katalog. Die Kampagne ist langfristig und breit angelegt.Eine Elfe geht auf die Barrikaden, um die Menschen wachzurütteln - für besseren Schlaf. Denn ohne Schlaf keine Träume, so die Botschaft. "Ab ins Bett, wir warten auf euch - in euren Träumen", sagt die Elfe am Ende des ungewöhnlichen Werbespots, mit dem Ikea in reichweitenstarken TV-Sendern ebenso wirbt wie in Kinos, im Radio oder sozialen Netzwerken. Denn die Menschen sollen mehr und besser schlafen - am besten natürlich in und mit den Produkten der Schweden.
"Wir machen aus der Work-Life-Balance die Work-Life-Sleep-Balance. So möchten wir die Menschen gleichfalls unterhalten wie auch für das Thema sensibilisieren", beschreibt Stefan Schulte die Idee der Kampagne, die noch mit einem weiteren witzigen Spot aufwartet. Er ist Geschäftsführer Kreation bei Thjnk Berlin, der ausführenden Agentur, die auch auf Außenwerbung setzt. Die "Work-Life-Sleep-Balance" wurde an zalreichen Plakatwänden beworben.
Das ist mehr als ein kurzfristiger Marketing-Gag, wie das Branchenblatt Horizont berichtet. Ikea verstehe das Thema langfristig und wolle es kontinuierlich fortsetzen. Allein für die TV-Spots wurde demnach enormer Aufwand betrieben: Animationsspezialisten, Puppenspieler und lebende Darsteller mussten für die mechanisch und elektronisch gesteuerten Traumwesen koordiniert und technisch zusammengeführt werden. Das Ergebnis ist weit mehr als herkömmliche Image- oder Produktwerbung.
"Es inspiriert uns bei Ikea, wie positiv sich guter Schlaf auf das Leben der Menschen auswirkt. Darauf wollen wir nicht nur aufmerksam machen, sondern sogar eine Bewegung für einen besseren Schlaf initiieren", erklärt Tanja Dolphin, Global Catalogue Manager bei Ikea Communications die Zielsetzung der Kampagne. Der Anspruch, den Schlaf der Verbraucher zu verbessern, soll sich auf zahlreiche Unternehmensbereiche auswirken - vomProduktsortiment über die Optimierung der Schlafzimmerabteilung in den Einrichtungshäusern bis hin zur Schulung der eigenen Mitarbeiter zu Schlafexperten und den Aufbau von Know-How über Kooperationen mit Experten und wissenschaftlichen Institutionen. Unter dem Strich, so kündigt Ikea an, solle das Angebot rund ums Schlafen deutlich erweitert werden.
Der neue Katalog beschäftigt sich beispielsweise damit, welchen Einfluss die Gestaltung des Schlafzimmers auf die Nachtruhe des Menschen hat. Nach Ansicht der Schweden sind dabei insbesondere fünf Faktoren entscheidend: Licht, Lärm, Komfort, Frischluft und Temperatur. Entsprechend soll der Katalog Ideen liefern, wie man mit Gardinen und Rollos, Matratzen, Bettdecken und Kopfkissen, Teppichen sowie Pflanzen etwas für einen besseren Schlaf tun kann.
Auch in den Einrichtungshäusern spielt das Thema Schlaf eine wichtige Rolle. So wurden in den vergangenen Monaten deutschlandweit die Schlafzimmerabteilungen von über 40 Einrichtungshäusern umgebaut. Sie zeigen nun Lösungen für verschiedene Schlaftypen - vom Familienbett, das jede Menge gemeinsamen Platz für Eltern und Kinder bietet, über die passende Umgebung für besonders nachtaktive Menschen bis zu einer Lösung für ein Paar, das sich wegen unterschiedlicher Schlaf- und Arbeitszeiten für getrennte Schlafbereiche entschieden hat.
Auch die rund 18.000 Mitarbeiter in Deutschland sollen von der Initiative für einen besseren Schlaf profitieren - mit zahlreichen Informationen und eigens entwickelten Schulungsmaßnahmen, aber auch mit der Entwicklung eines Konzepts für Schlafkojen, die ihnen künftig für Power Naps zur Verfügung stehen. Der erste Standort, der mit einer solchen Schlafkoje ausgestattet wird, ist das Einrichtungshaus in Kaarst. Weitere Einrichtungshäuser sollen sukzessive folgen.
Nicht zuletzt bietet ein 24-seitiges Kundenmagazin als E-Book mit dem Titel "Schlaf gut!" geballte Informationen rund ums Thema Schlafen. Es kombiniert aktuelle Forschungsergebnisse mit der Expertise des britischen Schlafforschers Dr. Guy Meadows und kann im Ikea-Blog heruntergeladen werden. "Wenn Schlaf ein Medikament wäre, würde es ständig verordnet", so Meadows. Aber wie muss das ideale Schlafzimmer gestaltet sein, um dort wirklich erholsamen Schlaf zu finden? Was sind Schlafkiller? Wieviel Schlaf braucht der Mensch? Und was hat er von gutem Schlaf? Diese und andere Themen werden verbrauchernah aufbereitet - bis auf das Thema Ergonomie, das komplett ausgeklammert wird. Dafür findet sich ein so genanntes Schlafmanifest in dem Ratgeber: Acht Thesen für das Recht auf guten Schlaf, in denen Begriffe wie Achtsamkeit und Wertschätzung nicht fehlen dürfen, um die Wertigkeit des Schlafens in der gesellschaftlichen Debatte zu verankern.
Dies alles stützt sich auf die Ergebnisse der Studie, die das Marktforschungsunternehmen YouGov im Auftrag von Ikea im vergangenen Jahr erarbeitet hat und für die rund 5.000 Deutsche zu ihren Schlafgewohnheiten befragt wurden (siehe Haustex 4/2019). Das Ergebnis: Fast die Hälfte schläft unter der Woche schlecht, und jeder fünfte Deutsche schläft im Schnitt weniger als sechs Stunden pro Nacht.
"Schlaf hat heute ein Imageproblem", konstatiert Dennis Balslev, Geschäftsführer von Ikea Deutschland. "In unserer multioptionalen Welt ist immer etwas zu tun, das uns wichtiger erscheint; wir schaffen es nicht abzuschalten und zur Ruhe zu kommen; wir halten Menschen, die wenig schlafen, für leistungsfähiger." Dabei sei Schlaf ein echtes Wundermittel und habe absolut positive Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden.
Hier setzt das Ikea-Marketing an: Allein der Katalog setzt neben der emotionalen Bildsprache auf zahlreiche Wohlfühl-Botschaften mit Forderungscharakter: Für frühere Zubettgehzeiten für alle, für Ausschlafen ohne schlechtes Gewissen, für die Freiheit, mit den Liebsten in superflauschiger Bettwäsche zu kuscheln - und so weiter. Wer wollte da widersprechen? Rund 23 Millionen Exemplare bringt Ikea allein in Deutschland davon in Umlauf.
Und auch Deutschlands oberste Sprachhüter wurden in die Kampagne involviert: In einem Brief an die Duden-Redaktion bat Dennis Balslev mit der entsprechenden medialen Begleitung darum, den Begriff " Work-Life-Balance" durch "Work-Life-Sleep-Balance" zu ersetzen. "Für eine wirklich gesunde Balance im Leben muss Schlaf als dritte, gleichberechtigte Säule hinzukommen. Um die Wichtigkeit von Schlaf für Gesundheit und Wohlbefinden zu unterstreichen, muss der Begriff auf Work-Life-Sleep-Balance erweitert werden", so Balslev.
Allein im Jahr 2018 seien 5.000 neue Begriffe in den Duden aufgenommen worden, viele davon aus dem Bereich der digitalen Medien, wie beispielsweise Klickzahl, liken, Selfie, Tablet oder tindern. Diese spiegelten, so Balslev, nicht nur den sprachlichen Wandel, sondern auch veränderte Lebensgewohnheiten wider. "Die Aufnahme des Begriffs Work-Life-Sleep-Balance würde dem gesellschaftlichen Trend zu einer neuen Wertschätzung von Gesundheit und Wellness Rechnung tragen", betont der Deutschland-Geschäftsführer in seinem Brief an die Duden-Redaktion.
Die Vision von Ikea sei es, den Menschen einen besseren Alltag zu schaffen, so der Deutschland-Chef: "Wir wollen eine gesellschaftliche Debatte anstoßen und Schlaf zu einem neuen, positiveren Image verhelfen." Ganz uneigennützig dürfte das nicht gedacht sein.
aus
Haustex 09/19
(Marketing)