Interview des Monats: Schmid Handelsgesellschaft mbH, Reichartshausen :

"Wir kommen als Fremde und gehen als Freunde"


Er kommt, wenn Händler Unterstützung brauchen: Michael Schmid hat sich mit seinem Unternehmen auf Sonderverkäufe im Einzelhandel spezialisiert. Bei einem Umbau oder einer Geschäftsaufgabe hilft er mit seinem Team aus Marketing- und Verkaufsspezialisten, binnen weniger Wochen ertragreiche Verkaufsaktionen durchzuführen. Lange hatte seine Branche mit Vorbehalten zu kämpfen, doch Michael Schmid hat es geschafft, sich als verlässlicher Partner des Handels zu etablieren. Im Haustex-Interview erzählt er gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Fariborz Jalali, wie das gelang und was passiert, wenn sein Team vorübergehend die Regie im Geschäft übernimmt.

Haustex: Herr Schmid, Sie haben Ihr Unternehmen 1994 gegründet. Was hat sie dazu bewogen, sich auf Sonderverkäufe zu spezialisieren?

Michael Schmid: Wir verstehen uns als Dienstleister des Handels. Entstanden ist das Unternehmen als kleine Werbeagentur. Zunächst als Ein-Mann-Show, spezialisiert auf den Orientteppich-Handel, wo es vor allem um Anzeigen-, Beilagenwerbung und Geschäftspapiere ging. Schnell stellte sich heraus, dass das nicht das war, was die Händler brauchen - sie wollten Aktionen, Events und Veranstaltungen haben. Also haben wir uns von der Werbeagentur zur Eventagentur entwickelt.

Haustex: Wie ging es danach weiter?

Schmid: Fünf Jahre später haben wir nach Gründung der GmbH im Bereich Möbel, Heimtextilien, Bodenbeläge und Raumausstattung Fuß gefasst. Aktuell haben wir fünf festangestellte Mitarbeiter im Backoffice und zehn bis zwölf Projektleiter und Verkäufer, die für uns arbeiten, bei Bedarf noch zusätzlich Hilfskräfte für die Logistik. Wir haben Verkaufs-Profis im Bereich Matratzen, Heimtextilien, Bettwaren, Möbel und Teppiche. In allen anderen Branchen holen wir uns die entsprechenden Fachkräfte dazu. Das sind Freiberufler, die aber mittlerweile fast ausschließlich für uns tätig sind.

Haustex: Daraus lässt sich schließen, dass Sie gut zu tun haben. Wer beauftragt sie?

Schmid: Hauptsächlich die Einzelhändler selbst, die den Kontakt zu uns über ihre Kollegen in den Erfa-Gruppen oder ihren Verbänden finden. Viele Kontakte erhalten wir aber auch über die Industrie, deren Außendienstmitarbeiter durch ihre langjährigen Kontakte oft als erste erfahren, ob bei ihren Kunden Veränderungen anstehen.

Haustex: Überspitzt gesagt: Wenn es dem Handel schlecht geht, ist das gut für Ihr Unternehmen?

Schmid: Ja, das trifft schon zu, wir sehen das aber mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Mit dem weinenden Auge, weil es zeigt, was mit dem klassischen Einzelhandel passiert. Da wir selber alle aus dem Handel kommen, gefällt uns das nicht. Aber ehrlicherweise muss man auch sagen, dass wir davon profitieren. Dennoch: Wir sind nicht verantwortlich für die Entwicklung im Einzelhandel, sondern wir treten an, um zum Beispiel bei einer Geschäftsaufgabe, einen wirtschaftlich erfolgreichen Abschluss für den Unternehmer zu realisieren.

Haustex: Was sind die Anlässe, zu denen Sie beauftragt werden?

Schmid: Ein Umbau ist immer ein sinnvoller Anlass. Im Moment sind Geschäftsübergaben ein ganz starkes Thema. Wenn Nachfolgeregelungen anstehen, sei es in der Familie oder auch extern, will der Nachfolger meist ungern den vorhandenen Warenbestand übernehmen. Sein Interesse gilt hauptsächlich der Infrastruktur, den Adressen und den guten Namen. Dann ist es unsere Aufgabe, die vorhandenen Lagerbestände abzuverkaufen, so dass nur das leere Ladenlokal übergeben werden kann.

Fariborz Jalali: Hinzu kommen Jubiläumsverkäufe, Geburtstage, Neueröffnungen, Filialschließungen, und wir wickeln natürlich auch Insolvenzen ab. Letztere aber in der Regel im Auftrag von Banken, Rechtsanwälten und Insolvenzverwaltern.

Haustex: Wie unterscheiden sich die Aktionen?

Jalali: In der Vorbereitung so gut wie gar nicht, die Vorgehensweise ist im Prinzip immer dieselbe. Aber bei einer Schließung haben wir den Auftrag: Am Schluss muss der Laden leer sein, idealerweise besenrein. Bei einem Umbau sollen wir bestimmte Warengruppen und Überhänge veräußern, da für die bevorstehenden Umbaumaßnahmen Platz geschaffen werden muss. Am Ende sollen wir möglichst viel verkauft haben - aber nicht um jeden Preis. Wir achten sehr darauf, welche Waren bedingungslos verkauft werden sollen, diese müssen günstig verkauft werden. Aber das Standardsortiment, welches später weiterhin angeboten werden soll, wird nur mit geringem Nachlass verkauft. Auf Grund der dadurch erzielten Mischkalkulation erzielen wir für unsere Partner ein wirtschaftlich lukratives Ergebnis.

Haustex: Wie beginnt der Prozess, den Sie mit dem Kunden durchlaufen?

Schmid: Wir benötigen zunächst die Betriebszahlen für eine konkrete Planung. In der Regel sind das die Umsätze der letzten Jahre. Wir sagen den Kunden immer: Wenn Sie uns die Umsätze nicht nennen wollen, haben wir vollstes Verständnis. Die Unternehmer kennen uns ja nicht und wir kennen sie nicht. Aber für eine detaillierte und zielgenaue Planung sind diese Zahlen erforderlich. In der Regel bekommen wir diese auch.

Haustex: Welche Parameter benötigen sie außerdem?

Schmid: Wir brauchen den Wert des aktuellen Warenbestands, die Lagerumschlag-Häufigkeit und die Höhe des Werbeetats der vergangenen Jahre. Gibt es eine Stammkundenkartei? Intern haben wir für uns außerdem einen Fragenkatalog entwickelt, aus dem wir am Ende eine Kennziffer ableiten, mit der wir ermitteln, wieviel Prozent eines Jahresumsatzes im Abverkauf generiert werden können.

Haustex: Das sind die nackten Zahlen. Welche Rolle spielt Ihr persönlicher Eindruck?

Schmid: Dank unserer 25-jährigen Erfahrung können wir relativ gut erkennen, ob unser Gegenüber unsere Ideen und Vorschläge annimmt. Unser Partner erhält von uns eine Ertragsplanung, bei der am Ende der Ertrag steht, den wir erwirtschaften wollen. Wenn er uns dann unser Konzept umsetzen lässt, dann schaffen wir das auch.

Jalali: Wir gehen grundsätzlich vor dem Ersttermin in den Ort des Firmensitzes und erkundigen uns über das Unternehmen, um ein Gefühl zu bekommen, welches Image es beim Endverbraucher hat. Wir sprechen mit rund 100 Leuten und fragen: Kennen Sie das Unternehmen, wie ist der Ruf? Wie sieht die Konkurrenzsituation aus - gibt es viel, gibt es wenig? Das ist ein sehr wichtiger Aspekt. Und wir prüfen, wie sehr uns unser Gegenüber freie Hand lässt. Das ist ein Puzzlestück, das im Ergebnis zehn Prozent mehr oder weniger ausmachen kann.

Haustex: Wie geht es dann weiter?

Schmid: Wir besprechen den Ablauf der Aktion gemeinsam mit unserem Kunden und definieren die Ziele und die notwendigen Schritte auf dem Weg bis zum Start der Verkaufsaktion. Es werden die Betriebszahlen besprochen, digitale Fotos aufgenommen und eine erste Einschätzung gegeben. In der Zwischenzeit verhandeln meine Mitarbeiter im Backoffice mit den Zeitungen und Produktionsfirmen, sodass wir zeitnah einen Mediaplan mit allen relevanten Kosten präsentieren können. Zusätzlich organisieren wir attraktive Warenpakete, um auch die Attraktivität des Warenlagers zu erhöhen. Das hilft uns, die Altware leichter zu vermarkten und zusätzliche Liquidität zu schöpfen.

Haustex: Wie berechnen Sie das Ergebnis, das Sie erzielen wollen?

Schmid: Indem wir auflisten, welchen Umsatz wir mit der vorhandenen Ware und welchen Umsatz wir mit der Ergänzungsware erzielen werden, was deren Einkaufspreis ausmacht, wie hoch die Werbekosten sind, was wir bekommen und was an sonstigen Kosten anfällt. Als Ergebnis bekommt der Kunde zwei Werte, die für ihn wichtig sind: Mit welchem Erlös er unterm Strich rechnen kann und wie hoch der verbleibende Warenbestand, nach Beendigung der Aktion, sein wird. Mit diesen Werten kann unser Partner planen. Teilweise werden unsere Planzahlen sogar den Banken oder Steuerberatern zu Finanzierungs- oder Investitionsgesprächen vorgelegt. Ich bin überzeugt, dass außer uns keiner diese Transparenz bietet, da man natürlich daran gemessen werden kann. Das ist aber auch ein Grund, weshalb wir bei Unternehmern, Verbänden, Institutionen und der Industrie geschätzt werden: Wir bieten Planungssicherheit.

Haustex: Wie zielgenau können sie tatsächlich planen - hundertprozentige Sicherheit, dass eine Verkaufsaktion genau so läuft wie gedacht, gibt es doch sicher nicht?

Schmid: Aus unserer heutigen Erfahrung kann ich sagen, dass wir zu 90 Prozent über dem prognostizierten Plan liegen. Nach den ersten vier oder fünf Verkaufstagen des Abverkaufs lässt sich sehr genau sagen, wohin die Reise geht. Die erste Woche ist immer die stärkste, dann wird es etwas weniger und am Schluss steigt der Umsatz nochmal gewaltig.

Haustex: Wieviel Diskussionsbedarf gibt es, wenn die Erwartungshaltung des Kunden und ihre prognostizierten Zahlen voneinander abweichen?

Schmid: Das differiert immer. Unsere Partner können sich in der Regel nicht vorstellen, welche Umsätze in dem Aktionszeitraum möglich sind. Wir hören in jedem Gespräch: Wie auch immer es bei anderen Aktionen in anderen Städten gelaufen ist - bei uns wird es anders sein, unser Kundenklientel ist verwöhnt und reagiert nicht auf Rabatte, die von Ihnen empfohlenen Preislagen der Kommissionspakete können bei uns nicht verkauft werden, und so weiter. Diese Diskussion führen wir bei jedem Unternehmen.

Haustex: Womit überzeugen Sie dann Ihr Gegenüber?

Schmid: Letztendlich sind es Erfahrungswerte, die wir selbstverständlich auch mit Zahlen belegen können. Darüber hinaus haben wir Referenzadressen ehemaliger Auftraggeber, die wir gerne weitergeben, damit sich unser Partner direkt über unsere Arbeitsweise informieren kann. In der Regel ist das Thema damit erledigt. Denn dann hören sie: Das funktioniert, verlasst Euch darauf. Die Unternehmer können auch bei ihren Lieferanten, den Verbänden oder Verbandskollegen rückfragen, zu denen sie gute Kontakte haben. Wir sind überall als verlässlicher Partner bekannt.

Jalali: Wir planen unsere Aktionen eher defensiv, da wir daran auch die Kosten festlegen. Wir rechnen mit einem bestimmten Prozentsatz für Werbung und Logistik. In der Regel liegen wir am Ende der Aktion über Plan. Diese Vorsicht in der Planung gibt den Kunden Sicherheit. Dennoch gibt es immer Diskussionen, ob wir wirklich die angestrebten Umsätze erzielen können.

Schmid: Wir sagen beim Erstgespräch zu unseren Kunden, dass wir eine Ehe auf Zeit eingehen. Das tun wir ganz bewusst, denn wir sprechen über Interna, die auch nur in diesem kleinen Kreis bleiben dürfen: Umsatz und Kostenstruktur zum Beispiel oder anstehende Kündigungen bei einer Geschäftsaufgabe. Ich sage zu Beginn des Gesprächs: Wir kommen als Fremde und gehen als Freunde. Das ist keine Floskel, jeder in unserem Team lebt diesen Gedanken. In 80 Prozent aller Aktionen trifft das auch genauso zu, ein weiterer Punkt für unseren guten Ruf.

Haustex: Welchen zeitlichen Vorlauf benötigen sie für eine erfolgreiche Verkaufsaktion?

Jalali: Das ist völlig unterschiedlich. Wir haben aktuell eine Geschäftsaufgabe, bei der wir das Erstgespräch vor mehr als drei Jahren geführt haben. Der Unternehmer hat sich dann vor gut einem Jahr gemeldet und gesagt: Jetzt machen wirs. Wir brauchen mindestens vier Wochen, wenn es schnell gehen muss. Eine gute Vorbereitung dauert cirka drei Monate, idealerweise sogar ein Jahr. Je mehr Zeit, desto besser die Vorbereitung. Im letzten Jahr hatten wir manchmal nur vier oder fünf Wochen zur Verfügung. Das resultierte aus den schwächelnden Umsätzen und hatte oft Liquiditätsgründe. Nach dem schwachen Sommer kamen plötzlich mehrere Unternehmer und meinten: In diesem Herbst muss ich noch dringend etwas machen.

Haustex: Eine Geschäftsaufgabe aufgrund des Alters oder mangels eines Nachfolgers lässt sich gut voraussehen. Wie strategisch denken Ihre Kunden?

Schmid: Nicht alle sind strategisch unterwegs. Etwa 20 Prozent denken ein, zwei Jahre voraus, aber der Großteil reagiert kurzfristig. Das hat verschiedene Gründe. Wenn sich beispielsweise eine Nachfolgeregelung ergibt, kann es ganz schnell gehen. Mitunter haben wir es auch mit einem Krankheitsfall zu tun, auch dann muss es schnell gehen. Wenn wir auf Fachmessen ausstellen, kommen die Händler nicht unbedingt an unseren Stand, am Ende der Messe sind jedoch unsere Broschüren vergriffen. Das bedeutet, dass die Unternehmer intern vielleicht doch zwei, drei Jahre vorausdenken, aber sich Zeit lassen, bis sie zu uns kommen.

Haustex: Liegt das vielleicht daran, dass eine Geschäftsaufgabe auch mit Tabus behaftet ist?

Schmid: Bis vor einigen Jahren würde ich sagen: ja. Auch weil die Händler vielleicht dachten: Oha, da kommt ein "Räumer", der beschädigt mit seinen Methoden unseren guten Ruf, das ist nicht seriös. Das hat sich völlig verändert. Wir sind mittlerweile ein etablierter Dienstleistungspartner des Handels, so wie eine Werbeagentur, eine Versicherung, ein Architekt oder ein Innenausstatter. Heute haben wir ein ganz anderes Standing als noch vor einigen Jahren.

Haustex: Worauf führen Sie das zurück? Was hat sich verändert?

Schmid: Bis vor zwei Jahren sind die Flaggschiffe, die großen Unternehmen gar nicht zu uns gekommen, weil sie der Meinung waren: Das können wir selbst. Sie haben selbst viele Events veranstaltet, kommen jetzt aber doch zu uns, um sich Rat zu holen. Wenn ich sehe, dass wir bei einem Räumungsverkauf hochwertiger verkaufen als unsere Auftraggeber in "Friedenszeiten", dann zeigt das, wie wir uns entwickelt haben, aber auch, wie vorsichtig der Handel draußen ist.

Haustex: Woher kommt die Vorsicht?

Schmid: Wir haben momentan das Gefühl, dass die Händler ein wenig Angst vor den Preisen haben. Sie werden natürlich jeden Tag mit der 199-Euro-Online-Matratze konfrontiert. Darauf gehen wir aber gar nicht ein, weil wir sagen: Der Fachhandel hat die Qualität, er hat hochwertige Ware und er hat geschultes Fachpersonal - warum soll er sich oder seine Waren zu billig verkaufen? Das ist übrigens auch ein Punkt, warum man uns holt: Weil die Händler sehen wollen, wie wir das schaffen.

Haustex: Können Sie besser verkaufen als die Fachhändler?

Schmid: Wir verkaufen anders. Die Händler sind fachlich top, Vollprofis. Aber sie machen teilweise zu viel, so dass der Kunde irgendwann sagt: Ich muss mir das noch einmal überlegen. Oder er vergleicht lieber nochmal die Angebote der Konkurrenz oder aus dem Internet. Unsere Verkäufer sind so geschult, dass sie möglichst am selben Tag abschließen, gegebenenfalls auch mittels Skonto. In der Regel schaffen sie das auch.

Haustex: Wie lange läuft eine solche Verkaufsaktion?

Schmid: Bei einer Schließung planen wir mit fünf bis sechs Wochen, mit Verlängerungsoption, je nach Verlauf der Aktion. Bei einem Umbau planen wir in der Regel mit drei bis vier Wochen.

Haustex: Sind Ihre Verkäufer in der gesamten Zeit vor Ort?

Schmid: Ja, wir haben immer einen Projektleiter vor Ort. Er ist der direkte Ansprechpartner für den Inhaber, beispielsweise bei Fragen zu Werbung, Personal oder Logistik. Dazu kommt unser Verkaufspersonal und wir haben im Backoffice immer eine verantwortliche Projektassistentin als Ansprechpartner für den Unternehmer. Vom Projektleiter wird jede Woche kontrolliert, wie der aktuelle Stand ist: Welcher Umsatz bisher erzielt wurde, mit welchen Kosten. Wenn es Veränderungen nach oben oder unten gibt, wird entsprechend korrigiert.

Haustex: Führt es nicht zu Spannungen mit dem angestammten Personal, wenn Sie mit Ihren Verkäufern in den Geschäften auftauchen?

Schmid: Spannungen gibt es kaum, Vorbehalte schon: Wer sind die, was machen die? Schon im Vorfeld sind deshalb die Mitarbeiter bei den Gesprächen dabei. Wir wollen sie von Anfang an im Boot haben - weil wir sie brauchen. Wir beginnen eine Aktion in der Regel mit einem Stammkundenverkauf. Diese ersten Tage sind die umsatzstärksten der gesamten Aktion. Wenn die Mitarbeiter und die Unternehmer sehen, was da passiert und wie wir arbeiten, haben sich sämtliche Vorbehalte erledigt.

Haustex: Stammkunden sind sensible Kunden. Wie gehen Sie da vor?

Schmid: Das Wichtigste ist, dass die Stammkunden Ihre Wertschätzung zum Unternehmen nicht verlieren. Entsprechend formulieren wir den Text für das Kundenanschreiben, welchen wir dem Händler vorlegen, damit er sich mit dem Inhalt identifizieren kann. Wenn er den Text freigegeben hat, wird dieser an unseren Lettershop übermittelt, der das Mailing konfektioniert und versendet.

Jalali: Wir beginnen mit den Stammkunden und sagen ihnen: Bevor es die Öffentlichkeit erfährt, dürft ihr einkaufen. Damit fühlen sich die Kunden entsprechend wertgeschätzt - und die Bude ist voll.

Schmid: Es ist wichtig, dass das, was in der Werbung gesagt wird, auch tatsächlich stimmt. Denn nur das schafft nachhaltiges Vertrauen zum Unternehmen. Wenn der Unternehmer einen Räumungsverkauf wegen eines Umbaus ankündigt, dann muss ein Umbau auch tatsächlich erfolgen. Denn die Kunden spüren sehr wohl, ob die Werbeaussagen der Wahrheit entsprechen, und reagieren dementsprechend.

Haustex: Was geschieht, wenn Sie mit Ihrem Team vor Ort eintreffen?

Schmid: Wir schauen uns zunächst einmal an, wie die Ware präsentiert wird. In der Regel legt der Unternehmer sehr viel Wert auf das optische Erscheinungsbild in den einzelnen Abteilungen. Bei uns steht aber der beschleunigte Abverkauf im Vordergrund. Wir bringen Schnelldreher in den Kassenbereich. Handtücher zum Beispiel dürfen nicht versteckt liegen, sondern an stark frequentierten Stellen, wo auch andere Mitnahmeartikel platziert sind. Auch die preisaggressiven Sonderangebote müssen nach vorne, damit dem Kunden sofort signalisiert wird: Hier ist alles stark reduziert. Zwischen zehn Prozent für Bestellungen und Markenartikel bis zu 60 Prozent bei schwer verkäuflichen Artikeln planen wir die Rabattstufen. Wenn es sich um Markenartikel handelt, müssen wir diese nicht zu günstig verkaufen.
Haustex: Sie stellen das Geschäft also auf den Kopf?

Jalali: Wenn wir ein größeres Bettenfachgeschäft haben und dort zum Beispiel 40 Musterbetten stehen, bauen wir gegebenenfalls ein Drittel ab und stellen dort zusätzliche Tische auf, um Platz für Schnelldreher zu bekommen. Wir verändern das Haus, es wird optisch vielleicht auch nicht ganz so schön aussehen, aber so funktional, dass es für einen Räumungsverkauf geeignet ist.

Haustex: Welche besonderen Anforderungen gibt es im Verkauf?

Schmid: Bei jeder Aktion gibt es einen Tag vor dem Start eine Mitarbeiterbesprechung. Wir schauen uns noch einmal die Produkte gemeinsam an und erklären, dass eine ausführliche Beratung nicht mehr möglich sein wird. Das ist die größte Herausforderung: Mit den Hausverkäufern zu sprechen, die das jahrelang anders gewohnt waren. Da stoßen wir auch schon mal auf Widerstand. Unsere Verkäufer sind in der Lage, zwei oder drei Kunden parallel zu bedienen. Der große Unterschied besteht darin, dass die Haus-Mitarbeiter ihr Fachwissen bis ins kleinste Detail den Kunden vermitteln wollen, so dass die Kunden manchmal auch überfordert sind. Wir hören mit dem fachlichen Teil der Beratung irgendwann auf, und dann geht es eigentlich nur noch um den Preis und die Entscheidung des Kunden, wieviel und wofür er sein Geld ausgeben möchte.

Haustex: Und da sitzt das Geld dann locker?

Schmid: Eigentlich schon, ganz wichtig sind die Zusatzverkäufe. Darauf sind unsere Mitarbeiter besonders geschult: Wenn zum Beispiel eine Matratze verkauft wurde, ist für unsere Verkäufer das Gespräch nicht beendet. Dann zeigen sie dem Kunden ein schönes Federbett, Kissen oder Bettwäsche. In der Regel gehen die Kunden mit deutlich mehr Produkten nach Hause, als sie eigentlich geplant hatten. Das versuchen wir den Mitarbeitern unseres Partners klarzumachen: nicht aufzuhören und glücklich zu sein, wenn eine Matratze verkauft wurde - sondern das gesamte Potenzial der Kunden auszuschöpfen.

Haustex: Versuchen die Endkunden nicht auch, für sich möglichst viel rauszuschlagen?

Schmid: Das ist tatsächlich so, es hängt letztendlich immer vom jeweiligen Unternehmen ab, wie man sich bei Rabattgesprächen in der Vergangenheit verhalten hat. Wenn ich einen Händler habe, der nie Rabatte gegeben hat, dann erzielen wir in der Regel den reduzierten Preis. Es gibt aber auch Unternehmen, die ganzjährig preisaggressiv am Markt auftreten und auch im Normalgeschäft immer Zugeständnisse machen, da sind natürlich auch bei einem Räumungsverkauf Preisgespräche an der Tagesordnung. Darüber sprechen wir im Vorfeld mit unseren Auftraggebern, in welchen Fällen oder bei welchen Produktgruppen im Verkaufsgespräch ein zusätzlicher Rabatt gegeben werden kann. Statt einem zusätzlichen Rabatt können auch erlassene Lieferkosten ein Mittel sein, oder einen Naturalrabatt. Letztendlich entsteht ein Spiel zwischen Käufer und Verkäufer.

Haustex: Was kommt häufiger vor: Ein Umbau oder eine Geschäftsaufgabe?

Schmid: Das kann sich von Jahr zu Jahr ändern. Wenn ich die vergangenen drei Jahre betrachte, würde ich sagen: 70 Prozent Schließungen und 30 Prozent Umbauten, davon die meisten im Bettenfachhandel.

Haustex: Sie stellen Ihren Kunden zwei Abrechnungsmodelle zur Verfügung: die Sofortlösung und die Begleitung. In welcher Situation ist welches Modell für den Kunden das bessere?

Schmid: Bei der Sofortlösung hat unser Partner kein wirtschaftliches Risiko. Wir kaufen seinen Warenbestand zu einem fairen Marktpreis, zusätzlich bieten wir ihm pro Verkaufswoche eine Nutzungsentschädigung für das Ladenlokal und seinen Namen - mit diesem Betrag kann er fix planen, egal wie der Räumungsverkauf verlaufen wird. Die Aktion wird dann von uns in Eigenregie durchgeführt, Kosten für Kassenpersonal, Logistik und Verkauf tragen wir.

Jalali: Die Begleitung bedeutet, dass wir den Verkauf planen und organisieren - aber letztendlich hat unser Partner immer das letzte Wort. In der Regel hat der Unternehmer bei dieser Abrechnungsvariante einen höheren Erlös. Er trägt dafür das wirtschaftliche Risiko und muss sich dem Trubel während der Aktion bis zum Schluss aussetzen.

Haustex: Gibt es für den Händler besondere logistische Herausforderungen?

Schmid: Bei einer Schließung generieren wir plus/minus einen Jahresumsatz, teilweise auch mehr. Das bedeutet auch, dass der logistische Aufwand eines Jahres innerhalb dieses kurzen Aktions-Zeitraums anfällt. Gegebenfalls werden zusätzliche Fahrzeuge inklusive Fahrer und zusätzliche Kassen mit Kassenpersonal benötigt, die Mitarbeiter vor Ort müssen Überstunden leisten und so weiter. Das muss alles im Vorfeld geklärt und organisiert werden, denn man darf nicht vergessen: Den gesamten Arbeitsaufwand eines Jahres haben wir komprimiert innerhalb von fünf bis sechs Wochen.

Haustex: Was geschieht nach Abschluss einer Verkaufsaktion, zum Beispiel mit den Warenträgern oder der restlichen Einrichtung?

Schmid: Das Inventar wird in der Regel schon während des Abverkaufs verkauft. Sollte das nicht gelingen, wird nach Beendigung der Aktion noch einmal eine Anzeige in der örtlichen Presse geschaltet.

Haustex: Und dann übergeben sie besenrein?

Schmid: Bei einer Insolvenz müssen wir das. Ansonsten übergeben wir nur besenrein, wenn es gewünscht ist. Die Waren-Aktionspakete werden nach Verkaufsende von uns gepackt und zurückgeschickt. In der Woche danach sind wir meistens noch mit einer Person vor Ort, um die restlichen Arbeiten, Abholungen oder Auslieferungen zu gewährleisten. Dann wird auch die Beschilderung am und im Haus entfernt. Zum Schluss gibt es ein Gespräch mit unserem Auftraggeber, wo ein Resümee gezogen wird. Die gesamte Aktion wird dabei im Hinblick auf Umsatz, Ertrag und Rentabilität überprüft.

Haustex: Und wann ist eine Aktion aus Ihrer Sicht erfolgreich verlaufen?

Schmid: Am wichtigsten ist, dass wir unsere Prognose erreichen. Für uns gehört aber auch zum Erfolg ein gutes und harmonisches Miteinander mit unserem Partner und dessen Mitarbeitern. Bevor wir uns verabschieden, findet meistens für alle Beteiligten eine Abschiedsfeier statt, wo wir gemeinsam die turbulenten Wochen Revue passieren lassen. Und wenn wir dann noch eine Referenz von unserem Auftraggeber erhalten, sind wir glücklich.


Michael Schmid
Michael Schmid hat seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann im Bereich Teppiche und Bodenbeläge absolviert und wechselte 1985 zunächst zum größten Orientteppich-Importeur Europas in Stuttgart. 1994 folgte der Schritt in die Selbständigkeit: Er entwickelte und produzierte zunächst Werbekonzepte für den Teppichhandel und kooperierte später mit einem Unternehmen, das bereits Räumungsverkaufe im Teppichhandel durchführte. 1999 gründete er die Schmid Handelsgesellschaft mbH und wickelte mit seinem Unternehmen seither mehr 500 Verfahren ab.


Fariborz Jalali
Fariborz Jalali begann seine berufliche Laufbahn in Deutschland beim größten Orientteppich-Importeur Europas in Stuttgart. Dort trug Jalali Verantwortung für 20 Fachabteilungen bei verschiedenen Handelskonzernen und Möbelhäusern. 1998 eröffnete Jalali den ersten von insgesamt vier Fachmärkten (Matratzen, Bettwaren, Gardinen, Polstermöbel, Orientteppiche) in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Seit 2011 ist er als Mitglied der Geschäftsführung der Schmid Handelsgesellschaft mbH für die gesamte Projektabwicklung verantwortlich.


Schmid Handelsgesellschaft
Schmid Handelsgesellschaft mbH
Neue Industriestraße 8
74934 Reichartshausen
Telefon: 06262 - 88099-00
Fax: 06262 - 88099-10
eMail: info@schmid-auktionen.de
Website: www.schmid-auktionen.de

Geschäftsführer: Michael Schmid
Tätigkeiten: Räumungs- und Sonderverkäufe, Verwertungen, Versteigerungen
Mitarbeiter: 5 fest angestellte Mitarbeiter im Backoffice und bis zu 15 Projektleiter oder Verkäufer
Verkaufspersonal: Fachverkäufer in allen Branchen, zum großen Teil ehemalige Auftraggeber und Firmeninhaber
aus Haustex 11/19 (Wirtschaft)