Maison & Objet, Paris
Farben, Inspirationen, Ruhezonen
Die Pariser Maison & Objet bietet dem Teppichhandel gleich dreierlei: Accessoires, Anregungen zur Shopgestaltung ... und natürlich Teppiche. Vor allem zwei aktuelle Themen standen diesmal im Vordergrund: Tierformen und -motive und Produktnachhaltigkeit. Die farbenfrohen, mutigen, zum Teil etwas schrägen Präsentationen zeigten, wie effektiv es sein kann, auch mal etwas Verrücktes zu wagen.Ein großzügiges, klar strukturiertes Gelände in unmittelbarer Nähe einer Metropole. Viele schön gestaltete Ruhezonen. Und eine Vielfalt an Anbietern und Produkten aus aller Welt: Möbel und Accessoires, Stoffe und Teppiche. Klar, die Züge und Zubringerbusse sind voll, und die Verpflegung auf dem Gelände in Villepinte ist nicht gerade günstig. Aber die Maison & Objet, die internationale Pariser Messe für Dekoration, Design und Lifestyle, ist eine echte Wohlfühl-Veranstaltung: Sie inspiriert und macht Spaß. Sie ist bunt und fröhlich und vermittelt ein Gefühl von "alles ist erlaubt". Ein lebhaftes Sich-Ausprobieren ohne Schere im Kopf. Die Hallen sind gut besucht, die meisten Anbieter haben gute Laune.
Für den Teppichhandel ist die Maison & Objet dreierlei. Erstens ist sie eine spannende Accessoire-Messe, die von Vasen über Figuren und Kissen bis hin zu Decken und Stoffen das zum Teppich passende Zusatzsortiment bietet: Mitnahmeartikel, die zum Stöbern im Geschäft einladen und dabei auch den Blick auf die Teppiche lenken.
Zweitens fungiert die junge, lebendige Veranstaltung als Trendbarometer. Klar, die Geschmäcker sind verschieden, und nicht alles, was hier gezeigt wird, passt gut auf den deutschen Markt. Aber die Maison zeigt unbefangen Möglichkeiten auf, auf die man selbst nie gekommen wäre oder die man nie umzusetzen gewagt hätte. Und von denen doch oder gerade deswegen eine so große Faszination ausgeht, dass man stehenbleibt und genauer hinschaut. Die wenigsten Menschen würden sich wohl tatsächlich einen der Plüschtiersessel des belgischen Anbieters AP Collection ins Wohnzimmer stellen, geschweige denn: sich darauf setzen. Auf der Messe war der Stand allerdings besucht wie kein zweiter, und auch im Ladengeschäft oder im Schaufenster dürften eine Bank aus Waschbären oder ein Sessel aus Flamingos echte Hingucker sein.
Farbstarke Vielfalt: Halle 5
Drittens stellen auf der Maison & Objet Teppichanbieter aus, und das nicht zu knapp. Und seit der nach Produkten ausgerichteten Umstrukturierung zur Herbstmesse 2018 sind sie alle in nebeneinanderliegenden Hallen zu finden: den Hallen 5 ("Unique & Eclectic"), 6 ("Today") und 7 ("Forever"). Der Schwerpunkt liegt bei kreativen, meist handgefertigten, höherwertigen Produkten. Besonders farbenfroh und vielseitig ging es in der Halle 5 zu, in der sich verschiedene kulturelle Einflüsse auf Accessoires, Stoffen und Teppichen begegneten. Die großen marokkanischen Anbieter wie Bazar du Sud, Le Nouvel Atlas und Soufiane waren hier mit riesigen Ständen vertreten, ebenso der einfallsreiche indische Hersteller Jaipur, Kelim-Spezialist Ada aus der Türkei oder ZEEEN aus dem Iran mit anspruchsvollen modern-traditionellen handgefertigten Teppichen und Keramik. Auch Pad Home Design, deutscher Anbieter für textile, fair produzierte Wohnaccessoires, passte mit seinem farbenfrohen, ausdrucksstarken Stand perfekt ins Umfeld. "Die Messe ist toll, jetzt haben wir einen viel besseren Platz mitten im Geschehen", erklärt Geschäftsführer Michael Rossmann, der mit seinem Unternehmen gezielt an kreativen Design- und Interieurmessen teilnimmt.
Modernes Wohnen in Halle 6
Groß, trubelig und mit höherem Geräuschpegel: In Halle 6 waren die Anbieter moderner Wohnlösungen und entsprechend moderner Teppiche vertreten: Frankreichs Marktführer Toulemonde Bochart zeigte unter anderem Handtufts, deren Musterelemente (Ginkgoblätter) sich über den Rand "hinaustrauen" und die gängige Rechteck- oder Kreisform nicht mehr als Begrenzung sehen. Ungewöhnliche Umrisse gab es auch bei Ames zu entdecken, der Wohnmarke des Designers Sebastian Herkner. Darunter: "Nudo" in Maskenform, handgeknüpft in Kolumbien aus reiner Schurwolle. Linie Design präsentierte sich hell und "skandinavisch" mit handgefertigten Teppichen vor allem in Naturtönen. Die Dänen wollen immer stärker in Richtung Branding und Uptrading gehen; vor allem Interior Designer will man zusätzlich ansprechen.
Halle 7:
Anlaufstelle für Interior Designer
"Forever" lautete das Thema der Halle 7. Der Begriff steht für Luxus, zeitlose Eleganz und hochwertige Handarbeit. In der etwas kleineren, weniger eng bestückten Halle ginge es ruhiger und entspannter zu als in den Nachbarhallen; Zollanvari verzeichnete hier "mehr Besuche durch Interior Designer". Der belgische Editeur Angelo, der maßgeschneiderte Kundenwünsche in allen möglichen Herstellungsmethoden von Handknüpf bis Maschinenweb umsetzt, war am Gemeinschaftsstand der Textilverlage vertreten und knüpfte laut Gründerin Fiona de Witte "vor allem Kontakte zu Interior Designern und Architekten". Der dänische Anbieter Rezas zeigte aus seinem umfangreichen Programm gezielt die aktuellen Upcycling- und Vintage-Teppiche, skandinavische Designteppiche und Handgeknüpftes aus Kaschmir im harmonischen Zusammenspiel mit großen Stimmungsbildern. Neben den gedeckten "skandinavischen" Tönen kam durch den Einsatz von Sari-Seide auch Farbe ins Spiel. Farbiges ist bei Zollanvari immer dabei, diesmal in Form neuer Blumenmuster und Granatapfel-Motive. Aber es geht auch minimalistisch, etwa mit einer Handweb-Servicekollektion aus dem Iran, zweiseitig verwendbar und in jeder Länge bestellbar. Teppichtruhen bietet Zollanvari auch in "zottelig", mit hell-dunklen geometrischen Mustern.
Afghanische Beni Ouarain, Gypsy Balouch und zeitgenössische Uschak zeigte der Londoner Anbieter Chuf-Chuf-Chuftalo, dessen Name auf ein afghanisches Lied zurückgeht. Die Message: "Wenn du jemanden liebst, sag, was du fühlst!" Entsprechend ausdrucksstark sind auch die Teppiche nach dem Motto "nomadic meets modern"; bei den Designs lässt sich Habib U Kushner unter anderem durch afrikanische Stoffe inspirieren.
Tiere, Farbe, Nachhaltigkeit
Natürliches, Tiere, Felle und der grüne Dschungel: Diese Themen standen bereits im letzten Jahr hoch im Kurs, jetzt setzen sie sich noch stärker durch. Vor allem Tiere und Tierköpfe blickten den Besuchern von fast allen Ständen entgegen: aus Holz, Metall, Kunststoff und Wolle. In Form von Wanddekorationen ... aber auch auf dem Teppich. Der niederländische Anbieter Doing Goods zeigte handgetuftete Tiere und Tierköpfe aus Indien (Kollektion "Tapis Amis") für Wand und Boden. Die bezahlbaren Mitnahmeartikel sind bereits in großen Kaufhäusern wie Liberty’s in London vertreten, aber auch in kleineren Ladengeschäften.
Der Trend zur Farbe hält an und nimmt zu. Dazu kommen ungewöhnliche Teppichformen, etwa in der Designer-Kollektion "Wunderkammer" von Matteo Cibic für Jaipur. Die Designs bilden die Impressionen des Designers aus Indien ab; eines davon zeigt die säulenförmige Sonnenuhr Jantar Mantra aus dem 18. Jahrhundert. Die Teppiche werden zunächst rechteckig geknüpft, dann ausgeschnitten und umsäumt.
Traditionelle Teppiche oder sogar Nomadenteppiche nach Maß - geht das? Ja, sagen gleich mehrere Anbieter, darunter Rugs & Sons, die seit neustem custom-sized Berberteppiche anbieten: Eine Auswahl an schlichten geometrischen Mustern kann innerhalb von drei Monaten im Wunschmaß geknüpft werden. Auch die afghanischen Teppiche von Chuf-Chuf-Chuftalo sind nach Maß erhältlich; Geschäftsführer Habib U Kushner hatte Musterquadrate für den Einzelhandel dabei, die sehr gut angenommen wurden: "Auf diese Weise lässt sich selbst auf kleiner Fläche viel zeigen."
Nicht zuletzt rückt das wichtige Thema Nachhaltigkeit weiter in den Vordergrund: Erstens fertigen immer mehr Hersteller entsprechende Produkte an, zweitens hat die Messe eine Übersicht über alle dazugehörigen Anbieter zusammengestellt, eine Art Self-Guided Tour. Mit auf der Liste: Sugo Cork Rugs. Der portugiesische Anbieter kombiniert Kork mit textilen Garnen aus Naturmaterialien, darunter auch recycelte Baumwolle. Die Teppiche sehen nicht nur schön aus, sie gehen auch sorgsam mit den verfügbaren Rohstoffen um: ein gutes und wichtiges Verkaufsargument.
Die nächste Maison findet vom 17. bis 21. Januar statt; generell gilt die Wintermesse als noch stärker besucht.•
aus
Carpet! 01/20
(Wirtschaft)