Ado Goldkante GmbH & Co. KG

"Man muss sich in unsere Stoffe verlieben"


Nach 36 Jahren an der Spitze von Zimmer+Rohde übergibt Andreas Zimmer die Geschäftsführung nach und nach an Torsten Poschardt. Wir haben mit beiden über den Markt, die Zukunft des Unternehmens und die Marke Ado gesprochen.

BTH Heimtex: 120 Jahre Zimmer + Rohde - das ist doch sicherlich ein Grund zum Feiern.

Andreas Zimmer: Wir sind stolz, dass das von meinem Urgroßvater Ernst Rohde im Jahr 1899 gegründete Unternehmen in diesem Jahr 120 Jahre alt wird. Das ist eine große Leistung aller Beteiligten, vor allem der Führungskräfte und der Mitarbeiter unserer Firmengruppe. Und das werden wir daher auch im September mit allen unseren europäischen Mitarbeitern gebührend feiern.

BTH Heimtex: Wo verorten Sie die Gruppe heute im Markt, was unterscheidet Sie von Wettbewerbern?

Zimmer: Wir sind im Verbund von Zimmer + Rohde und Ado mit allen Untermarken produkt- und markenmäßig sehr gut aufgestellt. Damit sind wir zwar nicht einzigartig aber in der Summe sind wir gestalterisch und kreativ sehr breit ausgerichtet, um uns weltweit auf die unterschiedlichen Märkte einstellen zu können. Außerdem sind wir in 20 Ländern außerhalb Deutschlands mit eigenen Organisationen vertreten, das werden Sie nicht bei vielen Unternehmen finden. In Deutschland zählen wir zu den kreativsten Textilverlagen und haben uns über die Jahrzehnte eine Marktposition erarbeitet, mit der wir in diesem Bereich eine Nische besetzen.

Torsten Poschardt: Hinzu kommt, dass wir mit unserem Design global-fähig sind, was besonders wichtig ist vor dem Hintergrund, dass viele deutsche Firmen einen starken Fokus auf den Heimatmarkt haben. Wir haben eine globale Denke und entsprechend wird auch das Design global entworfen.

BTH Heimtex: Wie passt Ado in die Markenfamilie?

Zimmer: Ich war schon immer davon überzeugt, dass es einem Unternehmen wie Zimmer + Rohde gut stehen würde, auch Kreationen für das mittlere Preisniveau anzubieten. Bei Ado habe ich die Chance gesehen, eine gute Marke in Deutschland weiter zu entwickeln, die den mittleren Bereich abdeckt, die trotzdem chic ist, die Qualität und tolle Farben hat und Emotionen auslöst. Insofern passt Ado strategisch gut in unsere Markenfamilie.

Da die Produktionsstätte damals insolvent gegangen ist, mussten wir die komplette Produktion auf andere Lieferanten umstellen. Wir mussten ein neues Lager bauen, die Kreation und das Marketing neu besetzen, den Export aufbauen und eine neue IT-Software entwickeln. Diese Umstrukturierungsmaßnahmen sind erfolgreich abgeschlossen und die Marke entwickelt sich wirklich gut: Wir sind mit Ado erfolgreich und wachsen gut.

BTH Heimtex: In Deutschland gibt es immer weniger Raumausstatter. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Zimmer: Bei Ado haben wir allein in Deutschland immer noch 4.500 Raumausstatter-Kunden und ich bin überzeugt, dass wir, selbst wenn dieser Anteil zurückgeht, auch mit einer kleineren Kundengruppe den Markt gut bedienen und mehr Geschäft machen können als heute.

BTH Heimtex: Stichwort Onlinehandel: Welchen Stellenwert hat dieser für den Interior-Bereich bei Textilien?

Zimmer: Momentan hat das Onlinegeschäft für dieses Segment keinen großen Stellenwert, aber das wird sich ändern. Dabei werden die elektronischen Medien immer mehr an Bedeutung gewinnen. Darauf werden auch wir mit unserem Halbfertigprodukt uns einstellen müssen.

Poschardt: Es wird in unserer Branche eine Digitalisierung geben, die vor allem dazu genutzt wird, weitere Begehrlichkeiten zu wecken. Um diese Begehrlichkeiten abzuarbeiten und am Ende des Tages in Umsatz umzuwandeln, werden wir immer Menschen brauchen - und das ist das Schöne an der Branche. Aber wir werden die Raumausstatter mit unseren Prozessen künftig stärker digital unterstützen müssen, so dass sie mehr Zeit haben, sich auf ihre Kunden zu konzentrieren. Dazu müssen wir unsere Serviceleistungen dahinter stark digitalisieren.

BTH Heimtex: Herr Poschardt, Sie sind seit über 20 Jahren in der Mode- und Textilbranche tätig. Was war Ihre Motivation, aus der Mode in den Interior-Bereich zu wechseln?

Poschardt: Der Fashionbereich ist definitiv schneller, weil es viel engere Kollektionsrhythmen gibt, während das Design im Interior-Bereich länger halten soll. Aber genau das finde ich spannend. Ein Design zu entwerfen, das für die nächsten fünf bis zehn Jahre aktuell ist - insbesondere im Kontext mit Nachhaltigkeit -, ist ganz klar eine größere Herausforderung als ein Produkt zu entwerfen, das ein halbes Jahr halten muss und danach einfach vom Markt genommen wird.

Außerdem habe ich mich immer schon für Architektur und Innenarchitektur interessiert.

BTH Heimtex: Gibt es konkrete Erfahrungen aus der Mode, die Sie adaptieren können?

Poschardt: Ehrlicherweise ist es noch etwas zu früh, um hierzu eine Antwort geben zu können. Nur so viel: Wenn ich mit den Designern spreche, gibt es im Interior-Bereich die gleichen Themen wie in der Mode, nämlich der Spagat zwischen anspruchsvollem Design und der Verkäuflichkeit eines Produktes.

BTH Heimtex: Sind Zimmer + Rohde und Ado innovationsgetriebene Unternehmen?

Zimmer: Die Produkte von Zimmer + Rohde oder auch von Ado kauft man nicht, weil sie preislich so günstig sind oder weil sie so sinnvoll sind. Man muss sich in das Produkt verlieben, so sehr, dass man es unbedingt haben möchte. Also müssen wir die Menschen über Innovationen in diese Verliebtheit bringen. Natürlich gehören dazu auch der Vertrieb und die Organisation und - was heutige wichtiger denn je ist - ein exzellenter Service. Die Ware muss zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Qualität geliefert werden.

Die Endkunden sind heute zunehmend auch an technisch überzeugenden Merkmalen unserer Produkte interessiert. Ein Beispiel dafür sind Stoffe, die permanentem Sonnenlicht ausgesetzt sind und die wir lichtecht ausrüsten. Oder die Raumakustik, die durch Textilien positiv beeinflusst werden kann. Diese Themen werden neben Pflegleichtigkeit und Strapazierfähigkeit weiter an Bedeutung gewinnen. Noch vor 20 Jahren haben diese logischen Zusatznutzen keine Rolle gespielt - in dieser Hinsicht hat sich die Welt verändert.

BTH Heimtex: Wir leben in unruhigen Zeiten. Welchen Einfluss hat das auf die Branche?

Zimmer: Unsicherheiten sind für keine Branche gut. Die Wirtschaft möchte konstante Bedingungen haben, unter denen man frei in einem freien Markt agieren kann, ohne Währungsprobleme.

Poschardt: Ich bin aber überzeugt, dass gerade in solchen Zeiten die eigenen vier Wände wieder an Bedeutung gewinnen als der Ort, an dem sich die Menschen heimisch fühlen. Dazu braucht es viele Textilien, denn sie verleihen dem Ganzen diese Atmosphäre des Soften.

BTH Heimtex: Also doch gute Zeiten für Wohn- und Interior-Textilien?

Poschardt: Ja. Allerdings können sich das viele Menschen noch nicht wirklich gut vorstellen. Und es wird unsere Aufgabe sein, ihnen das vorzuleben und aufzuzeigen, was in ihrem Zuhause möglich ist. Damit können wir zweifellos mehr Begehrlichkeiten wecken.

Zimmer: Es ist für den Verbraucher deutlich einfacher, sich ein Auto oder eine Sonnenbrille zu kaufen, das kann er sich leicht vorstellen. Das ist bei unseren Produkten komplizierter und es ist unsere Aufgabe zu überlegen, wie wir das künftig besser machen können. Dann kauft er unsere Produkte auch.

BTH Heimtex: Wie preisgetrieben ist der Heimtextilien-Markt?

Zimmer: Es gibt in Deutschland kaum eine Branche, die nicht mehr preisgetrieben ist. Das liegt zum Teil auch an den Medien, durch die alles transparenter geworden ist. Wenn man sich beispielsweise ein Auto kaufen will, kann man im Internet oder über Medien erst einmal schauen, wo es am günstigsten ist.

Poschardt: Ich denke allerdings, dass wir mit dieser Entwicklung den Peak erreicht haben. "Geiz ist geil" wird sich vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeits-Diskussion ganz klar verändern. Das Bewusstsein, dass gute Produkte auch etwas kosten müssen, wird wieder steigen. Ebenso die Erkenntnis, dass mit Qualität auch eine gewisse Langlebigkeit gegeben ist.

BTH Heimtex: Mit welchen Strategien reagieren Sie auf den preisgetriebenen Markt?

Zimmer: Mit Ado sind wir in einem Preissegment, das überschaubar ist. Doch auch mit Ado werden wir uns entwickeln und nicht mit dem Preis nach unten gehen, sondern uns eher kreativer und besonderer entwickeln, um damit aus dem Preisthema rauszukommen. Das werden wir durch besseres Marketing und schicke Produkte realisieren.

Poschardt: Wenn man über den Preis kommt, wird es immer einen Anbieter geben, der günstiger ist. Nur wer keine Kreativität hat, muss über den Preis verkaufen.

BTH Heimtex: Bedeutet dies, dass Sie mit Ado preislich nach oben gehen werden?

Zimmer: Ado bleibt Ado in puncto Preis. Aber innerhalb des Sortiments werden wir künftig Preisbereiche haben, die durchaus etwas höher liegen.
BTH Heimtex: Herr Zimmer, Sie werden sukzessive den Staffelstab an Torsten Poschardt übergeben, dem Unternehmen aber wie es hieß "als Beiratsvorsitzender aktiv verbunden bleiben". Bleibt Zimmer + Rohde ein Familienunternehmen?

Zimmer: Eine der größten Herausforderungen von Familienunternehmen ist der Generationenwechsel, denn häufig scheidet die ältere Generation zu spät aus der Geschäftsleitung aus und der Folgegeneration fehlt es an Erfahrung. Ich habe daher entschieden, die Verantwortung schrittweise in jüngere und erfahrene Hände zu übergeben, weil dies jetzt der richtige Zeitpunkt ist. Die große Akquisition von Ado ist komplett abgeschlossen und das Unternehmen steht ohne Bankschulden und finanziell solide da.

Zimmer+Rohde wird weiterhin ein Familienunternehmen sein, denn die Unternehmensanteile bleiben gleich. Ich besitze selbst mit meinen Kindern über 50 %. Allerdings wird zum ersten Mal kein Familienmitglied Geschäftsführer sein, da die nächste Generation noch zu jung ist, um die Firmenleitung zu übernehmen. Das ist nichts Ungewöhnliches und es ist letztlich für den Erfolg und die Zukunft eines Familienunternehmens nicht entscheidend, welchen Namen der Geschäftsführer hat.

BTH Heimtex: Was sind Ihrer Einschätzung nach die größten Herausforderungen für Ihr Unternehmen?

Zimmer: Die größte Herausforderung wird künftig sein, die allerbesten Mitarbeiter zu bekommen, sie zu motivieren und für das Unternehmen zu begeistern.

BTH Heimtex: Und wo sehen Sie die größten Chancen, Wachstum zu generieren?

Zimmer: Wenn wir es schaffen, uns mit guten Mitarbeitern auf die sich ständig verändernden Bedingungen und Chancen im Markt einzustellen, ohne dass wir dabei unser Ziel aus den Augen verlieren, dann haben wir die größten Chance, weiter zu wachsen - wo auch immer das in Zukunft sein wird.

BTH Heimtex: Was sind Ihre persönlichen Zukunftspläne nach Ihrer aktiven Zeit als Geschäftsführer?

Zimmer: Ich werde mich künftig stärker als bisher Aufgaben widmen, die mir persönlich sehr am Herzen liegen, beispielsweise sozialen Projekten. Ich bin von meinen Eltern dazu erzogen worden, mich sozial zu engagieren; das gehörte für sie zum Unternehmertum und das habe ich gerne übernommen. | Die Fragen stellte Michaela Fischer. michaela.fischer@snfachpresse.de
aus BTH Heimtex 07/19 (Wirtschaft)