Lothar Zipse im Interview

"Kork ist unser Premiumprodukt und unsere Kernkompetenz"


Lothar Zipse feiert dieses Jahr das 40-jährige Jubiläum seines Unternehmens. Die beiden Geschäftsbereiche "Ziro - Welt der Böden" und "Zipse-Ausbaufachmärkte" agieren gleichberechtigt nebeneinander und profitieren voneinander. Worin sieht der Unternehmer seinen Erfolg begründet? Wie wirkt sich die aktuelle Krisensituation auf seinen Betrieb und die Branche aus? Was sind die weiteren Ziele? Das wollte Parkett Magazin von dem Badener wissen, den immer der Anspruch angetrieben hat, besser als andere zu sein.

Parkett Magazin: Bei einem Jubiläum ist es üblich, ein Resümee zu ziehen. Ohne, dass wir in Nostalgie verfallen wollen: Was war 1980 für Sie die Initialzündung, ein eigenes Unternehmen zu gründen?

Lothar Zipse: Ich wollte selbstständig und unabhängig sein, nachdem ich früh festgestellt habe, dass ich mich nicht als Befehlsempfänger eigne. Ich habe mit null Kapital angefangen und hatte nichts zu verlieren.

Was hat Sie angetrieben?

1980 hatten wir die erste Energiekrise. Öl war plötzlich knapp, die Dämmung von Wohngebäuden wurde ein Thema. Die deutschen Produzenten von Glas- und Steinwolle hatten lange Lieferzeiten und erhöhten die Preise halbjährlich. Ich habe deshalb eine Chance mit dem Import von Glaswolleprodukten aus der Schweiz gesehen. Vormittags habe ich die Büroarbeiten erledigt, mittags die Ware ausgefahren und abends die Kunden besucht. Das hat sich schneller als geplant entwickelt: Bereits ein Jahr später habe ich die erste Filiale eröffnet.

1980 war auch das Gründungsjahr der Grünen. Wohl auch im Zusammenhang mit der Energiekrise hat sich ein ökologisches Bewusstsein entwickelt und im Zuge dessen auch ein ökologischer Baustoffhandel. Ich hatte damals in Spanien einen neuartigen Dämmstoff aus Kork entdeckt, und diese Pioniere waren die ersten Kunden dafür. Das hat sich ganz schnell so gut entwickelt, dass ich mich voll darauf konzentriert habe und den Vertrieb synthetischer Dämmstoffe von einem auf den anderen Tag eingestellt habe.

Wenig später folgte das auf dem deutschen Markt neuartige Produkt Korkparkett zur festen Verklebung mit dem Untergrund, das ich ebenfalls aus Spanien importierte. Damit haben wir den Einstieg in den Holzhandel geschafft. Dann kam Kork-Fertigparkett, erst mit Nut und Feder, später mit Klickverbindung. Mit all diesen Produkten waren wir Pioniere und Innovationstreiber. Angetrieben hat mich immer der Anspruch, besser als andere zu sein. Das ist bis heute einer der wichtigsten Leitsätze unserer Firmenphilosophie.

Sie agieren seit 40 Jahren als Unternehmer in der Branche. Ist Ihnen aus dieser Zeit etwas besonders in Erinnerung geblieben, was die Branche oder Sie nachhaltig beeinflusst hat?

Wir waren immer vom Wohnungsbau abhängig. Boomzeiten im Neubausektor haben sich allerdings immer negativ auf Sanierung und Renovierung ausgewirkt. Und dann hat auch der Exportboom dazu geführt, dass dem Handwerk der gute Nachwuchs entzogen wurde. Deshalb ist der Handwerkermangel heute der größte Flaschenhals im Bausektor. Dann war die deutsche Wiedervereinigung Konjunkturprogramm und Hypothek in einem. Nicht viel anders zu betrachten sind letztlich auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Wirtschaftsflüchtlinge der letzten Jahre und auch die der Flüchtlingsbewegungen, die uns in Folge der aktuellen Corona-Krise erwarten.

In der Branche selbst hat sich natürlich eine Menge getan. Der anhaltende Konzentrationsprozess, die DIY-Welle, die sich tendenziell eher zu "Do it for me" verändert hat. Infolgedessen wiederum - und bedingt durch das Ausbluten des traditionellen Handwerks - haben sich Allrounder oder werkstattlose Generalisten rasant entwickelt. Nicht zu vergessen das ungebremste Wachstum des Internet-Versandhandels.

Da Kork nach wie vor unser Premiumprodukt und unsere Kernkompetenz ist, interessiert mich natürlich besonders die Entwicklung des Kork-Marktes. Die ist leider in den letzten zwölf Jahren konstant negativ. Das ist traurig, weil es kein natürlicheres und nachhaltigeres Produkt gibt als Kork. Der Absatzrückgang ist hauptsächlich dem Erfolg der Vinylbeläge geschuldet, unter dem auch andere Bodenbelags-Gattungen leiden.

Mitschuld sind aber auch das systematische Herunterwirtschaften der Verkaufspreise und der Missbrauch von Korkböden als Preis-Lockvogel in den Baumärkten. Das gilt übrigens auch für Laminat. Mit Vinyl bzw. LVT und insbesondere mit den neuen Rigid-Böden ist man auf dem besten Weg dahin. Aber auch die Bequemlichkeit des Fachhandels, der leider allzu oft den bequemen Weg sucht und den Aufwand für beratungsbedürftige Produkte scheut.

Darauf möchte ich später zurückkommen. Lassen Sie uns zunächst bei Ihrem Unternehmen bleiben. Eine Besonderheit ist die Doppel-Strategie - einerseits als Lieferant für Fachhandel und Handwerk, andererseits selbst als Fachhandel...

Das war keine Strategie, sondern hat sich in der Entwicklung so ergeben. Mit vier eigenen Ausbau-Fachmärkten sammeln wir Erfahrungen, die wir unseren Vertriebspartnern zur Verfügung stellen können. Wir entwickeln hochwertige, praxisgerechte Warenpräsentationen, die wir ihnen ebenfalls anbieten. Und da wir großen Wert auf Preisdisziplin in unseren Fachmärkten legen, erzielen wir hier auch sehr gute Margen.

Wir setzen auch positive Produktimpulse in der Region und wirken preisstabilisierend und nachfragefördernd. Davon profitieren durchaus auch regionale Wettbewerber. Ärgerlich ist, dass uns unterstellt wird, dass wir einen Direktvertrieb betreiben - und das von Wettbewerbern, die selbst direkt oder indirekt im Direktvertrieb aktiv sind. Das Gegenteil ist nämlich der Fall: Wir schützen unsere Vertriebspartner, wo immer es geht. Abgesehen davon, ist das Vertriebsgebiet unserer Fachmärkte auf die Regionen Breisgau und Ortenau beschränkt. Eigene Vertriebsaktivitäten über das Internet sind tabu.

In unserem überregionalen Geschäft betrachten wir uns mit der Marke Ziro nicht als Großhandel, sondern als Hersteller. Wir entwickeln gemeinsam mit den Produzenten Produktinnovationen und übernehmen alle Aufgaben eines Herstellers, wie Lagerhaltung, das gesamte Marketingpaket, die Warenpräsentation, Marktbearbeitung, Produktschulungen, Reklamationsbearbeitung usw. Die Produzenten konzentrieren sich auf die schlanke Produktion.

Aus meiner Sicht haben wir damit auch einen großen Vorteil gegenüber jedem Hersteller, der im Markt selbst agiert: Wir sind nicht gezwungen, alles zu vermarkten, was von den eigenen Produktionsanlagen läuft. Wir unterliegen nicht dem allgemeinen Mengendruck, weil wir nur das verkaufen müssen, was wir einkaufen. Und wir können jederzeit auf neue Produktentwicklungen zugreifen, die sich auf dem Weltmarkt ergeben.

Wie funktioniert die Koexistenz in der Praxis?

Wir profitieren sehr davon, weil sich beide Geschäftsbereiche gegenseitig enorm befruchten. Im wesentlichen profitiert die Marke Ziro von den Erfahrungen der Fachmärkte, der eigenen Montageabteilung und den für uns arbeitenden Subunternehmern und Verlegern. Wir können hier auch regional neue Produkte testen, bevor wir sie in unser Ziro-Sortiment aufnehmen. Die Fachmärkte wiederum profitieren natürlich von den Einkaufsmöglichkeiten und der immensen Lagerhaltung von Ziro-Produkten, den hauseigen entwickelten Warenpräsentationen und dem umfangreichen Schulungsprogramm.

Jetzt haben Sie schon einige Charakteristika Ihres Unternehmens genannt. Was sehen Sie noch als besondere Stärken?

Ich will hier nur von Ziro sprechen. Für mich sind übliche Kennzahlen wie Umsatzgröße, Marktanteil, Preisführerschaft usw. keine Kriterien. Sondern Produktqualität, Sicherheit, Zuverlässigkeit, Betreuung und Service. Das heißt Produktvielfalt mit allem erforderlichen Zubehör, Unterstützung bei Problemen und Reklamationsfällen, Werte schaffen statt Werte vernichten, ehrliche Beratung statt jedem Produkt ein Öko-Mäntelchen umzuhängen.

Wir beschäftigen nur fest angestellte Außendienstmitarbeiter, die nur für uns arbeiten und auch kompetent und befugt sind, vor Ort verbindliche Entscheidungen zu treffen. Wir legen größten Wert auf umfassende Qualitätskontrollen und möglichst umfassende Produkt- und Verkaufsschulungen und werden diese auch noch weiter ausbauen. Wir liefern sofort ab Lager. Wir halten nach wie vor an einem selektiven Vertrieb fest, wollen nicht möglichst viele Kunden beliefern, sondern mit einer überschaubaren Zahl von Kunden intensiv und partnerschaftlich zusammenarbeiten.

Auch wenn Umsatzzahlen für Sie nicht primär relevant sind: wie viel haben Sie 2019 umgesetzt?

Wir hatten 2019 wie geplant in beiden Geschäftsbereichen eine Umsatzsteigerung von 3 bis 4 % auf über 36 Mio. EUR erzielt. Besonders hat mich gefreut, dass wir mit natürlichen Bodenbelägen deutlich höhere Steigerungsraten als mit synthetischen Bodenbelägen hatten. Das gilt für Kork - Schwerpunkt der digital bedruckte Korkboden Corelan, Holz - Schwerpunkt die Eiche-Landhausdielen Casella SL, Linoleum und mineralische Ceralan-Böden.

Und wie waren die ersten Monate 2020 vor dem Hintergrund der Corona-Krise?

Januar und Februar waren wie erwartet mit einem leichten Wachstum, im März hatten wir sogar ein nicht für möglich gehaltenes Rekordergebnis. Hier spielten sicher auch Bevorratungskäufe bzw. vorgezogene Käufe aus Angst vor Lieferschwierigkeiten eine Rolle. Der April lag leicht unter Vorjahr. Wir liegen heute (Ende Mai, Anm.d.Red.) zufällig wie geplant bei einem Plus von 5 bis 6 %.

Wagen Sie eine Prognose für den weitere Zukunft?

Eine seriöse Einschätzung der nächsten Monate ist meines Erachtens nicht möglich. Das wird maßgeblich von der weiteren Entwicklung der Infektionszahlen, den staatlichen Maßnahmen, dem Funktionieren der weltweiten Lieferkette und dem allgemeinen Stimmungsbarometer in der Bevölkerung abhängen. Was ich kritisieren würde, ist, dass die allgemeine öffentliche Diskussionen in vielen Dingen an den Kernproblemen vorbei geht. Wir haben eine Vollkasko-Mentalität in unserer Wohlstandsgesellschaft, die den Ernst der Lage nicht erkannt hat. Dazu trägt der Staat mit seiner Gießkannen-Politik bei. Das Bestreben, es jedem recht zu machen, wird letztlich zum Gegenteil des Gewünschten führen: nämlich einer weiteren Wettbewerbsverzerrung und einem verschärften Konzentrationsprozess. Das wird zu negativen gesellschaftlichen Auswirkungen führen, aber auch Chancen für die Unternehmen und Dienstleister bieten, die leistungsbereit und leistungsfähig sind, motivierte Mitarbeiter haben und ein klares Geschäftsmodell kommunizieren und umsetzen.

Meine Hauptsorge gilt der Dritten Welt. Die wirtschaftlichen Auswirkungen werden viel dramatischer sein als die Infektions- und Todeszahlen wegen Corona. Es wird ein Vielfaches an Hungertoten geben als Corona-Tote. Man kann nur hoffen, dass der Oberegoist und Menschenverachter Trump nicht ein weiteres Mal gewählt wird.

Für unser eigenes Land bin ich recht optimistisch. Nicht zuletzt, weil wir zwar kein perfektes Wirtschaftssystem haben, aber mit der sozialen Marktwirtschaft das beste Wirtschaftssystem, das existiert. Für mich und mein Unternehmen ist Partnerschaft das oberste Gebot unserer Geschäftsbeziehungen - mit Kunden und Lieferanten. Geben und Nehmen. Wertschöpfung statt Wertevernichtung. Wir setzen darauf, dass diese Werte nicht altmodisch und überholt sind und sich vielleicht in Folge dieser Krise der eine oder andere wieder darauf zurückbesinnt.

Wir merken erst jetzt vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, wie weit die Globalisierung unser Leben bereits durchdrungen hat. Auch unsere Branche. Auch Sie importieren zum Beispiel aus China...

Unter Globalisierung verstehe ich in erster Linie die weltweite Arbeitsteilung. Das ist Fluch und Segen zugleich. Die aktuelle Corona-Krise stellt uns auch die wirtschaftlichen Auswirkungen vor Augen, die die weltweite Vernetzung der Produktions- und Transportketten mit sich bringt. Die Verlagerung von Produktion und Massenfertigung in immer weitere und noch billigere Produktionsländer schafft neue Risiken und Abhängigkeiten, die sich in Kettenreaktionen auf die ganze Welt auswirken. Die Globalisierung fördert Monopolbildung und Ausbeutung. Ich sehe insbesondere das anglikanische, rein kapitalistische System nach dem Motto "The winner takes it all" und "Hire and fire" sehr kritisch. Deshalb habe ich mehr Befürchtungen vor den mittel- und langfristigen Auswirkungen der Krise als vor den kurzfristigen. Andererseits hoffe ich, dass dies letzten Endes bei Teilen der Bevölkerung zu Umdenkungsprozessen und Änderungen des Verbraucherverhaltens führen könnte.

Es wird ja schon spekuliert, dass in der Nach-Corona-Zeit ein Rückverlagerung auf lokale Produkte bzw. Produktion stattfinden könnte. In Österreich zum Beispiel wurde diese Karte schon vor der Krise viel stärker als in Deutschland gespielt... was würde das für Sie und Ihr Unternehmen bedeuten?

Ich hoffe, dass das in Einzelfällen passieren wird. Die besten Chancen sehe ich in relativ schweren und transportintensiven Branchen. Auch im Gesundheitswesen, wo wir uns den Chinesen vollständig ausgeliefert haben.

Worauf Sie anspielen: Man kann Produktionsbetriebe in Asien nicht verallgemeinern. Es gibt zum Beispiel über 500 Produzenten von LVT- oder Rigid-Bodenbelägen. Das sind zum Teil auch Hinterhof-Klitschen und subventionierte Staatsbetriebe, aber auch Unternehmen, die mit modernster Technik, höchster Effizienz und einem ungeheuren Fleiß arbeiten. Wir haben zum Beispiel neben unseren beiden europäischen Hauptlieferanten einen chinesischen Lieferanten, der uns einen Wettbewerbsschutz für Mitteleuropa gibt und eine Innovationskraft und Flexibilität an den Tag legt, der manchem deutschen oder mitteleuropäischen Produzenten gut anstehen würde.

Eher sehe ich eine Produktionsverlagerung in den europäischen Osten gemäß dem gleichen Strickmuster in Asien: "Immer weiter nach Osten, immer niedrigere Löhne." Bedenken habe ich insbesondere deshalb, weil alle Maßnahmen des Staates bei uns mehr Bürokratie, Manipulation des Wettbewerbes und Kampf um Subventionen bedeuten. Die Kleinen sind immer die Dummen. Auch da äffen wir die USA nach.

Ebenso wird spekuliert, dass sich das Konsumverhalten verändert und Nachhaltigkeit bzw. nachhaltige Produkte an Bedeutung gewinnen...

Das würde uns sehr entgegenkommen. Das Thema Nachhaltigkeit liegt in der DNA unseres Unternehmens und ist für mich auch eine Herzensangelegenheit. Ich bin und bleibe Kork-Fanatiker. Obgleich ich weiß, dass das Produkt viel besser ist als die Branche, die sich um dessen Produktion und Vertrieb kümmert. Es gibt kein nachhaltigeres und für die Umwelt positiv wirkenderes Produkt als Kork. Zudem hat Kork so positive, alleinstehende technische Eigenschaften wie kein anderes Produkt.
Wenn Korkeichen nicht mehr wirtschaftlich erhalten und gepflegt werden können, werden sie durch schnellwüchsige Pinien- und Eukalyptus-Monokulturen für die Zellulose-Produktion ersetzt. Das wäre eine ökologische Katastrophe, die sich verstärkt durch den CO2-Anstieg auch für Deutschland dramatisch auswirken würde. Trotz alledem ist die Korkbranche seit vielen Jahren stark rückläufig. Aller ökologischen und technischen Alleinstellungsmerkmale von Kork zum Trotz und eines nach wie vor positiven Verbraucher-Images von Kork.

Ich will keine Schuldzuweisungen verteilen, möchte aber doch auf einige Punkte hinweisen, die Mitursache dafür sind. Wobei ich nur von Bodenbelägen spreche. Baumärkte haben über viele Jahre hinweg den billigsten Korkboden, den "Krümelkork", als Lockvogelprodukt missbraucht und dem Verbraucher damit ein unzutreffendes optisches Erscheinungsbild des Produktes wie auch eine unzureichende Wertigkeit vermittelt. Aufgrund des Preisverfalls und auch des Aufwandes, den die Beratung von Naturprodukten erfordert, hat der Fachhandel das Interesse an dem Produkt verloren und es Zug um Zug ausgemustert. Besonders enttäuscht bin ich vom ökologischen Baustoffhandel, weil er den digital bedruckten Korkboden ablehnt. Dabei könnte er sich mit diesen außergewöhnlich schönen, strapazierfähigen und ökologisch wertvollen Bodenbelägen gegenüber dem konventionellen Wettbewerb profilieren und diese Böden mit gutem Ertrag vermarkten.

Damit schließt sich der Kreis: Sie haben vorhin schon Kritik an der "Bequemlichkeit des Fachhandels"
anklingen lassen...

Ja, aber nach wie vor ist der stationäre Fachhandel - Holzhandel, Baustoffhandel, Bodenbelagshandel, ökologischer Baustoffhandel - unser primärer Vertriebspartner und auch unsere bevorzugte Zielgruppe. Wir setzen aber Mindeststandards bezüglich der Warenpräsentation und der Beratungsqualität. Fehlen diese, lehnen wir eine Belieferung ab. Baumarktketten, Discounter und Internet-Plattformen bedienen wir nicht. Obwohl wir damit erhebliche Umsatzmöglichkeiten ignorieren haben wir Erfolg. Das verdanken wir in erster Linie unseren langjährigen Kunden, die unsere Leistungen und auch unsere verschiedenen Alleinstellungen schätzen und honorieren.

Welche Alleinstellungen meinen Sie konkret?

Zum Beispiel unser Lager. Für unsere Größenordnung haben wir sicherlich ein enormes Lager: Rund 600 Bodenbeläge und im Schnitt lagern wir zwischen 500.000 und 600.000 m2 Böden. Wir liefern sofort ab Lager. Damit kann ein Fachhändler, wenn er will, komplett auf eigene Lagerhaltung verzichten und sich voll auf die Warenpräsentation und Beratung konzentrieren. Wir liefern zu den jeweils angemessenen Konditionen Böden als komplette LKW-Ladungen oder aber auch in Eigenverpackungen unserer Kunden oder die 5 m2-Kommission mit dem kompletten Zubehör.

Um auf Ihre vorherige Frage zurückzukommen: Ja, es gibt auch kritische Themen mit dem Fachhandel. Viele kleine Händler meinen, mangelnde Größe durch die Aufnahme möglichst vieler Lieferanten ersetzen zu können. Aber damit sind sie für keinen der Lieferanten ein wichtiger Vertriebspartner. Andere neutralisieren Markenprodukte künstlich, um sich dem Preisvergleich im Internet zu entziehen. Damit werten sie aber das eigene Produkt ab und überlassen die Marken den Baumärkten, Discountern und Online-Anbietern.

Überhaupt ist meiner Meinung nach die gesamte Bodenbelagsbranche zu sehr preisfixiert. Das Motto "Immer dünner, immer billiger" ist für viele der Anfang vom Ende. Der Fachhandel muss stattdessen mit Unterscheidungsmerkmalen zum Massenanbieter punkten und Bedürfnisse wecken, statt sie einfach nur zu decken. Auch wenn das unklug sein mag, möchte ich in diesem Zusammenhang auch die Kooperationen erwähnen. Das Credo über jedem Listungsgespräch - "Preis runter, Bonus hoch" - hilft letztlich niemanden, sondern verhindert Investitionen und vernichtet Werte, statt Werte zu schaffen.

Das sind sehr offene Worte. Warum umgehen Sie dann konsequenterweise die Kooperationen nicht ganz?

Ich habe ja nichts gegen die Kooperationen. Wir selber arbeiten mit den meisten auch intensiv zusammen und beliefern sie mit Standard-Massenprodukten an ihre Zentralläger und mit wertigeren Alternativen direkt an die Mitgliedsfirmen. Es führt wohl auch kein Weg an den Kooperationen vorbei; der Konzentrationsprozess und die Quote der kooperierenden Händler werden weiter zunehmen. Was ich mir nur wünschen würde, wären gemeinsame Maßnahmen, um mit einer Verbesserung der Warenpräsentation und des Beratungsniveaus zu höheren Erträgen zu kommen - und zwar in erster Linie für die Fachhändler. Dazu gehören natürlich auch viele andere Dinge wie die digitale Unterstützung, Rechtsberatung, Betreuung vor Ort usw.

Das Stichwort Online-Vertrieb ist schon gefallen. Sie scheinen dem keine große Sympathie entgegenzubringen, aber er nimmt ja nun mal auch in unserer Branche an Bedeutung zu. Können Sie sich dem wirklich komplett entziehen?

Die Vertriebsformen vermischen sich immer mehr. Einzelhandel und Großhandel, stationäre Händler bieten einen Online-Vertrieb an, Online-Händler errichten umgekehrt stationäre Ausstellungen. Wir beliefern deshalb natürlich auch Internet-Händler - aber wie bereits erwähnt keine Plattformen, erwarten von diesen aber die gleichen Voraussetzungen und Produktkompetenzen wie von stationären Händlern.

Zum Geburtstag bzw. Jubiläum darf man sich auch etwas wünschen. Was wünschen Sie sich?

Die aktuelle Krise, die in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen noch nicht final einschätzbar ist, wird auf jeden Fall einen Rückgang der Kaufkraft und eine weitere Spreizung des Einkommensniveaus bewirken. Die berufliche Belastung für Großverdiener wird sich noch weiter verstärken, was wiederum sicher den Trend zu "Do it for me" verstärken wird. Letztlich werden sich auch die Marktanbieter verändern müssen. Es kann nicht jeder Aldi- und Feinkost-Laden in einem sein. Ich wünsche jedem, und insbesondere meinem Betrieb, dass er den für sich passenden Weg findet.

Und mit diesem Weg... wo sehen Sie Ihr Unternehmen in zehn Jahren, zum dann 50-jährigen Jubiläum?

Zunächst wünsche ich mir, dass es in zehn Jahren unserem Land, unserer Branche und natürlich auch meinem Unternehmen nicht schlechter geht als heute. Ich möchte die Unabhängigkeit des Unternehmens bewahren und so lange arbeiten, wie ich möchte, aber nicht mehr arbeiten müssen, wenn ich nicht mehr möchte. Da ich ein Gourmet-Gourmand (Feinschmecker-Vielfraß) bin, wäre es meiner Figur und meiner Gesundheit sicher nicht zuträglich, wenn ich mich morgen schon auf die faule Haut legen würde.

Andererseits glaube ich, dass der Betrieb auch heute schon ohne mich funktionieren würde. Ich habe viele tüchtige, engagierte und motivierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die sich mit dem Unternehmen und den Unternehmensleitsätzen identifizieren. Das Unternehmen ist kerngesund und soll nachhaltig und unabhängig weitergeführt werden.

| Das Gespräch führte Claudia Weidt

i Lothar Zipse - Meilensteine
1980 Gründung als Ein-Mann-Dämmstoffhandel in Herbolzheim-Tutschfelden.

1981 Eröffnung des ersten Zipse-Ausbaufachmarktes in Gundelfingen; Markteintritt mit Korkprodukten.

1985 Ausweitung des Vertriebs auf die ganze Bundesrepublik und Nachbarländer; Eintragung der Marke Ziro.

1994 Kauf einer Gewerbeimmobilie in Kenzingen, damit Gründung der Firmenzentrale und Eröffnung des vierten Zipse-Ausbaufachmarktes am Stammsitz.

2005 - 2018 Erwerb von weiteren Grundstücken und Erweiterung in mehreren Bauabschnitten, zuletzt mit der Inbetriebnahme des neuen Schulungszentrums und eines neues Verwaltungsgebäudes 2015 und einer weiteren Lagerhalle 2018.
aus Parkett Magazin 04/20 (Wirtschaft)