Interface Deutschland GmbH
"Das gesamte Sortiment von Interface ist jetzt immer CO2-neutral"
Interface bringt trotz Corona-Krise wie geplant zwei neue Kollektionen auf den Markt und baut den Vertrieb aus. Die Pandemie sieht D/A/CH-Vertriebsleiter Alexander Friesen im Hauptsegment Büro als Chance. Er berichtet auch von Fortschritten beim Thema Nachhaltigkeit.
BTH Heimtex: Wie bewältigt Interface die Auswirkungen der Corona-Pandemie?
Alexander Friesen: Wir als D/A/CH-Organisation hatten 2020 das beste erste Quartal seit unserer Gründung. Im April und Mai haben wir die Auswirkungen des Lockdowns dann natürlich auch zu spüren bekommen: Die Auftragseingänge gingen zurück. Unser Vorteil war und ist aber, dass wir über Spezifikationen stark im Projektgeschäft aktiv sind und in diesem Bereich einen Großteil unseres Umsatzes erzielen. Diese Projekte, hauptsächlich Neubauten, waren bereits angeschoben und liefen in der Krise weiter. Insbesondere die Bauwirtschaft in Deutschland und der Schweiz ist sehr stabil. Renovierungen im Tagesgeschäft hingegen wurden teilweise verschoben.
Insgesamt läuft bei Interface alles vergleichsweise stabil, wir haben auch keine Kurzarbeit beantragt. Bis Ende Mai ist die Mannschaft im Homeoffice gewesen; im Juni haben wir unser Büro in Krefeld wieder geöffnet. Wir sind aus all diesen Gründen nach wie vor optimistisch, dass wir das Gesamtjahr 2020 in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit einem guten Betriebsergebnis abschließen werden. Wir werden zwar nicht das Wachstum erreichen, welches wir erwartet haben, aber vielleicht das Vorjahresniveau halten können. Das wäre in diesen Zeiten wirklich gut, weil das Geschäft komplizierter geworden ist. Wir halten aber an unserer Wachstumsstrategie fest und haben beispielsweise im Juni drei neue Mitarbeiter eingestellt. Im Oktober kommt ein weiterer dazu.
BTH Heimtex: Rechnen Sie im weiteren Verlauf des Jahres und später in 2021 mit einer Delle im Auftragseingang bei den Bauprojekten?
Friesen: Ich glaube, dass die wochenlange Pause der großen Projektentwickler im Lockdown im April und Mai sich bemerkbar machen wird. In diesen Wochen wurden keine beziehungsweise wenige Projekte angeschoben. Das wird sich in anderthalb bis zwei Jahren, also 2021 und 2022 bemerkbar machen. Wir haben aber Pläne, wie wir darauf reagieren und Marktverschiebungen kompensieren können.
BTH Heimtex: Was meinen Sie damit?
Friesen: Die Veränderungen im Zuge der Corona-Pandemie wirken sich auf das Office-Segment aus, in dem wir hauptsächlich aktiv sind. Es gibt beispielsweise Unternehmen - unsere Kunden - die mit weniger Präsenzarbeitsplätzen planen, weil damit gerechnet wird, dass zukünftig mehr Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten werden als in der Vergangenheit. Andere Kunden wiederum möchten in ihren aktuellen Büros mehr Platz für jeden einzelnen Mitarbeiter und mehr Begegnungsfläche für die gesamte Belegschaft schaffen, was Umgestaltungen und Renovierungen nach sich zieht. Das Büro wird in Zukunft eher ein Ort der Begegnung als ein klassischer Arbeitsplatz. Themen wie Wohlbefinden und Sicherheit stehen noch mehr im Fokus.
Es verschiebt sich also viel und es gibt Veränderungen. Damit einher gehen Ungewissheiten, aber auch Chancen für uns. Die zukünftigen Marktentwicklungen werden sehr spannend sein.
BTH Heimtex: Das "Post-Corona-Büro" - wie sieht es Ihrer Meinung nach aus?
Friesen: Die neue Bürogestaltung muss es den Mitarbeitern so leicht wie möglich machen, die Abstandsregelungen einhalten zu können. Unsere Kunden fragen uns, welchen Beitrag unsere Teppichfliesen dazu leisten können, ob Pfeile auf den Produkten dargestellt werden oder ob über verschiedene Farben am Boden Abgrenzungen und Wegeführungen markiert werden können. Mit modularem Bodenbelag konnten subtile und intuitive Leitsysteme bereits vor der Corona-Krise umgesetzt werden. Hier sind den Gestaltungsoptionen keine Grenzen gesetzt. Pfeilintarsien sind nur ein zusätzlicher Aspekt, den wir in unser Standardsortiment mit aufgenommen haben.
In puncto Wohlbefinden haben wir schon seit geraumer Zeit viele unserer Teppichfliesen nach den Prinzipien des Biophilic Design entwickelt. Das Prinzip basiert im Kern auf der Annahme, dass die Natur einen hohen Stellenwert für uns Menschen hat und wir uns in Innenräumen wie Büros und Hotels wohler fühlen, ausgeglichener sind und effektiver arbeiten, wenn dort eine naturnahe Atmosphäre herrscht. Es geht also für uns um die Frage: Wie tragen unsere Bodenbeläge auch unter den aktuell erschwerten Bedingungen zum Wohlbefinden der Mitarbeiter am Arbeitsplatz bei?
Dieses Thema hat in Corona-Zeiten stark an Bedeutung gewonnen. Unsere Webinare zu Arbeitsplatz- und Einrichtungskonzepten im Biophilic Design erfreuen sich großer Beliebtheit. Da wir uns mit dem Thema schon länger beschäftigen, öffnet es uns jetzt einige neue Türen. Der Ansatz bietet für das Büro eben so viel mehr als lediglich einen Abstand von 1,50 m einhalten zu können.
BTH Heimtex: Seit zwei Jahren gehört Kautschukboden-Weltmarktführer Nora Systems zu Interface. Funktioniert die Zusammenarbeit nach wie vor so gut, wie es Interface D/A/CH-Geschäftsführer Nils Rödenbeck im Interview vor einem Jahr beschrieben hat?
Friesen: Das funktioniert sehr sehr gut. Wir lernen viel voneinander, weil die Herangehens- beziehungsweise Arbeitsweise sehr unterschiedlich ist. Beide Firmen sind nach wie vor selbstständige Schwesterunternehmen im Interface-Konzern. Wir sind in sehr unterschiedlichen Segmenten unterwegs; die Produkte ergänzen sich deswegen gut und wir öffnen uns gegenseitig Türen. Das erweist sich besonders jetzt als sehr vorteilhaft, weil wir auf Marktverschiebungen flexibel reagieren können. Wir haben bereits Projekte gemeinsam abgewickelt. Das bringt Spaß - besonders dann, wenn wir große Projekte nur gewonnen haben, weil wir sie gemeinsam bearbeitet haben.
BTH Heimtex: Wie entwickelt sich Ihr LVT-Geschäft, das Sie vor rund dreieinhalb Jahren gestartet haben?
Friesen: Es entwickelt sich auch weiterhin sehr positiv. Mehr und mehr Architekten und Endkunden wissen mittlerweile, dass wir auch LVT haben. Und auch einige Bodenleger nehmen beide Produkte von uns für gemeinsame Projekt.
BTH Heimtex: Aber Aufhänger für die Spezifikation von Projekten ist nach wie vor Textil, und LVT zeigen Sie dann bei Bedarf?
Friesen: Es ist eher die Ausnahme, dass wir nur LVT spezifizieren. Unser Hauptzugang ist die Teppichfliese. Man muss dabei immer bedenken, dass wir ausschließlich Looselay-LVT vertreiben, damit wir eine zusammen mit unseren Teppichfliesen einheitliche Verlegemethode bieten können. Und hier sind wir auch preislich vergleichsweise attraktiv.
BTH Heimtex: Kommen wir zum Thema Nachhaltigkeit, welches sich Interface seit vielen Jahren auf die Fahnen geschrieben hat. Für Aufsehen sorgt beispielsweise die Aussage, dass das gesamte Sortiment - Teppichfliese, Kautschukboden und PVC-Designbelag - CO-neutral ist.
Friesen: Wir können diese Aussage für alle von uns verkauften Bodenbeläge treffen - übrigens als weltweit einziger Hersteller -, weil wir Kompensationsmaßnahmen durchführen. Wir haben den CO-Fußabdruck unserer Produkte in den vergangenen 25 Jahren bereits um 69 % reduziert. Für den übrigen bisher unvermeidbaren Fußabdruck erwirbt das Unternehmen Emissionsminderungszertifikate aus geprüften Klimaschutzprojekten, die beispielsweise Aufforstungen durchführen. In der Vergangenheit haben wir dies an den Kauf bestimmter Produkte geknüpft. Seit 2018 lassen wir sie immer, bei jedem Produkt und jedem Projekt, auf unsere Kosten durchführen. Interface scheut diesbezüglich keine Mühen und Kosten, weil wir bereits in der Mission Zero 1994 (siehe Seite 33, Anm.d.Red.) verankert haben, dass wir alle negativen Auswirkungen auf die Umwelt vermeiden. Das muss man erst einmal tun; und wir tun es. Dass das für Aufsehen sorgt, ist für uns natürlich positiv und eine Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Und bei Endkunden ist das häufig ein Thema.
BTH Heimtex: Was muss Interface dafür tun?
Friesen: Im Rahmen unseres "Carbon Neutral Floors"-Programms, welches unsere globale Nachhaltigkeitsabteilung steuert, wird jeder CO-Fußabdruck eines Produktes über den kompletten Produktlebenszyklus berechnet. So stellen wir mit der Zertifizierung vor dem Verkauf sicher, dass beim Erwerb eines Produktes der Emissionsausgleich bereits stattgefunden hat. Alle Berechnungen basieren auf einer vorausschauenden Jahresplanung. Am Ende eines Jahres überprüfen unabhängige Dritte unsere Maßnahmen und beurkunden den ordnungsgemäßen Ausgleich aller verkauften Bodenbeläge.
Seit Januar 2020 haben wir mit Mara Linn Becher eine Nachhaltigkeitsmanagerin für die D/A/CH-Region. Sie unterstützt uns unter anderem in Projekten mit nachhaltigem Schwerpunkt und treibt das Thema auch proaktiv im Markt voran.
BTH Heimtex: Betrachten wir beim Thema Nachhaltigkeit den Sortimentsbereich LVT. Gibt es hier etwas Neues im Hinblick auf PVC-freie Produkte?
Friesen: Das ist weiterhin ein Riesenthema für uns. Wir sind jetzt einen ersten Schritt gegangen: Alle LVT, die wir neu in unserem Lager in den Niederlanden bevorraten, bestehen zu 39 % aus recyceltem Material. Das gilt auch für unsere weltweit und auch in der D/A/CH-Region in den Markt kommende neue LVT-Kollektion Brushed Lines.
Im Oktober präsentieren wir unsere neue Teppichfliesen-Serie NY+LON Streets Collection. Wie viele unserer Kollektionen hat Designer David Oakey auch diese entworfen. Sie ist aus unserer Sicht nicht nur optisch besonders; mit dem neuen Rücken "C Quest Bio" hat sie auch in Sachen Nachhaltigkeit einiges vorzuweisen: Jedes Produkt der neuen Kollektion verfügt standardmäßig über diese Rückenkonstruktion, die auf biobasierten und recycelten Materialien beruht. Der Rücken hieß zuvor Circuit Bac Green, wurde lediglich umbenannt und ist heute mit dem Blauen Engel ausgezeichnet.
BTH Heimtex: Werden Sie die neuen Kollektionen auf der BAU im Januar 2021 präsentieren? In den vergangenen Wochen hat es immer mehr Absagen für die Messe in München gegeben...
Friesen: Interface plant zusammen mit Nora in München auf der BAU auszustellen. Uns ist das sehr wichtig, weil wir gerne unsere neuen Produkte dort vorstellen möchten. Selbstverständlich beobachten wir aber die Entwicklung der Corona-Pandemie sehr genau und werden, wenn nötig, darauf reagieren. Die Gesundheit unserer Mitarbeiter, Kunden und Besucher steht für uns an erster Stelle.
Die nächsten Messen, auf denen wir ausstellen werden, sind die Architect@Work-Veranstaltungen in Berlin, Wiesbaden und Stuttgart im Oktober, November und Dezember 2020. Dort werden wir Erfahrungen sammeln können, wie eine Messe unter Corona-Bedingungen für unsere Vertriebsmitarbeiter, Besucher und für uns als Unternehmen insgesamt funktioniert, ob es zumutbar ist und alle sich wohlfühlen.
Die Fragen stellte Jochen Lange. | jochen.lange@snfachpresse.de
aus
BTH Heimtex 10/20
(Wirtschaft)