Lico: Interview mit Edwin, Alfred und Paul Lingg

"Natürliche und nachhaltige Produkte gewinnen mittelfristig an Bedeutung"


Hoch oben im Schweizer Val Müstair nahe der Grenze nach Südtirol liegt einer der Hot Spots der europäischen Bodenbelagswelt: das Werk von Lico. Was 1998 in einer kleinen Halle begann, ist heute eine dynamische, expansive Ideenschmiede für Bodenbeläge. Parkett Magazin sprach mit Gründer Edwin Lingg, seinem Bruder Alfred und seinem Neffen Paul Lingg, die das Unternehmen gemeinsam führen.

Parkett Magazin: Die Bodenbelagsbranche gilt gemeinhin als innovationsarm. Sie beweisen immer wieder mit neuen Entwicklungen das Gegenteil - und das schon seit über 20 Jahren. Woher nehmen Sie Ihre Ideen? Stammen die Inspirationen aus dem Markt oder überlegen Sie, welches Potenzial ein Produkt bietet?

Edwin Lingg: Die Hälfte der Ideen entsteht durch die Beobachtung der Vor- und Nachteile von bestehenden Produkten und Systemen und durch die Versuche, Problemlösungen und Verbesserungen zu entwickeln. Die restlichen 50 % der Ideenfindung erfolgen zumeist im Austausch mit Partnern, Kunden oder Lieferanten, aber auch durch die Beobachtung des Marktes und der Kundenbedürfnisse.

Wie lange dauert der Prozess von der Idee bis zur Produktionsreife bzw. wie läuft er ab? Nehmen Sie Ihre Kunden dabei von Anfang an mit?

Edwin Lingg: Die Dauer beträgt mindestens ein Jahr, im Regelfall bis zu zwei Jahren. Generell wird im ersten Schritt versucht, das Produkt nach unseren Vorstellungen markt-reif zu gestalten. Danach folgt für ca. ein Jahr die Beobachtung in diversen Praxistest, denn vieles, das im Labor oder laut normativen Anforderungen funktioniert, bringt in der Praxis die eine oder andere Überraschung mit sich. Während dieser Prozesse versuchen wir, unsere Kunden bestmöglich einzubeziehen.

Einer Ihrer USP ist die Innovativität, ein anderer die Flexibilität und der enge Draht zu den Kunden. Aber in den letzten Jahren ist das Geschäft enorm gewachsen. Wie lassen sich diese Stärken aufrechterhalten? Kommt die Organisation mit oder haben Sie "Wachstumsschmerzen"?

Alfred Lingg: Grundsätzlich versuchen wir, Altbewährtes beizubehalten; auch unsere Kunden wachsen großteils mit uns mit, wodurch sich wieder ihre Anforderungen ändern. Wir bemühen uns, bestmöglich auf ihre Bedürfnisse einzugehen und ihnen den größten Nutzen zu bieten. Natürlich benötigt jedes Wachstum personelle, finanzielle und wirtschaftliche Ressourcen; was die Organisation betrifft, war eine Umstrukturierung nötig.

Was machen Ihre US-Aktivitäten? Ist die Produktion dort erfolgreich angelaufen?

Edwin Lingg: Die US-Aktivitäten sind im vollen Gange und auch die Produktion ist erfolgreich angelaufen. Corona hat uns zwar im Zeitplan der Weiterentwicklung etwas eingebremst, aber nicht gestoppt.

Sie haben ein ungeheuer breites Produktportfolio und fertigen nur auftragsbezogen. Wie organisieren Sie diese Komplexität in der Produktion?

Alfred Lingg: Flexibilität und Komplexität in der Produktion stellen unser Team sicherlich immer wieder vor
Herausforderungen, die man jedoch bisher gut gemeistert hat. Eine große Roh- und Halbfertigwaren-Lagerhaltung sowie eine möglichst rationelle Fertigung ermöglichen uns, eine derart große Produktpalette zu führen.

Welche(r) Ihrer Böden ist/sind derzeit am meisten gefragt, bei welchen/m sehen Sie das größte Potenzial bzw. die besten Perspektiven?

Paul Lingg: Zu den Produkten mit größter Nachfrage zählt seit einigen Jahren Vinyl, speziell Vinyl auf HDF-Trägerplatte. Aber auch unsere digital bedruckten Kork- und Mineralfaser-Böden haben sich positiv entwickelt und wir sehen dort ein großes Potenzial für die nahe Zukunft - vor allem mit dem Argument, dass diese Produkte "echt" nachhaltig sind und nicht, wie Nachhaltigkeit oftmals nur marketingtechnisch so interpretiert wird.

Welche Produkttrends sehen Sie generell am Bodenmarkt? Wird der Siegeszug der Designböden weiter anhalten?

Paul Lingg: Ja, der Siegeszug der Designböden wird sicherlich weiter anhalten. Wir sind außerdem davon überzeugt, dass auch natürliche und nachhaltige Produkte mittelfristig an Bedeutung gewinnen werden - wobei dies immer mit der Voraussetzung der vollen Erfüllung von den ästhetischen und technischen Anforderungen des Marktes verbunden ist. Ein Trend, der sich zudem beobachten lässt, sind immer mehr Objektgeschäfte mit individuellen Lösungen, wo es gilt, flexibel zu sein.

Sie konzentrieren sich bewusst auf Produktentwicklung und Produktion und überlassen den Vertrieb Ihren Kunden. Hat es Sie nie gereizt, selber in den Vertrieb einzusteigen und dadurch Ihre Marge zu erhöhen?

Edwin Lingg: Natürlich kommen immer wieder Anregungen und Anfragen vom Markt. Da wir jedoch mit unserer Verkaufsstrategie nach wie vor erfolgreich sind, gedenken wir nicht, diese zu ändern. Es ergeben sich oft auch ungewollt Situationen, die in der Verkaufsstrategie Flexibilität und vielleicht auch mal ungeplante Lösungen erfordern. Wir sind dennoch nach wie vor davon überzeugt, das wir uns auf unsere Stärken fokussieren müssen, also die Entwicklung und Fertigung von Produkten und Systemlösungen.

Noch mal zur aktuellen Situation - unsere Branche scheint weniger unter der Corona-Pandemie zu leiden als andere, und Ihr Unternehmen befindet sich in einer Region weitab der Hotspots. Wie hat sich die Krise auf Ihr Unternehmen ausgewirkt?

Edwin Lingg: Auf den ersten Blick scheint es, als wäre unsere Branche von dieser Pandemie einigermaßen verschont geblieben; jedoch trügt der Schein. Aktuell trifft das vielleicht auf die DACH-Region zu - in anderen Ländern hingegen waren die bisherigen wirtschaftlichen Auswirkungen weit heftiger und werden noch lange negativ nachwirken.

Unsere Auftragsrückgänge hielten sich glücklicherweise in Grenzen, ebenso erfreulich ist, dass unsere Region kaum betroffen war. Leider holt einen die Pandemie aber in jedem Winkel der Erde ein, wie wir tragischerweise im Falle unseres guten Freundes und Vertriebspartners
Lothar Zipse erleben mussten.

Welche Konsequenzen sehen Sie für die Branche?

Alfred Lingg: Es wird interessant zu sehen, wie sich der Markt in Europa aufgrund der Krise entwickeln wird - ob er sich mehr auf in Europa hergestellte Produkte fokussieren wird, oder ob er noch stärker von Produkten aus China überschwemmt werden wird.

Mit welchen Projekten sind Sie aktuell beschäftigt?

Paul Lingg: Zurzeit beschäftigen wir uns vordergründig mit zwei Keramikboden-Systemen, die lose liegend verlegt werden. Wie meistens zu dieser Jahreszeit beschäftigen wir uns aktuell intensiv mit den Erweiterungen und Anpassungen unserer Designboden-Kollektionen.

Lico war immer ein treuer Messeteilnehmer. 2021 verzichten viele Unternehmen aus der Branche auf eine Präsenz auf den Messen. Wie halten Sie es 2021?

Alfred Lingg: Wir haben uns wie jedes Jahr für die Domotex angemeldet und haben auch 2021 die Absicht, dort präsent zu sein - sofern es natürlich die Corona-Lage zulassen wird und das Risiko für unsere Mitarbeiter in einem vertretbaren Rahmen bleibt. Wir beobachten aufmerksam die Entwicklung der Situation.

| Die Fragen stellte Claudia Weidt.

i Lico

Li&Co AG
Palü Daint
CH 7537 Müstair, Schweiz
Tel.: +41 81 850 38 38
www.lico.ch, info@lico.ch

Gründung: 1998
Tochtergesellschaften/Beteiligungen: Österreich, Belgien, Italien, USA, Indien
Umsatz Li&Co CH (2019): 65 Mio. CHF (ca. 60,4 Mio. EUR)
Produktionsmenge (2019): 4,5 Mio. m2
Geschäftsführung: Edwin Lingg (Produktion/Produktmanagement/Verkauf), Alfred Lingg (Adminstration/Finanzen), Paul Lingg (Verkauf/Marketing)
Einkaufsleitung: Ingo Pitscheider
Produktionsleitung: Horst Obkircher
Mitarbeiter (2019): 110 (CH)
Sortiment: Naturböden (Kork, Micodur, Lino, Ledo, Realstone, Real Designwood) Vinyl-, PVC-freie Designböden, Keramik- und Outdoorböden, Wandsysteme, Zubehör
Kunden: Bodenbelagsindustrie und -großhandel weltweit
aus Parkett Magazin 05/20 (Wirtschaft)