Domotex

"Es kommt nicht in Frage, die Domotex ausfallen zu lassen"


Die Domotex 2021 wird vom Januar in den Mai verschoben. Über die Gründe und die Planungen haben wir mit Alexander Wurst gesprochen, Senior Vice President der Deutschen Messe.

BTH Heimtex: Die Domotex 2021 soll vom 18. bis 20. Mai stattfinden und nicht wie üblich im Januar. Was sind die Gründe dafür?

Alexander Wurst: Von unserer Seite aus könnten wir die Domotex durchaus im Januar stattfinden lassen; immerhin waren schon 63.000 m2 Ausstellungsfläche gebucht und wir haben ein durchdachtes und tragfähiges Hygiene- und Schutzkonzept. Wir halten eine solche Veranstaltung zu diesem Zeitpunkt aber nicht für sinnvoll, schließlich lebt die Domotex Hannover von ihrer großen Internationalität - davon, dass Besucher und Aussteller aus der ganzen Welt anreisen.

Wir haben die aktuelle Situation zum Anlass genommen, mit allen noch mal intensiv zu sprechen. Es ist uns übrigens sehr wichtig, solche Gespräche sowohl mit den Ausstellern als auch mit den Besuchern zu führen. Dabei wurde der Vorschlag laut, die Messe doch in den Mai zu schieben; bis dahin kann sich noch einiges zum Positiveren entwickeln, und alle können in Ruhe planen. Das haben wir aufgegriffen.

BTH Heimtex: Wie waren die Reaktionen?

Wurst: Viele haben uns rückgemeldet, dass der Mai eigentlich schon immer ihr Wunschmonat für die Domotex war. Gut, man kennt das ja - einige sagen: Machts im September; machts im Oktober; macht zwei Messen im Jahr; macht eine Messe alle zwei Jahre Man bekommt nie alle Wünsche unter einen Hut.

BTH Heimtex: War es eine Option, die Domotex 2021 ganz ausfallen zu lassen?

Wurst: Das kommt für uns nicht infrage. Wir haben uns mit vielen Ausstellern aus allen Produktgruppen ausgetauscht, dabei haben sich beispielsweise alle Parketthersteller klar dafür ausgesprochen, dass es 2021 eine Domotex geben soll. Auch aus anderen Branchen haben wir von großen Unternehmen die deutliche Rückmeldung erhalten, dass sie die Branchenmessen dringend brauchen, um am Markt präsent zu bleiben.

Als großes Positiv-Beispiel sehen wir die Domotex Asia/Chinafloor, die um mehrere Monate verschoben wurde und Anfang September 2020 mit 23.000 Besuchern sehr erfolgreich zu Ende gegangen ist. Gerade in der Bodenbelagsbranche sind Optik und Haptik wichtige Kriterien: Da geht es darum, dass Einkäufer die Produkte live sehen und auch anfassen müssen und wollen.

BTH Heimtex: Kundengespräche, Produkte erleben und anfassen - das geht unter Corona-Bedingungen nicht so wie gewohnt.

Wurst: Wir müssen und werden natürlich alle Hygieneauflagen einhalten und haben dafür bereits ein umfangreiches Konzept erarbeitet. Dass das auch in der Praxis funktioniert, haben wir schon im März live erfahren. Da fand auf unserem Gelände in Hannover die Tire Technology Expo statt, eine Messe für Reifendesign und Produktion in Europa. Dem standen wir anfangs sehr zurückhaltend gegenüber, aber die britischen Veranstalter haben daran festgehalten und alle Hygieneauflagen umgesetzt - das hat wunderbar funktioniert. Wir veranstalten schließlich keine Rockkonzerte, sondern B2B-Events; da geht es deutlich ruhiger und geregelter zu. Die Leute müssen eben nur anreisen können.

BTH Heimtex: Und wie gehen Sie jetzt weiter vor?

Wurst: Momentan fragen wir bei allen Ausstellern an, ob und in welchem Umfang sie an einer Messe im Mai teilnehmen möchten. Auf Basis dieser - noch unverbindlichen - Aussagen erstellen wir einen Hallenplan. Anschließend wenden wir uns erneut an die Aussteller, um uns ihre Teilnahme bestätigen zu lassen. Natürlich hat dann jeder noch mal die Möglichkeit, Änderungen vorzunehmen, also doch eine kleinere oder größere Fläche zu buchen, aus einer Absage eine Zusage zu machen und umgekehrt.

Was die Besucher angeht: Vermutlich werden auch im Mai nicht ganz so viele Interessenten anreisen können wie gewohnt. Deswegen erarbeiten wir gerade ein Konzept für eine hybride Domotex, also eine physische Messe ergänzt um digitale Formate.

BTH Heimtex: Teile der Messe sollen online stattfinden?

Wurst: Ganz genau. In Halle 18 lassen wir einen "Hybrid Event Hub" einrichten, unseren sogenannten HUp, also eine multifunktionale Eventlocation speziell für digitale Messeformate. Darum kümmert sich unsere Tochtergesellschaft Event It. Das wird eine hochprofessionelle, permanente Infrastruktur, die wir als Messeveranstalter immer wieder nutzen können; zwischen den Messen vermieten wir sie auch an interessierte Firmen. Und weil die Studios fest installiert werden, also immer wieder genutzt werden können, bleibt die Nutzung bezahlbar.

Speziell auf der Domotex wollen wir die Bühnen im HUp zum einen zur Wissensvermittlung nutzen, aber auch für Events wie Preisverleihungen, die dann auf jeden Fall auch online übertragen werden können. Diesen Oktober soll schon alles fertig sein.

BTH Heimtex: Haben Sie auch etwas für den Januar 2021 geplant, für die Zeit, zu der die Domotex eigentlich stattfinden sollte?

Wurst: Für Freitag, den 15. Januar, also den eigentlichen ersten Domotex-Tag, planen wir eine digitale Konferenz zum Thema "Wie verändert das ,New Normal’ nach Corona die Teppich- und Bodenbelagsbranche?" Das dürfte Hersteller und Einkäufer gleichermaßen interessieren. Unsere sehr engagierte Arbeitsgruppe "Hybride Formate" hat eine große Umfrage unter Ausstellern und Besuchern aller unserer Messen vorgenommen, um zu ermitteln, was den Beteiligten am meisten am Herzen liegt. Dabei hat sich gezeigt, dass Networking und Matchmaking mit die größte Rolle spielen. Durch den Online-Tag im Januar wollen wir die Bodenbelags-Community bereits im Vorfeld der Messe "treffen" und vor allem zusammenbringen.

BTH Heimtex: Denken Sie darüber nach, den Mai-Termin grundsätzlich beizubehalten? Zumal es ja recht eng wird, wenn im Januar 2022 schon wieder die nächste Domotex ansteht.

Wurst: Mehrere Gesprächspartner haben uns schon aufgefordert, ab jetzt immer in den Mai zu gehen. Aber das ist für uns noch Zukunftsmusik. Wir sehen die Domotex 2021 zunächst als Ausnahmelösung und gleichzeitig als Lernchance. Auch um herauszufinden, wie so eine Domotex als Stand-Alone-Veranstaltung läuft, ohne Heimtextil und BAU im unmittelbaren Umfeld. Übrigens haben wir auch deswegen für den Mai nur drei Tage veranschlagt, statt der üblichen vier - weil es da keine Überschneidungen mit anderen Branchenterminen gibt.

Wir gehen jedenfalls mit großer Zuversicht an die nächste Veranstaltung. Danach nehmen wir den Dialog mit Ausstellern und Besuchern wieder auf und suchen auf dieser Basis die bestmögliche Lösung für die folgende Domotex.

HUp - Hybrid Event Hub in Halle 18

Die Deutsche Messe installiert auf dem Messegelände Hannover eine dauerhafte Infrastruktur für hybride Formate. Das sogenannte HUp bietet Raum für Präsentationen, Preisverleihungen und Diskussionen; die Veranstaltungen können zeitgleich ins Internet übertragen werden. In Halle 18 steht dazu auf 3.250 m2 Gesamtfläche eine 1.800m2 große Evenfläche mit flexibler Raumtrennung, fest installierter Veranstaltungs- und Streamingtechnik sowie einem 5G-Netz zu Verfügung. Fünf Studiokulissen für verschiedene Anlässe können genutzt werden: The Stage für Präsentationen, The Lounge für entspannte Gespräche, The Talk für Interviews, The Product für Produktpräsentationen und The MR als Szenenfläche für Augmented und Virtual Reality. Die Messe bietet zudem einen Inhouse-Service an von Konzeption über Personal bis Catering.
"Es kommt nicht in Frage, die Domotex ausfallen zu lassen"
Foto/Grafik: Deutsche Messe
"Wir erarbeiten ein Konzept für eine hybride Domotex, also eine physische Messe ergänzt um digitale Formate."
Alexander Wurst, Vorstand Deutsche Messe
aus BTH Heimtex 11/20 (Wirtschaft)