Leitmesse Schlafen digital
Virtueller Austausch mit Potenzial
Neufahrn. Zwei Tage lang bestand auf der ersten Digitalen Leitmesse Schlafen des MZE die Möglichkeit, im virtuellen Raum Messestände zu besuchen, Vorträge zu hören oder sich im Videochat zu treffen. Rund 500 Menschen haben an der Online-Veranstaltung im Oktober teilgenommen. Der Verband zieht ein positives Fazit, auch in der Branche gibt es Zustimmung.Rund 500 Messebesucher an zwei Tagen: MZE-Vertriebsleiter Helmut Stauner war zufrieden mit der ersten Digitalmesse seines Verbandes: "Natürlich ist das Potenzial um vieles höher", bilanzierte er im Haustex-Interview (siehe Kasten). "Hier ist die Herausforderung, den Händlern den Nutzen einer digitalen Messe klar zu machen." Aber aller Anfang ist bekanntlich schwer.
Die Messe war ein Experiment, und das ist aus Sicht der Veranstalter auf jeden Fall gelungen. Die Struktur der DLS digital glich der einer Präsenzveranstaltung, wie sie der Verband zuletzt in Göttingen durchgeführt hatte. In den virtuellen Ausstellungshallen präsentierten sich zahlreiche Anbieter von Matratzen, Betten, Bettwaren oder Bettwäsche. Auch ein Vortragsprogramm gehörte zur Online-Ausgabe der Leitmesse. Hinzu kamen Lounges, in denen man sich per Videochat begegnen konnte. Alles wie immer - nur eben vom heimischen Rechner aus erreichbar.
Jetzt ist die Zeit des Fachhandels
Natürlich, alle sprechen derzeit über Corona, auch Stauner. Er jedoch überraschte in seinem Vortrag zur Zukunft des Bettenfachhandels mit einem Satz: "Offen gestanden konnten wir alle nicht davon ausgehen, dass wir 2020 so gute Voraussetzungen für den Bettenfachhandel vorfinden würden", sagte er. Fast so, als ob Corona ein Geschenk sei und es den Lockdown nie gegeben habe.
Seine Botschaft indes: Die Pandemie hat die Karten neu gemischt. "Denn wenn Regionalität und Nachhaltigkeit wichtig werden, wenn Persönlichkeit und Menschlichkeit mehr Bedeutung gewinnen, wenn Qualität vor Quantität steht, dann ist das die Zeit des Fachhandels", so Stauner. Schlaf und vor allem guter Schlaf werde stärker in den Fokus rücken. Die Frage sei: "Gelingt es uns, den Menschen klarzumachen, dass die Voraussetzung für guten Schlaf ein optimaler Schlafraum, das richtige Schlafsystem und das passende Bett sind?"
Die kommenden Monate und Jahren würden die Branche verändern, glaubt der MZE-Vertriebsleiter. Eine Veränderung sei bereits jetzt die neue Form der Kommunikation: "Nicht digital oder physisch, sondern digital und physisch sind die Zukunft. Beides wird parallel miteinander stattfinden."
An den Ständen sorgten Avatare der Aussteller für eine persönliche Note: Die jeweiligen Ansprechpartner der Unternehmen waren so optisch präsent und konnten auch direkt im Live-Videochat oder per eMail kontaktiert werden. Die virtuellen Standplätze wurden von den Ausstellern mit Bild- und Videomaterial zu Produkten sowie Broschüren zum Download bestückt. Das war zumindest teilweise neu, aber leicht erfassbar und deshalb auch einfach in der Handhabung.
So ticken die Kunden aktuell
Mit welchen Kunden man es künftig zu tun hat und wie sie in Zeiten von Corona ticken, war Thema im Vortrag von Schlafexperte Markus Kamps: "Wer jetzt weniger in der Tasche hat, wird auch weniger ausgeben oder will sich sicherer sein, dass ein Produkt auch wirklich funktioniert", erklärte er und riet den Händlern: "Die Angst vor Fehlkäufen steigt. Die Sicherheit, die Sie mit Ihren Aussagen, Ihrer Werbung und Ihren Dienstleistungen ausstrahlen, wird das A und O sein."
Der Kunde, so Kamps, suche einen Partner, der ein klares Profil habe: als Schlafraumberater, über die Rückenkompetenz, über zielgruppenspezifische Themen (z.B. zukunftssicheres Schlafen) und über das Thema Schlafkompetenz. "Sie müssen in der Ergonomie zuhause sein und die Beratung beherrschen, Sie müssen mehr zuhören in der Beratung, die Budgetgrenzen Ihrer Kunden kennen und dürfen diese auch nicht überfordern", betonte der Schlafcoach. Und: "Die Abgrenzung zum Thema Schlaf und Bett ist wichtig, Sie müssen beides spielen können. Rückenschmerzen, Schlafstörungen, Gesundheit."
Eine Sicht, die auch Helmut Stauner in seinem Vortrag vertrat. Für ihn schlägt derzeit die Stunde des Fachhandels: "In so chaotischen Zeiten, in denen wir gerade leben, sehnen wir uns nach Vorhersehbarkeit. Für Verbraucher bedeutet das: Verlangen nach Stabilität. Die persönliche Sicherheit wieder herzustellen." Dabei rückten Loyalität und Bewährtes in den Vordergrund. Stauner: "Es entsteht das Bedürfnis, das Qualität vor Quantität steht. All das sind Bereiche, in denen der regionale Fachhändler punkten kann."
Weiterhin Unsicherheit
im Markt
Gleichwohl: Die Unsicherheit im Markt ist groß. Eine aktuelle branchenübergreifende Befragung der BBE Handelsberatung hat ergeben, dass nur ein Drittel der Befragten eher positiv ins Jahr 2021 blicken, gut 50 Prozent sind unsicher, der Rest ist negativ oder sehr negativ gestimmt. Vor diesem Hintergrund riet Handelsberater Sebastian Deppe in seinem Vortrag, gemeinsam nach Strategien und Lösungsansätzen zu suchen - zum Beispiel in einer Erfa-Gruppe. Der Nutzen für die Teilnehmer liegt für Deppe klar auf der Hand: "Die Diskussion miteinander hilft, sein Geschäft besser einzuschätzen und setzt eine Dynamik frei, neue Ideen und Ansätze im Alltag auch wirklich anzustoßen."
Dazu gehöre auch, aktuelle Herausforderungen der Branche zu diskutieren, zum Beispiel die Frage, wie der Handel wieder mehr Kunden auf die Fläche bekommt. "Themen wie Frequenzschaffung, aber auch Frequenzabschöpfung gehören für uns ganz klar zur Erfa-Arbeit." Ziel sei es, Unternehmen zum einen Retailwissen über den Tellerrand hinaus zu vermitteln, vor allem aber den Blick für das eigene Business zu schärfen, mit modernen Methoden und tiefgehenden Analysen, beispielsweise zu Themen wie digitaler Sichtbarkeit oder Geomarketing.
"Erreichen wir die Kunden auf den richtigen Kanälen? Ist unsere Botschaft professionell genug? Sind unsere Geschäfte ansprechend genug? Sind Sie - Inhaber und Mitarbeiter - empathisch und authentisch?" Diese Fragen im Vortrag von Helmut Stauner mussten angesichts des digitalen Formates zunächst unbeantwortet bleiben - ein direkter Austausch darüber war allenfalls in den Lounges möglich, und dort herrschte relativ wenig Betrieb - auch eine solche Möglichkeit muss von den Teilnehmern einer Digitalveranstaltung erst noch gelernt werden.
Viele positive Rückmeldungen
Aber es gab auch viel positives Feedback. "Alles in allem fanden wir unseren ersten Besuch einer digitalen Messe überraschend gelungen und informativ", sagte etwa Sabine Krömer vom Fachverband Wasserbett. "Ein Messebesuch in aller Ruhe, ohne Gedränge, schlechte Luft,zu vielen Eindrücken auf einmal, permanenter Geräuschkulisse oder müde Füßen."
"Wir waren von der Konzipierung des Messe absolut überzeugt" erklärte aus Ausstellersicht Marcus Evertz, Vertriebsleiter Süd bei Irisette. Sein Stand wurde von 132 Besuchern eingesehen. "Für einen Zeitraum von zwei Tagen eine, wie wir finden, recht ordentliche Anzahl an Besuchern. Einzig die Anzahl der Kontakte und auch direkter Aufträge ließ leider stark zu wünschen übrig", so Evertz. "Anscheinend müssen sich die Bettenfachhändler erst an eine digitale Messe und die damit in Verbindung stehenden Möglichkeiten gewöhnen."
Die digitale Messe im Haustex-Check
Messestände
Gute Optik, gute Übersicht: Die Stände waren gut erreichbar. Videos und Downloads klappten gut, Ansprechpartner waren aber nicht immer erreichbar. Deren Avatare waren eine schöne Idee - und machten gleichzeitig das Defizit klar. Man trifft sie lieber persönlich und nicht digital.
Vorträge
Aufgezeichnet und leider nicht live. Über die inhaltliche Qualität gibt es geteilte Meinungen. Dass die Videos nicht in einer Mediathek abrufbar waren, ist schade - hier hätte man die Möglichkeiten eines Digitalformates besser nutzen können. Gut, dass dies nachgeholt wurde.
Lounges
Menschen sind soziale Wesen, die miteinander interagieren wollen - diese Möglichkeit boten die Lounges, auch wenn sie mehr Besucher vertragen hätten. Witzig: eine virtuelle Raucherlounge. Solche Treffunkt-Möglichkeiten an den Messeständen hätte deren Attraktivität erhöht.
Fazit
Das Format zeigte Chancen und Grenzen auf. Es gab wenig Neues oder spezielle Messeangebote, dafür reichlich Imagevideos - das ist unterm Strich noch zu wenig. Als Experiment war die Messe dennoch lehrreich und zeigte: Die Digitalisierung hat gerade erst begonnen.
aus
Haustex 11/20
(Marketing)