I4F: Interview mit John Rietveldt, Gründer und CEO
"Wir helfen unseren Partnern dabei, mehr und besser zu verkaufen"
Früher teilten zwei Unternehmen das Patentgeschäft bei Bodenbelägen praktisch unter sich auf. 2013 kam mit I4F ein weiterer, sehr ambitionierter Player ins Spiel. Dahinter steht John Rietveldt, vielen noch aus seiner Führungsposition bei Tarkett Anfang der 2000er Jahre bekannt. Eine steile Karriere als Manager reichte dem Niederländer nicht aus. Er wollte beweisen, dass er auch erfolgreich Unternehmen aufbauen kann. Das ist gelungen, denn I4F wächst und wächst. Parkett Magazin wollte mehr über sein Erfolgskonzept wissen.
Parkett Magazin: Herr Rietveldt, Sie haben eine steile Managementkarriere bei multinationalen Konzernen gemacht, bis Sie sich entschieden, noch einmal komplett neu anzufangen...
John Rietveldt: Ja, ich hatte immer den Traum, ein großes, internationales Untenehmen zu führen. Den habe ich mir erfüllt - erst mit Whirlpool, dann Tarkett und zuletzt mit American Standard und nach deren Delisting 2007 mit Ideal Standard International. Dort war ich für 28.000 Mitarbeiter und 55 Werke verantwortlich. Das war eine unschätzbare Erfahrung, aber: es hat mich nicht besonders glücklich gemacht. Ich wollte eine neue Herausforderung, wollte beweisen, dass ich selbst ein Unternehmen aufbauen kann.
Ende 2008 sprach ich mal wieder mit Marcel Boekhoorn, den ich schon einige Jahre kannte und der mich schon länger für seine Investmentgruppe gewinnen wollte - und dieses Mal sagte ich zu und stieg als Co-Investor bei Ramphastos ein. Das bin ich auch immer noch. Wir engagieren uns bei über 30 Unternehmen, ganz verschiedenen, großen und kleinen und aus ganz verschiedenen Branchen.
Und was war dann die Initialzündung
für die Gründung von I4F?
Ich hatte nie den Kontakt und auch nie die Vorliebe für die Bodenbelagsindustrie verloren. Schon zu meiner Zeit bei Tarkett waren Angle-Angle-Verriegelungssysteme üblich, die nicht so einfach zu installieren sind und alle suchten nach einer wettbewerbsfähigen einteiligen Droplock-Verbindung. Meine Vision war ein vertikales Klicksystem, das kinderleicht zu verlegen sein sollte.
Zu unserem Portfolio gehörte ein Unternehmen mit einem besonders kreativen Kopf dahinter, der einen innovativen Verschluss für Getränkeverpackungen erfunden hatte. Mit dem sprach ich eines Abends über meine Vision - und am nächsten Morgen kam er mit einer Idee zu mir, die wir dann zum 3 L Triple Lock-System weiterentwickelt und zum Patent angemeldet haben... der Rest ist Geschichte.
Nun gab es ja schon zwei starke Lizenzanbieter auf dem Markt. Welche Nische oder welches Potenzial haben Sie neben den beiden noch gesehen?
Die kannte ich natürlich schon aus meinen Tarkett-Zeiten. Ich hatte einfach das Gefühl, dass es Raum gibt für ein anderes Konzept, mehr eine Art Plattform für Innovationen als die übliche Lizenzgeber-Lizenznehmer-Beziehung.
Das Patentgeschäft war nicht der spannendste Bereich von all denen Bereichen, in denen Ramphastos aktiv ist,
es wurde eher zu einer Art Hobby für mich. Ich besuchte viele Bodenbelagshersteller und stieß bei einigen mit meinen Gedanken durchaus auf Interesse. Aus diesen Gesprächen heraus entstand dann Ende 2013 die Entscheidung, mit Ramphastos als Kapitalgeber I4F zu gründen, das steht für Innovations for Flooring.
Das war natürlich anfangs ein bisschen wie bei David und Goliath. Wir mussten wirklich kämpfen, auch vor Gericht. Zeitweise hatten wir 32 Verfahren am Laufen und ich verbrachte jedes Wochenende damit, juristische Schriftsätze zu lesen.
Aber inzwischen sind diese Rechtsstreitigkeiten beendet. Es hat lange gedauert und war nicht einfach, weil so viele Beteiligte involviert waren und jeder eigene Interessen hatte, doch letztlich haben wir es geschafft. Das ist nicht nur gut für uns alle, sondern auch für den Markt, weil sich nun alle wieder mehr auf neue Technologien und Entwicklungen fokussieren können.
Ich kann mich an die vielen Pressemeldungen zu immer wieder neuen Patentklagen erinnern. Doch das hat Sie nicht abgehalten, I4F weiter aufzubauen...
Richtig. Wir wurden immer stärker und stärker. In der Zwischenzeit war ich auf potenzielle Partner zugegangen. Der erste war Classen. Das passte perfekt, fand ich: Wir hatten die meisten wichtigen Patente für ein One Piece-Klicksystem und sie mit Megaloc ein Two Piece-Patent. Es hat lange gedauert, bis ich Dr. Hannig und Arne Loebel überzeugen konnte, unsere Kräfte zu bündeln, aber nun arbeiten Classen und wir seit 2017 sehr gut und sehr erfolgreich zusammen.
Ein weiterer Meilenstein war dann die strategische Partnerschaft mit Kronospan. Allerdings wollten Matthias und Peter Kaindl nicht nur eine Lizenz, sondern auch Anteile an I4F. Die haben sie schließlich auch erworben.
Kurze Zwischenfrage: Sind andere strategische Partner, etwa Classen, ebenfalls an I4F beteiligt?
Nein, mit Classen haben wir ein anderes Arrangement. Ramphastos ist unverändert Mehrheitseigner von I4F und nur Kronospan hält ebenfalls Anteile.
Wir haben dann unsere Reise fortgesetzt. Weil ich dachte, dass wir das Patentportfolio in andere Bereiche erweitern sollten, zum Beispiel Materialkompositionen, habe ich auch das Gespräch mit Ulrich und Matthias Windmöller gesucht und wir haben eine strategische Partnerschaft mit Ulrich Windmöller Consulting geschlossen. Außerdem haben wir ein Abkommen mit Kowon R & C aus Korea getroffen, die ebenfalls an den Patenten von UWC in den USA beteiligt sind.
Parallel haben wir das Team mit hochkarätigen Kollegen erweitert, oft erfahrene Experten aus der Branche. Am Anfang waren wir ja nur zu zweit, Eddy Boucké und ich. Inzwischen sind wir 22, haben eine Niederlassung in den Niederlanden und in Shanghai eröffnet und suchen gerade nach fünf neuen Mitarbeitern in Asien und Europa.Denn: Wir sind immer noch am Anfang. Wir sind dabei, die Welt zu erobern!
Können Sie dazu Ihr Geschäftsmodell nochmal im Detail erklären? Sie entwickeln nicht nur neue Technologien und Patente, sondern kaufen und vermarkten auch die Entwicklungen und Patente anderer Unternehmen?
Genau. Wir wollen der Bodenbelagsindustrie den Zugriff auf innovative, nachhaltige und kosteneffiziente Spitzentechnologien eröffnen, mit denen sie ihre Marktposition stärken und ihren Umsatz steigern kann. Grundlage ist unser Plattform-Konzept, dass fast 3.000 Patente und Technologien umfasst, die in sechs Cluster gegliedert sind: Klicksysteme, Produktionsprozesse, Wand- und Deckenpaneelsysteme, Digitaldruck, Oberflächenveredlungen sowie neue Materialien und Materialkompositionen. So viele Innovationen und Patente kann kein einzelnes Unternehmen entwickeln und anbieten.
Ihr USP ist also, dieses ganze Know-how, diese Expertisen und diese Kompetenzen in einem Pool zu bündeln, und.... und Sie übernehmen dann die Vermarktung bzw. Lizensierung?
Nicht nur das. Wir helfen und unterstützen auch jeden, der mit einer Technologie oder Entwicklung zu uns kommt, seinen Patent bzw. seinen Patentanspruch zu optimieren. Denn wir sind überzeugt: Durch Teilen wird der Kuchen größer!
Darüber hinaus nähern wir uns dem Thema Innovationen auch auf ganz anderen, neuen Wegen. Wir wollen "out of the box" denken. So habe ich im letzten Jahr ein Unternehmen auf dem High Tech-Campus von Eindhoven angeheuert, auf dem über 12.000 R & D-Profis arbeiten. Dieses Team soll für uns rein auf analytischen Methoden basierend neue Lösungen entwickeln. Sie haben keine Ahnung von Bodenbelägen, sondern füttern ihre Systeme zum Beispiel mit den Charakteristika des Rohmaterials und diese kalkulieren, welches Klicksystem dafür optimal wäre. Diese wissenschaftliche Herangehensweise ist wirklich einzigartig.
Ich glaube, dass einer der Nachteile jeder Industrie ist, dass die meisten Innovationen aus den eigenen Reihen kommen. Salopp gesagt, dass sie im eigenen Saft kocht. Und meine feste Überzeugung ist, dass das keine echten Innovationen sein können, weil die Leute viel zu viele Schranken im Kopf haben. Basis ist immer etwas, was schon mal dagewesen ist. Und ich will etwas ganz Neues schaffen. Ich bin nicht sicher, ob wir Erfolg haben werden, aber wir sind schon sehr weit in dem Prozess.
Dass der Kuchen durch Teilen größer wird, ist kein Geheimnis. Aber Ihre strategischen Partner sind Wettbewerber auf dem Markt. Wie verträgt sich das? Sind da nicht die individuellen Egoismen stärker? Wie managen Sie das?
Das beginnt schon damit, dass sich ihre Technologien unterscheiden, bzw. komplementär sind, also nicht im Wettbewerb miteinander stehen. Die tun sich nicht gegenseitig weh. Wobei klar ist, dass sie nicht miteinander in Kontakt treten oder sich austauschen können, weil wir natürlich strikt die kartellrechtlichen Bestimmungen beachten. Das ist die eine Seite. Auf der anderen teilen manche ihre Geheimnisse mit mir und ich weiß, woran sie arbeiten. Dieses Vertrauen würde ich niemals missbrauchen und ich will mir nicht den geringsten Fehler erlauben. Deshalb habe ich extra einen persönlichen juristischen Berater engagiert, der mir genau sagt, was ich tun kann und was nicht.
In welchen Märkten sind Sie aktuell aktiv, welche sind die Kernmärkte oder Schlüsselmärkte?
Als Eddy Boucké und ich 2013 gestartet sind, explodierte gerade die Nachfrage nach LVT und WPC und jeder wollte in die Produktion einsteigen. Das kam uns natürlich entgegen. Und die meisten dieser neuen Linien wurden in China installiert. Daher waren wir am Anfang tatsächlich hauptsächlich auf China und den US-amerikanischen Markt fokussiert. Ich würde sagen, dass unser Klicksystem heute in den USA eine der marktführenden Technologien ist.
Seitdem wir gewachsen sind und auch mehr Partnerschaften geschlossen haben, ändert sich unser Fokus. Natürlich bleiben die USA für unser Geschäft wichtig, aber Europa gewinnt künftig für uns klar an Bedeutung. Deshalb haben wir vor anderthalb Jahren Matthieu Dekens geholt, der früher bei Tarkett war und dessen Aufgabe unter anderem ist, uns und unsere Technologien bei den großen europäischen Handelsorganisationen bekannt zu machen.
Unsere beiden Schlüsselmärkte 2021 sind ganz klar, neben den USA und China, Deutschland als größter europäischer Markt und darüber hinaus Vietnam.
Und wenn Sie auf Ihre sechs Cluster blicken: Welche sind am wichtigsten und bei welchen sehen Sie das größte Potenzial?
Wir werden und wollen immer ein Spezialist für Klicksysteme bleiben. Und wir werden sie noch weiterentwickeln. Ich glaube nicht, dass wir hier schon unser volles Potenzial erreicht haben, da gibt es noch Möglichkeiten.
Wenn wir allerdings über die Zukunft reden, also drei Jahre plus, dann sehe ich das größte Potenzial beim Digitaldruck. Da sind wir noch ganz am Anfang, was das Layout der Maschinen anbetrifft, die Oberflächen, die Strukturierung, die Kratzfestigkeit... und es ist auch noch sehr teuer. Aber wir werden da weiterkommen und dann ist Digitaldruck der große Gewinner. Wir bleiben auf jeden Fall dran.
Auf Ihrer Website betonen Sie auch Ihren hohen Servicelevel. Was können Ihre Kunden bzw. Partner von Ihnen erwarten?
Eigentlich müssten Sie unsere Kunden fragen, wie zufrieden sie mit unserem Service sind...... ich sage es mal so: Wir sind für sie da. Und das 24/7. Es ist keine Seltenheit, dass mich CEOs von großen amerikanischen Händlern am Wochenende anrufen, weil sie etwas mit mir besprechenn wollen.
Und diese Philosophie teilt auch unser Team: Der Kunde kommt zuerst. Sein Anliegen ist am wichtigsten und muss zuerst gelöst werden. Alles andere ist zweitrangig. Diese Philosophie hat uns geholfen, dorthin zu gelangen, wo wir heute sind.
| Das Gespräch führte Claudia Weidt
Innovator, Motivator, Motor: John Rietveldt, Gründer und CEO von I4F, sagt von sich selbst: "Die Tage sind zu kurz für all die Ideen, die ich im Kopf habe." Tatsächlich hat der gebürtige Niederländer in all seinen Führungspositionen in der Industrie mit unkonventionellen Eingebungen und neuen Herangehensweisen reüssiert. Nach Stationen bei Electrolux und Moulinex verantwortete er als jüngster Geschäftsführer bei Whirlpool das Benelux-Geschäft, stieg dann in die oberste Führungsetage des ßwaren-Herstellers auf. 2003 holte ihn Tarkett an die Spitze des damals 1 Mrd. EUR schweren Handelsgeschäftes, 2006 wechselte er zu American Standard, dato weltweit die Nr. 1 bei Küchen- und Bauausstattung, um von Brüssel aus die Europa-Aktivitäten zu lenken.
Kaum ein Jahr später ging der US-Konzern von der Börse, Teile wurden verkauft. Rietveldt wurde zum CEO des ausgegründeten Küchen- und Badbereiches berufen und damit verantwortlich für 28.000 Beschäftigte und 55 Werke. 2008 folgte dann der Break: Rietveldt verabschiedete sich aus der Großindustrie, stieg als Partner bei der niederländischen Private Equity-Gesellschaft Ramphastos ein und wollte nun beweisen, dass er selber Unternehmen aufbauen kann. Auch das gelang ihm - mit I4F. Der stets aufgeräumte, charismatische Rietveldt schätzt Leidenschaft, Disziplin und Ausdauer und wollte eigentlich im September 2020 seine Lebensgefährtin Gilliane Palmer heiraten, bis ihnen Corona einen Strich durch die Rechnung machte.
I4F - Meilensteine
2013 Gründung durch John Rietveldt in Curaçao
2015 David Song wird Licensing Director
2017 Strategische Partnerschaften mit Classen und Kowon
2018 Strategische Partnerschaften mit Kronospan und Ulrich Windmöller Consulting (UWC) Eröffnung von Standorten in Eindhoven (Niederlande) und Shanghai (China); Matthieu Dekens wird COO; Kees Verhararen wird CFO
2019 Eröffnung eines Standortes in Hamont (Belgien)
2020 Strategische Partnerschaft mit Lico
I4F - das Patent-Cluster-Konzept
I4F konzentriert sich auf die Entwicklung von Patenten und Technologien für die Bodenbelagsindustrie. Das Portfolio verteilt sich auf sechs sogenannte Cluster:
1. Klicksysteme für Parkett-, Laminat und Designböden
>3L TripleLock: Einteiliges Drop-Lock-System (Druckknopf-Prinzip) für die kurze Seite, besonders einfach und schnell zu installieren
>Click4U: Angle-System für die lange Seite, kombiniert mit 3L Triple Lock-System für die kurze Seite, einfach und schnell zu installieren, hohe Verriegelungsfestigkeit
2. Optimierte Produktionsprozesse, nachhaltig, material- und kostensparend
> Oberflächenschutz für Vinylbeläge gegen Klebstoff- und Farbrückstände
> Leviotech: Optimiertes Extrusionsverfahren mit 15 %-Materialeinsparung für EPC- und SPC-Trägerplatten
> LLT, Liquid Laminate Technology: Kombination zweier Produktionsschritte, der Imprägnierung von Overlay-, Dekor- und Gegenzugpapieren und dem Verpressen mit der Trägerplatte zum Laminatboden
3. Wand- und Deckenpaneelsysteme
> Installationssystem für Wandpaneele, das drei Ebenen für einen 3D-Effekt kombiniert
> Einfaches und flexibles Klicksystem für Wand- und Deckenpaneele
4. Digitaldirektdruck für Bodenbeläge auf verschiedenen Substraten
5. Oberflächenfinish für matte Optik und hohe Strapazierfähigkeit
6. Neue Materialien, Material-Kompositionen und -konstruktionen
> Multilayerkonstruktion mit Magnesiumoxid-Träger und Furnieroberfläche, schallabsorbierend, wasserresistent, schwer entflammbar, ressourcenschonend
> Hochleistungsfähige, ableitfähige Bodenlösungen für OP-Säle, Labore, Computerräume und Reinräume
> Polymer-Bodenelemente auf Faser- zementbasis mit Fugenmöglichkeiten
I4F
I4F Licensing B.V.B.A.
Oude Watertorenstraat 25
B-3930 Hamont-Achel, Belgien
Tel.: +32 11 92 21 11
www.i4f.com, info@i4F
Gründung: 2013
Anteilseigner: Ramphastos, Kronospan
Management: John Rietveldt (CEO), Eddy Boucké (CTO) Kees Verhaaren (CFO), Matthieu Dekens (COO), David Song (Licensing Director), Stéphanie Couture (General Counsel) Mattie de Koning (Chief IP Officer)
Unternehmenskommunikation: Gilliane Palmer
Mitarbeiter: 22
Standorte: Hamont/Belgien, Shanghai/China
Strategische Partnerschaften: Classen, Kronospan, Tarkett, Ulrich Windmöller Consulting, Lico, Ulrich Windmöller Consulting, HMTX, CFL, Benchwick, Kowon, Kingdomfloor
Lizenznehmer: über 100
Patente und Technologien: über 3.000
aus
Parkett Magazin 01/21
(Wirtschaft)