Ter Hürne: Interview mit Bernhard und Erwin ter Hürne
"Wohngesundheit wird gesucht und auch bezahlt"
Ter Hürne richtet sich strategisch neu aus. Im Kern stehen die Profilierung der Marke, die konsequente Orientierung des Sortiments an der Priorität "gesundes Wohnen" und der Ausbau des Exports. Parkett Magazin fragte Bernhard und Erwin ter Hürne, die das Familienunternehmen in zweiter Generation führen, wie weit sie in der Umsetzung sind.
Parkett Magazin: Sie richten Ihr Unternehmen neu aus und nehmen dafür einen zweistelligen Millionenbetrag in die Hand. Wie weit sind Sie mit der Umsetzung gekommen oder hat Sie die Corona-Pandemie ausgebremst?
Bernhard ter Hürne: Die Umsetzung unseres Investitionsprogramms Phase 1 ist gut im Zeitplan. Unser neues Technikum wird noch 2020 ans Netz gehen, das Kommunikationszentrum wird wie geplant im zweiten Quartal 2021 eröffnen. Und mit der Umsetzung unseres neuen PIM-Systems und des Media-Asset-Managements haben wir die Grundlagen für unser neues digitales Universum geschaffen.
Erwin ter Hürne: In der Produktion liegen wir ebenso im Zeitplan - die neuen Pressen in der Parkettfertigung sind installiert, der Umsetzungsprozess der neuen Formatierung hat begonnen. Der nächste Schritt konzentriert sich auf den neuen Verpackungsbereich, der etwas länger braucht als geplant.
Wie haben Sie sich 2020 generell entwickelt?
Bernhard ter Hürne: Es war auf jeden Fall ein herausforderndes Jahr. Wir hatten ein tolles erstes Quartal mit einer erfolgreichen Domotex und der dynamischen Annahme unseres neuen Produktkonzeptes Dureco und unseres neuen Laminatprogramms. Das zweite Quartal war sehr hart, weil wir mit Rückgängen im Export von 40 bis 60 % zu kämpfen hatten. Im dritten Quartal erlebten wir einen starken Rebound im Export und waren kumuliert wieder über Vorjahr. Im vierten erleben wir gerade (Mitte November 2020, Anm.d. Redaktion) phänomenales Wachstum, getragen vor allem durch unseren wohngesunden Designboden Avatara. Wir werden das Jahr deutlich über Vorjahr abschließen, liegen mit allen Produktbereichen im Plus, auf die Wachstumszahl möchte ich mich noch nicht festlegen.
Sie haben 2019 den Export als einen der Hauptmotoren für künftiges Wachstum definiert. Da hat Ihnen aber Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht...
Bernhard ter Hürne: Ja und nein. Wir sind in den strukturellen Schritten in für uns wichtigen Exportmärkten deutlich weitergekommen. Wir haben unsere Mannschaft für Spanien und Frankreich in den Märkten etabliert, ebenso in Fernost. Gleichzeitig haben wir auch in Südlohn die Personalkraft im Export deutlich verstärkt. Die temporären Rückschläge durch die Corona-Pandemie kosten zwar Zeit und Geld, das wird uns aber nicht davon abhalten, unseren Weg im Export zu gehen.
Wie ist die weitere Planung?
Bernhard ter Hürne: 2021 wird für uns von vier Bausteinen geprägt sein: Ausbau und Beschleunigung der Digitalisierung und des Exports in unseren Schlüsselmärkten, umfassende Neuprodukteinführungen und die Umsetzung eines sehr strategischen Investitionsschrittes in ein für uns neues Marktsegment.
Wir gehen davon aus, dass wir unsere Wachstumsdynamik damit noch deutlich erhöhen können. Wir sind stolz, Anfang 2021 ein hochgradig innovatives Produktprogramm mit Vinyl an den Markt zu bringen. Es war nicht einfach, im durch Corona-Beschränkungen gekennzeichneten Marktumfeld unsere Designideen in fertige Produkte zu transformieren. Wir setzen neue Standards in Design, Formaten und mit unserem Fischgrät-Programm auch in der Verlegetechnik.
Ab Mitte 2021 wird der Rest des ter Hürne-Jahres unter der Überschrift Holz stehen und in Verbindung mit der Eröffnung unseres neuen Kommunikationszentrums ganz neue Perspektiven für unsere Handelspartner und die Marke ter Hürne eröffnen - mehr können wir jetzt noch nicht verraten.
Die Ankerpunkte Ihrer Neuausrichtung - und Kern Ihrer Markenpositionierung - sind Wohngesundheit und Ökologie. Warum schreiben Sie Wohngesundheit einen so hohen Stellenwert zu?
Bernhard ter Hürne: Wir definieren Wohngesundheit darüber, wie unsere Produkte sich im Wohnumfeld auf die Gesundheit und das Wohlbefinden des Konsumenten auswirken. Sowohl über die Qualität und Zusammensetzung aller eingesetzten Materialien, das Emissionsbild der Produkte, aber auch über das Erleben durch den Kunden.
Wir glauben, dass Menschen für ihre Familien und sich selbst das Beste möchten und im Besonderen, dass sich Menschen in ihrem persönlichen Wohnumfeld mit wohngesunden Materialien umgeben möchten. Wir sind davon überzeugt, dass gesicherte Wohngesundheit zunehmend vom Konsumenten gesucht und auch bezahlt wird. Wir glauben auch, dass Wohngesundheit von Produkten und langlebige Qualität zusammengehören und dem sich bildenden neuen Verbraucherbewusstsein in besonderem Maße entsprechen. Das ist genau, was die Marke ter Hürne bietet.
Wir investieren bewusst viel Zeit und Geld, um unsere Produkte in beiden Aspekten besser zu machen. Beginnend mit der Frage, wo wir welchen Rohstoff in welcher Qualität einkaufen über jeden Produktionsschritt bis hin zur Verpackung.
Wie lassen sich Wohngesundheit und Vinyl in Einklang bringen?
Bernhard ter Hürne: Sie haben natürlich Recht, man kann diese Frage kritisch stellen. Vinyl ist erfolgreich, weil das Produktkonzept einen einzigartigen Nutzen bietet: elastisch, leise, wasserfest. Zwei dieser drei Kerneigenschaften verbessern das Wohlbefinden des Konsumenten. Kritisch sind Weichmacher zu sehen. Deshalb sind wir erst mit der Möglichkeit in den Markt eingetreten, einen Vinylboden auf Basis von Sojabohnenöl herstellen zu können.
Ter Hürne war eins der ersten Unternehmen, das für seine Vinylprodukte eine EPD (Environment Product Declaration) und eine HPD (Health Product Declaration) zur Verfügung stellen konnte. Unsere Vinylprodukte belasten das Raumklima nicht und verfügen über ein deutlich überlegenes Profil zum Thema Wohngesundheit als herkömmliche Vinylböden. Wir stehen vollumfänglich hinter unserem Designvinyl, haben aber trotzdem mit Avatara eine deutlich höherwertige Alternative geschaffen, die unsere Vorstellung von einem wohngesunden Designboden auf die Spitze treibt.
Sie haben einmal gesagt, man könne heute kein neues Produkt mehr auf den Markt bringen, ohne vorher darüber nachgedacht zu haben, wie man es wieder in den Kreislauf zurückführen kann. Wie verträgt sich das mit Ihren teilweise mehrkomponentigen Produkten?
Erwin ter Hürne: Grundsätzlich stellen wir sehr langlebige Produkte her mit einem anhaltenden Nutzen für den Konsumenten. Das ist ein sehr wichtiger Nachhaltigkeitsbeitrag. Mit unseren Parkett- und Holzböden, unseren Laminatböden und unserer jüngsten Produktfamilie Avatara arbeiten wir in den eingesetzten Rohstoffen und unserer Verarbeitung zu 100 % sortenrein, so dass das Material für einen gleichwertigen Fußboden eingesetzt oder nach Erstnutzung als Rohstoff für viele Zwecke wiederverwandt werden kann. Bei unserem Vinyl Dryback ist das auch so.
Für unsere Vinyl-Produkte Perform und Comfort verbinden wir natürliche Materialien wie Holz in HDF-Form und Kork mit Vinyl. Dort haben wir Fraktionsverbindungen, über die man vielleicht diskutieren kann. Wir glauben, dass eine Fraktionstrennung hier funktionieren wird, wenn wir die Recyclingprozesse und -systeme in unserer Branche entwickelt haben. Daran arbeiten wir mit. In unserer Fertigung selber bereiten wir die Produktionsabfälle schon heute so auf, dass sie in den Produktionsablauf zurückfließen.
Das Stichwort ist schon mehrfach gefallen... Corona. Die Pandemie verändert gerade die Welt, wie verändert sie den Bodenbelagsmarkt?
Bernhard ter Hürne: Ich glaube, dass Fußboden und Innen-
einrichtung an Bedeutung für den Konsumenten gewinnen. Und dass nachhaltigere und qualitativ bessere und langlebigere Produkte gewinnen.
Ich bin auch überzeugt, dass der Konsument über die Ursachen von Corona und auch anderer Fehlentwicklungen unserer Gesellschaft im Zusammenhang nachdenkt und sein Konsumverhalten darauf neu ausrichtet. Nicht alle, aber in relevanter Dimension. Ich bin ebenfalls davon überzeugt, dass sich Wertschöpfungsketten teilweise stärker regional näher organisieren. Die Erkenntnis, dass hier geltende gesetzliche und politische Rahmenbedingungen Sicherheit schaffen, gilt auch für Produkt und Produktion aus dem hiesigen Raum.
| Die Fragen stellte Claudia Weidt
aus
Parkett Magazin 01/21
(Wirtschaft)