Fachwissen: Estricharten und ihre Eigenschaften
Die vielen Varianten des Untergrundes
Trotz Schnittstellenkoordination immer wieder ein strittiger Diskussionspunkt unter Fachleuten ist die Frage: Wie genau muss ein Parkettleger über den Untergrund Bescheid wissen? Der Sachverständige und Fachbuchautor Thomas Allmendinger gab auf den 4. Lausitzer Oberflächentagen 2020 Tipps und Hinweise, wie unterschiedliche Estricharten einzuschätzen sind.
Eines ist klar: Die Prüfpflicht des Bodenlegers beinhaltet die Feststellung der Belegreife mittels CM-Methode sowie einen Test der Oberflächenfestigkeit mit der Gitterritzmethode. Wie aussagekräftig die Ergebnisse solcher Baustellenprüfungen sind, ist allerdings umstritten. Das liegt vor allem an den verschiedenen Estrichen, denen der Handwerker begegnen kann. Am fertigen Untergrund lassen sich die Zutaten und daraus resultierende Eigenschaften nicht erkennen. Deshalb verweisen Parkett- und Bodenleger auf die Mitteilungsverantwortung von Estrichleger und Auftraggeber oder Planer. Dazu gibt es das Medium der Schnittstellenkoordination.
Weil es im Baustellenalltag aber nicht selten am Informationsaustausch zwischen den Gewerken mangelt, dürfte es für Parkett- und Bodenleger nicht verkehrt sein, die Unwägbarkeiten des Untergrundes einschätzen zu lernen. Zement, Sand und Wasser lauten die Zutaten eines klassischen Portlandzementes. 10 kg davon können vier Liter Wasser binden. Das sind 40 % und führen zu dem W/Z-Wert 0,4. Bei einem Feuchtegehalt von 2 CM-% ist dieser Estrich belegreif. Das dauert aber je nach Schichtdicke und Klima vier Wochen oder länger. 28 Tage sind ein Standardwert. Seine Ausgleichsfeuchte von etwa 1,2 CM-% erreicht dieser Unterboden sogar erst nach Jahren.
Allein die Art des Sandes, die sogenannte Sieblinie, spielt bereits eine Rolle. Und weil Zeit gleichzeitig Geld bedeutet, gibt es alle möglichen Estrich-Mixturen, die einen rascheren Baufortgang bewirken sollen. Beschleunigte Estriche erhalten beispielsweise Zutaten von Waschmittelbildern (Polycarboxylate, Tenside), Plastifizierern, Fließmittel, Luftporenbildnern und Aluminaten. Die müssen aber in sehr exakter Menge zugegeben werden. "Der wichtigste Job ist daher an der Mischmaschine", sagt Allmendinger, "doch meist steht da nur der Mann mit den größten Muskeln."
Ein beschleunigter Estrich trocknet zwar zügiger, doch letztlich muss auch hier das Wasser auf natürlichem, physikalischem Weg heraus trocknen. In dieser Phase schwindet der Estrich und Spannungen bauen sich auf, mit der Folge von Verformungen, Randabsenkungen und Rissbildungen. Thomas Allmendinger: "Der regelkonforme Weg ist das unbedingte Abwarten, bis der Estrich die Belegreife mit maximal zulässiger Restfeuchte erreicht hat."
Beschleunigte Estriche vs. Schnellestriche
Geduld ist beim Auftraggeber nicht immer vorhanden. Dann kommt die Forderung nach einem Schnellestrich. Der darf nicht mit einem beschleunigten Estrich verwechselt werden, wenngleich auf den ersten Blick kein Unterschied erkennbar sein mag. Der Schnellestrich schafft tatsächlich eine deutlich frühere Belegreife. Da gibt es etwa den Tonerdeschmelzzement, ein Auslandsimport, der chemisch fast doppelt so viel Wasser binden kann, wie ein Portlandzement. Auch Calciumsulfat-Fließestriche (CAF), mitunter Anhydritestriche genannt, bauen selbst bei hoher Dicke innerhalb weniger Tage ihre Festigkeit auf und tragen daher werbewirksame Namen wie "Turbo" und "Sprint". Die Art ihrer Bindemittel beeinflusst die Kristallisation und Reaktionsgeschwindigkeit. Allmendinger: "Das Reaktionsprodukt ist immer Calciumsulfatdihydrat, also Gips." Weil die Bindemittel eher träge reagieren, setze die Industrie chemische Anreger hinzu. "Das führt unter Umständen oben auf dem Estrich zur Bildung von Sinterschichten."
Auch Zementestriche können Zusätze enthalten, die sich an der Oberfläche ablagern und eine Haftung beeinflussen. Je fester und glasiger die Oberfläche, desto schlechter hält ein Dispersionskleber. Allmendinger rät schon vor dem Spachteln in jedem Fall zu einem Saugtropfentest. Das Wasser muss in den Unterboden einsickern können.
Und wie verhält es sich mit einem Vorstrich? "Eine Grundierung muss zu 100 % dicht sein", erklärt Allmendiger. "Sonst wirkt das Wasser in der Spachtelmasse auf das Anhydrit des Estrichs und die Oberfläche wandelt sich in Gips um." Als Lösung empfiehlt sich entweder eine Spachtelmasse, die in ihrer Zusammensetzung genau dem Calciumsulfatestrich (CA) entspricht oder ein Expoxydharz-Vorstrich mit Abquarzen.
Hinweise zu weiteren Estricharten
Der Parkett- und Bodenleger kann auf alle möglichen Arten von Estrich treffen. Unter anderem auf Trocken- oder Fertigteilestrich. Soll beispielsweise ein PVC-Belag auf eine 25 mm dicke Spanplatte über einem Magnesia-Estrich geklebt werden, darf dieser nicht mit einer Folie abgesperrt werden. Sonst wird er im Laufe der Zeit weich. Und will man die Spanplatte ihrerseits spachteln, müssen die Plattenfugen absolut dicht verleimt sein.
Kritische Beachtung schenkt der Sachverständige auch zementärem Fertigteilestrich und Gipsfaserplatten. Hier kennt er Fälle, in denen Mosaikparkett und 22 mm-Landhausdiele verlegt und ein Entkoppelungsvlies eingesetzt wurde. "Das Parkett hat sich komplett verzogen. Ein Vlies kann einen schwachen Untergrund nicht festigen."
Dann gibt es noch den schwarzen Gussasphaltestrich, der heiß eingebaut und im Süden Deutschlands gelegentlich verwendet wird. Was bei diesem thermoplastischen Untergrund, der sich unter Last verformt, passieren kann, erläuterte Allmendinger am Beispiel eines 16 mm dicken Hirnholzparketts, das auf Gussasphalt und einer zusätzlichen Kork-Gummigranulat-Matte verlegt worden war. Die Dehnfugen hatte man mit Kork ausgespritzt. Vor dem Wochenende waren die Estricharbeiten fertig, am Montag kam der Holzboden an die Reihe.
Im besagten Fall geschah nach dem Wochenende folgendes: Weil Gussasphalt unter Wassereinfluss geschliffen wird, hatte sich die Luftfeuchtigkeit im Raum stark erhöht. Das später geklebte Hirnholzparkett begann nun zu quellen und übte eine große Kraft auf den Gussasphalt aus. Der Klebstoff hielt, das Holz nahm den Asphalt mit und alles dehnte sich aus. Die Korkdehnfugen erwiesen sich als untauglich, da sie nicht genügend Flexibilität boten. Dazu Thomas Allmendinger: "Der Parkettleger sollte bei Gussasphalt darauf hinweisen, dass es eine echte Randfuge von 10 bis 15 mm geben muss. Denn nicht das Parkett benötigt am Ende die Dehnfuge, sondern der Untergrund."
| Henrik Stoldt
aus
Parkett Magazin 01/21
(Wirtschaft)