TKB-Pressekonferenz Verband ruft zum Zusammenhalt der Branche auf
Wird die DIN 18560 zum Politikum?
Wir, FussbodenTechnik, betrachten den gesamten Fußbodenaufbau als Einheit - vom Estrich bis zum Bodenbelag. Aktuell zeigt sich, dass die Norm DIN 18560 (Estriche im Bauwesen) zum Spielball unterschiedlicher Interessen wird und Unsicherheit auf der Baustelle entsteht. Dies behauptete die Technische Kommission Bauklebstoffe (TKB) auf ihrer Pressekonferenz im November 2020. FussbodenTechnik fragte beim Obmann des Normenausschusses der DIN 18560, Oliver Erning, nach, der die Vorwürfe telefonisch als haltlos zurückwies.Die Technische Kommission Bauklebstoffe (TKB) nutzte ihre virtuelle Herbst-Pressekonferenz, um zu einem Zusammenhalt in der Fußbodenbranche aufzurufen. Bei der am 10. November 2020 abgehaltenen Pressekonferenz gab es Einblicke in eine Auseinandersetzung zwischen zwei Interessen-Gruppen, die das Dauerthema Estrichfeuchtemessung betreffen: Auf der einen Seite die Estrichindustrie, die Art und Messung der Estrichfeuchte (CM-Messung) in die Estrichnorm DIN 18560-1 festgeschrieben hat. Auf der anderen Seite die Verlegewerkstoffindustrie mit dem bodenlegenden Handwerk, die auch alternative Messmethoden wie die KRL-Methode zulassen will. Ihre Begründung: Durch Zusatzmittel "beschleunigte" Estriche lassen sich eindeutig bei der Belegreife einschätzen, so die TKB, aber auch der Bundesverband Parkett und Fußbodentechnik (BVPF).
Klaus Winkels, Geschäftsführer des Industrieverbands Klebstoffe (IVK), verfolgt die Diskussion der beiden Gruppen aufmerksam und sagt dazu: "Ich habe schon viele Verbandssitzungen erlebt und bin es gewohnt, dass man diskutiert und sich miteinander verständigt, sich gegenseitig zuhört und anerkennt. Das war hier leider nicht der Fall."
Leidtragende sind
Bodenleger und Parkettleger
In diesem besonderen Fall befürchtet die TKB, die Parkett- und Bodenleger könnten die Leidtragenden sein, wenn es auf der Baustelle bezüglich der Estrichrestfeuchte zum Streit kommt. Im Zweifel könne dieser Streit die Existenz des Handwerkers kosten, falls ein Schadensfall vor Gericht landet, befürchtet der Verband.
Seit vielen Jahren fordert das bodenlegende Handwerk die Sicherheit, dass Boden- und Parkettleger nicht auf feuchten Estrichen arbeiten müssen, da dies schadensträchtig sein kann. "Mit der gerade verabschiedeten DIN 18560-1 wurde leider das Gegenteil erreicht", bedauert der TKB-Vorsitzende Dr. Norbert Arnold. Das Handwerk habe mit 127 Einsprüchen versucht, beim Normentwurf der DIN 18560-1 Verbesserungen zu erreichen. Die Vorschläge seien zum größten Teil abgelehnt worden.
Estrichindustrie will
KRL-Methode nicht zulassen
Hauptkritikpunkt des Boden- und Parkettlegerhandwerks war dabei die Aufnahme der CM-Messung als alleinige Feuchtemessmethode zur Bestimmung der Belegreife eines mineralischen Estrichs sowie die damit verbundenen Grenzwerte. Insbesondere der Grenzwert für beheizte Calcliumsulfatestriche von 0,5 CM-% wurde von der TKB vehement abgelehnt. Man strebt eine Rückkehr zu 0,3 CM-% an.
Trotz intensiver Diskussion wurden die Einsprüche zur Feuchtemessung vom DIN-Gremium (Arbeitsausschuss "Estriche im Bauwesen") abgelehnt, so die Darstellung der TBK. Daraufhin wurde von sechs der einsprechenden Organisationen eine Schlichtung beantragt, die am 21. September 2020 stattfand. Es handelte sich dabei um den Landesinnungsverband Bayern Malerhandwerk, das IBA-Institut, den Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz, den Industrieverband Klebstoffe, Farben Baumann und den Bundesverband Parkett und Fußbodentechnik.
Norm gilt trotz Schlichtungsantrag
Was den meisten der teilnehmenden Einsprechern nicht bewusst war: Die Schlichtung bewirkt grundsätzlich keine Änderungen am bestehenden Text der Norm, sie dient lediglich als Prüfungsauftrag für eine zukünftige Normrevision. Im Ergebnis wird damit die CM-Messung in der neuen DIN 18560-1 nach Durchführung der Einspruchssitzung und der Schlichtung festgeschrieben. Die Estrichfraktion möchte die Wartezeit bis zur Belegreife ihrer Estriche verkürzen und das damit verbundene wirtschaftliche Risiko auf den Boden-, Parkett- oder Fliesenleger abwälzen, behauptet die TKB. Aus Sicht des bodenlegenden Handwerks sei dies ein Affront gegen eine gesamte Branche.
Die Verbände, Firmen und Personen, die gegen den Normentwurf eingesprochen haben, spiegeln die gesamte Breite der Bodenbelagsbranche wider (siehe Liste rechts). Demzufolge sprechen sie sich dafür aus, weiterhin ausschließlich die branchenspezifischen Merk- und Hinweisblätter als Grundlage zur Bestimmung der Belegreife heranzuziehen. "Eine Festlegung der Belegreife anhand der Estrichnorm DIN 18560-1 mag für den Estrichleger Bedeutung haben, für das bodenlegende Handwerk wird sie abgelehnt", unterstreicht Dr. Arnold.
In den branchenspezifischen Merkblättern sind folgende Feuchtewerte für die Belegreife festgeschrieben:
- Zementestrich, unbeheizt: 2 CM-%
- Zementestrich, beheizt: 1,8 CM-%
- Calciumsulfatestrich, unbeheizt: 0,5 CM-%
- Calciumsulfatestrich, beheizt: 0,3 CM-%
Die Prüfgutentnahme kann aus der unteren Hälfte des Estrichs oder über dessen Querschnitt erfolgen, bei Parkett ist die Entnahme aus der unteren Hälfte etabliert.
Streit um Begriff der Belegreife
Im Kern geht es laut TKB auch um die Frage, wann ein Estrich "belegreif" ist. Dieser Begriff sei unzureichend definiert, finden die Verlegewerkstoffhersteller. Sowohl der Estrichleger verbindet hiermit eine aus seiner Sicht ausreichende Trockenheit des Estrichs als auch der Bodenleger, der wiederum die für seinen Belag notwenige Trockenheit des Untergrunds prüfen muss und für sie haftet. Jörg Baumann, Vizepräsident des Bundesverbands Farbe, schlug während der TKB-Pressekonferenz eine Diskussion um neue Begrifflichkeiten vor. Er wollte beispielsweise den Begriff der "Belegbarkeit" einführen.
Die in der Estrichnorm einzig vorgesehene CM-Prüfung funktioniert nicht in allen Fällen, wie z. B. bei mageren Estrichen (gemeint sind Estriche mit einem Mischungsverhältnis von 1:7,5 oder 1:8) - dies ist ein weiterer Streitpunkt. Die in manchen Fällen zusätzlich herangezogene KRL-Prüfung und auch elektronische Bestimmungsmethoden der Estrichfeuchte werden von der Norm ausgeschlossen, sodass hier einer innovativen Entwicklung ein Riegel vorgesetzt wurde, bemängelt die TKB. Peter Fendt, Bundesinnungsmeister des Bundesverbands Parkett und Fußbodentechnik (BVPF): "Es gibt heutzutage nicht mehr den einen Estrich, jeder Estrich ist ein Unikat, unsere bisherigen Messgeräte sind einfach zu ungenau." Fendt stellte besonders auf Handwerker ab, die sich nicht so intensiv mit dem Thema beschäftigen und auf der Strecke bleiben könnten: "Der einzelne Handwerker auf der Baustelle wird nicht den erforderlichen Erfahrungsschatz haben." Diese Zielgruppe möchte Fendt schützen und unterstützen.
TKB will Stand der Technik
über Merkblätter verbreiten
"Da die Norm hinter den Erwartungen der Branche zurückbleibt und keinen Konsens widerspiegelt, droht, dass der Stand der Technik allein über Merkblätter und Richtlinien der Handwerksorganisationen und Verbände definiert wird", betont Dr. Arnold. Wenn diese im Gegensatz zu den Aussagen der DIN 18560-1 stehen, dient dies nicht der Orientierung des Handwerkers, aber auch der Sachverständigen und Bauherrn.
Beim Streit auf der Baustelle wird sich die eine Gruppe auf die Norm berufen und im Zweifel die gegnerische Partei auf die Merkblätter der TKB.
Trotz Schlichtungsantrag
gilt die DIN 18560-1
Einige Verbände des Handwerks und die TKB haben beim DIN-Normenausschuss Bauwesen (NaBau) einen Schlichtungsantrag gestellt. Die Schlichtungsverhandlung hat einige Arbeitsaufträge an den Arbeitsausschuss formuliert, die nun abgearbeitet werden müssen. Dies hält die Veröffentlichung der DIN 18560-1 nicht auf, da nach den Regeln der DIN 820 schon eine Sicherheitsgefährdung hätte bestehen müssen, um dem Schlichtungsantrag "aufschiebende Wirkung" zu geben - dies wurde aber abgelehnt.
Die TKB sieht einen Bedeutungsverlust der DIN 18560-1 kommen, der nicht nur schlecht für das Handwerk sei. "Es bleibt daher zu hoffen, dass in dem Arbeitsausschuss Estriche das Bemühen um einen gewerkübergreifenden Konsens Einzug hält und die Mängel der Norm zügig beseitigt werden", hofft der TKB-Vorsitzende Dr.Norbert Arnold.
Sie gaben Einsprüche gegen den Normentwurf der DIN 18560 ab:
• Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz
• Bundesverband Parkett und Fußbodentechnik
• Bundesverband der vereidigten Sachverständigen für Raum und Ausstattung
• Deutsche Bauchemie e. V.
• Fachverband Rheinland-Pfalz Farbe Gestaltung Bautenschutz
• Fachverband der Hersteller elastischer Bodenbeläge e. V.
• Farben Baumann GmbH
• Hamberger Flooring GmbH & Co KG
• IBA-Institut
• Landesinnungsverband des Bayerischen Maler- und Lackierer-Handwerks
• Maler und Lackierer Innungsverband Nordrhein
• Malerverband Niedersachsen
• Meisterwerke Schulte GmbH
• PCI Augsburg GmbH
• Technische Kommission Bauklebstoffe im Industrieverband Klebstoffe e. V.
• Verband der deutschen Parkettindustrie
Ein Kommentar von Christian Harder
Estrichfeuchte-Messung - Alle an einen Tisch!
Aktuell spitzt sich in unserer Bodenbranche ein Konflikt bedenklich zu. Der Dauerbrenner Estrichfeuchtemessung ist ähnlich wie die Aufstellung der deutschen Fußballnationalmannschaft ein Thema, zu dem jeder Branchenteilnehmer meint, etwas sagen zu können. Es gab da mal das geflügelte Wort der "Bundes-Bertis" zu Zeiten des Bundestrainers Berti Vogts. Ähnlich lange dürfte es her sein, dass man sich in der Bodenbranche mit der Estrichrestfeuchte beschäftigt hat, wahrscheinlich noch länger. Vor dem Hintergrund, das Wasser die Schadensursache Nummer eins in der Welt des Bauens ist, wird sich niemand über den Wunsch nach einem trockenen Estrich als Basis für eine Belagsverlegung wundern. Keiner, mit Ausnahme von wenigen Berufsgruppen, will schließlich einen vorprogrammierten Schaden. Wundern kann man sich als Beobachter, mit welcher Ausdauer die Sachebene bei einer Diskussion abhandenkommen kann.
Wenn es so ist, dass künftig in der Estrichnorm DIN 18560 Teil 1 andere Werte für die Belegreife von Estrichen genannt werden, als dies in den Merkblättern von der Technischen Kommission Bauklebstoffe (TKB) und dem Bundesverband Parkett und Fußbodentechnik (BVPF) der Fall ist, dann kann ein verlegender Handwerker, der sich nur an einer der beiden Quellen orientiert, in die Schadensfalle laufen. Kennt er beide Quellen, könnte er sich fragen, welcher er den Vorzug geben soll. Reicht nicht allein diese Vorstellung aus, um sich mit widerstreitenden Interessengruppen an einen Tisch zu setzen, um eine gemeinsame Lösung zu finden? Die Mehrheit dürfte an dieser Stelle bejahen. Wie soll ein Richter entscheiden, der vor sich zwei Parteien hat, die jeweils auf eine sich wiedersprechende Quelle verweisen? Er kann sich vielleicht an einem Sachverständigen orientieren, der mit großer Wahrscheinlich die Diskrepanz kennt, aber hilft das weiter?
Bevor das bodenverlegende Handwerk auf der Baustelle Schaden nimmt, kann es doch nur eine Lösung geben: Alle Parteien an einen Tisch. Wer das ablehnt, kann es mit der Branche nicht besonders ehrlich meinen oder wird vorwiegend eigene Interessen verfolgen. Kennen Sie den Film "Im Auftrag des Teufels" mit Al Pacino, in dem er am Ende sagt: "Eitelkeit ist eindeutig meine Lieblingssünde"? Passt irgendwie, aber bitte nicht auf Kosten des Handwerks. Der Preis ist deutlich zu hoch. Eine übersichtliche Branche wie die Bodenbranche muss nach außen unbedingt einheitlich auftreten. Wenn das nicht möglich ist, sollten einige Entscheider ihr Handeln dringend hinterfragen.
Hinweis der Redaktion:
FussbodenTechnik wollte den Obmann der DIN 18560, Oliver Erning, für eine Stellungnahme gewinnen. Zu unserem Bedauern lehnte er dies ab.
aus
FussbodenTechnik 01/21
(Wirtschaft)