BAU
BAU Online schafft nur mittelmäßige Premiere
Als erstmals rein digitale Veranstaltung kämpfte die BAU mit technischen Problemen und machte die Teilnahme Ausstellern und Besuchern durch bürokratische Prozedere unnötig schwer. Trotzdem ziehen die wenigen teilnehmenden Unternehmen aus der Boden- und Bauchemiebranche ein vergleichsweise positives Fazit. Die BAU hat vom 13. bis 15. Januar 2021 aufgrund der Beschränkungen durch die Corona-Pandemie erstmals ausschließlich digital stattgefunden. Rund 38.000 Interessierte wählten sich an ihren Computern ein, um den Kontakt zu den 247 Ausstellern (Details siehe Kasten auf Seite 41) über die Plattform der BAU Online 2021 zu suchen. Bei der letzten Präsenz-Ausgabe der Weltleitmesse 2019 tummelten sich mehr als 250.000 Besucher in den Hallen der Messe München sowie auf den Ständen der mehr als 2.250 Aussteller. Diese unterschiedlichen Dimensionen erklären eindrucksvoll, warum Messegesellschaft und Aussteller im Vorfeld die BAU Online als "Experiment" bezeichnet haben. Nach dem Motto: Die Pandemie zwingt uns alternativlos, neue Wege zu gehen. Packen wir’s an und betreten Neuland.
Messestimmung kommt nicht auf
Am Ende einer traditionellen BAU wie 2019 fahren die Teilnehmer in der Regel mit dem guten Gefühl nach Hause, zu wissen, was in der Branche los ist, welche Neuigkeiten, Neuheiten und Trends es gibt, wie es Kunden und Lieferanten geht, und was die Zukunft bringen könnte. Dieser Gesamteindruck entsteht ausschließlich auf einer Präsenzmesse, auf der sich die Menschen von Angesicht und Angesicht austauschen, und jeder ein Gefühl für die Stimmung bekommt. Dieser Effekt stellt sich digital kaum ein. Das ist auf der BAU Online nicht anders gewesen.
Aber ganz ohne Erkenntnisgewinn für die Boden- und Bauchemiebranche ist die digitale BAU nicht zu Ende gegangen. Denn rund 20 Hersteller und Marken unserer Branche haben Neuland betreten, sich auf der Digitalmesse präsentiert und den Kontakt zu ihren Kunden gesucht. Darunter befanden sich Boden- und Zubehörhersteller wie Admonter, Altro, Egger, FN Neuhofer und Gerflor. PCI/ Thomsit, Sika und Uzin Utz hielten die Fahne hoch für die Bauchemie. Auch die Technikentwickler und Patentvermarkter von I4F sowie Softwareentwickler Active Online zeigten Flagge.
Aussteller schlagen sich gut
Sie alle zeigten in Live-Präsentationen, 1:1-Terminen, moderierten Gesprächen oder in vorab produzierten Filmen aktuelle Produkte, auch Neuheiten oder stellten ihre Betriebe vor: Die Uzin Utz-Gruppe beispielsweise, die gekonnt eine gelungene Live-Präsentation ablieferte, hatte für ihre sechs Marken neue Produkte im Gepäck wie eine Sprühfixierung von Uzin, eine Kopfversiegelung von Arturo und eine verbesserte Parkettschleifmaschine von Pallmann. Thomsit hatte gleich drei Spachtelmassen mit verbesserter Rezeptur im neuen Repertoire.
Gerflor nutzte die dreitägige BAU Online-Plattform, um sein neues DLW-Linoleum in gelungenen Live-Präsentationen ausführlich vorzustellen. Altro warb für seine innovative Looselay-Bahnenware Cantata für den Objekteinsatz. Und Egger hob seine neue Pro Fußboden Kollektion 2021+ auf das virtuelle Tableau. I4F-CEO John Rietveldt informierte im Online-Interview, dass sein Unternehmen aktuell bereits 110 Lizenzen hauptsächlich für Verriegelungssysteme vermarktet. Active Online legte seinen Schwerpunkt auf die Materialdatenbank Materialo für Einrichter. Seit 2020 erkennt diese mit Hilfe von künstlicher Intelligenz sehr exakt die Bodenflächen in vom Nutzer hochgeladenen Bildern. Die Anwendung kann diese dann am Point of Sale digital mit Böden aus der Datenbank sehr realistisch füllen.
Branche geht es trotz Corona gut
Die Unternehmen berichteten während der Messe natürlich auch darüber, wie es ihnen wirtschaftlich geht und wie sie die zukünftige Entwicklung ihrer Geschäfte vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie einschätzen. Dabei bestätigte sich, was sich in den letzen Monaten bereits abgezeichnet hat: Der Boden- und Bauchemiebranche geht es trotz beziehungsweise wegen Corona insgesamt gut. DIY, Großhandel und Handwerker profitieren; dem reinen Fachhandel ohne Handwerksstandbein geht es aufgrund der Zwangsschließungen wieder schlechter. Es habe zwar Bremsspuren gegeben und man sei nicht ganz unbeschadet durch das Jahr gekommen, bilanzierte Philipp Utz, Vorstandsmitglied von Uzin Utz, stellvertretend für viele: "Es ist ein ungewöhnliches, insgesamt aber doch erfolgreiches Jahr gewesen." Das Objektgeschäft hingegen ist seit Mitte 2020 ruhiger geworden, berichteten die Hersteller. Der Grund: Corona verunsichert Bauherren, Planer und Architekten. Initiierte Projekte werden geschoben, bis mehr Klarheit herrscht.
Trotz dieser für alle am Bau Beteiligten unbefriedigenden Situation vermittelte die Messe allgemeine Trends, die die Branche 2021 und darüber hinaus prägen werden. Die maßgeblichen Themen sind: Digitalisierung des Bauwesens und BIM, Baustoff-Recycling und Material-Kreisläufe, Cradle to Cradle, nachhaltiges und wohngesundes Bauen sowie künstliche Intelligenz.
Schlechte Technik,
schlechter Service
Das Thema Digitalisierung muss sich die Messe München als Ausrichter der BAU Online für Folgeveranstaltungen selbst stärker auf die Fahnen schreiben. Denn die Premiere der rein digitalen Variante hatte vor allem in den ersten anderthalb Tagen mit teilweise massiven technischen Problemen zu kämpfen. Das kritisierten die meisten Hersteller, die BTH Heimtex im Nachgang befragte: Besucheranfragen über die Plattform wurden zu spät an die Aussteller weitergeleitet, Links zu den virtuellen Präsentationsräumen funktionierten nicht, die Menüführung war unübersichtlich. Und wer ohne exakte Planung spontan in die eine oder andere virtuelle Veranstaltung schauen wollte, versuchte es häufig erfolglos. Das sorgte bei vielen Besuchern und Ausstellern für Ärger. Immerhin lagen die reinen Teilnahmegebühren für Aussteller je nach Buchungspaket zwischen rund 10.000 und 30.000 EUR. Eine Mehrheit der von BTH Heimtex befragten Aussteller zog am Ende trotz der Anlaufschwierigkeiten für sich eine vergleichsweise positive Bilanz der ersten BAU Online (siehe Ausstellerstimmen auf Seite 39).
| jochen.lange@snfachpresse.deEin Kommentar von Jochen Lange
Wo war die Bodenbelagsindustrie?Die Premiere der BAU Online ist sicherlich kein Ruhmesblatt für die Messe München gewesen: technische Probleme, schlechter Service, vergleichsweise geringe Beteiligung. Meine Bilanz fällt an einer anderen, weitaus wichtigeren Stelle ebenfalls schlecht aus: bei der Präsenz der Bodenbelagshersteller. Wo ist die deutsche und europäische Bodenbelagsindustrie gewesen? Noch nicht einmal eine Handvoll zeigte Flagge auf der ersten rein digitalen Ausgabe der BAU; einer Weltleitmesse, deren Besuch für die Unternehmen bisher ein Muss gewesen ist. Klar: Corona verändert alles. Aber die Pandemie wirkt auch als Beschleuniger. Vor allem in Sachen Digitalisierung. Und hatten sich diese nicht viele Hersteller auf die Fahnen geschrieben? Klar ist natürlich auch: Bodenbeläge online zu präsentieren, ist neu und schwierig. Die wenigen Hersteller, die es auf der BAU Online getan haben, haben es teilweise gut gemacht. Aber was viel wichtiger ist: Sie haben Neuland betreten, Präsenz gezeigt und sich der Herausforderung der Digitalisierung in unserer Branche konkret gestellt. Viele andere haben nicht den Mut gehabt, Flagge zu zeigen. Chance verpasst.
aus
BTH Heimtex 02/21
(Wirtschaft)