Virtuelles Messe-Debüt
BAU online verzeichnet rund 38.000 Teilnehmer
Erstmals fand wegen der Corona-Pandemie die Messe BAU als rein digitales Format statt. 247 Aussteller boten vom 13. bis einschließlich 15. Januar 2021 bei der BAU online digitale Live-Präsentationen sowie 1:1-Gespräche an. Die Veranstalter ziehen in ihrem Schlussbericht ein positives Fazit, die Aussagen einiger Aussteller lassen aber auch Optimierungsbedarf erkennen.Die Messe München zeigt sich durchweg zufrieden mit dem dreitägigen digitalen Debüt der Weltleitmesse BAU, bei dem sich rund 38.000 Teilnehmer vom Computer aus einwählten, um sich über die Neuheiten der insgesamt 247 Aussteller zu informieren. "Die starke Beteiligung an der BAU online zeigt, wie wertvoll unser Messenetzwerk für die Baubranche ist", erklärt etwa der stellvertretende Vorsitzende der Geschäftsführung der Messe München, Dr. Reinhard Pfeiffer. "Wir haben unseren Kunden und Partnern eine Brücke zur BAU 2023 geboten - zu der bereits nahezu alle namhaften Aussteller ihre Messebeteiligung angekündigt haben."
Die BAU online habe "die Baubranche in beeindruckender Weise aktiviert", sagt der Fachbeiratsvorsitzende der BAU München und Vorstandsvorsitzende der Deutschen Steinzeug Cremer & Breuer AG, Dieter Schäfer. "Das digitale B2B-Networking leistet einen entscheidenden Beitrag, das Geschäft in dieser herausfordernden Zeit am Laufen zu halten. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die BAU online die Präsenzmesse BAU nicht ersetzen kann." Zum Vergleich: Die jüngste Ausgabe der BAU als Präsenzveranstaltung im Januar 2019 lockte mehr als 250.000 Besucher auf das Münchner Messegelände, auf dem rund 2.250 Aussteller ihre Neuheiten präsentierten.
Aussteller aus der Boden-Branche, aus der 37 Unternehmen am Start waren, bewerten die Online-Premiere der BAU teils sehr unterschiedlich. Philipp Utz, Vorstandsmitglied der Uzin Utz Group, berichtet, dass der Bauchemie-Hersteller dank der Technik "Zoom Webinar" alle seine digitalen Veranstaltungen "gut und ohne Überraschungen" abhalten konnte. "Für uns war bereits von Beginn an klar, dass wir uns bei diesem Messe-Auftritt auf die Live-Produktpräsentationen fokussieren." Über "Zoom Webinar" bestand die Möglichkeit, auf Fragen im Chat einzugehen und während der Produktpräsentation zu beantworten. "Dies wurde sehr gut angenommen", sagt Utz. Nach jeder Präsentation wurde von den Ulmern ein QR-Code eingeblendet, über den der Zuschauer zusätzliche Informationen anfordern oder Termine mit Fachberatern vereinbaren konnte. Außerdem richtete Uzin für den Zeitraum der Messe eine Hotline ein. "So konnten wir auch kurzfristige Terminanfragen realisieren oder Fragen direkt beantworten", sagt Utz. Stammkunden wurden zuvor individuell über die Fachberater der Gruppe eingeladen.
Zu den Reaktionen der Besucher sagt Utz: "Natürlich muss man klar feststellen, dass eine virtuelle Messe keinen gleichwertigen Ersatz zu einer physischen Messe BAU darstellt. Unter dieser Erwartungshaltung war das Feedback der Besucher durchweg positiv." In Sachen Neukundengewinnung könne er zum jetzigen Zeitpunkt noch keine fundierte Aussage treffen: "Diese Online-Messe stellte auch für uns ein neues Terrain dar und wir können noch nicht alle Effekte klar einordnen." Philipp Utz stehe grundsätzlich hinter dem digitalen Format: "Wir sind der Überzeugung, dass die Zukunft in einem hybriden Messekonzept liegt. Das heißt: eine parallel stattfindende virtuelle und physische Messe, welche die Vorteile beider Konzepte vereint." Für eine virtuelle Messe spreche vor allem, dass Informationen zu Neuprodukten, Branchentrends sowie auch die Kontaktanbahnung orts- und nahezu zeitungebunden stattfinden können. Der persönliche Kontakt sowie die Zentralität auf einer physischen Messe sei dadurch jedoch sicherlich nicht zu ersetzen, stellt Utz abschließend fest.
Aussteller bemängeln Probleme
mit der Messe-Technik
Kritisch bewertet hingegen der Bodenbelagshersteller Gerflor das neue Format der BAU. "Wir waren nicht zufrieden. Die Plattform ist nicht ausgereift und bietet kein gutes Nutzererlebnis", urteilt Marketingleiter Frank Selbeck. Man habe gemerkt, dass es Neuland für die Messe gewesen sei. "Das ist vor allem während der ersten anderthalb Tage ärgerlich gewesen. Als die Technik dann funktionierte, hatten wir während unserer Veranstaltungen und Präsentationen gute Kontakte und sind, zumindest was das angeht, zufrieden", fügt Selbeck an. Allerdings habe Gerflor insgesamt mit mehr Teilnehmern gerechnet.
Auch der Verkaufsleiter Deutschland des Bodenbelagsherstellers Altro, Rolf-Dieter Proch, sagt über die Messe-Technik, dass diese am Anfang sehr schleppend funktioniert habe: "Zum Teil gab es am ersten Tag Bild- und Tonstörungen - vermutlich aufgrund der Netzauslastung." Die Interaktion mit den Besuchern habe aber über das Videokonferenz-Tool sehr gut funktioniert, berichtet Proch weiter. Die Reaktionen und das Feedback der Besucher seien positiv und verständnisvoll ausgefallen, "weil es für viele auch neu war." Es werde noch ausgewertet, ob Altro durch die Veranstaltung Neukunden gewinnen konnte.
Frank Thiesmann, Marketingleiter D/A/CH bei Bodenbelagshersteller Egger, zieht folgendes Fazit: "Dafür, dass es die erste Auflage der BAU online war, lief es nach anfänglicher Klärung und einigen Absprachen mit der Messe München ganz gut. Man hat aber gespürt, dass es sich um eine Alternative handelt, die wohl eher kurzfristig und mit wenig Erfahrung durchgeführt wurde. Vieles konnten wir als Aussteller zum Glück durch unserer digitales Know-how auffangen." Interaktionen mit den Besuchern gab es in Form von Chats im Rahmen der Live-Präsentationen. "Wir haben dreimal täglich an allen drei Messe-Tagen unsere Veranstaltungen angeboten. Dennoch ist das sicher nicht vergleichbar mit einer BAU, wie sie sonst stattfindet", sagt Thiesmann.
"Die Reaktionen auf unsere Live-Präsentationen waren sehr gut. Die Veranstaltungen wurden gut besucht und es wurden interessante Fragen seitens der Besucher gestellt", fährt der Egger-Marketingleiter fort. Auch das Feedback auf die angebotenen Inhalte und die Durchführung der Vorträge sei durchweg positiv gewesen. Es habe bei jedem der neun Vorträge Besucher gegeben, bei denen es sich nicht um bestehende Kunden, sondern um Interessierte gehandelt habe.
Chats ersetzen keine realen Kontakte
Bei Agrob Buchtal, Hersteller von keramischen Fliesen, fällt das Fazit zur digitalen BAU positiv aus: "Die BAU ist und bleibt auch als reine Online-Ausgabe ein Leuchtturm im Jahreskalender der Baubranche und hat uns geholfen, in diesen Zeiten auf einer internationalen Plattform den Kontakt zu bestehenden Partnern sowie alten und neuen Kunden herzustellen", sagt Werner Ziegelmeier, zuständig für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Er fügt jedoch an: "Während viele neue digitale oder hybride Formate auch nach Corona weiter Bestandteil unseres Instrumentariums bleiben werden, zeigt sich aber klar, dass das Erlebnis einer echten Messe von den Besuchern vermisst wird und selbst durch die regen Interaktionen in Chats nicht ersetzt werden kann." Insofern freue man sich bei Agrob Buchtal bereits auf eine "echte" BAU 2023.
Auch die Augsburger PCI Gruppe zieht eine positive Bilanz der BAU online, wie Marketingleiter Stephan Tschernek mitteilt. "Wir waren mit der Funktionsfähigkeit der Übertragungstechnik insgesamt sehr zufrieden. Wir hatten eine hohe Anzahl an Interessenten auf unserer verlinkten Website und viele Kontakte/Leads erhalten." Der Bauchemie-Hersteller habe sich bewusst dazu entschieden, die Live-Präsentationen in einer anderen Form zu nutzen. Stattdessen habe man den Besuchern ermöglicht, die Themenschwerpunkte auf einer verlinkten, eigenen PCI- und Thomsit-Plattform zu erkunden. "Das wurde sehr gut angenommen, wir hatten hier sehr hohe Verweildauern. Wir haben den Besuchern ein ausgeklügeltes telefonisches Interaktionskonzept angeboten, das ebenfalls sehr gut angenommen wurde", berichtet Tschernek. Auf seine Angebote bei der digitalen BAU habe das Unternehmen ausschließlich positives Feedback erhalten.
Abschließend sagt der Marketingleiter: "Die BAU online war 2021 eine corona-bedingte Ersatzveranstaltung der BAU. Es war uns vorrangig wichtig, Erfahrungen zu sammeln und die Digitalisierung als Chance zu nutzen, unsere Kunden und Interessenten auf alternative Art und Weise über unsere Neuprodukten und Services zu informieren." Es werde sich in Zukunft nicht die Frage stellen, "ob" die PCI Gruppe noch einmal an einer digitalen bzw. hybriden BAU teilnehmen werde, sondern "wie".
Auch der österreichische Leistenhersteller FNNeuhofer, befürwortet das neue Format: "Ja, wir würden wahrscheinlich wieder daran teilnehmen, denn in Zeiten wie diesen, ohne Besuche und ohne Präsenzmessen, gilt es, neue Wege zu gehen", sagt der geschäftsführende Gesellschafter Franz Neuhofer. Die Übertragungstechnik habe sehr gut funktioniert, fährt er fort: "Wir konnten mittels mehrerer Live-Präsentationen und einer Online-Pressekonferenz unsere Neuheiten sowie unsere Vision 2025 gut vorstellen." Darüber hinaus gab es die Möglichkeit, persönliche Gespräche zu führen, die von den Kunden sowie Interessierten gerne angenommen wurden.
Es kamen einige Termine mit Neukunden zustande, die dann in persönlichen Gesprächen abgehalten wurden, berichtet Franz Neuhofer. Bei den Stammkunden des Unternehmens sei die Teilnahme zurückhaltender gewesen: "Da wir mit unseren Stammkunden laufend via Videokonferenzen oder telefonisch in Kontakt sind, wurde die Messe BAU online dazu nur vereinzelt genutzt."
BAU 2023
wird relevanter denn je
Trotz der genannten Kritikpunkte zeigen sich die Verantwortlichen der Messe München optimistisch: Das Konferenzprogramm der BAU online habe viele wichtige Trends in der Bauindustrie aufgezeigt - und es sei deutlich geworden, "dass ein schlichtes Weiter-so nach Corona nicht möglich ist", sagt Markus Sporer, Projektleitung BAU. "Die Präsenzmesse BAU 2023 wird deshalb relevanter sein denn je", erklärt Matthias Strauss, ebenfalls Projektleitung BAU. "Hier wird der durch Corona angestoßene, langfristige Wandel der Bauindustrie und all ihrer Gewerke komprimiert aufgezeigt werden." Die nächste BAU als Präsenzmesse soll vom 9. bis 14. Januar 2023 auf dem Münchner Messegelände stattfinden.
Die digitale BAU in Zahlen
247 Aussteller aus 29 Ländern haben sich vom 13. bis 15. Januar 2021 an der
BAU online beteiligt. Für das Segment Böden gab die Aussteller-Datenbank insgesamt
37 teilnehmende Unternehmen aus. Vertreten waren unter anderem Admonter, Agrob Buchtal, Altro, Egger, Swiss Krono, Ziro, Gerflor, I4F, FN Neuhofer, die PCI Gruppe, Sika sowie die Uzin Utz Group mit ihren Marken. Die Aussteller boten insgesamt 1.495 Live-Präsentationen sowie 4.316 Gespräche im 1:1-Format an, listet der offizielle Schlussbericht auf. 23 Aussteller unterstützen das Event als Sponsoren. Während der drei Tage schalteten sich insgesamt 38.325 Teilnehmer aus 138 Ländern zu. Die Plattform verzeichnete 218.756 Zugriffe im Gesamtzeitraum. Das Konferenzprogramm umfasste 31 Foren, in denen rund 150 Experten Einblicke in Trendthemen gaben. Der Live-Stream wurde für drei Zeitzonen ausgestrahlt (Europa/Berlin, USA/New York, Asien/Shanghai).
Ein Kommentar von Sebastian Musolf
Online-Debüt der BAU
Teilnahme an Veranstaltungen vereinfachen!
Die Messe München hat erfolgreich ihre erste rein digitale Version der BAU über die Bühne gebracht. Die Zahlen geben Grund zu einem durchaus positiven Fazit: Rund 38.000 Teilnehmer weltweit informierten sich an den drei Messe-Tagen im Januar über die Neuheiten der Hersteller - aus der Boden-Branche waren 37 Vertreter am Start. Die Bandbreite der Angebote war groß: Video-Clips zu einzelnen Produkten, Live-Vorführungen der Neuheiten, 1:1-Gespräche, Experten-Konferenzen sowie allgemeine Informationen zum Aussteller.
Allerdings sollte bei künftigen digitalen Messe-Formaten der Zugang zu den Veranstaltungen vereinfacht und ein niedrigschwelliges Angebot für den Besucher geschaffen werden. Wer einfach mal spontan in die digitale BAU reinschnuppern und in kurzer Zeit möglichst viele Aussteller aufsuchen wollte, der stand vor verschlossenen (virtuellen) Türen. Nach einer anfänglichen Registrierung musste man sich zuerst für eine ganz bestimmte Zeit einen Platz bei dem Aussteller seiner Wahl sichern. Hier konnte es sein, dass die verfügbaren Plätze bereits vergeben waren - was bei einem rein digitalen Format befremdlich erscheint: Gerade das Internet sollte doch für eine unbegrenzte Teilnehmerzahl offen stehen. Dann musste der Interessierte erst einmal abwarten, bis ihm der Administrator den entsprechenden Teilnahme-Link per E-Mail zuschickte - was manchmal sehr spät oder auch gar nicht erfolgte. Wer sich nicht im Voraus einen exakten Zeitplan zurechtlegte und entsprechend gezielt anmeldete, wurde von dem neuen Messe-Format enttäuscht.
So viel Aufwand schreckt den Besucher aus dem Handwerk ab, der sich möglichst unkompliziert und schnell bei einer Messe informieren möchte. Es wäre einfach benutzerfreundlicher gewesen, wenn sich der Teilnehmer zu jedem beliebigen Zeitpunkt die Video-Clips hätte anschauen und mit einem einfachen Klick in die Live-Vorführungen der Aussteller hätte springen können - so wie es etwa die virtuelle Highlight-Messe des Parkettschleifmaschinen-Herstellers Lägler vorgemacht hat, die parallel zur digitalen BAU stattfand. Hier gibt es für die Verantwortlichen der Messe München noch Luft nach oben.
aus
FussbodenTechnik 02/21
(Wirtschaft)