Selit: 10 Mio. EUR Investition in den kommenden zwei Jahren

Hidden Champion für Dämmunterlagen

Mindestens jeder vierte m2 Bodenbelag, der in Deutschland, Österreich und der Schweiz schwimmend verlegt wird, hat eine Dämmunterlage von Selit darunter. In Gesamteuropa schätzt der geschäftsführerende Gesellschafter Marco Seitner, dass jeder fünfte m2 Verlegeunterlage auf das Konto der Rheinhessen geht. Der viel beschworene Begriff als "Marktführer" trifft bei Selit sowohl für Europa als auch für Nordamerika zweifellos zu.

Für Selit sind Verlegeunterlagen absolutes Kerngeschäft. Das Unternehmen zeichnet sich vor allem durch eine vertikal integrierte Produktion seiner Unterlagen aus, die vom Rohstoff bis zur fertigen Unterlage reicht. Entwickelt und produziert wird in Erbes-Büdesheim in der Nähe von Mainz. Zwei weitere Produktionsstätten gibt es in den USA, die den dortigen Markt versorgen.

Das zentrale Thema der Zubehör-Spezialisten ist die Schaumextrusion, in der das Unternehmen auf mehr als 40 Jahre Erfahrung zurückblickt. Lag der Fokus früher vorrangig auf Laminat- und Parkettunterlagen für die schwimmende Verlegung, sind in den vergangenen Jahren Produkte für Vinyl- und LVT-Beläge sowie mehrschichtig modulare Beläge (MMF) hinzugekommen. "Unsere Herausforderung besteht darin, in unserer Produktentwicklung und Anwendungstechnik frühzeitig auf neue Bodenbeläge zu reagieren", erläutert der geschäftsführende Gesellschafter Marco Seitner.

Die passende Unterlage
für jeden Belag

Bereits vor rund acht Jahren investierte Selit in sein modernes Akustiklabor und machte den Hersteller unabhängig von externen Prüfinstituten. Unter der Leitung von Gert Bauerfeind werden dort Tests und Prüfungen für maßgeschneiderte Unterlagen durchgeführt. "Wir können in unserem Labor alles abbilden, was in der Normung von Bodenbelägen gefordert wird", erklärt Marco Seitner. Zur Ausstattung zählt unter anderem ein Deckenprüfstand zur Akustikmessung sowie eine Klimakammer, die Auswirkungen von Sonnenlicht, Feuchte oder Temperatur auf ein Bodensystem nachstellt. Thermische, Material-, Belastungs- und Baustoffprüfungen zählen ebenfalls zum Leistungsspektrum des Labors.

Selit hat fortlaufend in seinen Standort investiert: Innerhalb der vergangenen zwei Jahre ist das neue Selit Technikum entstanden, das eine Versuchsanlage umfasst, auf der unterschiedliche Rohstoffe und Rezepturen getestet und innovative Schäume entwickelt werden. Das hat den Vorteil, dass Tests nicht mehr auf den Produktionsanlagen stattfinden müssen; sie werden zunächst auf den etwas kleineren Versuchsanlagen getestet und dann später auf die großen transferiert.

Diese Flexibilität kommt Selit vor allem in der Zusammenarbeit mit den Bodenbelagsherstellern zugute. Mittlerweile werden 30 % des Umsatzes mit der Bodenbelagsindustrie erzielt und 70 % mit dem Handel. Die Bodenindustrie lässt sich Unterlagen als Zubehör auf ihre Bodenbeläge abstimmen oder kaschiert die Unterlagen bereits werkseitig unter ihre Produkte. "Der Belagshersteller kann sicher sein, dass die getestete Unterlage perfekt zum Belag passt, weil er sie als Teil seines geprüften Systems verkauft", berichtet Marco Seitner.

Man kann hier durchaus von einer Win-win-Situation sprechen, da beide Seiten von der Zusammenarbeit profitieren: Selit erfährt auf diese Weise frühzeitig von Bodentrends und technischen Entwicklungen, was sich sowohl auf das Industrie- als auch auf das Handelsgeschäft positiv auswirkt. Seiner Vorreiterrolle wurde Selit beispielsweise bei der Entwicklung der Verlegeunterlage Selitbloc für Vinylböden und mit dem neuen Werkstoff XPO, einer Hochleistungsverlegeunterlage für direktkaschierte Vinylböden, gerecht.

In den kommenden zwei Jahren will Selit weitere 10 Mio. EUR am deutschen Standort investieren: Geplant ist eine komplett neue XPS/XPO-Extrusionsanlage (Nummer 9), eine vollautomatische Konfektionieranlage, eine neue Recyclinganlage, der Neubau eines Innovation-Centers zur Erweiterung von Labor-, Ausstellungs- und Schulungsflächen sowie der Neubau von 6.000 m2 zusätzlicher Lagerfläche.

Wachsende Schaum-Technologie
als Basis

Der Anspruch von Selit ist es, ein perfekt funktionierendes Bodensystem zu schaffen, das die Leistungsfähigkeit des Bodens verbessert, den Nutzboden vor Beschädigungen schützt und den Komfort der Nutzer erhöht. Dabei kommen Verlegeunterlagen aus verschiedenen Kunststoffschäumen zum Einsatz: Zunächst waren dies Schäume aus Polystyrol (EPS und XPS). Neu hinzugekommen ist extrudiertes Polyolefin (XPO) - das kann wahlweise Polyethylen und Polypropylen sein. Ganz aktuell hat Selit ein Projekt mit PET gestartet, aus dem die bekannten Getränkeflaschen bestehen. "Es handelt sich um einen umweltfreundlichen Werkstoff, weil er gut recycelbar ist und es bereits dank der Lebensmittel- und Getränkeindustrie einen funktionierenden Recyclingkreislauf gibt", erläutert Seitner.

Noch gibt es kein fertiges Produkt, aber das Selit-Labor arbeitet mit Hochdruck daran, dies zu ändern. Fakt ist: Selit hat sein Spektrum an Werkstoffen deutlich verbreitert. Geschäftsführer Marco Seitner sagt dazu: "Wir sind kein Hersteller von Polystyrolschaum, der nach Anwendungen Ausschau hält, sondern ein Hersteller von Bodenunterlagen, der in einem breiten Technologie-Spektrum seinen Kunden die besten Möglichkeiten anbieten will." Die Verantwortlichen sind sich durchaus bewusst, dass die Unterlagen Teil des Gesamtsystems Boden sind. Der Gesamtaufbau kann nur funktionieren, wenn Bodenbelag, Unterlage und Untergrund aufeinander abgestimmt sind. "Auch wenn wir selbst keinen Bodenbelag herstellen, wollen wir dazu beitragen, dass der Endkunde mit seinem Boden zufrieden ist", fasst Seitner zusammen.

Welcher Schaum wofür?

Leider lassen sich die eingesetzten Schäume nicht exakt den Belagsgattungen zuordnen. Die Polystyrol-Werkstoffe, zu denen XPS und EPS zählen, haben ihren Einsatzschwerpunkt bei der schwimmenden Verlegung von Parkett und Laminat. Die XPO- und XPET-Produkte zielen in erster Linie auf Vinyl- und Rigidböden ab. Die Wahrheit ist: Es gibt dabei Überlappungen, denn die genannten Zuordnungen stimmen nur zu ungefähr 80 %. In 20 % der Fälle sind die anderen Anwendungen ebenfalls ideal - es kommt wie so oft auf die Prüfung des Einzelfalls an.

Nach aktueller Einschätzung von Selit gibt es mit den genannten Schäumen eine große Bandbreite für alle erdenklichen Bodenbeläge. Am meisten Erfahrung hat Selit bei den langjährig produzierten Polystyrolschäumen. Die relativ neuen Polyolefinschäume böten vielfältige Möglichkeiten und bei dem Werkstoff PET "kratzen wir erst an der Oberfläche", so Seitner. Gerne würde er zukünftig recycelte PET-Flaschen in Form von Flaschengranulat als Rohstoff einsetzen, um die ohnehin schon Blauer Engel zertifizierten Unterlagen noch nachhaltiger und recyclingfähiger zu machen. Bereits heute werden die eigenen Abfälle aus der Produktion wiederverwertet - bei PET wäre das vielleicht auch mit Fremd-Abfällen möglich. Seitner rechnet damit, dass Selit in den kommenden fünf Jahren mit den drei Gruppen an Kunststoffschäumen die kommenden Herausforderungen erfüllen wird.

Wie kommt es eigentlich zu neuen Anforderungen an Verlegeunterlagen? Immer dann, wenn die Industrie neue Beläge, manchmal sogar neue Belagsgattungen, auf den Markt bringt. Ein aktuelles Beispiel sind die starren, elastischen Rigidböden. Waren klassische LVT-Beläge eher flexibel, sorgen die starren Rigidbeläge für einen lauteren Gehschall. Selit legte bei Unterlagen für klassische Vinylböden bislang besonderen Wert auf Druckfestigkeit und Trittschalldämmung. Die boomenden Rigidbeläge sorgen dafür, dass der entstehende Gehschall wieder stärker berücksichtigt werden muss, weil die Böden fast so hart wie Laminatböden werden. "Für unsere Entwicklungsabteilung wird es so nie langweilig", weiß Seitner aus Erfahrung.

Die Kombination von zwei Schäumen bzw. Mischungen mit mineralischen Füllstoffen streben die Selit-Verantwortlichen übrigens nicht an, weil sie in der Entwicklung schon an das spätere Recycling denken - und da wären zwei unterschiedliche Schaumtypen eher kontraproduktiv.

Austausch mit Handel,
Herstellern und Verbänden

Feedback aus dem Markt erhält Selit auf drei Wegen: Über den Handel, der sehr eng am Verbraucher ist. "Heißt es dort, der Bodenbelag ist so kalt. Kann ich eine Unterlage bekommen, die den Belag wärmer macht?" In so einem Fall setzen sich die Verantwortlichen mit einem solchen Wunsch auseinander. Im Handel lasse sich außerdem gut beobachten, ob ein neues Produkt die Bedürfnisse des Handwerkers und Endkunden abdeckt.

Technische Anforderungen werden an Selit in erster Linie über die Bodenbelagsindustrie angetragen. Der dritte Weg ist die Verbandarbeit: Selit ist Mitglied im Laminatverband EPLF und im Verband der mehrschichtig modularen Bodenbeläge (MMFA) sowie im Verband der deutschen Parkettindustrie (VDP). Dort gibt es technische Arbeitsgruppen, in denen man sich beispielsweise über die Normung austauscht. Ein aktuelles Thema ist die Nachverfolgbarkeit der Werkstoffe für ein späteres Recycling. Aber auch, wenn sich Fußbodennormen ändern, muss Selit prüfen, ob ihre Unterlagen auch dazu funktionieren oder angepasst werden müssen.

Megatrend Wohngesundheit

Wohngesundheit hat bei Selit einen hohen Stellenwert, der bis ins Jahr 2005 zurückreicht, als der TÜV die Unterlagen als unbedenklich zertifizierte. Vor drei Jahren kam der Blaue Engel für nahezu die komplette Range hinzu. "Wir wollten dem Endverbraucher die Bedenken vor einem Kunststoffprodukt nehmen. Tatsächlich haben die Schäume viele positive Eigenschaften", erklärt Seitner: "Sie werden in Deutschland produziert, es handelt sich um Werkstoffe aus einem Material, sodass sie leichter recycelt werden können und sie bestehen teilweise aus recyceltem Material."

"Selit ist das Thema Wohngesundheit so wichtig, dass sie mit dem Sentinel Haus zusammenarbeiten", berichtet Seitner. Das deutsche Institut etabliert sich aktuell zunehmend im Handel und in der Bodenindustrie. Mit dem Sentinel Haus zertifizierte Produkte leisten einen Beitrag zur Wohngesundheit.

Gestärkt aus den Lockdowns

Während des ersten Lockdowns 2020 hat Selit seine Produktion gedrosselt, weil es bei den Kunden eine große Unsicherheit gab. Seitner gesteht, dass die Drosselung der Produktion im Nachhinein keine gute Idee war, weil die Nachfrage in Form einer Welle nach der Öffnung wieder aufgeholt wurde. Während des zweiten Lockdows gab es deutlich mehr Ruhe im Markt. Die Selit-Handelskunden bestellen aktuell trotz teilweise geschlossener Märkte (Stand Februar), weil sie mit vollen Regalen auf die Wiedereröffnung vorbereitet sein wollen.

"Wir profitieren davon, dass wir breit aufgestellt sind: Der DIY-Handel verzeichnet nur ein geringfügiges Online- sowie Click- und Collect-Geschäft. Dafür läuft der Profi- und Handwerker-Handel sehr gut", berichtet Seitner. Insgesamt sei die Bauwirtschaft nach wie vor sehr stark und bei Selit hat man die Hoffnung, dass man eher gestärkt aus der Krise hervorgehen wird.

Für die kommenden Herausforderungen bei der Entwicklung von neuen Verlegeunterlagen für immer neue Bodenbeläge sieht sich Selit perfekt gerüstet. Recycling von Wertstoffen und Wohngesundheit stehen besonders im Fokus. Für die Zukunft sei es wichtig, Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit zu beweisen. "Wenn wir uns an diese Maxime halten, dann sind wir gut aufgestellt", sagt Seitner zum Abschluss.


Marco Seitner - zur Person
Vor mehr als 23 Jahren stieg Marco Seitner (45) in die familiengeführte Selit-Unternehmensgruppe ein, die er seit 20 Jahren gemeinsam mit seinem Bruder in dritter Generation als Geschäftsführer leitet. Zunächst nur auf Deutschland und Europa konzentriert, produziert Selit seit 2010 auch an zwei eigenen Standorten in Nordamerika. Die Schwerpunkte des Unternehmens liegen in der Herstellung von Verlegeunterlagen für schwimmend zu verlegende Parkett-, Laminat- und Vinylböden. 2019 kamen wasserfeste Sockelleisten hinzu, die beim Konzernpartner NMC produziert werden.
aus FussbodenTechnik 03/21 (Wirtschaft)