Schlafen im Möbelhandel: Jens Westerwelle, Einrichtungspartnerring VME
"Möbelhäuser müssen ihre Eigenständigkeit bewahren"
Bielefeld. Sie punkten mit viel Platz, großer Auswahl und hoher Frequenz. Wenn es um spezielle Beratungskompetenz geht, hatten Möbelhäuser im Vergleich zum Fachhandel in der Vergangenheit aber oft das Nachsehen. Jens Westerwelle, Einkaufsgeschäftsführer des Einrichtungspartnerring VME, erklärt im Haustex-Interview, warum sich das längst geändert hat - sogar in der beratungsintensiven Schlafzimmerabteilung.
Haustex: Möbelhäuser stehen traditionell für große Auswahl. Darüber hinaus werden aber auch Themen wie Präsentation und Inspiration immer wichtiger, um die Kunden zu überzeugen. Was raten Sie Ihren Mitgliedern in dieser Situation?
Jens Westerwelle: Kurz gesagt: auf Eigenständigkeit zu setzen und sich unterscheidungsfähig gegenüber den Marktbegleitern zu positionieren. Dabei sind wir auch gerne behilflich.
Haustex: Mit einem Patentrezept?
Westerwelle: Nein, da wir als heterogene Verbundgruppe ja die verschiedensten Häuser vom Spezialisten über den klassischen mittelständischen Familienbetrieb bis hin zum Möbelpalast abdecken, bieten wir keine einheitliche Lösung, sondern ein flexibles Konzept. Ein Großteil des Erfolgs beruht ja auf dem richtigen Sortiment. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, unseren Anschlusshäusern optimale Bezugsbedingungen für Marken und freie Ware zu ermöglichen, ihnen aber auch die erfolgreichen Handelsmarken der Verbundgruppe an die Hand zu geben. Eine besondere Rolle kommt dabei unserer Unternehmer- und Warenmarke Interliving zu.
Haustex: Interliving ist seit 2016 auf dem Markt.
Westerwelle: Und wurde seither intensiv von uns gepusht, unter anderem durch zahlreiche TV-Spots und das prominente Testimonial Samu Haber. Das Ergebnis: Die Kampagne "Das Wesentliche ist zu sehen" wurde zweimal mit dem German Brand Award ausgezeichnet und hatte 2020 bereits ein Handelsvolumen von rund 150 Millionen Euro, Tendenz steigend.
Haustex: Wie profitieren die Händler von Interliving?
Westerwelle: Das Konzept geht über das einer klassischen POS Handelsmarke hinaus. Interliving wirkt als Kommunikationsverstärker auf allen Kanälen, unterstützt den Händler regional und überregional, online und offline. Wir setzen Interliving sowohl als Unternehmer- als auch als Warenmarke ein, inklusive 360-Grad-Marketing-Konzept. Der Händler hat damit eine starke Marke im Sortiment, mit der er sich zudem Eigenständigkeit bewahren und vor der zunehmenden Uniformierung auf der Fläche schützen kann.
Haustex: Woraus resultiert diese Uniformierung?
Westerwelle: Die Einführung selektiver Vertriebssyteme hat bei Herstellern zugenommen - ob das Anschlusshaus daran teilnimmt, entscheidet das Möbelhaus individuell. Damit verbunden kann eine gewisse Uniformierung der Flächen einhergehen, da die Hersteller-Konzepte einheitlichen Anforderungen unterliegen.
Haustex: Das passende Sortiment ist eine Sache, aber womit kann ich mich als Händler noch vom Wettbewerb absetzen?
Westerwelle: Zum Beispiel durch hohe Beratungskompetenz. Der Einrichtungsberater sollte in jedem Fall in der Lage sein, die Bedürfnisse der Kunden zu erkennen und zu wissen, wie er darauf zu reagieren hat.
Haustex: Keine leichte Aufgabe bei vielen verschiedenen Sortimenten unter einem Dach. Vor allem der Bereich Schlafen erfordert ja besondere Kenntnisse.
Westerwelle: Genau. Um diese zu vermitteln, bieten wir unseren Anschlusshäusern exklusiv ein Schulungsprogramm zum geprüften Schlafberater, das Ergopraktiker-Konzept an. Dabei handelt es sich nicht um ein klassisches Verkäufer-Seminar. Vielmehr geht es darum, Fachwissen aus Bereichen wie Anatomie, Gesundheit, Materialkunde, Beratung und Verkauf aufzubauen. Das Konzept setzen wir mit einem E-Learning-Verfahren um, das mit einem Präsenz- und Prüfungsteil endet. Natürlich können wir am Ende keine Medizinberatung durchführen, stehen als Ansprechpartner aber wesentlich kompetenter im Ring als es ansonsten auf der eher anonymen Großfläche der Fall wäre.
Haustex: Apropos anonyme Großfläche - Schlafen ist ja auch ein Wohlfühlthema. Wie setzen moderne Möbelhäuser das auch optisch um?
Westerwelle: Bei der Inszenierung am POS gibt es ganz eindeutig eine Entwicklung - hin zu mehr Information und vor allem zu mehr Inspiration. Dazu gehören Dinge wie ladenbauliche Elemente, Keyvisuals für Leuchtsäulen und Spannrahmen oder eine kreative Dekoration der Kojen. Natürlich ist auch die Unterscheidbarkeit vom Wettbewerb ein wichtiger Faktor. Interliving und unseren weiteren Handelsmarken fällt dabei eine besondere Rolle zu, da sie immer das Ziel verfolgen, online- und offline-Kommunikation zu verbinden, auch am POS im Möbelhaus.
Haustex: Bleiben wir in der Schlafzimmerabteilung. Wie ordnen sie die Großfläche hier im Vergleich zum Fachhandel ein?
Westerwelle: Natürlich ist Größe nichts, was von allein verkauft. Aber mehr Warengruppen in einem Möbelhaus sorgen schon mal für eine vergleichsweise hohe Frequenz. Kommen noch eine inspirierende POS-Inszenierung und kompetente Beratung dazu, sehe ich den Möbelhandel hier gut aufgestellt. Dazu kommt, dass wir ja seit längerem einen starken Wandel zum sogenannten weichen Bett, also Boxspring- und Polsterbett beobachten. Ein Trend, von dem der Möbelhandel profitiert.
Haustex: Der Großteil der Kunden informiert sich heute online, bevor er ein ein Geschäft aufsucht. Wie reagieren die VME-Anschluss- häuser darauf?
Westerwelle: Spätestens die Zeiten der Lockdowns haben auch den letzten Zweiflern der Branche gezeigt, wie wichtig eine aussagekräftige Präsenz im Netz ist. Dabei helfen wir unseren Anschlusshäusern gern, zum Beispiel durch die Bereitstellung von Content. Die Pandemie-Zeit haben wir zudem genutzt, um die Marke Interliving weiter in das Bewusstsein der Kunden zu rücken, etwa durch Social-Media-Kampagnen oder Gewinnspiele.
Haustex: Zu welcher Strategie raten Sie Ihren Gesellschaftern für die Zukunft?
Westerwelle: Die Corona-Jahre 2020 und 2021 haben die Kunden verändert. Sie sind heute deutlich digitaler unterwegs, haben aber zugleich auch den Wert des stationären Handels zu schätzen gelernt. Jetzt kommt es darauf an, die Zügel nicht hängen zu lassen, die Digitalisierung weiter voranzutreiben und zugleich am POS zu performen.
Haustex: Die Lösung ist also ganz klassisch: Die Kunden stehen im Fokus?
Westerwelle: Ganz klar. Eine wichtige Aufgabe der Digitalisierung ist es, mit richtig guten Daten Kunden besser zu verstehen. Wichtig ist, die für Kunden relevanten Themen, beispielsweise Nachhaltigkeit, herauszufinden und diese konsequent aufzugreifen - im Einkauf und im Marketing.
Haustex: Klingt nach einer Herausforderung, aber auch nach einem positiven Signal für die Zukunft?
Westerwelle: Ja, wir glauben fest daran, dass auch in Zukunft viele Möbel stationär gekauft werden. Es gilt, sich breit und vor allem kundenzentriert aufzustellen, dann stehen die Chancen für die Zukunft im Möbelhandel gut.
Einrichtungspartnerring VME
Der 1964 gegründete Einrichtungspartnerring VME ist eine Verbundgruppe für den mittelständischen und inhabergeführten Möbelhandel mit Sitz in Bielefeld. Die rund 400 angeschlossenen Einrichtungshäuser reichen vom spezialisierten Fachmarkt bis hin zum Vollsortimenter in allen Größen. Sie sind bundesweit sowie in sieben europäischen Nachbarländern vertreten und erreichen einen zentralregulierten Umsatz von 1,359 Mrd. Euro (2020). An die Zentralverwaltung angeschlossen ist ein eigenes Messezentrum mit 12.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche, auf der jährlich vier Messen stattfinden. Zum Leistungsspektrum des VME gehören ein gemeinsamer Einkauf und ein vielfältiges Marketing- und Dienstleistungsangebot. Neben zahlreichen Handelsmarken bietet der Verbund seinen Gesellschaftern mit Interliving eine starke nationale Waren- und Unternehmermarke.
VME in Kürze
Einrichtungspartnerring VME GmbH & Co. KG
An der Wesebreede 2
33699 Bielefeld
Tel.: 0521 / 20 885 0
Fax: 0521 / 20 855 111
E-Mail: info@einrichtungspartnerring.com
Homepage: einrichtungspartnerring.com
Geschäftsleitung: Frank Stratmann,
Jens Westerwelle, Peter Wülfing
Mitarbeiter: 100
aus
Haustex 09/21
(Wirtschaft)