Interview

"Kautschuk hat Marktanteile gewonnen"


Bettina Haffelder, Vice President Nora Systems D/A/CH, erklärt, warum der elastische Bodenbelag vor allem in seinen Fokussegmenten Bildungs- und Gesundheitswesen im deutschsprachigen Markt während der Corona-Krise punkten konnte.

BTH Heimtex: Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf den Markt für Kautschukbodenbeläge?

Bettina Haffelder: Education und Healthcare sind neben Industrie unsere Fokus-Segmente. Aufgrund der Corona-Pandemie hat es umfangreiche Finanzierungshilfen von Bund und Ländern für die Kommunen gegeben wie beispielsweise die Erstattung der Gewerbesteuer. Das hat dazu geführt, dass der Finanzierungssaldo der Gemeinden mit 2 Mrd. EUR zwar unter Vor-Krisen-Niveau, aber deutlich im Plus lag. In der Folge sind die Bauinvestitionen im öffentlichen Bereich 2020 deutlich gestiegen. Davon haben wir als Marktführer bei Kautschukbodenbelägen erheblich profitiert. Deswegen konnten wir als Unternehmen unsere positive Entwicklung vor der Krise in Bezug auf Umsatz und Auftragseingang während der Pandemie fortsetzen.

BTH Heimtex: Sind Sie denn in 2021 mit der "Corona-Delle" im Objekt konfrontiert, die entstanden ist, weil im ersten Lockdown weniger Projekte angeschoben, geplant und beschlossen wurden?

Haffelder: Wir haben das schon wahrgenommen, konnten unsere Auftragslage aber stabil halten. In den letzten Monaten hat der Ordereingang wieder angezogen. Wir erwarten ein stabiles Jahr 2021. Ich sehe eher den Umstand, dass kurzfristige Projekte auf Eis gelegt oder verspätet realisiert werden, weil die Preise in der Baubranche insgesamt stark gestiegen sind, alle Gewerke kaum über freie Kapazitäten verfügen und es zu Verzögerungen kommt.

BTH Heimtex: Waren Sie von den weltweiten Logistikproblemen und Rohstoffengpässen betroffen?

Haffelder: Nein. Wir konnten durchgängig produzieren und permanent liefern. Wir hatten unsere weltweite Supply-Chain immer voll im Griff. Das hat uns große Anstrengungen gekostet und wir sind sehr stolz, dass wir es geschafft haben.

Unsere langjährigen Lieferantenbeziehungen haben sich ausgezahlt; wir konnten uns jederzeit auf eine sichere Lieferkette verlassen und haben außerdem gleich zu Beginn der Pandemie auch im Einkauf schnell reagiert. Wir mussten auch höhere Rohstoffpreise bezahlen, haben unsere Abgabepreise aber unterjährig nicht erhöht, um unseren Kunden Stabilität und Planungssicherheit zu gewährleisten. Anfang 2022 kommen aber auch wir nicht umhin, unsere Preise anzupassen.

BTH Heimtex: Wie ist die Wettbewerbssituation zwischen Kautschukböden und elastischen Alternativprodukten wie PVC, Linoleum und Polyurethan momentan?

Haffelder: Wir haben ein deutliches Wachstum. Ich gehe deswegen davon aus, dass wir auch Marktanteile gewinnen konnten. Insofern habe ich den Eindruck, dass sich manch ein Wettbewerber eher von Kautschuk unter Druck gesetzt fühlt. Gerade wenn ich mir anschaue, welche seltsamen Produktvergleiche gemacht werden, um damit für sich zu werben

BTH Heimtex: Was meinen Sie?

Haffelder: Dort geht es um das Thema CO2-Neutralität. Wir nehmen es sehr ernst. Das sieht man an unserem klaren Statement: Alle unsere Bodenbeläge sind CO2-neutral und zwar über den gesamten Produktlebenszyklus, nicht nur einzelne Produkte aus dem Sortiment in einer bestimmten Phase wie Produktion oder Lieferung, wie Wettbewerber es ausweisen. Und nur über den gesamten Zyklus macht es Sinn. Denn gerade die Nutzungsphase kann einige Jahrzehnte dauern. Und wenn diese mit einer CO2-intensiven Reinigung verbunden ist, kann ich sie doch nicht einfach ausklammern.

Das ist umso bedeutsamer, wenn man bedenkt, dass 38% der weltweit energiebedingten CO2-Emissionen auf den Gebäude- und Bausektor zurückgehen: 10 % auf die Herstellung von Bauprodukten und die Errichtung von Gebäuden und 28 % auf das Betreiben von Gebäuden. Deswegen ist es wichtig, beide Phasen mitzudenken bei der Betrachtung von CO2-Neutralität.

BTH Heimtex: Ihre Kautschukböden sind CO2 -neutral, weil Sie Klimaprojekte finanziell unterstützen, die die entstandenen CO2-Emissionen ausgleichen

Haffelder: Was uns Geld und Marge kostet. Aber wir halten uns beim Thema Klimaschutz und CO2-Neutralität an die Empfehlungen des Umweltbundesamtes und handeln nach dem Credo: Vermeidung, Reduzierung und Kompensation. Der Fokus liegt auf der Vermeidung und Reduzierung, hier kommen wir jedes Jahr voran. Die unvermeidbaren Emissionen werden kompensiert. Ziel ist es, immer weniger zu kompensieren, dazu laufen ambitionierte Projekte in unserem Weinheimer Werk.
"Kautschuk hat Marktanteile gewonnen"
Foto/Grafik: Nora Systems
Bettina Haffelder, Vice President Nora Systems D/A/CH. Die 55-Jährige ist verantwortlich für Vertrieb und Marketing des Weltmarktführers aus Weinheim
aus BTH Heimtex 11/21 (Wirtschaft)