Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel
Zementfließestrich – die unterschätzte Alternative?
Der Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel (VDPM) hat im August 2021 die aktualisierte Neufassung des Merkblatts "Zementfließestrich: Hinweise für die Planung und Ausführung" veröffentlicht. Der nachfolgende Fachbeitrag liefert Grundsatzinfos unter anderem zu Nenndicken, erläutert weitere Details zu Technik und Anwendung.Zementfließestrich ist ein CE-gekennzeichneter Estrichmörtel nach DIN EN 13813 und wird in seiner Anwendung nach DIN 18560 geregelt. Es gibt ihn in verschiedenen Lieferformen: als fertig gemischten Werk-Frischmörtel aus dem Fahrmischer, als Werk-Trockenmörtel in Form von Sack- oder Siloware und als Mehrkammer-Silomörtel. Im klassischen Wohnungsbau wird Zementfließestrich hauptsächlich als Estrich auf Dämmung und in Verbindung mit einer Fußbodenheizung verwendet. Als Estrich im Verbund und auf Trennlage kommt er beispielsweise im Gewerbebau für Hallen, Einkaufszentren, Autowerkstätten, Schwimmbädern und Schulen zum Einsatz. In Einzelfällen findet man Zementfließestrich auch als oberflächenfertigen Sichtestrich in besonderen Wohnungs- und Geschäftsbauten.
Eigenschaften:
Ideal für Feuchträume
Ein herausragendes Merkmal von Zementfließestrich ist neben den generellen Vorteilseigenschaften von Fließestrichen seine Feuchtebeständigkeit, weshalb er prädestiniert ist für den Einsatz in Feucht- und Nassräumen. Darin liegt auch das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zu Calciumsulfatfließestrich. Wie dieser lässt sich auch Zementfließestrich über Estrichpumpen und Schläuche leicht und gesundheitsschonend einbauen. So sind gegenüber konventionellem Estrich in vergleichsweise kurzer Zeit hohe Flächenleistungen, eine sehr gute Wärmeübertragung in Kombination mit Fußbodenheizungen und eine schnelle Belegreife möglich.
Normungssituation verhindert
niedrigere Nenndicken
Zementfließestrich wird aktuell nicht als eigenständige Estrichart in DIN 18560 behandelt. Die Estrichnorm DIN 18560 unterscheidet nicht nach den Verarbeitungseigenschaften, sondern nur nach dem jeweils eingesetzten Bindemittel. Zementfließestrich gilt daher normativ als Zementestrich. Die Nichtberücksichtigung der Verarbeitungseigenschaften (wie Fließfähigkeit und das damit erzielbare dichtere Gefüge) in der Norm wird von Teilen der Branche seit Jahren kritisch gesehen und diskutiert. Das dichtere Gefüge lässt bei Fließestrichen (schwimmend eingebaut) eine Reduzierung der Nenndicken gegenüber konventionellen Estrichen zu, woraus verschiedene Vorteile resultieren. Reduzierte Nenndicken werden in der Norm bislang allerdings nur Calciumsulfatfließestrichen zugestanden. Bei Zementfließestrichen können sich die mit geringeren Schichtstärken verbundenen Vorteile eines niedrigeren Materialverbrauchs und kürzerer Trocknungszeiten nicht auswirken, weil die normative Grundlage fehlt.
Der VDPM (damals noch Industrieverband Werkmörtel, kurz IWM) hatte bereits vor einigen Jahren eine Reihe von Prüfungen am Institut für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung in Troisdorf initiiert. In FussbodenTechnik 3/2016 stand anschließend zu lesen:
Geringere Estrichnenndicke
bedeutet Sonderkonstruktion
In der Praxis stellt der Einbau von Zementfließestrich mit geringerer Estrichnenndicke daher eine Sonderkonstruktion dar. Somit können Ausschreibungen, bei denen ein genormter Estrich gefordert ist, nicht ohne weiteres mit Zementfließestrich ausgeführt werden, wenn die auf der Hand liegenden Vorteile (wie etwa die reduzierten Fließestrichschichtdicken) in Anspruch genommen werden sollen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass Zementfließestrich bei der Nenndickenreduzierung technologisch mit Calciumsulfatfließestrich gleichgezogen hat.
Das neue Merkblatt des VDPM fasst die Nenndicken von unbeheizten schwimmenden Zementfließestrichen in der Tabelle auf der vorherigen Seite zusammen.
Planer und/oder Estrichleger müssen den Auftraggeber darauf hinweisen, dass hier eine nicht genormte Sonderkonstruktion zum Einsatz kommt. In jedem Fall sind beim Einbau die Herstellerangaben zu beachten. Oft wird von dieser Seite die Nenndickenreduzierung von Zementfließestrich analog zum Calciumsulfatfließestrich freigegeben. Zementfließestriche können aber auch gemäß DIN 18560 in den Standardnenndicken hergestellt werden.
Verarbeitung: Estrichleger
macht den Unterschied
Bei sorgfältigem und den Herstellerangaben entsprechendem Einbau sowie fachgerechter Nachbehandlung geht niemand ein Risiko ein. Zementfließestriche funktionieren seit mehr als zwei Jahrzehnten in zahllosen Bauwerken. An mancher Stelle werden allerdings immer noch kritische Argumente gegenüber Zementfließestrich laut: etwa Neigung zu Rissen, hohes Schwindmaß oder Aufwölbungen durch einseitiges Austrocknen (Quelle: baunetzwissen.de). Letztlich kommt es auf die Zusammensetzung der Rezeptur und die Qualität der Ausgangsstoffe an. Mit speziellen Zusatzmitteln lassen sich die Konsistenz und Schwindverhalten optimieren. Entscheidend für das Ergebnis ist aber vor allem der Estrichleger vor Ort - es reicht ein Fehler an zentraler Stelle, um Probleme zu schaffen.
Vermieden werden sollten bei der Verarbeitung:
• zu wenig oder zu viel Zugabewasser
• zu hohe Verarbeitungs-/Umgebungstemperaturen
• Zugluft
• Übertrocknung
• zu frühe mechanische Belastung
• Baufortsetzung vor Erreichen der Belegreife
• zu frühes Aufheizen und
• unsachgemäße Oberflächenbehandlung
Marktpotenzial:
VDPM sieht wachsende Akzeptanz
Ein wichtiges Thema in der Forschung und Entwicklung, auch beim Zementfließestrich, ist Nachhaltigkeit. Forciert wird die Reduzierung von Bindemitteln und der Einsatz CO-armer Zemente. Zementgebundene Estrichsysteme sind beim Rückbau vollständig recycelbar, es gibt keine negativen Wechselwirkungen der verwendeten Ausgangsstoffe.
Auch wenn der Marktanteil von Zementfließestrich verglichen mit anderen Estricharten noch relativ gering ist, haben die Hersteller in der jüngeren Vergangenheit einiges unternommen, um den Marktanteil zu halten und langfristig Wachstum zu generieren. Zu den Maßnahmen zählt beispielsweise die Weiterentwicklung der Zusatzmittel und deren Anwendung mit dem Ziel, rissefreie und schwindarme Zementfließestriche anzubieten. Estriche auf Basis spezialzementhaltiger Bindemittel überzeugen mit praxisrelevanten Vorteilen wie schnelle Aushärtung, frühe Belegbarkeit und geringe Schichtdicken. Dieses Leistungspotenzial schafft ein spezielles Marktumfeld und sorgt für höhere Akzeptanz bei Planern und Auftraggebern. Davon könnten letztlich auch die klassischen Zementfließestriche profitieren.
aus
FussbodenTechnik 06/21
(Wirtschaft)