Mattes und Ammann
Upcycling: Neuer Bezug für die unendliche Matratze
Meßstetten-Tieringen. Das schwäbsiche Textilunternehmen Mattes und Ammann hat gemeinsam mit der Märkischen Faser aus Brandenburg das weltweit erste Kreislaufsystem entwickelt, bei dem Polyester-Matratzenstoffe zu 100 Prozent wiederverwertet werden.Alte Matratzen nerven. Sie sind sperrig, fleckig, schwer und sollen nur noch weg. Dass die Deutschen diesen Schritt zur neuen Matratze erst nach zehn bis zwölf Jahren tun, ist bekannt. Dass mit jeder neuen Müllmatratze wertvolle Rohstoffe verloren gehen, leider auch. Etwa 7,5 Millionen Matratzen werden jedes Jahr verkauft, die alten wandern meistens - wenig nachhaltig - in die Müllverbrennung. Dabei kann in ihnen ein hundertprozentiges Rohstoffpotential für die nächste Matratzengeneration stecken.
Mattes und Ammann hat nun gemeinsam mit der Märkischen Faser aus Brandenburg das weltweit erste Kreislaufsystem entwickelt, bei dem Polyester-Matratzenstoffe zu 100 Prozent wiederverwertet werden - als Matratzenbezüge, und nicht nur im Downcycling als Terrassenhocker oder Blumenkübel.
Verständliches Verfahren
Das System ist im Grunde einfach: Der von Mattes und Ammann hergestellte Matratzenbezug ist zu 100 Prozent aus Polyester, genauso wie Reißverschluss, Klettverschluss, Druckknöpfe oder die Kombi daraus. Nach den prognostizierten zehn bis zwölf Matratzenjahren nimmt der Verkäufer/Händler eben diese Matratze wieder zurück, entnimmt den Matratzenbezug, steckt diesen in den mitgelieferten Polyesterbeutel und schickt ihn zurück zur Märkischen Faser.
Dort wird das Textil anhand eines Tracers auf seine Reinheit beziehungsweise Echtheit überprüft. Der Tracer ist das angenähte faircollect-Label, das - einer Banknote durchaus ähnlich - fälschungssicher mit chemischen oder elektromechanischen Raffinessen ausgestattet ist. So kann in vielen Jahren problemlos die Echtheit der faircollect-Matratze sichergestellt werden.
Die Alt-Matratze wird so in einem mehrstufigen Prozess erst zu Granulat verarbeitet, aus dem dann das neue Garn gesponnen wird. Mattes und Ammann produziert daraus schließlich das neue Matratzentextil - der 100-Prozent-Kreislauf ist geschossen. Das Verfahren ist im industriellen Maßstab erprobt und läuft ab 2021 an - wobei der wirkliche ökologische Nutzen natürlich erst in einem Jahrzehnt spürbar wird. Ein Nachhaltigkeitsinvest in die Zukunft.
Traditionsreiches Team
"Wir entwickeln dieses Kreislaufwirtschaftssystem seit Mitte 2020 mit der Märkischen Faser, wobei wir sowieso schon seit rund 40 Jahren zusammenarbeiten. Die Recyclingprofis sind unser fester Partner in Sachen Wiederverwertung", erklärt Werner Moser, Prokurist des süddeutschen Textilunternehmens. Die Schwaben steuern den Familienbetrieb seit Jahrzehnten auf den Nachhaltigkeitskurs - lange bevor der Begriff in die Breite ging.
Wobei die Märkische Faser aus Ostdeutschland wiederum eine Tochter der Glaeser Textil in Ulm ist, die sich bereits seit 133 Jahren mit dem Recycling von Textilien beschäftigt. Der eine produziert seit Jahrzehnten Textilien, der andere recycelt sie. Aber erst jetzt ist es möglich, hier ein schlüssiges Gesamtkonzept anzubieten, dass es auch dem Verbraucher leicht macht, Recycling beim Wort zu nehmen.
Ehrliche Einsparungen
"Bereits vor 15 Jahren haben wir begonnen, Recycling-Stapelfasern aus Polyester-Reststoffen herzustellen. Erst aus PET-Flaschen, später auch aus Polyester-Textilien. Das Wiedereinschmelzen von Polyester ist nicht neu. Neu ist die Reinheit, die wir mit unserem Reaktor erzielen. Nur so können wir auch industrielle Standards bei der Garnherstellung garantieren", erklärt Eberhard Brack von der Märkischen Faser.
Im Zusammenspiel der beiden Player geht es um Innovation und um eine einfache Idee: Kurze Wege und maximale Einsparung. Das sorgt für einen Kreislauf, der auch nur mit nationalen Transporten funktioniert. Die optimale Energie- und Rohstoffbilanz lässt sich über einen globalen Warentransport schlichtweg nicht erreichen. Zwar benötigt auch das Recycling der Polymere zur Garnherstellung Energie, aber deutlich weniger als der bisherige Raffinerie-Weg vom Rohöl zum Polymer. Die Einsparungen sind völlig unstrittig.
Die Matratzenbezüge für ein Recycling im Jahr 2033 können versteppt oder unversteppt sein - völlig egal. Wenn die Matratze das Label "faircollect" trägt, dann überdauern die darin eingebundenen Polymere die Lebenszyklen der Matratze um ein Vielfaches. Und das im industriellen Maßstab.
aus
Haustex 11/21
(Wirtschaft)