Innung Nordost: Präsenzmitgliederversammlung in Potsdam

"Das ,Wir-Gefühl’ hat eine neue Bedeutung erhalten"

Die Herbstversammlung der Innung Parkett und Fußbodentechnik Nordost in Potsdam stand im Zeichen der Neuwahlen des Vorstandes, in dem es einige personelle Änderungen gab. Neuer Obermeister ist Holger Wiehle. Über den Bericht zur aktuellen Situation der Innung hinaus gab es Fachvorträge von Wiehle, Ehrenobermeister Joachim Barth und Ehrenmitglied Norbert Strehle sowie flankierende Workshops und eine Ausstellung der Fördermitglieder.

Nach einer fast zweijährigen coronabedingten Pause hatte die Innung Parkett und Fußbodentechnik Nordost im Herbst wieder zu einer Präsenzmitgliederversammlung eingeladen und viele reguläre, Gast- und Fördermitglieder folgten dem Ruf und fanden sich in Potsdam ein. Einer der wichtigsten Programmpunkte waren die Neuwahlen des Vorstandes. Der langjährige Obermeister Torsten Weber stand nach neun Jahren nicht mehr für eine weitere Amtszeit zur Verfügung. Zu seinem Nachfolger wurde Holger Wiehle gewählt, als dessen Stellvertreter Robert Mutschall. Weitere Vorstandsmitglieder sind Ricco Zellhuber (Lehrlingswart), Guido Barth, Ericco Krügerke, Ronny Wagner, Tom Willner und Wolfram Ziegst. Auch der Rechnungs- und Kassenprüfungsausschuss wurde mit Gerd Kleditzsch und Lars Wagner neu besetzt. Torsten Weber wurde zum Ehrenobermeister ernannt, am Festabend wurden zudem Jungmeister sowie die Landessieger der Parkett- und Bodenleger gewürdigt.

In seinem Rechenschaftsbericht hatte Torsten Weber zuvor die Innung als "gut aufgestellt" bezeichnet und berichtete von vollen Auftragsbüchern der Betriebe. Sehr kritisch seien die aktuellen Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung und die damit einhergehenden Preiserhöhungen. Positiv bewertete er, dass das "zeitweilig abhandengekommene ,Wir-Gefühl’" in Corona-Zeiten eine neue Bedeutung erhalten habe. Zur neuen Innungssatzung merkte er an, diese würde noch einige Anpassungen erfahren und stehe dann bei der Frühjahrsversammlung 2022 zur Abstimmung.

Neben den Regularien und Vorstandswahlen kam auch die fachtechnische Weiterbildung nicht zu kurz. Neben Workshops der Fördermitglieder Mapei, Murexin und Kern präsentierten sich Fördermitglieder in einer ansehnlichen Ausstellung, darüber hinaus erwartete das Auditorium Vorträge von drei Experten: Ehrenmitglied Norbert Strehle referierte über geeignete Bodenbeläge für Alten- und Pflegeheime, Ehrenobermeister Joachim Barth mahnte am Beispiel eines Schadensfalls zur Vorsicht bei Fußbodenheizungs-Sonderkonstruktionen, und Dominik Kison vom Institut für Fußbodentechnik in Koblenz sprach über Calciumsulfatestriche.

In einer abschließenden Frage- und Antwortrunde kamen unter anderem vollflächig auf OSB geklebte Designbeläge, nicht prüfbare Heizprotokolle und die Rolle des Bauherren bei Bedenkenanmeldungen zur Sprache.
| Peter Mau


Holger Wiehle:
"Muss der Kunde Rattermarken akzeptieren?"

Der neu gewählte Obermeister und Sachverständige Holger Wiehle berichtete über eine Reklamation betreffend regelmäßiger Schleifspuren auf der Oberfläche eines vollflächig geklebten Zweischicht-Parketts. Dort waren sogenannte Rattermarken zu sehen, die durch Wellenschlag beim Umsetzen der Walzenmaschine, aber auch durch die Eigenschwingung des Bodens entstanden sein könnten. An diesen Thesen entwickelte sich eine lebhafte Diskussion - auch an der Frage, ob solche Unzulänglichkeiten in der Oberfläche vom Kunden hinzunehmen seien. Ehrenobermeister Joachim Barth sagte dazu, man solle Kunden nicht eine zu hohe Erwartungshaltung vermitteln: "Der Handwerker erfüllt Mindestanforderungen, seine handwerkliche Leistung bei der Oberflächenbehandlung ist mit industriellem Auftrag nicht vergleichbar."


Norbert Strehle:
"Designbeläge gehören nicht in Alten- und Pflegeheime"

Ehrenmitglied Norbert Strehle hat eine klare Meinung zu Bodenbelägen in Alten- und Pflegeheimen. Vor zwanzig, dreißig Jahren habe man begonnen, dort Parkett zu verlegen. "Das war gut für die Sachverständigen, weil es Reklamationen ohne Ende gab, Fugen über Fugen." Aktuell würde das Ambiente in vielen Alten- und Pflegeheimen erneuert. "Die tolle Idee: Wir verlegen flüssigkeitsbeständiges Parkett", so Strehle ironisch. "Gibt es das? Ja, das sind Designbeläge. Sehen aus wie Parkett, sind aber kein Parkett. Auch dieses ,Vinylparkett’ gehört nicht in Alten- und Pflegeheime", sagte er unmissverständlich.

Denn in den sensiblen Bereichen würden die Böden häufig mit verschiedensten Flüssigkeiten kontaminiert. In den Pflegeanweisungen hieße es, dass Flüssigkeitsbelastungen sofort aufzunehmen seien. "Wie soll das gehen, wenn Reinigung und Pflege nur zweimal täglich erfolgen und das noch zumeist mit einem Automaten, der das Reinigungswasser aufnehmen soll, das aber nur unzureichend macht?" Die Folge: Wasser bleibe stehen, dringe in die Fuge, könne den Kleber verseifen. Folge: Der Belag verliere die Haftung, könne schrumpfen. "Deshalb in sensiblen Bereichen nur klassische elastische Beläge, am besten PVC, verlegen und verschweißen."


Joachim Barth:
"Bei einer beheizten Fußbodenkonstruktion muss die Heizung ordnungsgemäß funktionieren"

Über die Änderungen der DIN EN 1264 Teil 1, Sonderkonstruktionen von Fußbodenheizungen, referierte der Sachverständige Joachim Barth. Waren bislang in der Norm die Aufbauten nach Typ A, B und C beschrieben, sind es heute 28 verschiedene Heiz- und Kühlsysteme, die normativ erfasst werden. Viele dieser Aufbauten wurden bisher als Sonderkonstruktionen bezeichnet, seit August 2021 gelten normative Vorgaben. In diesem Zusammenhang empfahl Barth, unbedingt die Hinweise der Schnittstellenkoordination zu beachten.

Aus seiner Tätigkeit als Sachverständiger berichtete er über eine Sonderkonstruktion, die nicht in DIN 1264, Teil 1 Ausgabe 8/2021 beschrieben ist. In die Oberfläche eines bestehenden Zementestrichs wurden Vertiefungen zur Ausnahme der wasserführenden Leitungen gefräst, zugespachtelt und abschließend 4 bis 5 mm flächig gespachtelt. Darauf wurde Mehrschichtparkett geklebt.
Nach drei Monaten Heizphase waren im Streiflicht deutlich Kantenüberstände sichtbar, Decklamellen standen hoch. Sie hatten sich zusammen mit der obersten Furnierschicht der Mittellage abgelöst, es lag also offensichtlich kein Verleimungsfehler vor.

Messungen ergaben eine zu niedrige Holzfeuchte aufgrund zu hoher Heiztemperatur. Gemessen wurden an der Fußbodenoberfläche 31°C, bei einer Außentemperatur um den Gefrierpunkt. Normativ sind max. 29°C zulässig, allerdings erst bei einer Außentemperatur von -15°C. Hier sei anzunehmen, dass eine manipulierte Heizung den Schaden verursacht habe. Barth machte an diesem Beispiel deutlich, dass für eine beheizte Fußbodenkonstruktion neben einem normgerechten Aufbau auch der ordnungsgemäße Betrieb des Heizungssystems sichergestellt sein muss.


Dominik Kison:
"Bedenkenanmeldungen nicht bei Gegengutachten zurücknehmen"

"Wir bewegen uns auf unseren Baustellen ständig in einem Minenfeld, können in irgendeine Falle tappen", unterstrich Dominik Kison in seinem Vortrag über Prüfpflichten am Beispiel der Tragfähigkeit eines Calciumsulfatestrichs. "Baustellenprüfungen, wie wir sie gelernt haben, werden neuerdings öfter in Frage gestellt." Parkett- und Bodenleger nutzen dazu die üblichen baustellengeeigneten Maßnahmen: Sichtprüfung, Drahtbürste, Gitterritz- und Hammerschlagprüfung. "Andere Möglichkeiten hat der Handwerker auf der Baustelle nicht." Wenn die Prüfungen des Handwerkers dann zur Bedenkenanmeldung führen, sieht er sich immer häufiger mit einem Gegengutachten konfrontiert. Darin heiße es in aller Regel, dass die geäußerten Bedenken nicht gerechtfertigt sind. Das neue Gutachten zieht dazu oft andere Prüfverfahren heran, bei denen Scherfestigkeit, Stempelhaftzugprüfung und die Biegezugfestigkeit in den Vordergrund rücken, die Matrix des Estrichquerschnitts keine Rolle spielt.

Das kann nicht sein, schüttelte Kison den Kopf. "Prüft eure Untergründe nach den euch zur Verfügung stehenden Methoden, mit baustellenüblichen Mitteln, und wenn die Estriche dabei auffällig sind, meldet Bedenken an. Wenn dann ein vom Bauherrn hinzugezogener Sachverständiger zu dem Ergebnis kommt, dass der Estrich super ist, kann und darf das kein Grund sein, Bedenken zurück zu nehmen oder sie zurückweisen zu lassen. Wenn also ein solcher Sachverständiger sagt, der Estrich sei ok, hafte er für seine Aussage." Nach entsprechender Anweisung des Auftraggebers könne dann mit der Verlegung begonnen werden.
aus Parkett Magazin 01/22 (Wirtschaft)