MMFA und FEB im Doppelinterview

"Es gibt neue Regeln für die Branche, die sich immer wieder neu justieren"


Der Verband mehrschichtig modularer Fußbodenbeläge, MMFA, und der Fachverband der Hersteller elastischer Bodenbeläge, FEB, gehen davon aus, dass die schwierige Versorgungs- und Preissituation bis weit ins Jahr 2022 anhalten wird. Über diese Einschätzung, den Einfluss der Corona-Pandemie auf die Bodenbranche, Nachhaltigkeit und Kreislauffähigkeit von Designbelägen, sprach Parkett Magazin mit den MMFA-Vorständen Matthias Windmöller, Sebastian Wendel und Carl Ruland, sowie Volkmar Halbe, Oliver Boussuyt und Stephan Wolff für den FEB.

Parkett Magazin: Auch die Bodenbelagsbranche ist schon länger von Lieferengpässen und Verfügbarkeitsproblemen betroffen. Wie stellt sich die aktuelle Situation dar, speziell bei Designbelägen?

Matthias Windmöller: Sowohl Unternehmen, die importieren, als auch solche, die exportstark sind, stehen vor den gleichen großen Herausforderungen: Die Lieferketten stehen unter einem enormen Druck und sind teilweise massiv gestört. Vor der Westküste der USA lagen zeitweise rund 120 Schiffe in der Warteschlange vor den Häfen, weil sie nicht entladen werden konnten. Spediteure bieten teilweise den Container-Nachlauf aus dem Hafen ins Landesinnere per Lkw gar nicht mehr mit an, weil die Kapazitäten fehlen. Das ist schon brutal. Gleichzeitig brummt die US-Wirtschaft und die Amerikaner konsumieren weiter sehr stark.

Und in Europa sehen sich die Anbieter, die aus Asien und China importieren, seit rund einem Jahr mit einer Entwicklung der Transportpreise konfrontiert, die nur eine Richtung kennt: steil nach oben. Für einen 20"-Standardcontainer werden teilweise immer noch Preise aufgerufen, die bis zu zehnmal so hoch sind wie vor der globalen Logistikkrise im Herbst 2020. Wir alle versuchen, mit dieser anhaltend schwierigen Situation irgendwie umzugehen. Wie sich die Lage weiter entwickelt, ist schwer zu sagen. Im Verlauf des Jahres 2021 hat sich der Rohstoff- und Beschaffungsmarkt ja zu einer weiteren großen Baustelle entwickelt. Viele Experten prognostizieren, dass sich diese Situation bis weit in das Jahr 2022 hineinziehen wird.

Sie sehen also noch kein Licht am Ende des Tunnels...?

Windmöller: Nein, es scheint unaufhaltsam weiterzugehen. Der Peak scheint noch nicht erreicht. Die Hoffnung, dass Ende 2021 das Schlimmste überstanden sein wird, hat sich leider zerschlagen. Die Lieferkette ist weiterhin prall gefüllt und die Nachfrage da - noch.

Volkmar Halbe: Die Situation eskaliert sogar weiter. Die Lieferketten der ganzen Welt sind gestört. Zu Beginn waren es "nur" die Messebauer, die nicht mehr arbeiten konnten. Heute sind zahlreiche Gewerke und Branche betroffen, weil ihnen schlicht Material fehlt. Die Folgen der Corona-Pandemie haben sich zu einem Szenario entwickelt, das die ganze Welt auf den Kopf stellt. Und das nächste Problem ist ja bereits heraufgezogen: die steigenden Energiekosten. Auch das beeinflusst die gesamte Wertschöpfungskette. Einerseits weil sie den nächsten Kostentreiber der Logistik darstellen. Und auf der anderen Seite wirken sich hohe Energiekosten auch massiv auf die Bodenbelagsindustrie aus, die energieintensiv produziert.

Stephan Wolff: Wir in Zentraleuropa sollten auch nicht glauben, dass wir das Virus mehr oder weniger im Griff haben und es kalkulierbarer geworden ist. Die globale Sicht ergibt ein anderes Bild: Lokale Covid-19-Ausbrüche führen immer noch dazu, dass beispielsweise chinesische Häfen in der Größenordnung des Rotterdamer Hafens komplett oder teilweise für bis zu einer Woche geschlossen und dann sukzessive über drei, vier Wochen wieder hochgefahren werden.

Diese extremen und kaum kalkulierbaren Bedingungen erschweren Ihr Geschäft ungemein...

Wolff: Ich glaube, es ist vor allem wichtig, dass man funktionierende und belastbare Logistik-Netzwerke hat. Am Ende ist es aber auch eine strategische Entscheidung der einzelnen Unternehmen: Wie viel Geld nehme ich in die Hand, um die Warenversorgung für meine Partner und Kunden aufrechtzuerhalten.

Sie versuchen, diese Mehrkosten zumindest teilweise an Ihre Kunden weiterzugeben. Wie reagieren diese darauf?

Wolff: Wir befinden uns bereits viele Monate in dieser außergewöhnlichen Drucksituation. Das hat dazu geführt, dass es im Markt mehr und mehr Akzeptanz für besondere Maßnahmen bei der Preisgestaltung gibt. Es gibt durchaus Bauherren, die Verständnis für die Situation haben und auch gewillt sind, mehr zu zahlen als ursprünglich vertraglich vereinbart, um die Fertigstellung der Baumaßnahme nicht zu gefährden. Bei einer Vielzahl der Projekte hat man allerdings kaum eine Chance, höhere Preise durchzusetzen, weil der Bauherr oder Investor auf die Erfüllung des geschlossenen Vertrags besteht.

Wer trägt dann die Mehrkosten?

Wolff: In erster Linie die Hersteller.

Olivier Bossuyt: Um solche Probleme zukünftig zu vermeiden, haben Angebote in der Branche in Bezug auf die Preise mittlerweile eine zeitlich beschränkte Gültigkeit.

Wolff: Oder es werden Preisgleitklauseln vereinbart. Anders lässt sich die unbeständige Lage nicht beherrschen.

Die Corona-Pandemie hat also zu strukturellen Veränderungen in der Vertragsgestaltung geführt?

Bossuyt: So ist es. Denn niemand weiß, wie sich die Preise entwickeln. Wir fahren alle auf Sicht. Daran müssen wir uns einfach gewöhnen und uns bestmöglich anpassen. Ich kann allerdings auch bestätigen, dass die Akzeptanz für höhere Preise jetzt auf breiter Front wächst. Denn alles wird teurer - privat und geschäftlich: die Rohstoffe, das Personal, die Energie und der Transport. Und Letzterer nicht nur für die Seefracht sondern auch für den Lkw-Transport in Europa. Denn es herrscht auch ein struktureller Mangel an Lkw-Fahrern in Großbritannien, in Deutschland und ganz Europa. All diese Probleme bestimmen mittlerweile die tägliche Agenda in unseren Unternehmen.

Windmöller: Eine der größten Herausforderungen ist dabei für uns, dass die bestimmenden Akteure innerhalb der Rohstoff- und Logistikbranche, von denen wir abhängig sind, teilweise ein brutales Geschäftsgebaren an den Tag legen, das uns fremd ist. Preiserhöhungen oder Lieferzusagen werden teilweise mit Tagesfrist geändert. Allerdings müssen wir das so hinnehmen, denn uns fehlen die Alternativen. Wir versuchen, mit unseren Kunden anders umzugehen und mehr Planbarkeit zu ermöglichen - was uns leider aktuell sehr schwer fällt.

Bossuyt: Die Bodenbelagsbranche hat für gewisse Rohstoffindustrien nicht mehr die Priorität wie früher. Es gibt heute andere Wirtschaftsbranchen, die nicht nur eine höhere Nachfrage haben, sondern auch bereit sind, ganz andere Preise zu zahlen. Das erhöht den Druck, verstärkt die Abhängigkeiten und reduziert unseren Verhandlungsspielraum beispielsweise gegenüber der chemischen Industrie. Ein anderes Beispiel: Spediteure kündigen sehr kurzfristig Energiezuschläge für Lkw-Transporte an, die teilweise bereits auf dem Weg zu unseren Werken sind. Akzeptieren wir diese nicht, erhalten wir die Fracht nicht. Das ist schon brutal und gab es früher so nicht. Wir rechnen damit, dass diese Situation erst einmal anhalten wird.

Im ersten Corona-Jahr 2020 hatte die MMFA-Produktgruppe "Wood" in besonderem Maße vom Renovierungsboom profitiert, während Polymer-Produkte rückläufig war. Hat sich das 2021 fortgesetzt?

Carl Ruland: Da es im Verlauf von 2021 große Probleme bei der Beschaffung von Holzwerkstoffplatten gab, ist es zeitweise zu einer Rückverschiebung zu Polymer-Produkten gekommen, die phasenweise relativ gut verfügbar waren. Generell lässt sich konstatieren, dass wir glücklicherweise keine Absatzkrise haben. Ganz im Gegenteil: Verfügbare Ware kann sofort abgesetzt werden. Deswegen müssen wir momentan hinnehmen, dass die Zulieferer sowie die Dienstleister der Bodenbelagsbranche wie beispielsweise die Chemieindustrie und die Logistiker die maximale Zahlungsbereitschaft brutal abtesten. Die bange Frage ist momentan, ob die Zahlungsbereitschaft irgendwann nicht mehr da ist, weil die Nachfrage abgeschöpft ist und eine Absatzkrise entsteht. Im Vertrieb ist eine solche Absatzkrise jedoch derzeit nicht zu erkennen: Alle Segmente außer Büro laufen trotz der Pandemie gut.

Hat es denn die befürchtete Corona-Delle im Projektgeschäft gegeben?

Halbe: Diese Absatzdelle ist überhaupt nicht gekommen. Sie wurde zu Beginn der Pandemie aufgrund der großen Verunsicherung befürchtet und diskutiert - und hat die Mangelsituation erst verursacht, weil Produktionen deswegen gedrosselt wurden. Aus Sicht des FEB waren die beiden Corona-Jahre 2020 und 2021 im Hinblick auf den Absatz vernünftige Jahre. Der ganzen Interieur-Branche geht es relativ gut.

Die große Frage ist tatsächlich, wann die hohe Preiselastizität bricht. Wir dürfen in diesem Zusammenhang nicht unterschätzen, dass Handwerksleistungen bereits zu einer Mangelware geworden sind, mit Vorlaufzeiten bis zu sechs Monaten - und damit zu einem weiteren Parameter, der nicht mehr innerhalb unseres gewohnten Koordinatensystems berechenbar ist. Bisher sind wir es gewohnt, dass immer alles verfügbar ist. Das gehört mehr und mehr der Vergangenheit an: Preise sind nicht mehr kalkulierbar, die Ware ist knapp und Handwerker Mangelware. In der Konsequenz bedeutet das für die Branche, dass es neue Regeln gibt, die sich immer wieder und in kurzen Zeitabständen neu justieren.

Und dann gibt es ja noch die großen Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft, die Corona ein wenig überlagert hat, ohne dass sie an Bedeutung verloren haben. Gibt es hier Neuigkeiten aus Ihren Verbänden?

Sebastian Wendel: Wir als MMFA und auch der Europäische Verband der Hersteller elastischer Bodenbeläge (ERFMI) haben sich der von der Europäischen Kommission ins Leben gerufenen Circular Plastics Alliance angeschlossen. Das Ziel: Bis 2025 sollen in Europa jährlich mindestens 10 Mio. t recycelte Kunststoffe bei der Herstellung neuer Produkte eingesetzt werden.

Die Themen Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Recycling sind bei der EU allgegenwärtig. In Brüssel werden dazu weitere richtungsweisende Entscheidungen erwartet. Nach der Verpackungsindustrie, der bereits staatliche Auflagen gemacht wurden, ist es wahrscheinlich, dass in Zukunft für Baumaterialien, die nicht recyclingfähig sind, eine zusätzliche Besteuerung oder ein Entgelt eingeführt wird. Auch die Bodenbelagsindustrie muss deswegen so schnell wie möglich Handlungsoptionen entwickeln und aufzeigen, um einem restriktiven Eingreifen der Politik zuvorzukommen. Zahlreiche Bodenbelagsverbände sind deswegen mittlerweile dicht an den Entwicklungen und Entscheidungsprozessen in Brüssel dran. Trotzdem ist Vielen in der Branche die Dringlichkeit des Themas immer noch nicht bewusst.

Warum? Fehlt es an Informationen oder am Willen, sich damit zu beschäftigen?

Wendel: Die Kommunikation der EU-Kommission in Richtung Unternehmen und Endverbraucher ist nicht gut oder überhaupt nicht vorhanden. Nur wer sich aktiv um Informationen bemüht oder Mitglied in Verbänden ist und Einblick in die Gremienarbeit erhält, kann sich auf dem Laufenden halten.

Wenn Ihnen als Unternehmen irgendwann mitgeteilt wird, dass Ihre Produkte extra besteuert werden, weil sie bestimmte Bedingungen im Rahmen von Recycling und Kreislaufwirtschaft nicht erfüllen, ist es fast schon zu spät, um adäquat reagieren zu können. Verbände wie der MMFA beschäftigen sich schon länger mit den zentralen Fragen: Wie können Bodenbeläge für die Integration in den Wertstoffkreislauf gekennzeichnet werden? Wie entwickelt man neue Produkte so, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus’ wiederverwertet werden können - nach dem Prinzip "Design for Recycling"? Wie können alte Bodenbeläge eingesammelt werden? Wie kann ich sie wiederverwerten?

Halbe: Eine ähnliche Erfahrung machen wir im FEB und im Vinyl Plus Deutschland, dessen Mitglied auch der FEB ist. Die Sensibilität für das Thema ist sowohl in den vorgelagerten als auch in den nachgelagerten Wertschöpfungsstufen häufig noch nicht sehr ausgeprägt. Viele denken, das Thema sei noch weit weg. Doch im Baubereich fällt am meisten Kunststoffmüll an - nach der Verpackungsbranche. Alle Verbände müssen im Schulterschluss dafür Sorge tragen, dass die Themen ernst genommen, die Mitglieder zum Handeln animiert und Selbstverpflichtungen auch eingehalten werden. Sonst besteht die Gefahr, dass über staatliche Reglementierungen eingegriffen und uns das Thema als Gattungsschuld auf die Füße fällt.

Ein zweites Thema sind die Kosten der Nachhaltigkeit. Die Verbraucher möchten, dass alles grün und nachhaltig ist, aber nicht mehr kostet. Das ist eine Illusion. Nachhaltigkeit wird Geld kosten. In der jetzigen Situation ist das doppelt schwer, da ja eh schon alles teurer wird.

Windmöller: Im Objekt ist das Thema Nachhaltigkeit präsenter und Zertifizierungen werden häufiger konkret nachgefragt. Im Endverbrauchergeschäft ist das Bewusstsein sicherlich noch nicht so ausgeprägt, obwohl es im Verlauf der vergangenen zehn Jahre deutlich gewachsen ist. Speziell in den letzten zwei Jahren hat es noch mal einen ordentlichen Schub bekommen.

Wie definieren Sie "nachhaltige Produkte" in der Kommunikation zu Ihren Kunden?

Windmöller: Bei der Betrachtung steht der CO-Fußabdruck über den gesamten Produktlebenszyklus im Mittelpunkt. Und natürlich müssen sich Produkte wie auch die Unternehmen ökologisch, ökonomisch und sozial im Einklang befinden.

Ruland: Diese Gesamtschau spielt bei der jungen Konsumenten-Generation eine große Rolle. Unsere Aufgabe ist es, alle Facetten, die entlang der gesamten recht komplexen Wertschöpfungskette dazugehören, transparent zu machen, damit jeder Einblick nehmen kann, es versteht und auf seiner Ebene mitwirken und seinen Teil zu mehr Nachhaltigkeit beitragen kann. Man muss aufpassen, dass man die Idee eine stringenten Kreislaufwirtschaft für Fußbodenprodukte nicht durch Initiativen diskreditiert, die mit großen Aufwand gestartet werden, dann aber im Sande verlaufen oder sogar kontraproduktiv sind.

Was meinen Sie damit?

Ruland: Das sogenannte "Greenwashing", das über reine Berechnungsmodelle ein Produkt "grün" macht - wie beispielsweise ein Containertransport per Schiff, das durch Kompensation scheinbar CO-neutral angetrieben wird. Solche Initiativen sind am Ende für die Bodenbranche zu kleinteilig. Eine breite Allianz vieler Hersteller muss das Thema über die gesamte Prozesskette stringent anpacken und möglichst mit einem Ansatz und mit einer Stimme kommunizieren.

Halbe: Bislang wurde das Thema Nachhaltigkeit mit plakativen Einzelmaßnahmen bespielt, die suggerieren: Jetzt ist alles gut. Kein Hersteller kann das Thema allein stemmen. Und für den FEB ist ein weiterer Punkt zentral: Es geht bei der Diskussion nicht darum, PVC zu verteufeln und bestimmte Materialien besser oder schlechter zu machen. Bodenbeläge werden nicht durch ein Label grüner, sondern durch ein Grundverständnis der Industrie. Wichtige Konsumentengruppen werden bei diesem Thema zukünftig sensibler und anders entscheiden als in der Vergangenheit. Daran müssen wir uns messen lassen, denn daran entscheidet sich, welche Arten von Bodenbelägen zukünftig relevant sind und welche nicht.

Bossuyt: Die Themen und Initiativen rund um Nachhaltigkeit sind konkreter und damit greifbarer geworden. Der Druck seitens der Regierungen nimmt allerdings auch zu. Beispiel Frankreich: Dort wird 2022 eine Steuer eingeführt. Niemand kann dort mehr ein Bauprodukt anbieten, ohne zu garantieren, es später zurücknehmen und recyceln zu können. Das ist ein Gesetz.

Sprechen wir in diesem Zusammenhang über PVC-freie Bodenbeläge. Nach unserer Einschätzung hat sich ihr Anteil zwischen 2016 und 2020 auf 10 % verdoppelt. Glauben Sie, dass dieser Anteil weiter steigt?

Halbe: Dieser Anteil wird sicherlich steigen, weil es kontinuierlich neue Materialien und Materialkompositionen gibt. Wir müssen bei dieser Diskussion aber zwingend trennen zwischen Kunststoff und PVC einerseits und nachhaltigen Werkstoffen auf der anderen Seite. Sicherlich: Es gab Weichmacher, die heute kritisch bewertet werden. Da müssen alle Marktteilnehmer extrem sensibel sein. Gefährlich wäre es allerdings, PVC als Werkstoff generell zu verteufeln, da PVC für viele Anwendungen elementar ist. Wir als Verband müssen hier aufklären und Transparenz schaffen, damit die Diskussion differenziert geführt werden kann.

Wendel: Eine Chance liegt jetzt darin, was die gesamte Polymer-Industrie aus der Situation macht. Und das beginnt bei den Produkten, also dem Thema "Design for Recycling". Das ist der Schlüssel für die Zukunft. Ob ich da PVC oder ein anderes Polymer nehme, spielt erst einmal eine nachgelagerte Rolle. Die Erfahrung zeigt, dass der Recyclingstrom bei PVC etwas ungünstig ist, weil er eben Altlasten enthält. Hier müsste eine Lösung her oder ein klarer Schnitt gemacht werden, der Altlasten kategorisch ausschließt, um einen sauberen Recyclingstrom für PVC aufzubauen. Andere Polymere verfügen über bessere Materialströme. Deswegen beschäftigen sich neben einigen europäischen Herstellern mittlerweile auch in Asien mehr Produzenten mit dem Thema PVC-frei. Ich glaube auch, dass sich die Mengen dieser Bodenbeläge weiter erhöhen werden.

Windmöller: Anstatt PVC-frei benutze ich lieber den Begriff alternative Polymere. Obwohl wir im MMFA diese Produktgruppe nach wie vor nicht in unserer Statistik gesondert erfassen, gehe ich ebenfalls davon aus, das der Markt weiter deutlich wächst.

Halbe: Viele Unternehmen arbeiten an dem Thema, wie das Problem der Altlasten in Böden, Fenstern und Rohrleitungen, die vor 30, 40 Jahren produziert wurden, heute im Recycling sauber und belastbar gelöst werden kann. Solange wir hier an Grenzen stoßen, können wir für dieses Material den Kreislauf nicht schließen.

Ruland: Im EUFCA, dem europäischen Spitzenverband der Bodenbelagsindustrie, erfassen, bewerten und vereinheitlichen wir derzeit die Abfallströme der gesamten Bodenbelagsbranche. Dieses Zahlenwerk können wir der Entsorgungs- und Recyclingbranche für mögliche Kooperationen vorlegen. Gleichzeitig erarbeiten wir eine Nomenklatur, die Produkte klassifiziert, damit die Verwertungsunternehmen wissen, um welche Materialien es geht.

Welche Themen beschäftigen Ihre Verbände zurzeit noch?

Wendel: Bei der Revision der EN 16511 gibt es ein für MMF-Produkte neues und wichtiges Thema: die Wasserresistenz. Wir beschäftigen uns, wie schon bei Laminatböden, jetzt auch bei MMF-Produkten mit der Frage: Wann sind diese Böden mit Locking-Profil wasserfest beziehungsweise wasserdicht?

Halbe: Der FEB ist traditionell stark in der Anwendungstechnik aktiv. Dort haben wir uns mit dem Thema Treppensystemen beschäftigt und die Technische Information Nr. 5 kürzlich herausgegeben. Aktuell kümmern wir uns anwendungstechnisch um die Verlegung von LVT an der Wand, was immer populärer wird. Daraus entsteht die nächste Technische Information.


MMFA

Verband der mehrschichtig modularen Fußbodenbeläge e. V.
Tel.: +32 (0) 25 368677
info@mmfa.eu, www.mmfa.eu

Vorstand: Matthias Windmöller (Vorsitz), Carl Ruland, Sebastian Wendel
Geschäftsführung: Feriel Saouli
Ordentliche Mitglieder: 28
Außerordentliche Mitglieder: 31
Fördermitglieder: 3



FEB

Fachverband der Hersteller elastischer Bodenbeläge e. V.
Tel.: 02501 809212
info@feb-ev.com, www.feb-ev.com

Vorstand: Volkmar Halbe (Vorsitz), Christian Ciesla (stv. Vorsitz, Schatzmeister), Olivier Bossuyt (stv. Vorsitz), Stephan Wolff, Tilo Höbel
Mitglieder: 9
Fördermitglieder: 28
"Es gibt neue Regeln für die Branche, die sich immer wieder neu justieren"
Foto/Grafik: Classen
"Es ist wahrscheinlich, dass in Zukunft für Baumaterialien, die nicht recyclingfähig sind, eine zusätzliche Besteuerung oder ein Entgelt eingeführt wird. Deshalb muss die Bodenbelagsindustrie schnell Handlungsoptionen entwickeln."

Sebastian Wendel
"Es gibt neue Regeln für die Branche, die sich immer wieder neu justieren"
Foto/Grafik: Objectflor
"Am Ende ist es eine strategische Entscheidung der einzelnen Unternehmen, wieviel Geld sie in die Hand nehmen, um die Warenversorgung für ihre Kunden aufrechtzuerhalten."

Stephan Wolff
"Es gibt neue Regeln für die Branche, die sich immer wieder neu justieren"
Foto/Grafik: MMFA
"Glücklicherweise haben wir keine Absatzkrise. Ganz im Gegenteil, alle Segmente außer Büro laufen trotz der Pandemie gut."

Carl Ruland
aus Parkett Magazin 02/22 (Wirtschaft)