Deco Team

"Künstliche Intelligenz bietet klassischen Handwerksberufen enormes Potenzial"

Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) ist omnipräsent. Ist es ein Hype, ein Marketinginstrument oder eine echte Zeitenwende? Wir sprechen darüber mit Michael Hoffmann. Der KI-Experte wird auf der Heimtextil beim Deco Team dabei sein und einen Workshop anbieten.

BTH Heimtex: Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Wie intelligent ist die Technologie wirklich? Gibt es objektive Maßstäbe, um das zu bewerten, oder bleibt das ein philosophisches Problem?

Michael Hoffmann: Künstliche Intelligenz ist nicht "intelligent" im menschlichen Sinne, sondern basiert auf Algorithmen, die Muster erkennen und Aufgaben lösen können. Ihre Intelligenz liegt in der Fähigkeit, spezifische Probleme schneller und oft präziser zu bearbeiten als Menschen es könnten. Objektive Maßstäbe gibt es, etwa die Leistung bei bestimmten Benchmarks wie Sprachverarbeitung oder Bilderkennung. Doch was als intelligent gilt, bleibt oft subjektiv und kontextabhängig. Philosophisch gesehen fehlt KI das Bewusstsein und die Fähigkeit zu eigenständigem Denken - sie ist daher ein Werkzeug, keine denkende Entität.

BTH Heimtex: Seit der Markteinführung des ersten iPhones im Jahr 2007 hat das Smartphone unseren Alltag und die Arbeitswelt revolutioniert. Betrachten Sie Künstliche Intelligenz als eine ähnlich bahnbrechende Entwicklung?

Hoffmann: Absolut, Künstliche Intelligenz ist vergleichbar bahnbrechend - wenn nicht sogar noch revolutionärer. Während das Smartphone die Art und Weise, wie wir kommunizieren und arbeiten, verändert hat, transformiert KI ganze Branchen. Sie automatisiert Prozesse, schafft neue Möglichkeiten in der Datenanalyse, fördert Innovationen und verändert, wie wir mit Technologie interagieren. KI kann nicht nur einzelne Aufgaben unterstützen, sondern ganze Wertschöpfungsketten optimieren und kreativ tätig werden. Ihr Potenzial wird in den nächsten Jahren vermutlich noch stärker spürbar sein als die Einführung des Smartphones.

BTH Heimtex: Eine häufig geäußerte Befürchtung lautet, KI gefährde Arbeitsplätze und werde langfristig ganze Berufszweige ersetzen. Sehen Sie in dieser Hinsicht auch Chancen der Technologie?

Hoffmann: Die Sorge, dass KI Arbeitsplätze gefährdet, ist verständlich, aber sie greift zu kurz. Ja, KI wird bestimmte repetitive Tätigkeiten automatisieren, doch sie schafft gleichzeitig neue Berufsfelder, insbesondere in der Entwicklung, Überwachung und kreativen Nutzung von KI-Systemen. Entscheidend ist, dass Unternehmen aktiv in Umschulungen und Weiterbildung investieren, um Menschen auf neue Anforderungen vorzubereiten. Die Chancen liegen vor allem in der Entlastung von Routineaufgaben, wodurch mehr Zeit für kreative, strategische oder zwischenmenschliche Tätigkeiten bleibt. Außerdem fördert KI Innovationen, die ganze Wirtschaftszweige stärken können - etwa in der Medizin, Logistik oder Energieeffizienz.

BTH Heimtex: KI wird oft im Zusammenhang mit kreativen Tätigkeiten genannt; wie sieht es in klassischen Handwerksberufen aus? Welche praktischen Anwendungsfelder gibt es?

Hoffmann: KI bietet auch in klassischen Handwerksberufen enormes Potenzial. Für Raumausstatter, Maler oder Schreiner gibt es mehrere konkrete Anwendungsfelder:

-Visualisierung: KI-gestützte Tools ermöglichen es, Räume oder Möbelstücke virtuell zu gestalten und verschiedene Designs in Echtzeit zu visualisieren. Kunden können Farben, Materialien und Layouts testen, bevor die Arbeit beginnt.

-Materialplanung: KI kann Verbrauchsmaterialien effizient berechnen und Bestellungen optimieren, was Abfall reduzieren und Kosten senken kann.
-Individualisierte Designs: KI kann einzigartige Muster, Farbkonzepte oder Möbelentwürfe generieren, die auf Kundenpräferenzen basieren und so individuelle Wünsche erfüllen.

-Schadensanalyse: Mit KI-gestützten Kameras lassen sich Schäden an Wänden, Böden oder Möbeln erkennen und passende Reparaturvorschläge erarbeiten.

Diese Anwendungen können dazu beitragen Effizienz, Qualität und Kundenzufriedenheit zu erhöhen, aber - wichtig - ohne die handwerkliche Expertise zu ersetzen, sondern sie gezielt zu unterstützen.

BTH Heimtex: Welche Kenntnisse sollten Nutzer mitbringen, um KI effektiv nutzen zu können? Gibt es Hürden oder wird die Technologie zunehmend benutzerfreundlich?

Hoffmann: Anwenderinnen und Anwender sollten vor allem ein grundlegendes Verständnis für die Funktionsweise von KI mitbringen: Was kann KI leisten, was nicht, und wie wird sie trainiert? Technische Fähigkeiten wie der Umgang mit Daten und digitalen Tools sind hilfreich, aber nicht zwingend erforderlich. Wichtiger ist, eine klare Zielsetzung und die Fähigkeit, KI-Ergebnisse kritisch zu hinterfragen.

BTH Heimtex: Ist die Nutzung von KI mit Kosten verbunden und wie funktioniert das konkret?

Hoffmann: Viele KI-Anwendungen - man muss unterscheiden zwischen KI und generativer KI - bieten kostenlose Grundmodelle zum Einstieg und ersten Ausprobieren. Die weitere tiefergehende Nutzung ist in der Regel mit Kosten verbunden und das Preismodell hängt stark vom Anbieter und der Art der Anwendung ab. Es gibt mehrere gängige Modelle. Einmalzahlungen für beispielsweise einen Monat gibt es auch.

Die Kosten hängen auch von der Komplexität der KI und dem Umfang ihrer Nutzung ab. Für einfache Anwendungen können sie niedrig sein, während spezialisierte Lösungen, wie KI für Fertigungsprozesse oder große Datenanalysen, erheblich teurer sein können. Unternehmen sollten daher ihre Bedürfnisse genau analysieren, um das passende Preismodell zu wählen. Es gibt Privatlösungen, Teams-Lösungen und Business- oder auch Enterprise-Varianten.

BTH Heimtex: Wie wird gewährleistet, dass die Daten, die für KI-Anwendungen verwendet werden, geschützt sind? Und wer wacht über die Daten, die der Künstlichen Intelligenz zugrunde liegen?

Hoffmann: Die Datensicherheit bei KI-Anwendungen wird im Optimalfall durch eine Kombination aus technischen Maßnahmen, rechtlichen Vorgaben und organisatorischen Prozessen gewährleistet. Sicherheitslücken gibt es leider immer wieder. Zur gesunden Vorsicht rate ich generell.

Vertrauen in KI entsteht durch Transparenz, also durch klare Informationen darüber, wie Daten verarbeitet und geschützt werden. Anwender und Anwenderinnen sollten ruhig aktiv nachfragen und nur Lösungen verwenden, die hohe Sicherheitsstandards erfüllen.
| Die Fragen stellte Michaela Fischer.


5 Grundregeln im Umgang mit KI

1.Ziele klar definieren: Definieren Sie genau wofür die KI eingesetzt werden soll. Ob für Prozessoptimierung, Analyse oder kreative Unterstützung - ein klares Ziel erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit.

2.Qualität der Daten sicherstellen: KI-Modelle sind nur so gut wie die Daten, mit denen sie trainiert werden. Achten Sie darauf, akkurate, aktuelle und relevante Daten ohne Doppelungen zu nutzen, um Verzerrungen und Fehler zu vermeiden.

3.Mensch und KI kombinieren: Setzen Sie KI oft möglichst dort ein, wo sie menschliche Arbeit sinnvoll ergänzt. Die besten Ergebnisse entstehen aus der Zusammenarbeit von Technologie und menschlichem Wissen.

4.Regelmäßige Überprüfung und Anpassung: KI-Systeme müssen kontinuierlich überwacht, bewertet und bei Bedarf optimiert werden. So bleiben sie zuverlässig und liefern relevante Ergebnisse.

5.Datenschutz und Ethik beachten: Behandeln Sie Daten von Kunden und Mitarbeitern vertraulich und halten Sie sich an gesetzliche Vorgaben. Entwickeln Sie KI-Lösungen, die fair, transparent und verantwortungsvoll genutzt werden können. Beachten Sie den EU AI Act.


Anmelden zum KI-Workshop auf der Heimtextil

Michael Hoffmann wird auf der Heimtextil im Rahmen des Deco Teams am 15. Januar 2025 Einblicke in die Welt der KI bieten. In seinem halbstündigen Vortrag zeigt er jeweils um 11, 13 und 15 Uhr, wie KI-basierte Technologien Marketingstrategien revolutionieren und wie Inneneinrichter und Raumausstatter von den neuesten Entwicklungen profitieren können. Anhand konkreter Branchenbeispiele wird er die wichtigsten Einsatzgebiete und Vorteile aufzeigen.

Ergänzend bietet Michael Hoffmann im Anschluss an seinen Vortrag jeweils einen praxisorientierten Workshop an, in dem die Teilnehmer die Möglichkeit haben, den Einsatz von KI im Berufsalltag selbst zu erleben. Mit Tablets ausgestattet, können sie in kleinen Gruppen die praktische Anwendung von KI, insbesondere durch den Einsatz von ChatGPT, erproben. Anmeldungen für den Workshop sind unter info@decoteam.de möglich.
"Künstliche Intelligenz bietet klassischen Handwerksberufen enormes Potenzial"
Foto/Grafik: Michael Hoffmann
Michael Hoffmann ist stellvertretender Geschäftsführer der Handwerkskammer Münster, Dozent an der Uni Münster und an der Akademie des Handwerks, Schloss Raesfeld. Der Speaker für Künstliche Intelligenz und digitale Kommunikation hat bereits mehrere Digitalisierungsprojekte in der Marketingpraxis erfolgreich umgesetzt. Der gelernte Kaufmann und studierte Sozialwissenschaftler war in verschiedenen mittelständischen Unternehmen und Großkonzernen wie Siemens, Garmin und Anheuser-Busch Inbev in verantwortlichen Positionen tätig. Mit fundierter Erfahrung in Digitalisierung, verbunden mit Unternehmens-kommunikation und Public Relations treibt der international erfahrene Medienprofi die Integration von KI in Unternehmen und Organisationen voran.
aus BTH Heimtex 01/25 (Wirtschaft)