Heimtextil Frankfurt

Future Continuous: Von Tradition zu Innovation

Valentina Ciuffi und Joseph Grima, Gründer der Designerplattform Alcova, vereinen bei dem Heimtextil Trends 25/26 traditionelle Elemente und zeitgenössisches Design in einem kreativen Dialog. Dabei wird deutlich, dass Textilien mehr sind als nur Stoffe.

Unter dem Titel Future Continuous präsentiert die Heimtextil in Zusammenarbeit mit Alcova - einer Plattform für unabhängiges Design - die Heimtextil-Trends 25 /26: visionäre Perspektiven auf die Bedeutung von Textilien in technologischen, kulturellen und ökologischen Entwicklungen - Textilien im Zentrum globaler Veränderungsprozesse.

Dazu wurden sechs Interviews mit internationalen Designern, Textilforschern sowie Vertretern von Verbänden und Institutionen geführt. Darin kommt eine Verbindung von Tradition und Innovation, Handwerk und moderner Technologie zum Ausdruck.

Textilien als
verbindendes Element von
Vergangenheit und Zukunft

Textilien sind viel mehr als nur Stoffe, sondern dienten schon vor der Schrift als Ausdrucks- und Kommunikationsmittel. Sie verknüpfen Erzählungen, verweben Handlungsstränge und sind ein zentraler Bestandteil unserer Technologie. Janis Jefferies, eine Pionierin der Textilforschung, macht im Interview deutlich: "Das Spinnen und Verweben von Fasern war die erste Technologie des Menschen und damit die Grundlage für Baukunst und Mathematik."

Heute spielen Textilien eine zentrale Rolle in einer nachhaltigen Denkweise, die über das bloße Recyceln, Reduzieren und Wiederverwenden hinausgeht. Stattdessen rückt regenerative Landwirtschaft in den Vordergrund, bei der Begriffe wie Wiederherstellen, Erneuern und Auffüllen die Nachhaltigkeitsdebatte prägen. Dieser ganzheitliche Ansatz sieht Textilien als Schlüssel zu einer nachhaltigen Zukunft.

Renaissance der Naturfasern
und handwerklichen Traditionen

Inmitten einer zunehmend digitalen Welt besteht der Wunsch nach dem Greifbaren und Materiellen. Textilien verbinden uns mit unserem kulturellen Erbe und schaffen durch ihre Haptik einen Kontrast zur virtuellen Welt. In einer Wegwerfkultur, die auf kurzlebige Produkte setzt, stehen Textilien und Handwerk für Authentizität und Nachhaltigkeit. Sie bringen Achtsamkeit zurück in eine von Bildschirmen dominierte Gesellschaft und vermitteln das Gefühl, wieder etwas Echtes berühren zu können.

Auch Ilse Crawford, Interior Designerin und Gründerin von StudioIlse, betont: "In einer zunehmend digitalen und körperlosen Welt entsteht ein tiefes Bedürfnis nach physischer Verbundenheit. Naturfasern wie Hanf, Jute, Flachs und Nessel erleben ein bemerkenswertes Comeback. Wegen ihrer Langlebigkeit und Behaglichkeit werden sie seit Jahrhunderten geschätzt."

Christine Ladstätter, Managerin für Innovation beim Bergsport-Ausstatter Salewa, weist auf einen weiteren wichtigen Aspekt hin: "In den letzten Jahrzehnten hat sich ein Trend hin zu einer stärkeren Wertschätzung lokaler Materialien und Techniken entwickelt. Ihre Projekte betonen die wachsende Bedeutung des Handwerks. Der Fokus liegt auf der Förderung der lokalen Landwirtschaft und dem Erhalt traditioneller Weidelandschaften."

Zirkularität und Transparenz:
Die Zukunft der Textilien

Während schneller Konsum und Wegwerfkultur die Welt heute prägen, wächst das Bewusstsein für Sorgfalt und Weitsicht - auch in der Textilindustrie. Dirk Vantyghem, Generaldirektor beim Verband der europäischen Bekleidungs- und Textilindustrie Euratex, hebt hervor, dass die Textilbranche durch den Europäischen Green Deal stärker im Fokus steht. Viele Hersteller nutzen Begriffe wie nachhaltig oder zirkulär noch ohne klare Definition. Das EU-Parlament setzt sich deshalb für mehr Transparenz in der Lieferkette ein, um Greenwashing zu verhindern und den Verbrauchern fundierte Kaufentscheidungen zu ermöglichen.

Simone van der Burg und Lucas Evers, beide Gruppenleiter im Forschungs- und Entwicklungszentrum WAAG Future-Lab, betonen die Bedeutung einer offenen und mitgestaltenden Produktion. Ihr Ansatz zielt darauf ab, lokale Ressourcen wie Farben und Fasern aus natürlichen Quellen zu nutzen und die Produktionsprozesse für Designer zugänglicher zu machen. Open-Source-Werkzeuge ermöglichen es Kreativen, ohne hohe Kosten zu experimentieren.

Die italienische Designerin Eugenia Morpurgo fordert eine grundlegende Neubewertung der landwirtschaftlichen Praktiken in der Textilproduktion. Sie plädiert dafür, erdölbasierte Materialien durch nachhaltige Alternativen zu ersetzen. Ihr Projekt Syntropic Materials zeigt, wie regenerative Landwirtschaft Bodengesundheit und Biodiversität fördern kann. Morpurgo betont, dass bei der Nachhaltigkeitsbewertung die wahren Kosten berücksichtigt werden müssen, vom Ressourcenverbrauch bis zur langfristigen Bodenfruchtbarkeit.

Farben, die Geschichten erzählen

Die Heimtextil Trends 25/26 präsentieren auch eine visionäre Farbpalette, die Alcova sowohl visuell als auch sprachlich interpretiert hat. Von Naturally Uneven Green bis End of Petrol und Imperfect Pink spiegeln die Farben das Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation wider. Sie erzählen Geschichten von Erneuerung, Wachstum und einer zukunftsweisenden Vision, die über bloße Nachhaltigkeit hinausgeht.


Alcova - Plattform für unabhängiges Design

Alcova ist eine Plattform für Designer, Unternehmen, Institutionen und Forscher, die sich mit der Zukunft des Wohnens und der Produktion auseinandersetzen. Gegründet wurde sie 2018 von der Kuratorin und Kreativdirektorin Valentina Ciuffi sowie dem Architekten Joseph Grima. Im Rahmen des Fuorisalone bringt Alcova Menschen zusammen, die durch ihre Arbeiten in den Bereichen Wohnen, Produkte, Systeme, Materialien und technologische Innovation die heutige Designkultur prägen. Dabei werden außergewöhnliche Orten wie eine alte Bäckerei oder eine verlassene Kaschmirfabrik zu Bühne für zukunftsweisende Ausstellungen und Installationen. Das zieht regelmäßig mehr als 90.000 Besucher an.
Future Continuous: Von Tradition zu Innovation
Foto/Grafik: Alcova für Heimtextil
Die Farbpalette der Heimtextil Trends 25/26.
Future Continuous: Von Tradition zu Innovation
Foto/Grafik: Silje Chantel Johnsen
Ilse Crawford sagt: "Naturfasern erleben ein bemerkenswertes Comeback."
Future Continuous: Von Tradition zu Innovation
Foto/Grafik: Waag Futurelab
Cecilia Raspanti arbeitet im Waag Futurelab an Pflanzen- und Bakterienpigmenten.
aus BTH Heimtex 11/24 (Marketing)