VDPM, IBF und BEB: 8. Fließestrichforum in Fulda 2024

Nachhaltigkeit kommt beim Estrichleger an

Zum 8. Fließestrichforum am 2. und 3. September 2024 versammelte sich einmal mehr ein repräsentativer Branchenquerschnitt aus Fachleuten von Handwerk, Industrie, Planungs- und Sachverständigenbüros in Fulda. Wichtigstes Fazit für die rund 150 Teilnehmer: Nachhaltigkeit ist in der Estrichbranche längst angekommen - und das nicht als allgemeines Gesprächsthema, sondern mit ganz konkreten Inhalten und Anforderungen.

Der Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel (VDPM), das Institut für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung (IBF) und der Bundesverband Estrich und Belag (BEB) als Veranstalter widmeten beim Fließestrichforum nahezu die Hälfte des Programms der Nachhaltigkeit - mit der Zielsetzung, zu verdeutlichen, dass alle Branchenbeteiligten sich damit spürbar intensiver als bisher auseinandersetzen müssen. Technische Praxisthemen bildeten den zweiten Schwerpunkt der Tagung in Fulda.


Nachhaltigkeit
im Bauunternehmen

Die ganze Bandbreite und Relevanz nachhaltigen Bauens verdeutlichte zum Programmstart Katrin Mees (Zentralverband des Deutschen Baugewerbes) mit ausführlichen Erläuterungen zur Begrifflichkeit und der einschlägigen Gesetzgebung. Bezogen auf eingebaute Fließestriche betonte sie deren lange Lebensdauer von bis zu 80 Jahren und die günstigen Rückbaumöglichkeiten. Mees ist überzeugt: "Es werden bei der Sanierung oder dem Rückbau von Gebäuden beträchtliche Mengen an Calciumsulfatestrichen anfallen." Diese seien zudem je nach Einbauart relativ einfach und rückstandslos von Decken und Belagsschicht zu trennen. "Somit liegt beim Estrich eine gute Ausgangsbasis für ein potenzielles Recycling vor", lautete ihr Fazit.

Gebäudezertifizierung
in der Praxis

Wie konkret sich Nachhaltigkeit am Bau bemerkbar macht, zeigte Hannes Klockenhoff (Knauf Gips) in seinem Vortrag über Gebäudezertifizierung und einschlägige Siegel, wie das der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) oder das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) der Bundesregierung. Der Referent bezeichnete CO2 als "die neue Schattenwährung", die neben dem Primärenergiebedarf in der industriellen Produktion eine zentrale Bedeutung erlangt habe. Hinter den meisten Kriterien für Gebäudezertifikate verbergen sich unmittelbare Produktanforderungen, die Hersteller wie Verarbeiter kennen sollten. Der Markt für zertifizierte Gebäude nach definierten Standards wächst, sodass hier Detailkenntnisse und konsequente Fortbildung die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärken. Sein Appell: "Nehmen Sie das ernst: Das Thema ist gekommen, um zu bleiben." Klockenhoff empfahl der Industrie: "Vorbereitet sein, mit Planern und Architekten zusammenarbeiten, den eigenen Kunden Informationen zugänglich machen, Produkte lebenszyklusorientiert denken und sich mit Verbänden und Experten vernetzen."


CO2-Fußabdruck
von Calciumsulfat geringer

Dr. Tim Link (Casea) informierte über den Zusammenhang zwischen den Bindemitteln für Calciumsulfat-Fließestrich und dem CO2-Fußabdruck. Er skizzierte die Herstellung und Eigenschaften von Alpha-Halbhydrat, von thermischem, synthetischem und natürlichem Anhydrit. "Calciumsulfat-Fließestriche zeichnen sich durch ihren vorteilhaften CO2-Fußabdruck aus und tragen durch die Nenndickenreduzierung ebenfalls zur Nachhaltigkeit bei", erklärte Dr. Link. Umweltproduktdeklarationen (EPDs) stellen nach seiner Ansicht ein geeignetes Instrument für Estrichleger dar, dieses Ergebnis anhand konkreter Zahlen nachzuvollziehen und mit den positiven Werten zum Global Warming Potential (GWP) zu argumentieren. Estrichlegern, die vom Bauherrn zur Einsparung von CO2 aufgefordert werden, empfahl der Referent den Einsatz von Calciumsulfat-Fließestrichen, da diese gegenüber klassischen Zementestrichen einen 50 % niedrigeren CO2-Fußabdruck aufweisen würden.


Ökologische Estriche

Auf die Unterschiede zwischen Zementestrich und Calciumsulfat-Fließestrich beim GWP ging auch Hartmut Lange (Franken Maxit) ein und stellte entsprechende Bodenaufbauarten gegenüber. Er verwies auf die im Bestand bewährte Lösung der Nachrüstung mit dünnschichtigen Fußbodenheizungen, die sich vor allem durch eine geringe Aufbauhöhe auszeichnen. Diese Variante lässt sich mit einer Kombination aus Calciumsulfat-Fließestrich und einem Strohpanel als Dämmstoff besonders ökologisch realisieren.


Vorbildliches Nachbarland

Nachhaltiges Bauen aufgrund von ehrgeizigen Klimazielen sind in Dänemark gesetzlich stärker verankert als in Deutschland. Wie das konkret für Estrich und Fußbodenbau aussieht, berichtete Rene Jacobsen (FBM Horup). Strengere CO2-Vorschriften führen im Nachbarland generell zu einer steigenden Nachfrage nach Baustoffen mit geringerem CO2-Fußabdruck. Dies gelte auch für Calciumsulfat-Fließestrich, unter anderem durch die damit mögliche ergonomische, effektive und wirtschaftliche Bauweise mit wenig logistischem Aufwand, so Jacobsen. Die strenge CO2-Gesetzgebung motiviere Lieferanten auch zu Investitionen in Forschung und Entwicklung für nachhaltigere Produktionsmethoden. Das Unternehmen des Referenten konnte sich so Wettbewerbsvorteile sichern, "insofern lassen sich strengere CO2-Vorschriften auch als Chance und nicht als Bedrohung betrachten", sagte der Referent abschließend.

Calciumsulfatestrich
im Nassbereich

Ist der Einsatz von Calciumsulfatestrich "unter Wasser" entgegen der Norm DIN 18534-1 W2-I möglich? Diese Fragestellung war das Thema des Sachverständigen Heinz-Dieter Altmann. Nicht im direkten Duschbereich, lautete seine Antwort, aber in häuslichen Bädern auf Böden mit nicht aufstauendem Wasser - auch in der Beanspruchungsklasse W2-I. Voraussetzung sei eine fachgerecht applizierte Abdichtung mit rissüberbrückenden Dichtungsschlämmen und/oder Reaktionsharzabdichtungen, deren Anschlüsse an Ablaufrinnen oder Bodenabläufe sorgfältig und dicht ausgeführt werden müssen.
Bernd Stahl, Vorsitzender des Technischen Ausschusses im Fachverband Fliesen und Naturstein (FFN), der an der Tagung teilnahm, widersprach: "Für mich ist der Calciumsulfatestrich aufgrund der normativen Regelungen im Falle von bodengleichen Duschen nicht empfehlenswert." Wenn ein Calciumsulfatestrich außerhalb des Nassbereiches eingebaut werde, dann müsse zwingend eine Abdichtung eingesetzt werden. Er stellte klar: "Ich kann dies unseren Mitgliedern nicht in einem Merkblatt empfehlen, weil es die Norm nicht hergibt."


Alternative
Zementfließestrich

Neue Marktsegmente lassen sich bei Zementfließestrich erschließen. Diesen Appell richtete Andreas Schäfer (Heidelberg Materials Beton) an das Fachhandwerk mit seinem Bericht über den Stand der Technik und einem Ausblick in die Zukunft dieser Estrichvariante. Die Hersteller arbeiteten an neuen Produkten mit geringerem Schwindverhalten und der Möglichkeit zu großen fugenlosen Flächen. Die Verarbeitung könne ähnlich der von Calciumsulfat-Fließestrichen erfolgen. Außerdem kündigte er für die Zukunft auch marktreife dünnschichtige Systeme an.


Tipps zur Stressvermeidung

Der Vortrag von Stefan Schubert fiel inhaltlich etwas aus dem Rahmen - sein Thema Stressbewältigung aber betraf sicher die meisten Zuhörer im Saal. Über die Einflüsse und Reaktionen der Nervensysteme beim Entstehen von Stress kam er zu geeigneten Strategien und Verhaltensweisen, um damit zielgerichtet und gesundheitsfördernd umzugehen. Schubert schilderte anschaulich, was in welchen Stress-Situationen sinnvoll ist. Viele müssten lernen, auch mal Nein zu sagen und sich anzugewöhnen, nicht gleich auf jede E-Mail sofort zu antworten. "Nehmen Sie Stress nicht auf die leichte Schulter, sondern tun Sie aktiv etwas dagegen", lautete seine generelle Empfehlung.


Bestätigungsprüfungen
an Estrichen

Die praktischen Aspekte der Durchführung und Bewertung von Bestätigungsprüfungen an unbeheizten und beheizten Estrichen gemäß DIN 18560-2 erläuterte Egbert Müller (Institut für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung). Ein Schwerpunkt des Vortrags war die besondere Situation der Probenentnahme bei Heizestrichen. Grundsätzliche Vorsicht gilt, wenn in alten Fußböden Schadstoffe wie Asbest oder polychlorierte Biphenyle (PCB) enthalten sein könnten. Hier sollten sich die Akteure zuvor die Schadstofffreiheit zusichern lassen. Ergeben sich außermittige Brüche beim Probekörper, könne dies auf unzureichend verdichtete Teilbereiche, Gefügeschäden oder Anrisse im Estrich hindeuten, sagte Müller. Solche Brüche müssten bei der Bewertung der Ergebnisse entsprechend berücksichtigt werden.


Toleranzen
im Fußbodenbau

Der Abschlussvortrag des Fließestrichforums 2024 widmete sich den Toleranzen im Fußbodenbau nach BEB-Merkblatt 9.2. Burkhard Prechel (Mapei) schilderte die Zielsetzung des Merkblattes: "Wir wollten Bereiche erfassen, die durch die Toleranzennorm DIN18202 nicht abgedeckt werden." Dies sind entsprechend der Leitsätze des BEB-Arbeitskreis Sachverständige der Zeitpunkt der Messung, die Übertragung der Höhenbezugspunkte, die Höhenlage des Estrichs im Raum und in Türdurchgängen, die Höhenlage des Estrich-Anschlusses sowie des Bodenbelages an Einbauteilen und Schienen und die Höhenlage des fertigen Bodenbelages im Anschluss an angrenzende Bodenflächen. Burkhard Prechel erläuterte hierzu jeweils die wichtigsten technischen Details und gab konkrete Hinweise für Planung und Ausführung.

Ausblick
Fließestrichforum 2026

Antje Hannig (VDPM) und Bernfried Hansel (BEB) verabschiedeten die Gäste des Fließestrichforums 2024 mit dem Hinweis auf die 9. Ausgabe, die für den Herbst 2026 geplant ist.
Nachhaltigkeit kommt beim Estrichleger an
Foto/Grafik: VDPM
Katrin Mees, ZDB, Abteilungleiterin Nachhaltiges Bauen und Umwelt
Nachhaltigkeit kommt beim Estrichleger an
Foto/Grafik: VDPM
Hannes Klockenhoff, Knauf Gips
Nachhaltigkeit kommt beim Estrichleger an
Foto/Grafik: VDPM
Dr. Tim Link, Casea
Nachhaltigkeit kommt beim Estrichleger an
Foto/Grafik: VDPM
Rene Jacobsen, FBM Horup
aus FussbodenTechnik 06/24 (Wirtschaft)