Classen Baruth: Integrierter Standort vom Baum bis zur Verpackung
"Die Entwicklung beim Laminat ist noch lange nicht am Ende"
Andere große Laminathersteller unterhalten mehrere Werke, Classen nur eins. Aber das hat es in sich: Mit 80 Mio. m2 Kapazität weltweit der größte Einzelstandort, die Plattenproduktion direkt angebunden, die Prozesse hochautomatisiert und effizient. Hier, im märkischen Baruth, entstehen Laminatböden "state of the art", die ständig optimiert werden. Es war damals mit knapp 50 Mio. EUR die größte Investition in der Firmengeschichte, ein Kraftakt sondergleichen und ein Wagnis, als Classen im Jahr 2000 in Baruth, südlich von Berlin, fast 600 km entfernt vom Stammsitz Kaisersesch in der Eifel, ein neues Laminatbodenwerk aus dem märkischen Sand stampfte. Aber Dr. Hans-Jürgen Hannig, Gründer und Kopf des Familienunternehmens, glaubte an das Projekt und den Standort - und der Erfolg gab ihm recht.
Dimensionen seit der
Gründung vervierfacht
Heute, gut 24 Jahre nach der Grundsteinlegung, fährt man von der Autobahn ab durch ausgedehnte Kieferwälder, bis sich plötzlich das weitläufige Firmengelände eröffnet und gewaltige Hallen, Silos und Türme in den Himmel ragen. Schon kurz nach der Inbetriebnahme wurde das Werk gespiegelt, weil die Nachfrage nach Classen-Laminat stetig wuchs. Inzwischen ist Classen Industries vervierfacht worden, zudem wurde 2007 eine eigene Plattenproduktion angebunden - Classen Fibreboard - und Baruth somit zu einem integrierten, hochmodernen, nahezu vollautomatisierten Standort ausgebaut, der vom Baum bis zum fertig verpackten Boden sämtliche Prozessschritte vereint.
Classen stellt Laminatböden, PVC-freie Designböden und Türen her. Auch wenn Designböden stark im Wachsen begriffen sind und perspektivisch viel versprechen, wird immer noch ein Großteil des Umsatzes von über 640 Mio. EUR (2022) mit Laminatböden erwirtschaftet. Global hat sich Classen damit einen Namen gemacht, ist in Europa genauso präsent wie in Nordamerika, Mittelasien und Osteuropa. Baruth verfügt über eine Kapazität von 80 Mio. m
2 - und ist damit der größte Einzelstandort weltweit. 2020 kratzte man tatsächlich knapp an dieser Marke, erinnert sich Carsten Buhlmann, der im Jahr 2000 als Betriebsleiter bei Classen Industries begann und dem Werk heute als Geschäftsführer vorsteht.
Der Absatzeinbruch auf den Weltmärkten 2023 und 2024 ist aber auch an Classen nicht spurlos vorbeigegangen. Céline Quervel, Geschäftsführerin von Classen International und der Classen Vertriebsgesellschaft sowie Head of Marketing der Gruppe, schätzt, dass selbst 2025 die Kapazitäten noch nicht wieder voll ausgelastet sind. Aber sie betont in diesem Zusammenhang: "Kurzarbeit gab es nicht, wir haben nur die Produktion gedrosselt."
Neue Vertriebs- und Markenstrategie zielt auch auf Großhandel und Fachhandel
Ohne die rückläufige Nachfrage auf die leichte Schulter zu nehmen, bleibt man in der Analyse der Weltmarktentwicklung sachlicht: "Europa ist trotz der Rückgänge nach wie vor laminataffin, speziell die Benelux-Länder, die auch in der Krise relativ stabil geblieben sind", konstatiert Quervel. Frankreich sei ein bedeutender Laminatmarkt, in Italien der Norden und international die USA, der Mittlere Osten und vor allem Osteuropa. "Dort wird der Laminatboden mehr geschätzt." Die osteuropäischen Kunden nähmen ihn nicht als Billigprodukt wahr, sondern sähen auch die hervorragende Performance. "Und ihnen ist wichtiger, einen Mehrwert im Produkt zu haben, wie z.B. die Wasserbeständigkeit, als den westeuropäischen. Dafür sind sie auch bereit zu zahlen."
Wo Classen die Zukunft
im Laminatboden sieht
Classen glaubt also weiterhin an den Laminatboden - dreht aber an diversen Stellschrauben, um seine Marktposition zu sichern und auszubauen und den Umsatz auch für die Zukunft zu sichern. Das betrifft zum einen die Vertriebsstrategie. Eigentlich liegt der Fokus in Baruth auf großen Volumina ab 200.000 m
2. "Darauf ist unsere Kostenstruktur ausgelegt, dann sind wir auch die günstigsten", sagt Céline Quervel. Kerngeschäft bleiben auch die diese Großaufträge,sprich vor allem Baumärkte. Darüber hinaus will das Unternehmen vermehrt Neukunden im Fachhandel und Großhandel gewinnen und dort seine Marke Classen platzieren, denn das verspricht höhere Deckungsbeiträge und eine breitere Marktpräsenz.
Zum anderen wird noch Potential im Produkt gesehen. Zwar gilt der Laminat als ausgereift, wobei gerade "in den letzten Jahren nochmal viel in der Entwicklung passiert ist", so Quervel. "Wir sind heute auf einem ganz anderen Stand als vor zehn Jahren. Und es ist ein ehrliches Produkt, Preis und Performance befinden sich in einer guten Balance. Das ist nicht bei jedem Bodenbelag der Fall."
Classen hat drei Entwicklungsbereiche definiert: die Platte, die Oberfläche und das Profil. Speziell die Oberfläche bietet ein großes Spielfeld. Das fängt bei den Dekoren an, die im gruppeneigenen Designcenter in Kaisersesch entstehen. Dafür wird Rohmaterial gescannt, die Scans aufbereitet und daraus eine Druckdatei erstellt. Classen setzt sich nun damit auseinander, Holzstrukturen zu kategorisieren, so dass ein Basisdekor durch verschiedene Farbstellungen und minimale Veränderungen variiert werden kann. Auch per KI generierte Dekore sind nicht ausgeschlossen, was soweit gehen könnte, dass zum Drucken gar keine Datei mehr benötigt, sondern nur ein Befehl. Vielversprechend ist auch die Möglichkeit, Tiefdruck-Dekore mit Digitaldruck zu "tunen", d.h. nachträglich zu verändern, etwa eine Schattenfuge zu drucken oder zu individualisieren.
Bleiben noch die Profile. "Hier passiert ganz viel", unterstreicht Céline Quervel. "Wir haben unser Megaloc-System weiterentwickelt, zum Beispiel für wasserresistente Böden oder als Herringbone-Profil mit AA-Technologie für Fischgrät. Das stößt auf große Resonanz - und die Frage, welche Musterverlegungen für Laminatböden perspektivisch noch möglich sind, etwa Chevron. Also wenn man sich diese drei Entwicklungsstränge allein auf Produktseite anschaut, sind wir noch lange nicht am Ende angekommen..."
Zur Münchner BAU im nächsten Jahr hat Classen einen besonderen Pfeil im Köcher: ein Brückenprodukt, das in der Zusammenarbeit der beiden Standorte Baruth und Kaisersesch entstanden ist. Mit Details hält man sich noch bedeckt, offenbart nur, dass es sich um eine Kombination aus Holzwerkstoffen und PVC-freien Kunststoffen handelt. "Für uns geht es dabei ganz klar darum, im Markt die Kapazitäten für PVC-freie Bodenbeläge zu erhöhen", sagt Quervel dazu, "die Nachfrage ist da und Hybrid-Produkte sind beliebt, in aller Munde und am boomen, gerade in den USA. Diesen Bedarf wollen wir mit decken."
| Claudia WeidtClassen Group
W. Classen GmbH & Co. KG
Werner-von Siemens-Str. 18-20
56759 Kaisersesch
Tel.: +49 2653 9800
www.classengroup.com info@classen.de
Gründung: 1962
Geschäftsführung:
Dr. Hans-Jürgen Hannig, Stefanie Quervel
Matthias Gorecki
Geschäftsführung Classen International, Classen
Vertriebsgesellschaft: Céline Quervel
Umsatz (2022): 641,7 Mio. EUR
Mitarbeiter: ca. 2000
Werke: Baruth, Kaisersesch, PL-Rybnik
Standort Baruth
Classen Industries
Classen Fibreboard
An der Birkenpfuhlheide 6
15837 Baruth/Mark
www.classen-industries.de
Produkte: Laminatböden, HDF-Platten
Kapazität: 80 Mio. m
2Hallenfläche ca. 250.000 m
2Classen Industries - drei Produktionsbereiche
1.Vorbeschichtung und Digitaldruck
- Dekorpapier/Digitaldruck auf die Platte bringen
- 78 Mitarbeiter
- 2 Digitaldrucker, 4 Kaschieranlagen
- 30 % Digitaldruck
2. Oberfläche
- Flüssige Harzbeschichtung aufbringen, verpressen, Platten zu Dielen aufsägen
- 126 Mitarbieiter
- 3 LLT-Doppelbandpressen, 2 LLT-Kurztaktpressen, 2 Kurztaktpressen, 1 Bandpolierstation
3. Profilierung und Verpackung
- Dielen befräsen (profilieren), Trittschall aufkaschieren, verpacken
- 223 Mitarbeiter
- 11 Profiler, 10 Verpackungsanlagen
Profilierung und Verpackung getrennt für mehr Flexibilität
Gewöhnlich sind Profilfräsung, Fasenlackierung, Trittschallapplikation und Verpackung in einer Linie integriert. Das heißt, von der Rohdiele bis zum fertigen Paket sind alle Arbeitsschritte linear in einer Straße angeordnet. Classen ist schon 2013 von dieser Reihenfertigung auf die Gruppenfertigung umgestiegen und hat die einzelnen Komponenten separiert. "So lassen auch kleine Losgrößen effizient herstellen, die Anlagenverfügbarkeit steigt und Rüstzeiten werden minimiert", erklärt David Schumann, Bereichsleiter Profilierung/Verpackung. Die Dielen werden profiliert, die Fasen lackiert, um den Dielencharakter zu betonen, nach einem Zwischenstopp in einem Pufferlager wird ggfls. eine Trittschalldämmung aufkaschiert und kundeninviduell verpackt. Bei der Profilierung ist höchste Präzision gefordert. Automatische Messungen und Kontrollen direkt an der Anlage beugen Ungenauigkeiten vor, bevor sie entstehen. "Die Konturkontrolle erfolgt mit 0,01 mm Toleranz, für die Oberflächenkontrolle nutzen wir eine Kamera mit Livebild-Auswertung", geht Andreas Sieder, Leitung Technologie Profilierung/Verpackung ins Detail.
Die Oberfläche: Fühlbare Struktur für ein authentisches Erlebnis
Bei der Oberfläche setzt Classen auf die LLT-Technologie. Statt ein harzgetränktes Overlay aufzubringen, werden flüssiges Melaminharz und Härter in sechs Schichten aufgetragen. Das Korund, das die Abriebfestigkeit und Strapazierfähigkeit bestimmt, wird mit der Streuwalze aufgetragen und nicht mehr wie früher mit der Flotte. Danach ruhen die Platten für 24 Std., bevor sie verpresst werden - entweder auf der Doppelbandpresse oder der Kurztaktpresse. Dabei erhalten sie auch ihre fühlbare Struktur - 200 m tief bei der Doppelbandpresse, 300 m bei der Kurztaktpresse. "Und wir können sogar noch tiefer prägen," sagt Thomas König, Bereichsleiter Oberfläche. Schließlich werden die Platten mit der Formatsäge in die verschiedenen Dielenformate aufgeteilt.
aus
Parkett Magazin 06/24
(Wirtschaft)