VDPM und IGE sprechen sich gegen neue Messmethode aus
"KRL-Methode ist keine praktikable Baustellenlösung"
In den vergangenen Monaten gab es in der Branchenöffentlichkeit verstärkt Anstrengungen, bei der Bestimmung der Belegreife von Estrichen die KRL-Methode in den Vordergrund zu rücken und schrittweise als die Baustellenlösung für das Handwerk zu positionieren. Der Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel (VDPM) und die Industriegruppe Estrichstoffe im Bundesverband der Gipsindustrie (IGE) halten diesen Weg sowohl aus bauordnungsrechtlichen als auch aus technischen Gründen für falsch.Ein fachgerecht eingebauter Estrich ist belegreif, wenn er einen gewissen Feuchtegehalt nicht mehr überschreitet. Mit dem Erreichen dieses Restfeuchtewertes ist sichergestellt, dass der norm- und fachgerecht hergestellte Estrich
1.eine ausreichende Festigkeit besitzt (abhängig von Alter und Feuchtegehalt),
2.kein schädigendes Trockenschwinden mehr vollzieht und
3.keinen den Belag oder Estrich schädigenden Feuchtegehalt mehr besitzt.
Feuchtegehalt
versus Luftfeuchtigkeit
"Der Feuchtegehalt kann entweder über eine Darr-Probe oder baustellengerecht mit der Calciumcarbid-Methode (CM-Messung) bestimmt werden. Er ist das entscheidende Kriterium zur Beurteilung der Belegreife eines mineralisch gebundenen Estrichs", betonen der Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel (VDPM) und die Industriegruppe Estrichstoffe im Bundesverband der Gipsindustrie (IGE). Laut der Norm DIN 18560 "Estriche im Bauwesen" erfolgt die Messung des Feuchtegehaltes über die Calciumcarbid-Methode. "Die Grenzwerte für den Feuchtegehalt zur Bestimmung der Belegreife sind Erfahrungswerte, die sich seit Jahrzehnten bewährt haben und die sowohl das estrichherstellende Gewerbe wie auch die Industrie bestätigen. Werden diese Werte eingehalten, sind die oben genannten drei Punkte erfüllt", so VDPM und IGE.
Die KRL-Methode misst dagegen keinen Feuchtegehalt, sondern bestimmt die relative Luftfeuchtigkeit, die sich in einem Behälter einstellt, wenn darin der Estrich bzw. die Estrichprobe gelagert wird. "Mit der KRL-Methode sind deshalb zumindest die oben genannten Punkte 1. und 2. nicht abgesichert. Aus diesem Grund ist es für den Belagsverleger riskant, auf eine CM-Messung zu verzichten und sich nur auf die KRL-Methode zu verlassen", argumentieren die beiden Branchenverbände.
Die KRL-Methode ist die Messung der korrespondierenden relativen Luftfeuchte. Die Technische Kommission Bauklebstoffe (TKB) im Industrieverband Klebstoffe hat ihr ein ganzes Merkblatt gewidmet: TKB-Merkblatt 8 "Beurteilen und Vorbereiten von Untergründen" sowie eine Internetseite www.klebstoffe.com/krl-methode. Die Methode wird dort ausführlich beschrieben, weshalb der VDPM und die IGE an dieser Stelle auf eine Wiederholung der Beschreibung verzichten.
1. Bauordnungsrechtliche Argumentation
Die Allgemeinen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) für jegliche Bodenbelagsarbeiten, also DIN 18352 für Fliesen- und Plattenarbeiten, DIN 18356 für Parkett- und Holzpflasterarbeiten und DIN 18365 für Bodenbelagsarbeiten, geben als Nebenleistung die Feuchtemessung bzw. die erstmalige Prüfung der Untergründe zur Feststellung der Belegreife vor. Bei Fliesen- und Plattenarbeiten wird die Feuchtemessung des Untergrundes direkt mittels der CM-Methode gefordert. Bei Parkett- und Holzpflasterarbeiten sowie bei Bodenbelagsarbeiten wird die "Feststellung der Belegreife" gefordert, ebenfalls nach DIN 18560 mittels der CM-Methode. Die deutsche Estrichnorm schreibt sinngemäß ergänzend: Alternative Messmethoden (z. B. dielektrische, hygrometrische Methoden, KRL) können gegebenenfalls zur Vorprüfung und zur Eingrenzung feuchter Flächen dienen.
"Die Vorprüfung und die Eingrenzung feuchter Flächen entsprechen nicht der Belegreife. Sollte eine der alternativ benannten Methoden hierzu geeignet sein, so würde es diese normative Einschränkung nicht geben", teilen VDPM und IGE mit.
1.1 Widerspruch: DIN EN 17668 und EN 1264-4
Die zuvor erwähnte Internetseite www.klebstoffe.com/krl-methode erklärt, dass die KRL-Methode genormt ("Ist nach DIN EN 17668 genormt") und damit Stand der Technik sei und als verlässliche Ergebnisbewertung gelte. Schaut man sich DIN EN 17668 "Klebstoffe für Bodenbeläge - Vorbereitung des Klebstoffauftrags - Prüfverfahren zur Bestimmung des Restfeuchtigkeitsgehalts von Unterböden" genauer an, heißt es dort: "Dieses Dokument legt Prüfverfahren zur Messung der Luftfeuchte jeglicher Art von mineralischen Untergründen vor dem Auftrag von Bodenspachtelmassen und/oder Bodenbelägen oder Parkettböden, die mit Klebstoffen geklebt werden, fest." Ferner steht dort: "Die Messung des Feuchtegehalts von mineralischen Untergründen nach EN 13813 ist in EN 1264-4 beschrieben."
"Damit wird es ein wenig komplizierter, da der Belagsverleger nun auch noch in die Heizungsnorm
EN1264-4 ,Raumflächenintegrierte Heiz- und Kühlsysteme mit Wasserdurchströmung - Teil 4: Installation schauen muss", heißt es weiter. Dort ist in der Tabelle 2 vermerkt: "Messung des maximalen prozentualen Feuchtegehaltes des Estrichs unter der Verwendung des Carbid-Verfahrens (CM). Dieser darf bei Zementestrich (CT, CTF) max. 1,8 CM-% und bei Calciumsulfatestrich (CA, CAF) max. 0,5 CM-% betragen."
Hier liege laut VDPM und IGE ein Widerspruch begründet: "Auf der einen Seite forciert die Klebstoffindustrie die KRL-Methode als alleinige Prüfmethode, auf der anderen Seite verweist sie in der von ihr selbst herausgegebenen Norm DIN EN 17668 - wenn auch über den Umweg EN 1264-4 - auf die CM-Methode."
1.2 Andere Länder, andere Sitten
"Die CM-Messung kann alle wesentlichen Kriterien zur Beurteilung der Belegreife aufgrund Feuchtigkeit abdecken. Deshalb hat sie sich im deutschsprachigen Raum seit vielen Jahrzehnten bewährt und wurde in viele Regelwerke aufgenommen", unterstreichen VDPM und IGE. Sie ist in DIN 18560-1 Estriche im Bauwesen, in EN 1264-4 Fußbodenheizung, DIN 18157 Keramische Bekleidungen im Dünnbettverfahren und vielen Merkblättern des Handwerks und der Baustoffindustrie festgeschrieben. Die CM-Messung wurde auch in weiteren europäischen Ländern übernommen, wie Frankreich, Spanien, Polen, Tschechien etc., in denen sich der schwimmende Estrich mehr und mehr etabliert hat.
"Die Bestimmung der korrespondierenden Luftfeuchte an Estrichen ist dagegen nicht verbreitet. In einigen Ländern wird jedoch die Luftfeuchte in Betondecken geprüft, bevor diese mit einem Verbundestrich oder Belag belegt werden. Diese Situation ist allerdings nicht mit der Belagsverlegung auf Estrichen vergleichbar, zumal die anfangs genannten Punkte 1. und 2. hier nicht von Bedeutung sind", so die genannten Verbände.
Es gebe zur KRL-Methode keine abgesicherten Grenzwerte für einen unschädlichen Luftfeuchtigkeitsmesswert. "Stattdessen werden Grenzwerte von der TKB vorgegeben, die genauso wie bei der Bestimmung des Feuchtegehaltes durch Darren oder CM keine wissenschaftlich begründbare Basis haben."
2. Technische Argumentation
Die Problematik der KRL-Methode sei hinsichtlich von Calciumsulfat- und Zementestrichen unterschiedlich zu bewerten, heißt es weiter.
2.1 Estriche auf Basis von Calciumsulfat (CA/CAF):
Es ist allgemein anerkannt, dass unbeheizte CA/CAF unabhängig vom Estrichprodukt bei einem Feuchtegehalt von 0,5 % belegreif sind. Bei diesem Wert ist sichergestellt, dass der fachgerecht produzierte Estrich ausreichend fest und trocken ist und auch kein schädliches Restschwinden ausführen wird. "Bei diesem Feuchtegehalt kann sich aber je nach Estrichprodukt eine korrespondierende Luftfeuchtigkeit zwischen ca. 70 % und 95 % einstellen. Dabei sind Messungenauigkeiten auf der Baustelle noch nicht berücksichtigt."
Das bedeutet, dass der Estrich mit KRL-Wert 95 % trotz eines CM-Wertes von 0,5 % noch lange nicht belegt werden dürfte, obwohl dies tagtäglich so auf den Baustellen schadensfrei erfolgt. "Die von der TKB angegebenen KRL-Grenzwerte würden bei vielen Estrichprodukten deshalb zu übertrieben langen Trocknungszeiten führen", lautet die Kritik. Eine Erhöhung des KRL-Grenzwertes auf 95 % würde oben beschriebenem Estrich zwar gerecht, würde dem aber auch bedeuten, dass andere CA/CAF zu feucht belegt würden. "Die KRL-Grenzwerte sind eben nicht materialunabhängig anwendbar. Darüber hinaus ist eine Baustellenmessung eines KRL-Wertes, insbesondere in Höhe von 95 %, erheblichen Abweichungen unterlegen und deshalb nicht zuverlässig."
2.2 Zementestrich (CT/CTF)
Der Zementestrich besitzt ein relativ starkes Schwinden in der Trocknungsphase. "Gerade Estriche mit einem hohen Zementgehalt schwinden stark, werden aber einen niedrigen KRL-Wert anzeigen. Sie könnten dann mit der KRL-Methode als belegreif deklariert werden und trotzdem ein Schadenspotenzial aufgrund hohen Restschwindens aufweisen. Scheinfugen können dann z.B. vor der Belagsverlegung geschlossen werden und in der Nutzungsphase Schwundrisse im Estrich provozieren", kritisieren die Verbände.
Ein normaler Zementgehalt werde bei den von der TKB genannten Grenzwerten, verglichen zur üblichen CM-Methode, auch hier zu übermäßig langen Trocknungszeiten führen.
Bei zu geringem Zementgehalt bestehe die Gefahr, dass ein nicht regelgerechter Estrich aufgrund mangelnder Festigkeit vorliegt. "Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass für solche Estriche niedrigere Feuchtegehalte als die üblichen zur Bewertung der Belegreife berücksichtigt werden müssten. Dieser Sonderfall dient der TKB offenbar als Rechtfertigung zur Einführung der KRL-Methode für alle mineralischen Estriche, da mit Einhaltung der KRL-Grenzwerte Belagsschäden aufgrund Feuchtigkeit bei diesen Estrichen ausschließbar sein sollen", sagen VDPM und IGE.
Estriche mit ternären Schnellzementen sollen laut TKB inzwischen auch bei höheren KRL-Grenzwerten belegreif sein (je nach Herstellerangabe), was wiederum ein interessanter Aspekt im Gesamtkontext der Festlegung der KRL-Grenzwerte sei: "Dies zeigt im Widerspruch zu bisherigen Aussagen der TKB, dass KRL-Grenzwerte doch materialabhängig festzulegen wären."
2.3 IBF-Bericht: Zweifel an KRL-Methode
Das Institut für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung (IBF) führte im Auftrag des Bundesverbandes Estrich und Belag (BEB), der Bundesfachgruppe Estrich und Belag im ZDB (BFG) und der Bundesfachschule Estrich und Belag (BFSE) Untersuchungen zur Überprüfung der Eignung der KRL-Methode zur Ermittlung des Feuchtegehaltes von Estrichen durch. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden mit IBF-Prüfbericht Nr. M 106/18 veröffentlicht.
Das Fazit des IBF-Berichtes (als Download erhältlich unter www.ibf-troisdorf.de) lautet: "Unter Baustellenbedingungen ist insbesondere die notwendige Kalibrierung der Messfühler problematisch. Hier fehlen aus unserer Sicht zumindest zurzeit bei der KRL-Messung im Gegensatz zur CM-Messung langjährige praktische Erfahrungen. Anhand der Untersuchungen sollten und können keine verbindlichen Belegreifwerte von Estrichen vor der Verlegung von Bodenbelägen festgelegt werden, die nach der KRL-Methode ermittelt werden."
2.4 Absperrende Haftbrücken
als (teure) Konsequenz?
Wenn die KRL-Methode die bestimmende Methode für die Feststellung der Belegreife von Estrichen werden sollte, würden deutlich längere Trocknungszeiten anfallen, kritisieren die Autoren. "Der wesentliche Teil der Estriche müsste weit unter die Feuchtegehalte der jetzt gültigen CM-Werte heruntertrocknen. Dies wird kein Bauherr hinnehmen wollen." Da bieten sich teure, absperrende Haftbrücken an, die den Estrich oberseitig absperren und den Belag sicher vor Feuchtigkeit schützen können. "Da im Bauvorhaben ein KRL-Wert gemessen wird, der über dem TKB-Grenzwert liegt, der CM-Wert jedoch nicht geprüft werden soll, fällt nicht auf, dass der Estrich schon längst belegreif ist. Ein technisches Risiko für die Belagsverlegung auf dem Estrich besteht dabei weder mit noch ohne den Einsatz einer absperrenden Haftbrücke. Wer die technisch nicht erforderliche, absperrende Haftbrücke bezahlen soll, wird dann an der Baustelle erstritten."
Die KRL-Methode bewirke dadurch indirekt, dass sich das Bauen verteuert oder zeitlich verlängert, bemängeln die Verbände: "Beides bremst die Anstrengungen der Politik und der Branche, einen weiteren Baukostenanstieg zu verhindern und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen."
3. Zusammenfassung
Sowohl bauordnungsrechtlich wie auch technisch und in der Baustellenpraxis erscheint die KRL-Methode zur Bestimmung der Belegreife mit großen Unsicherheiten versehen, weshalb VDPM und IGE von ihrer Verwendung abraten. Fachhandwerk und Industrie wären von einer neuen, einfacheren und vor allem nicht materialzerstörenden Messung der Belegreife begeistert. Forschungsvorhaben in diese Richtung gibt es viele. "Doch leider existiert bislang noch keine verlässliche Alternative zur gängigen, in Wissenschaft und Praxis erprobten Calciumcarbid-Methode", sagen VDPM und IGE.
Die Mitgliedsunternehmen der beiden Verbände sowie die Hersteller von Estrichen und Bindemitteln auf CA- und CT-Basis in Deutschland distanzieren sich von der KRL-Methode als einem nicht für die Baustelle geeigneten Prüfverfahren und weisen auf die Möglichkeit von Folgeschäden und entsprechenden juristischen Auseinandersetzungen hin.
Die Gründe aus Sicht von VDPM und IGE auf einen Blick:
-Die KRL-Methode als Baustellenprüfverfahren ist ungenau, zu sensibel, fehlerhaft und unzuverlässig.
-Die KRL-Grenzwerte sind im Grunde willkürlich gewählt und verzögern den Baufortschritt.
-Die KRL-Methode misst nicht die Restfeuchte.
-Die KRL-Methode bietet keine Langzeiterfahrung.
-Die KRL-Methode ist teurer als die CM-Messung.
-Die KRL-Methode ist nicht materialunabhängig anwendbar.
VDPM und IGE sehen daher nach wie vor die CM-Messung als die geeignete, baustellengerechte Prüfmethode an, um die Belegreife von Estrichen sicher zu bestimmen.
aus
FussbodenTechnik 05/24
(Wirtschaft)