GHF Bundesverband Großhandel Heim & Farbe e.V.
"Die Transformation im Großhandel bietet viele Chancen"
Übernahmen und Veränderungen in der Gesellschafterstruktur haben jüngst im Großhandel für Aufregung gesorgt. Aber schon seit Jahren sinkt die Zahl der Händler. GHF-Geschäftsführer Bert Bergfeld meint, die Branche stehe vor großen Herausforderungen. Sie könne sie aber meistern.Die Nachricht zur geplanten Fusion der Mega und der MEG Rhein-Ruhr, die Übernahme der MEG Paderborn durch die MEG-Gruppe sowie die jüngeren Veränderungen in der Gesellschafterstruktur einiger in der CMS eingebundenen Großhändler werfen die Frage auf: Wird es immer weniger Großhändler geben? Oder wird es immer weniger inhabergeführte oder auch freie Großhändler geben?
Dazu hilft ein Blick in die Vergangenheit. Seit 2006 ist die Zahl der eigenständigen Farben- und Bodenbelagsgroßhändler um 30 % gesunken. In der gleichen Zeit ist die Anzahl der Verkaufsniederlassungen im Großhandel um 60 % gestiegen.
Handwerk gut versorgt
Trotz einer deutlichen Konsolidierung auf der Handelsseite ist die Versorgung des Handwerks weiterhin gut und wurde weiter ausgebaut. Ob die hohe Zahl an Distributionspunkten - über 600 - in der Zukunft noch notwendig sein wird, ist eine Frage, die sich aktuell nicht seriös beantworten lässt.
Konsolidierung kennen wir schon lange. Warum? Unsere Branche ist eingebettet in die zweistufige Distribution. Profiprodukte für den professionellen Verarbeiter werden ausschließlich über den Fachgroßhandel geliefert. Den Erfolg dieses Vertriebsmodells bestimmt der Verarbeiter. Seit Jahren nimmt die Anzahl der Betriebe im gestaltenden Handwerk ab, ebenso die Anzahl der Mitarbeiter. Das wiederum führt zu geringerem Umsatz pro Handwerksmitarbeiter für den Handel und hohen Auftragsvorläufen im Handwerk. Auch wenn diese aktuell abschmelzen, wird die Auftragslage für die verbleibenden Betriebe über viele Jahre gut sein.
Die Anzahl der Endkunden ist ebenfalls ein begrenzender Faktor in unserem Geschäft. 85 % der Malerbetriebe sind in der Renovierung/Sanierung beim privaten Endverbraucher tätig. Die Haushalte in Deutschland, die über ein entsprechendes Einkommen verfügen und nicht Do it yourself, sondern Do it for me bevorzugen, werden auf rund 10 Millionen beziffert.
Angespannte Margensituation
Die Innovationskraft in der Branche ist nicht sehr hoch. Der größte Teil der Produkte in den Sortimenten sind Commodities und somit austauschbar. Die Margensituation war und ist aufgrund des hohen Wettbewerbsdruck angespannt und die Ergebnislagen in Handel und Industrie bieten wenig Anreize für neue Branchenteilnehmer. Das alles führt in schwierigen Zeiten meistens zu Konsolidierungseffekten.
Dennoch: In der Finanzkrise 2007 und 2008 gehörte unsere Branche zu den Gewinnern. Ab 2016 lag der Zinssatz für Annuitätendarlehen bei 0 %. Ergebnis waren ein Bauboom und explodierende Immobilienpreise. Wir hatten von 2009 bis 2019 aus heutiger Sicht nahezu unbeschwerte Wirtschaftsjahre. Wie wir heute wissen, politisch teuer erkauft.
Während der Corona-Jahre hat der Großhandel seine Stärken ausspielen können und durch umfangreiche Sortimente und hohe Lagerbestände die Versorgung des Handwerks sichergestellt. Er hat gezeigt, dass er als Bindeglied zwischen Industrie und Handwerk wichtig ist.
Die alte Weisheit "Handel bedeutet Wandel" fordert die Branche auch weiterhin. Der Großhandel muss und wird flexibel und schnell auf die Bedürfnisse seiner Kunden eingehen. Jetzt sehen wir uns, wie die gesamte deutsche Wirtschaft, einer Transformation auf verschiedenen Ebenen ausgesetzt, die allerdings auch viele Chancen mit sich bringt.
•Arbeitskräftemangel: Die Suche nach Mitarbeitern ist anspruchsvoll und der Handel braucht innovative Lösungen, um die Menschen an sich zu binden. Das geht nicht ausschließlich mit Geld, sondern bedarf auch eines Umdenkens in vielen Bereichen. Onboarding-Prozesse, Werte im Unternehmen, Förderung, Perspektiven und vieles mehr. Der Druck auf mehr Automatisierung zu setzen, wo immer möglich, nimmt zu.
•E-Commerce: Mit vollzogenem Generationswechsel im Handwerk steigen die Anforderungen der neuen Kunden und Entscheider an die digitalen Services im Großhandel. Umfangreiche Investitionen in die eigene IT in Form von ERP-Systemen, PIM und Shop-Systemen sind notwendig, um auch in einigen Jahren den Anforderungen gerecht werden zu können.
•Digitalisierung ist die disruptive Technologie auch für unsere Branche, die zu nachhaltigen Veränderungen führen wird. Es ist denkbar, das neue Mittbewerber online und ohne "Stallgeruch" aber mit viel KI, Technologie und digitalem Service bei den Digital Natives unter unseren Kunden punkten werden. Der Großhandel läuft Gefahr, als reiner Logistiker "missbraucht" zu werden, wenn er den Onlinemarkt nicht beherrscht.
•Nachhaltiges Handeln ist die Kernaufgabe zukünftiger Unternehmergenerationen und Führungskräfte. Neben Klima- und Umweltschutz sind die Regulierungen auf europäischer und nationaler Ebene wie Lieferkettensorgfaltspflicht, Nachhaltigkeitsberichterstattung, EU-Taxonomie, um nur einige zu nennen, die immensen Herausforderungen auf allen Wirtschaftsstufen.
Wer künftig wirtschaftlich erfolgreich sein will, muss über rein finanzielle Aspekte hinausdenken. Nachhaltigkeit hat sich in den vergangenen Jahren von einem Randthema hin zu einem zentralen Bestandteil zukunftsfähiger Unternehmensstrategien entwickelt. Nicht nur die Bevölkerung legt einen immer größeren Wert auf Transparenz über Nachhaltigkeit und deren Leistung, auch Politik und Wirtschaft tun es, zum Beispiel über öffentliche Vergabekriterien, Produktions- und Lieferverträge sowie Kreditvergaben.
Weitere
Konsolidierungen
In einigen Jahren, spätestens mit der kommenden Generation an Führungskräften und Unternehmern, wird es eine Selbstverständlichkeit sein, Firmen nachhaltig aufzustellen. Mehr noch, es wird überlebenswichtig sein. Kunden, Mitarbeiter und der Gesetzgeber fordern das ab. Diese Transformation wird nicht jedem Unternehmen in Deutschland gelingen. Es wird zu weiteren Konsolidierungen im Markt kommen, sowohl beim Handwerk als auch beim Handel und der Industrie.
Das bringt mich zurück zum Anfang. Konsolidierung kennen wir schon lange und sie wird auch weiter gehen, offen ist allerdings in welcher Geschwindigkeit. Aber: Bange machen gilt nicht! Wir alle sind eng mit unserer Branche, den Produkten und den Menschen verbunden. Das war immer eine Stärke. Akzeptieren müssen wir allerdings, dass sich unser Geschäft dauerhaft und spürbar verändern wird. Digitalisierung und Nachhaltigkeit haben ein ähnliches Veränderungspotenzial wie die Industrialisierung Ende des 18. Jahrhunderts für die Gesellschaft und die Wirtschaft.
Der Großhandel wird auch diese Herausforderungen meistern, da am Ende immer noch Menschen miteinander Geschäfte machen, und weil die Überbrückung von Raum, Zeit und Menge den Großhandel in der Prozesskette ausmacht. Die Sortimente, Lösungen und Produkte bleiben, die Art und Weise wie wir verkaufen, den Kunden erreichen und an uns binden ist dabei sich zu verändern.
| Bert Bergfeld
aus
BTH Heimtex 05/24
(Wirtschaft)