Innung Nordost: Jahreshauptversammlung 2023 in Wernigerode
Gestärkt durch turbulente Zeiten
Rund 170 Teilnehmer sorgten für eine konstruktive Jahreshauptversammlung 2023 der Innung Nordost. Neben zahlreichen aktuellen Themen für Parkett- und Bodenleger stand die Abstimmung über die zukünftige Geschäftsführung ganz oben auf der Agenda. Parallel zur Tagung stellten 33 Fördermitglieder eine Fachausstellung auf die Beine.Mit ihrer Jahreshauptversammlung 2023 gelang der Innung Nordost erneut ein großer Auftritt: Rund 170Teilnehmer, darunter 86 stimmberechtigte Mitglieder, füllten den Saal im HKK Konferenzhotel in Wernigerode im Harz. Der bundesweit größte Zusammenschluss von Landesinnungen (Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Berlin) vereint aktuell 136 ordentliche und 70 Gastmitglieder. Der Vorstand der Innung setzt sich zusammen aus Obermeister Holger Wiehle, dessen Stellvertreter Robert Mutschall, Lehrlingswart Ricco Zellhuber sowie Guido Barth, Tom Willner, Ericco Krügerke und Wolfram Ziegs.
In seinem Bericht zur derzeitigen Situation der Mitgliedsunternehmen unterstrich Obermeister Wiehle, dass die Fachbetriebe im Nordosten grundsätzlich gut zu tun und volle Auftragsbücher haben. Doch während in Großstädten mitunter massive Preiskämpfe herrschten, seien Parkettleger in ländlichen Regionen oftmals in Sorge um ihr Geschäft. "Es sind turbulente Zeiten, vieles treibt uns um", sagte Wiehle. "Nach der Corona-Krise und in der Energiekrise machen uns im Handwerk viele Kostensteigerungen zu schaffen. Derweil ist die Politik mit anderen Dingen beschäftigt - und hört und sieht uns nicht." Das Bodenhandwerk habe in Berlin keine Lobby, weil es nicht verbändeübergreifend organisiert sei. Durch die Rückvermeisterung und über die Geschäftsführung des Bundesverbands Parkett und Fußbodentechnik (BVPF) unter dem Dach des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB) habe man inzwischen jedoch wieder "ein bisschen den Fuß in der Tür" - der nächste Schritt werde in Richtung Beitritt in den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) gehen müssen, forderte Wiehle, der auch stellvertretender Bundesinnungsmeister ist.
Mit Blick auf das Jahr 2024, in dem noch keine wirtschaftliche Besserung erwartet wird, appellierte der Obermeister an die Innungsbetriebe, sich darauf zu besinnen, an der hohen Qualität ihrer Handwerksleistung festzuhalten. "Wir wollen die fachliche Qualität beibehalten - das ist unser Herausstellungsmerkmal und dafür müssen wir uns auch gegenseitig stärken." Darüber hinaus rät er Fachbetrieben zur Spezialisierung auf besondere technische Verfahren und Fertigkeiten in der Fußbodentechnik - sowie auch dazu, sich in der Außendarstellung mit Social Media & Co. stärker digital auszurichten. Und der Obermeister benannte ein weiteres drängendes Handlungsfeld, um das es während der Tagung dann auch noch vielfach gehen sollte: "Wir werden weiter ausbilden müssen, egal wie anstrengend es ist - denn sonst haben wir morgen keine Fachkräfte."
Weiterbildung fördern,
Schulungsangebote ausbauen
Die Innung Nordost will die Meisterausbildung und weitere Qualifikationen, wie zum Beispiel die Restauratoren-Fortbildung, ebenfalls entsprechend weiter forcieren. Zudem sollen Schulungsangebote um zusätzliche Fachthemen für Parkettleger weiter ausgebaut werden - auch mit Unterstützung aus der Industrie. Zahlreiche gut frequentierte PU-Schulungen, die seit August 2024 verpflichtend für Verarbeiter sind, stehen für den Erfolg solcher Maßnahmen.
Den Meisterkurs im Nordosten haben 2023 alle zwölf Teilnehmer erfolgreich abgeschlossen. Und auch die Ausbildungszahlen konnten etwa auf Niveau der Vorjahre gehalten werden, berichteten Robert Mutschall und Lehrlingswart Ricco Zellhuber von den Berufsschulen in Berlin und Plauen. Allerdings würden immer mehr Auszubildende die Lehre entweder vorzeitig abbrechen oder durch die Abschlussprüfung fallen. So haben in Plauen 2023 vier von zwölf Teilnehmern die Gesellenprüfung nicht bestanden. Hoffnung machen dem Lehrlingswart jedoch die Ergebnisse der Zwischenprüfung von 19 Auszubildenden, die ihre Sache insgesamt besser machen würden als ihre Vorgänger im letzten Jahr. "Auf der Zielgeraden schmeißen die Jungs und Mädels das Handtuch, das ist schade", bedauerte Mutschall, verwies aber auch auf Positives: "Berlin konnte 2023 mit Jakob Nedwidek von Richter & Peter Parkett bei der Gesellenprüfung einen Landessieger benennen." Außerdem war die jüngste Deutsche Meisterschaft der Parkett- und Bodenleger im November 2023 in Gelsenkirchen, bei der der Parkettleger Gabriel Alex aus Sachsen-Anhalt Platz 2 belegte, ein voller Erfolg.
Gleiches gilt für die Ausbildungsinitiative "Das ist Bodenhandwerk", die seit mittlerweile zehn Jahren junge Menschen für die Berufe Parkett-, Boden- und Estrichleger sowie Raumausstatter begeistern möchte. Erreicht werden die Jugendlichen vor allem über Social Media-Kanäle wie Facebook, Instagram und Tik Tok. Thimo Dätsch aus dem BVPF-Vorstand war in Wernigerode zu Gast, um über die aktuellen Aktivitäten der Initiative zu berichten. Unter anderem wird das Projekt Azubi-Influencer weiter forciert, in dem Azubis hauptsächlich auf Tik Tok ihren Arbeitsalltag und Erfolgserlebnisse teilen - und so quasi aus erster Hand für das bodenlegende Handwerk werben. Geplant ist außerdem die Aktualisierung der Internetpräsenz mit neuen interaktiven Möglichkeiten. "Alle Branchenteilnehmer sind gefragt, die Beiträge von "Das ist Bodenhandwerk" zu teilen. Verlinken Sie uns auf Ihren Beiträgen und Storys", forderte Dätsch die Parkett- und Bodenleger zur Interaktion in den Social Media-Kanälen auf. Außerdem bietet die Initiative interessierten Ausbildungsbetrieben Workshops an und sie können im Stellenfinder kostenlos Stellenanzeigen einstellen.
Große Mehrheit votiert
für Umzug der Geschäftsführung
Der wohl wichtigste Tagesordnungspunkt in Wernigerode betraf nichts Geringeres als die Beschlussfassung über den Umzug der Innung Nordost von der Kreishandwerkerschaft Halle zur Kreishandwerkerschaft Landkreis Wittenberg. Dabei ging es nicht nur um den Umzug, sondern auch darum, wie die administrativen Aufgaben der Geschäftsführung künftig erfüllt werden sollen. In einer sachlichen Diskussion wurde das Für und Wider ausführlich erörtert. Wichtig war dabei allen Beteiligten, dass der Kammerbezirk Halle (Saale) nicht verlassen wird. Schließlich votierten die stimmberechtigten Mitglieder mit großer Geschlossenheit für den Umzug nach Wittenberg. Der Vorstand bezeichnete die Beschlussfassung als "einen neuen Schritt in die Zukunft der Innung". Obermeister Wiehle resümierte: "Bei der Verkündung des Abstimmungsergebnisses waren viele Mitglieder erleichtert und es war spürbar, dass die Innung Nordost gestärkt aus dieser so wichtigen Veranstaltung geht."
Fazit des Berliners nach zwei Tagungstagen: "Insgesamt konnte ein gehöriger Schwung an Mut und Zuversicht aus dieser Herbstversammlung mitgenommen werden." Die großen Probleme des Wirtschaftsstandorts Deutschland mit notwendigen Maßnahmen für die Politik - etwa hinsichtlich Bürokratieabbau, Digitalisierung, Steuersystem und Sozialleistungen massiv und gerecht zu überarbeiten - habe die allgemeine gute Stimmung der Handwerkskollegen nicht eintrüben können. Es gelte die Devise: "Wir wissen doch, was wir können."
Verlegepraxis mit Obermeister Holger Wiehle
Dampfbremsendes Vlies auf neuem Parkett
Oft werden neu verlegte Parkettböden zum Schutz mit Pappen, Hartplatten oder diffusionsdichtem Vlies abgedeckt, wenn auf der Baustelle noch andere Handwerker, zum Beispiel die Maler, zu tun haben. Womit gerechnet werden muss, wenn vorhandene Estrich-Restfeuchte aufsteigt, schilderte Obermeister Holger Wiehle aus seiner Gutachtertätigkeit. "Naturgemäß haben wir eine Restfeuchte im Estrich und die wird angeregt, wenn die Fußbodenheizung in Betrieb genommen wird", erinnerte der Sachverständige. Durch die an dem dampfbremsenden Vlies zum Stoppen kommende Feuchtigkeit drohen dem fachgerecht neu verlegten Holzboden gravierende Schäden. Die Deckschicht kann sich an den Kanten lösen, oder wenn sie hält, wellt sich eventuell die gesamte Diele.
Vielmehr als um den drohenden Schaden sollte es in der anschließenden lebhaften Diskussion aber um die Frage gehen, inwiefern der Parkettleger seine Kunden darauf hinweisen sollte, was passieren kann, wenn der Holzboden im Nachgang durch andere Gewerke abgedeckt wird. Hat der Parkettleger hier eine Sorgfaltspflicht? Nein, war man sich in Wernigerode ziemlich einig. Nach Fertigstellung der Verlegearbeiten die Abnahme der Leistung durch den Auftragnehmer einfordern und die Baustelle räumen, fand der eindeutige Rat des Sachverständigen Joachim Barth breite Zustimmung. Es gab aber auch Stimmen pro Hinweisempfehlung, sofern der Parkettleger sieht, dass das Bauvorhaben noch nicht fertig ist. Abschließend räumte Holger Wiehle ein, dass es ihm bei diesem Thema vor allem darum ging, seine Innungskollegen dafür zu sensibilisieren, sich an dieser Stelle keine zusätzliche Hinweispflicht aufzubürden.
VDP-Vorsitzender Michael Schmid als Gastredner
"Gravierender als die geringe Zahl der Baugenehmigungen ist die hohe Zahl der Stornierungen"
"Unsere Rahmenbedingungen sind super, weil Politik und Wissenschaft sich einig sind, dass künftig mehr mit dem CO
2-speichernden Rohstoff Holz gebaut werden soll", stimmte Michael Schmid, Vorsitzender des Verbands der Deutschen Parkettindustrie (VDP) und geschäftsführender Gesellschafter von Jaso, mit einer positiven Botschaft in seinen Gastvortrag ein. Für die kommenden Anforderungen an mehr Nachhaltigkeit am Bau werde es darauf ankommen, dass sich auch die Parkettbranche in angestrebte Produktnormungen einbringe. "Ihr seid die Recycler - Ihr schleift den Boden und macht eine neue Oberfläche drauf", betonte er gegenüber den Parkettlegern im Hinblick auf die mitunter Jahrzehnte währende Nutzbarkeit und mehrfache Renovierbarkeit eines einmal verlegten Holzbodens.
Nach den wirtschaftlichen Turbulenzen der vergangenen Jahre mit Lieferengpässen, Energiekrise und vielfachen Preissteigerungen treiben die deutsche Parkettindustrie zurzeit aber vor allem massive Absatzeinbrüche als Folge der Baukrise um. "Gravierender als die geringe Zahl der Baugenehmigungen ist die hohe Zahl der Stornierungen", merkte Schmid mit Hinweis auf die Belastung der Baubranche durch die gestiegenen Zinsen an. "Der Zusammenbruch des Neubaumarktes wird die Parkettbranche erst in ein bis zwei Jahren voll treffen." Ebenso müsse sich die Branche auf massive Forderungen nach Lohnerhöhungen einstellen - gemessen an anderen Branchen, die mit zweistelligen Erhöhungen der Bezüge vorlegten und gleichermaßen um Fachkräfte werben.
Dann ging der VDP-Vorsitzende auf die Preisentwicklung auf Beschaffungsseite ein. Der Einkaufspreis für Eichenholz habe sich mittlerweile stabilisiert auf ca. 1.200 EUR pro m
3-Schnittware (zum Vergleich 2020: 650 EUR, 2021: 850 EUR, 2022: 1.400 EUR pro m
3). Beim Thema Holzimporte sensibilisierte Schmid für das heikle Phänomen der geänderten Warenströme: Nach dem Stopp der Einfuhren aus Russland und der Ukraine in die EU kämen signifikante Holzimporte über Drittländer wie China, Serbien und die Türkei - die zuvor kaum eine Rolle bei der Einfuhr von zum Beispiel Eichenholz gespielt haben.
Derweil sind die deutschen Parkettproduktionen laut VDP-Vorstand inzwischen um 60 bis 80 % teurer als Parkettproduktionen in Drittländern. Entsprechend nahmen China-Importe weiter zu. "Jeder zweite Parkettboden, der in Deutschland verlegt wird, ist inzwischen China-Ware", sagte Schmid. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts kam China 2022 mit einem Anteil von 49,6 % auf eine Importmenge von 9,1 Mio. m
2.
Der Absatz der VDP-Mitglieder knickte im dritten Quartal 2023 um 30,8 % deutlich ein. "Die europäische Parkettbranche befindet sich momentan im perfekten Sturm", brachte Schmid das brisante Szenario um Chinaimporte, hohe Energie- und Lohnkosten, Rohstoffverknappungen, gestiegene Zinsen, hohe Baukosten etc. bildhaft auf den Punkt. Manchen Industrieunternehmen gehe es inzwischen an die Liquidität. Für das Jahr 2024 benannte Schmid eine Reihe von Konsequenzen: Lagerreduzierungen, verkleinerte Sortimente, moderat sinkende Preise, Fokussierung auf die Renovierung - aber auch Sparprogramme, Kurzarbeit und Stellenabbau sind die Stichworte.
Im Parkettlegerhandwerk können sinkende Auftragsvolumen durch die gleichzeitig tendenziell rückläufige Zahl der Betriebe ausgeglichen werden. Fachbetriebe seien gut beraten, Chancen der Spezialisierung zu nutzen und in der Kundenberatung konsequent die positiven Attribute von Parkett und Nachhaltigkeit zu kommunizieren.
aus
FussbodenTechnik 02/24
(Wirtschaft)