Classen: "Die Zeit ist reif für PVC-freie elastische Beläge"

Dryback Ceramin Flex bietet Vorteile im Objekt

Vor acht Jahren entwickelte Classen den PVC-freien Werkstoff Ceramin auf der Basis von Polypropylen. Sein Einsatz im neuen Drybackbelag Ceramin Flex erforderte zusätzliche Investitionen am Classen-Standort Kaisersesch. Ende Oktober 2023 nahm der Bodenspezialist seine erste Stanze in Betrieb, um zukünftig im Objektgeschäft eine breite Palette von Belagsvarianten anbieten zu können. FussbodenTechnik sprach darüber mit Marketing- und Vertriebsleiterin Céline Quervel.

Die Verantwortlichen von Classen sehen sich selbst als "hochflexiblen Fußbodenproduzent für alle Distributionswege". Jährliche Produktionszahlen von bis zu 80 Mio. m2 Laminat am Standort Baruth in Brandenburg und bis zu 20 Mio. m2 elastische Ceramin-Bodenbeläge aus Polypropylen in der Classen-Zentrale in Kaisersesch (Rheinland-Pfalz) belegen dies eindrucksvoll.

Vor acht Jahren stieg Classen in die Forschung & Entwicklung des PVC-freien Werkstoffs Ceramin ein, weil Classen-Gründer Dr. Hans-Jürgen Hannig der festen Überzeugung war, dass PVC-Beläge keine Zukunft haben. Er profilierte in Kaisersesch zunächst PVC-Beläge anderer Hersteller und stellte fest, dass niemand die Materialreste haben wollte. So reifte die Entscheidung, einen PVC-freien elastischen Werkstoff herzustellen und daraus Bodenbeläge zu produzieren. Die Wahl fiel auf den Kunststoff Polypropylen.

"In den vergangenen ein bis zwei Jahren ist die Nachfrage nach PVC-freien elastischen Belägen deutlich gestiegen", berichtet Céline Quervel, die Marketing- und Vertriebsleiterin von Classen. Besonders Architekten in den USA sind auf der Suche nach PVC-freien elastischen Drybackbelägen, weil in US-Bundesstaaten wie z. B. Kalifornien teilweise PVC-haltige Bodenbeläge in öffentlichen Gebäuden bereits verboten sind. Classen folgte diesem Wunsch und entwickelte unter anderem den Drybackbelag Ceramin Flex, der auch im europäischen Objektgeschäft durchstarten soll. Gemeinsam mit der Ceramin-Klick-Variante verfolgt Classen künftig sein sogenanntes "Kleben & Klicken"-Konzept, sodass der Kunde seine bevorzugte Verlegetechnik auswählen kann.

Die Akzeptanz des verlegenden Handwerks für Dryback Ceramin Flex dürfte gut sein, da sich Bodenleger gegenüber der Verlegung von klassischen PVC-Belägen nicht umstellen müssen. Damit dies mit dem Polypropylenbelag möglich ist, investierte Classen kräftig in die Forschung und Entwicklung. Der amerikanische Bodenkonzern Shaw, mit dem Classen in den USA eine Vertriebspartnerschaft geschlossen hat, unterstützte und prüfte die Neuentwicklung "auf Herz und Nieren und war begeistert von dieser Entwicklung", wie Céline Quervel erzählte. Ein besonderes Augenmerk wurde auf die sichere Verklebung des Belagsrückens gelegt, die dank eines elektro-chemischen Verfahrens in der Produktion sichergestellt wird. Dass die Verlegung dem typischen Ablauf einer PVC-Belagsverlegung folgt, war den Classen-Verantwortlichen besonders wichtig (Details zur Verlegung im Kasten rechts).

Um den Drybackbelag Ceramin Flex in Deutschland stärker im Objektgeschäft zu platzieren, setzt Classen auf eine Zusammenarbeit mit dem Bodenbelags-, Holz- und Malergroßhandel. Objekteure werden ebenfalls über den Großhandel beliefert, da Classen keinen klassischen Objektvertrieb unterhält. Das Besondere bei Classen ist eine extrem hohe Flexibiliät der Bereitstellung von Ceramin-Produkten im Industriegeschäft: "Es gibt Industriekunden, die beziehen unsere fertig digital bedruckten Platten und profilieren und verpacken diese selber", so die 26-Jährige.

Mehrwert von Ceramin-Belägen

Was macht den aus Polypropylen bestehenden Belag eigentlich so besonders? Im Vergleich zu PVC sparen die Ceraminbeläge Material ein. Um die gleiche Abrieb- und Nutzungsklasse eines PVC-Belags zu erreichen, kann die Oberfläche des Polypropylenbelags deutlich dünner sein, weil er eine hybride Oberfläche aus Folie und Lackierung aufweist. Kein anderer Belag verzeichnet zudem einen so großen Einsatz an Recyclingmaterial. Zum Einsatz kommen z. B. alte Joghurtbecher und andere Verpackungsmaterialien aus dem Gelben Sack, die in der Aufbereitungsanlage von Hündgen Classen Plastics, kurz HC Plastics, in der Nähe von Bonn, aufbereitet werden. Die Wertstoffe machen ca. 25 % der Gesamtkonstruktion aus. Insgesamt bestehe 60 % des Belags aus mineralischen Füllstoffen und 40 % aus Polypropylen. "Der hohe Recyclinganteil gibt nicht nur Vorteile in Bezug auf die CO2-Einsparung, sondern auch bei der Materialqualität: Wenn Polypropylen schon einmal extrudiert wurde, wird es geschmeidiger und lässt sich noch besser verarbeiten", verrät Céline Quervel einen weiteren Zusatznutzen.

Spannend ist auch, dass Classen bei den Ceramin-Belägen ausschließlich digitalen Direktdruck einsetzt. Das Unternehmen sammelte bereis vor 15 Jahren Erfahrungen mit der Digitaldruck-Technologie. "Wir sind extrem flexibel, wenn es um die Dekore geht. Wir können beliebig viele Platten individuell bedrucken", so Céline Quervel. Wer den Messestand auf der BAU 2023 gesehen hat, konnte sich von der Flexibilität überzeugen: Dort waren 420 individuelle Dielen auf dem Messestand verbaut.

Transformation bei Classen

Nicht nur produktseitig hat sich bei Classen in den vergangenen Jahren einiges getan - und diese Transformation ist weiterhin im vollen Gange. Céline Quervel berichtete im Gespräch mit FussbodenTechnik, dass die Vertriebsstruktur mit einer neuen Mannschaft umgebaut wurde. "Insgesamt gibt es viele Veränderungen in der internen Zusammenarbeit, der stärkeren Digitalisierung und der Verbesserung von Arbeitsabläufen", freut sich die Enkelin des Gründers Dr. Hannig.

In der Branche wurde bereits kolportiert, dass sich Classen auch auf einer Transformation vom White-Label-Anbieter hin zu einer stärkeren Markenbildung der Marke Classen befinde. Dem widerspricht Céline Quervel, denn Classen sei beides und das solle auch so bleiben. "Nur so können wir sicherstellen, dass unsere Produkte und Innovationen breit gestreut im Markt ankommen." Je nach Vertriebsart bietet Classen unterschiedliche Belagskonstruktionen, Formate und PoS-Serviceangebote an.

Markt für PVC-freie Beläge wächst

Classen geht aufgrund von Gesprächen mit Marktteilnehmern davon aus, dass sich 10 bis 15 % des PVC-Belagsmarktes Richtung PVC-frei entwickeln werden. In den USA könne dieser Anteil sogar noch höher sein, weil PVC dort teilweise in Innenräumen verboten sei. Céline Quervel könnte sich vorstellen, dass dieser Trend auch nach Europa kommen könnte. Als weitere Trends, die über den "großen Teich" zu uns kamen, nennt sie wasserresistentes Laminat oder deren integrierte Trittschalldämmung.

Die Marketingleiterin stellt im Markt aktuell fest, dass mittelgroße Belagshersteller in herausfordernden Zeiten tendenziell ihre eigene Produktion herunterfahren und stärker bei großen Produzenten zukaufen: "Von daher sind wir mit unserem Ceramin-Bodenbelag bei einer großen Kapazität von einer hohen Relevanz", ist Céline Quervel überzeugt.

Classen live mit Boden-Fokus

Für das Jahr 2024 hat Céline Quervel schon zahlreiche Messe-Aktivitäten im Blick: Auf der Domotex ist Classen auf der Sonderfläche "The Green Collection" vertreten. Anschließend geht es zur Surfaces nach Las Vegas, zum DIY Summit und möglicherweise auch zur Architect@Work. Für die Zukunft ist Céline Quervel überzeugt, dass Classen weiter an Relevanz als schlagkräftiger Fußboden-Produzent gewinnen wird: "Wir konzentrieren uns bei unseren Entwicklungen auf den Fußboden." Dabei ist es Classen wichtig, ein starker und fairer Partner zu sein.


Classen im Überblick
W. Classen GmbH & Co. KG
Werner-von-Siemens-
Str. 18-20
56759 Kaisersesch
Tel.: 0 26 53 / 9 80-0
info@classen.de
www.classengroup.com

Geschäftsführung:
Dr. Hans-Jürgen Hannig
Stefanie Quervel
Mathias Gorecki
Markus Ehler
Marketing- und
Vertriebsleitung:
Céline Quervel
Leiter Classen Academy: Carlos Rey Lopez
Gründungsjahr: 1962
Umsatz 2021: 546,1 Mio. EUR
Anzahl Mitarbeiter:
-Kaisersesch
(Zentrale und Ceramin-Produktion):
ca. 500 Beschäftigte
-Baruth
(Laminatproduktion):
ca. 850 Beschäftigte
-Polen (Türenproduktion): ca. 650 Beschäftigte
-ca. 20 lokale Vertriebsmitarbeiter
in unterschiedlichen Märkten
aus FussbodenTechnik 01/24 (Wirtschaft)