Christian Stemann und René Tomczak im Interview
"Ökologische Transparenz ist der nächste große Schritt"
Entgegen der Marktentwicklung im globalen Geschäft mit Holzölen und -lacken schloss Woca Denmark sein Geschäftsjahr am 30. April mit einem Umsatzplus von 8 % ab. Am Stammsitz in Lunderskov sprach Parkett Magazin mit Christian Stemann, CEO seit Juni 2023, und René Tomczak, Vice President Sales und CEO Woca Deutschland, über die Strategien für das Wachstum, den Auf- und Ausbau neuer Segmente und darüber, warum Woca die Nachhaltigkeit seiner Produkte künftig transparent machen will.Herr Stemann, Sie sind seit ziemlich genau einem Jahr bei Woca Denmark. Geprägt von den bekannten Multikrisen war 2023 kein einfaches Jahr für die Übernahme der Geschäftsführung. Wie sind Sie im Unternehmen und in der Branche insgesamt angekommen?
Christian Stemann: Als ich gefragt wurde, ob ich Geschäftsführer von Woca Denmark werden wolle, war ich bereits viele Jahre Vertriebsleiter in der Möbel- und Fußbodenindustrie sowie im BaustoffhandeI, so dass ich die Kundenstruktur und insbesondere die skandinavischen Märkte bereits sehr gut kannte.
Natürlich war 2023 generell kein einfacher Zeitpunkt für den Einstieg bei Woca, die Märkte waren belastet von hohen Inflationsraten und die Nachfrage abgeflaut. Das war Gift für die Bauwirtschaft und ihre Zulieferindustrie. Insbesondere in Zentraleuropa war der Parkettabsatz massiv eingebrochen. In dieser schwierigen Marktsituation ging es zunächst einmal darum, die Funktionen des operativen Managements sicherzustellen.
Wie stellt sich die Nachfragesituation im globalen Geschäft mit Lacken und Ölen in den anderen großen Märkten dar?
Stemann: Wenn ich unsere globalen Niederlassungen besuche und dort mit Produzenten spreche, höre ich, dass alle drei Hauptmärkte - Europa, Asien und Nordamerika - zum ersten Mal zur gleichen Zeit nicht performen. Speziell in Asien waren die US-Importzölle ein Problem, einige Produktionen wurden in der Folge von Asien in andere Länder verlagert, zum Beispiel nach Polen.
Inzwischen sehen wir in Asien jedoch wieder eine leicht positive Tendenz, die Bestellungen ziehen wieder an. Und auch in der Eurozone hat sich die Inflationsrate bei rund 2 % stabilisiert. Wenn jetzt die Kreditzinsen sinken, wird das dem Markt wieder mehr Optimismus geben; insbesondere der Bauwirtschaft.
Für Woca Denmark endete das Geschäftsjahr erst zum 30. April. Wie hat sich das Umsatzwachstum zuletzt entwickelt?
Stemann: Wir konnten das Geschäftsjahr entgegen der Marktentwicklung mit einem erfreulichen Umsatzplus von ca. 8 % abschließen. Auch in Zentraleuropa. Wir sind in Anbetracht des harten Wettbewerbs sehr zufrieden und sehr stolz auf dieses Ergebnis.
Worauf führen Sie das positive Wachstum entgegen der Marktentwicklung zurück? Welchen Anteil haben Preissteigerungen?
René Tomczak: Über Preissteigerungen lässt sich angesichts der derzeit schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kein Wachstum erzielen. Das Wachstum von Woca ist hauptsächlich volumengetrieben. Wir haben in einigen Ländern vieles richtig gemacht und konzentrieren uns konsequent auf die für uns relevanten Segmente und auf das, was wir gut können. Wir wachsen mit unseren Kunden und gewinnen auch neue hinzu.
Wie ist der Vertrieb in den globalen Märkten für das Wachstum aufgestellt?
Tomczak: In vielen Märkten, insbesondere in Europa bzw. Skandinavien, hat Woca Denmark eigene Vertriebsteams vor Ort; unser Außendienst ist auf mittlerweile 30 Mitarbeiter angewachsen. In den USA betreibt Woca eine eigene Niederlassung mit Sitz in Atlanta und die anderen Märkte sind hauptsächlich durch unsere Importpartner gut abgedeckt.
Überall gewinnen Online-Märkte rasant dazu. Wie geht Woca strategisch mit dem Online-Vertrieb seiner Produkte um?
Tomczak: Das Online-Geschäft ist für uns ein essentielles Thema. Wir selber werden auf großen Marktplätzen wie Amazon, Allegro oder Bol nicht verkaufen, aber wir wollen Kontrolle darüber haben, wie Händler bzw. Online-Partner die Produkte von Woca auf den jeweiligen Plattformen präsentieren. Dafür screenen wir weltweit rund um die Uhr Marktplatz-Seiten und sorgen dafür, dass die Marke Woca immer wertig, mit aktuellem Bildmaterial und korrekten Produktinformationen präsentiert wird. Auch wenn es sehr viel Arbeit macht, agieren wir sehr selektiv, damit die Marke nirgends schlecht aussieht oder gar verramscht wird. Wer Online-Partner von Woca sein will, respektiert unseren Qualitätsanspruch schließlich auch.
Woca beliefert vom dänischen Lunderskov aus weltweit rund 100 Ländermärkte. Wird ein Aufbau von Produktionskapazitäten in Asien oder den USA strategisch angestrebt?
Stemann: Natürlich stellt sich die Frage, wie sinnvoll es ist, Produkte von A nach B zu transportieren oder sie möglicherweise besser auf kurzem Wege nah am Kunden auch in Asien oder den USA lokal in den Märkten zu produzieren. Wir diskutieren die Möglichkeiten für die Zukunft durchaus.
Wie wird indes der Stammsitz Lunderskov weiterentwickelt? Sind aktuell Investitionsmaßnahmen geplant?
Stemann: Der Standort wird kontinuierlich weiterentwickelt. Aktuell sind Investitionen in die weitere Automatisierung der Produktion geplant, und wir werden in sterile Fertigungsprozesse investieren, vergleichbar mit denen der Lebensmittelindustrie, die eine Voraussetzung für künftige ökologische Produktrezepturen sind. Das wird in den nächsten zwei, drei Jahren unser größtes Investitionsprojekt sein und hat für uns hohe Priorität.
Welche strategischen Schwerpunkte setzen Sie für die Ausrichtung der Marke Woca?
Stemann: Wir konzentrieren uns darauf, das Profil von Woca weiter zu schärfen. Die Marke steht traditionell für qualitativ hochwertige Holzoberflächen im Innen- und Außenbereich und eine konsequente Ausrichtung auf Nachhaltigkeit. Auf dieses Markenversprechen werden wir uns in Zukunft noch stärker fokussieren.
Tomczak: Was die Nachhaltigkeit von Oberflächenprodukten für Holz angeht, ist Woca ein Vorreiter. Gerade unsere Öl-, Reinigungs- und Pflege-Sortimente, und unser Anspruch, mit möglichst wenig Schadstoffen zu produzieren und vollständig auf Lösungsmittel zu verzichten. Darüber hinaus steht Woca für aufgeräumte, nicht überbordende Sortimente mit sicheren Produkten.
Welche konkreten Maßnahmen werden unternommen oder sind geplant, um die angestrebten Nachhaltigkeitsverbesserungen zu erzielen?
Stemann: In den Märkten besteht heute eine große Nachfrage nach EPDs (Environmental Product Declaration) und allen erdenklichen Umweltzertifikaten wie zum Beispiel das EU-Ecolabel in Europa. Woca ist in mehr als 100 Ländern aktiv und überall gibt es landesspezifische Zertifizierungen, die es sinnvoll zu selektieren gilt. Dabei konzentrieren wir uns auf die wichtigsten Produktstandards für nachhaltiges Bauen, etwa in Deutschland auf die DGNB-Zertifizierung oder auf das internationale LCA-Label (Life Cycle Assessment).
Green Building ist für uns ein wichtiges Zukunftsfeld. Gleichzeitig ist es eine große Aufgabe, alle CO
2-Emissionen über die gesamte Lieferkette hinweg zu dokumentieren. Wir haben für die vielen Aufgaben rund um die Themen der Nachhaltigkeit deshalb seit kurzem einen Umweltmanager im Unternehmen, der all diese Projekte voranbringen und beschleunigen wird.
Tomczak: Über viele Jahre waren Industriestandards ausreichend, aber jetzt werden quantifizierte EPD-Prüfungen für die Produkte benötigt. Diese Daten sind unabdingbar und das betrifft jeden Produzenten, der Baustellen auch künftig noch beliefern möchte. Der nächste große Schritt wird für uns daher sein, über alle Produkte hinweg einen Überblick über ihren CO
2-Fußabdruck geben zu können.
Aktuell sind wir in der Phase der Qualifizierung der Produkte. Manche enthalten bis zu 80 Additive, die möglicherweise von 30 Lieferanten kommen können - herauszufinden, wo welcher dieser Lieferanten wiederum seine Rohstoffe für ein Bindemittel bezieht, ist eine gewaltige Aufgabe. Aber es führt kein Weg daran vorbei, denn all diese Daten sind Teil der Produktdeklaration und Oberflächenschutzanbieter werden künftig nachweisen und transparent machen müssen, was in ihren Produkten enthalten ist und wie nachhaltig sie produziert werden.
Welche Kundengruppen fordern Umweltprodukt-
deklarationen?
Stemann: Die großen Hersteller der Möbelindustrie achten sehr strikt darauf, auch um für ihr globales Geschäft eine gewisse Grundsicherheit zu gewährleisten, weil es in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedliche Regularien gibt. Manchmal geht es aber auch darum, eine gewisse Vorreiterrolle in aufstrebenden Märkten zu haben, in denen die Industrien künftig vielleicht schneller als gedacht nachhaltig aufgestellt werden könnten. Wir sehen es übrigens auch als unsere Aufgabe, unser Wissen um nachhaltige Produkte in diese Länder zu transportieren.
Für Handwerkskunden sind Umweltzertifikate auf Produktgebinden im Zweifelsfall eher zweitrangig, dennoch betreffen kommende Regularien selbstverständlich auch den Verarbeiter. Wie nimmt Woca das Handwerk hier mit?
Tomczak: Der Handwerkskunde muss aus seiner Handarbeit und den Produkten, mit denen er arbeitet, ein funktionierendes Endprodukt herstellen. Diese Sicherheitsversprechen muss eine starke Marke ihm geben - und zwar mit sicheren, einfach zu verarbeitenden Produkten und einem guten Support. In unseren Schulungen informieren wir den Verarbeiter deshalb aktiv, worauf er achten sollte - wenn eine relevante Verordnung kommt, ist er mit Woca-Produkten längst auf der sicheren Seite. Sehr viele unserer Produkte sind bereits heute wasserbasiert, gänzlich lösemittelfrei und dearomatisiert und wir führen schon seit Jahren isocyanatfreie Härterkomponenten auf PUR-Basis.
Woca gewährleistet dem Verarbeiter die Sicherheit seiner Produkte. Und für uns als Hersteller ist jetzt der nächste Schritt, Stück für Stück Informationen zu sammeln, um die geforderten Deklarationen zur Verfügung zu stellen, damit die Produkte nicht nur sicher für den Kunden sind, sondern auch nachweislich über die gesamte Produktions- bzw. Lieferkette hinweg ihre Ökobilanz dargelegt wird.
Für die eben erwähnten Verarbeiterschulungen betreibt Woca in Lunderskow die Wocademie, die auch vielfältige praktische Testmöglichkeiten bietet. Wie kommt dieses Angebot bei den Kunden aus Handwerk, Handel und Industrie an?
Stemann: Unsere Produkttrainings haben einen sehr hohen Stellenwert. Woca differenziert sich damit im Markt und wir investieren viel in die Ressourcen für die Trainings hier in der Akademie ebenso wie in unzähligen Workshops bei den Kunden vor Ort. Übrigens bezahlen die Kunden für die Produkttrainings, das zeigt, dass es ihnen etwas wert ist. Von dem Austausch und dem gemeinsamen Miteinander, bei dem nicht nur die Produkte, sondern auch die Menschen im Mittelpunkt stehen, profitieren alle.
Es ist schön, die Kunden hier zu haben und ihnen zu zeigen, woher wir kommen und was wir tun. Kürzlich haben wir zum ersten Mal ein großes Industriekundenseminar mit einer Gruppe von 30 Teilnehmern in der Wocademie durchgeführt. Das war etwas Besonderes für uns.
Können Ihre Kunden Woca auch im Januar auf der Münchner Bau treffen?
Tomczak: Ja, wir werden mit einem großen Stand auf der Bau sein und viele Kunden dazu einladen. Übrigens war auch unsere Beteiligung auf der Domotex 2024 ein voller Erfolg. Es war für uns ein bisschen ein Test, weil wir in unserem Segment quasi die Einzigen waren, doch es hat sich gelohnt, wir hatten viele Gäste aus vielen Nationen der Welt an unserem Stand und zahlreiche sehr gute Gespräche. Wir sind von Messen weiterhin überzeugt.
Welche neuen Produktentwicklungen und Anwendungen rückt Woca in den Vordergrund - aktuell und perspektivisch mit Blick auf die Bau 2025?
Stemann: Woca hat viele interessante Neuentwicklungen in der Pipeline. In unserer Produktstrategie werden wir uns in den nächsten Jahren klar auf das Industriegeschäft mit den Segmenten Flooring, Furniture, Sports und Exterior konzentrieren.
Wir haben neue UV-Lacktechnologien für die Industrie entwickelt und einen Spezialisten eingestellt, der umfassendes Produkt-Know-how mitbringt und auch die Branchen bestens kennt. Wir haben schon etliche vielversprechende Gespräche mit potenziellen Industriekunden und Zulieferern geführt und dieses Segment für uns als interessant qualifiziert. Diesen Markt werden wir in den nächsten Jahren weiter auf- und ausbauen. Außerdem werden neben Fußböden künftig stärker Möbelanwendungen im Vordergrund stehen.
Tomczak: Und wir werden unser Outdoor-Sortiment stark ausbauen, in dem Woca seit Jahren mit der Exterior Oil-Serie sehr erfolgreich ist. Darauf aufbauend werden wir weitere Produkte aufsetzen - neue Lasuren ebenso wie sehr umweltfreundliche Hybridöle, auch für die Fassade, und neue Brandschutzhemmer.
Geben Sie uns abschließend noch eine kurze Einschätzung mit welcher Entwicklung rechnen Sie in den Märkten in Ihrem Segment in nächster Zeit?
Stemann: Wir sehen erste positive Signale in den Märkten. Und wir sehen trotz der anhaltenden Unsicherheiten und Schwierigkeiten auch sehr positiv in die Zukunft, weil wir uns stark auf unser organisches Wachstum fokussieren. Wir haben viele interessante Kundenprojekte in allen Märkten und werden darüber hinaus einige neue Segmente auf- und ausbauen, ein Beispiel ist das bereits erwähnte Industriegeschäft mit signifikanten Einführungen neuer Hochleistungs-UV-Lacktechnologien schon in Kürze.
Tomczak: Sollte die Bauwirtschaft wieder anziehen, umso besser. Aber unabhängig davon verfolgen wir unsere eigenen Pläne, mit denen wir weiteres Wachstum erzielen und gegebenenfalls auch in einem künftig kleineren Markt Anteile dazu gewinnen wollen. Wir diversifizieren unser Portfolio mehr und mehr, um die verschiedenen Kundengruppen bedienen zu können.
Das Gespräch führte Imke Laurinat im Mai 2024.Woca Denmark
Woca Denmark A/S
Tværvej 6 DK-6640 Lunderskov
Tel.: +45 (0)99 / 58 56-00
info@wocadenmark.com www.woca.dk
Gründung: 1969 (2004 als WoodCare Denmark A/S)
Inhaber: Private Equity Bjert Invest
Chairman of the board: Martin Jensen
Geschäftsführung: Christian Stemann, CEO
CFO: Erik Gaj Nielsen
VP Sales, Europe, Africa, South/Central America: René Tomczak
Mitarbeiter: 65
Exportquote: 80 %
Sortiment: Holzöle und - lacke, Pflegemittel für Fußböden, Möbel, Terrasse
Christian Stemann kam im Juni 2023 als CEO zu Woca Denmark und verantwortet zudem als Vice President Sales die Marktregionen Denmark/Nordic, US/Canada und Asia/Pacific. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler verfügt über umfassende Vertriebs- und Führungserfahrungen sowie Branchenkenntnisse aus vorherigen Tätigkeiten. Unter anderem war er zuvor bei Kronospan Danmark, Würth Danmark sowie als Sales Director bei dem Baustoffhandelsunternehmen Profile A/S unter Vertrag. Der 49-Jährige lebt mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern in der süddänischen Fördestadt Kolding.
René Tomczak, CEO Woca Deutschland, verantwortet als Vice President Sales seit 2018 die Vertriebsgeschäfte von Woca Denmark. Zunächst in Mittel-, Süd- und Osteuropa, später kamen die Regionen Afrika, Naher Osten sowie Süd- und Mittelamerika dazu. Seine Karriere begann der gelernte Elektrotechniker 1999 bei dem dänischen Massivholzbodenhersteller Junckers, war zwischenzeitlich in den Bodenbelagsgroßhandel gewechselt und kehrte 2005 als Geschäftsführer Deutschland zu dem Parketthersteller zurück. Der 48-Jährige lebt mit seiner Familie in seiner Geburtsstadt Dresden.
aus
Parkett Magazin 04/24
(Wirtschaft)