Meisterwerke: Guido Schulte, Stefan Pföhler und Frank Thiesmann
"Wir haben vieles richtig gemacht und sehen uns gut aufgestellt"
Die Meisterwerke haben 2023 in mehrfacher Hinsicht eine Zäsur erlebt: das langjährige Führungs-Triumvirat wurde aufgelöst und die Eigentumsverhältnisse neu geordnet, Guido Schulte ist nun alleiniger geschäftsführender Gesellschafter. Und im Zuge der Branchenkrise musste das Familienunternehmen umstrukturieren und sich auch von einem Teil der Belegschaft trennen. Was das alles bedeutet und wo die Meisterwerke nun stehen, erörterte Parkett Magazin mit Guido Schulte, Geschäftsleitungsmitglied Stefan Pföhler und dem neuen Leiter Marketing und Produktmanagement, Frank Thiesmann.Parkett Magazin: 2023 war ein sehr bewegtes Jahr für Sie, zum einen extern aufgrund der schwierigen Marktverhältnisse, zum anderen intern aufgrund der ganzen Veränderungen und des Personalabbaus. Wie sehen und erleben Sie das im Rückblick?
Guido Schulte: Wie Sie sagen: Das Jahr war sehr, sehr schwer. Das geht nicht spurlos an einem vorbei. Wir haben uns leider von von 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern trennen müssen und uns darüber hinaus komplett neu strukturiert. 2023 war aufgrund der äußeren Umstände das wirtschaftlich schwierigste Jahr, das die Meisterwerke je erlebt haben. Man spürte es auch in der Belegschaft, die Verunsicherung war hoch. Langsam entwickelt es sich wieder, aber das letzte Jahr hat sicherlich Spuren hinterlassen und ich bin froh, dass es vorbei ist. Mit den notwendigen Maßnahmen haben wir uns auf die neuen Marktrealitäten eingestellt. Wir planen für 2024 auf dem gleichen niedrigen Niveau wie im Vorjahr - damit kommen wir mit deutlich verbesserten Kostenstrukturen gut klar. Und dann hoffen wir, dass es in 2025 endlich wieder etwas anzieht und wir in den Wachstumsmodus wechseln können.
In der Branche schwanken die Umsatzverluste 2023 grob gesagt zwischen 20 und 40 %. Wie war es bei Ihnen?
Schulte: Unser Ziel für 2023 waren knappe 200 Mio. EUR Umsatz, die wir das Jahr zuvor bereits erreicht hatten. Dieses Ziel haben wir aufgrund des Markteinbruchs weit verfehlt. Auch wenn die finalen Abschlusszahlen noch nicht vorliegen, landen wir bei rund 160 Mio. EUR und damit ca. 20 % unter Vorjahr und Budget.
Als sich abzeichnete, dass sich der Markt auch in der zweiten Jahreshälfte nicht wiederbeleben würden, haben wir das Heft des Handelns relativ schnell in die Hand genommen und mit zahlreichen Maßnahmen gegengesteuert, unter anderem mit dem bereits erwähnten Stellenabbau, den wir so ausgewogen und sozialverträglich wie möglich gestalten wollten. Im Nachhinein kann ich sagen, dass sich dieser gesamte Prozess sehr zäh und langwierig angefühlt hat, insbesondere, weil wir frühzeitig und offen über den notwendigen Stellenabbau kommuniziert haben. Trotz nichtmal drei Monaten von der Kommunikation bis hin zur Umsetzung war das natürlich eine Hängepartie für die Mitarbeiter für jeden Mitarbeiter, da sich jeder gefragt hat, ob er dabei ist oder nicht.
Sie sind persönlich vor Ihre Belegschaft getreten und haben das erklärt. Sie sind dem nicht ausgewichen
Schulte: Wir haben von Anfang an versucht, so zeitnah, offen und persönlich wie möglich zu kommunizieren, insbesondere wollten wir mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Dialog kommen, keine reine Frontbeschallungsveranstaltung durchführen. Die Mitarbeiter konnten und sollten Fragen stellen, die sie auf Karten notiert haben. Das war - vor allem auch für mich persönlich - emotional sehr bewegend.
Nachdem wir uns dann mit dem Betriebsrat auf einen Interessensausgleich und Sozialplan verständigen konnten, haben wir mit den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern persönlich gesprochen und nach Abschluss der Maßnahme eine weitere Informationsveranstaltung abgehalten. So negativ die Botschaften auch waren, die wir zu überbringen hatten: Ich glaube, dass wir das sehr fair - weil offen und ehrlich - hinbekommen haben.
War sowieso eine Reorganisation angebracht oder rein eine Folge der äußeren Umstände?
Schulte: Nein, wesentlicher Treiber waren die äußeren Umstände. Wir sind sozusagen auf der Überholspur ausgebremst worden, haben mit einem so massiven und vor allem nachhaltigen Einbruch nicht gerechnet. Einige Wochen zuvor haben wir sogar noch neue Mitarbeiter eingestellt, waren auf einem guten Weg und konnten sehr gute Absätze verzeichnen.
Und dann drehte sich alles im November 2022 haben wir noch Kurzarbeit angemeldet, weil wir davon ausgegangen sind, dass die rückläufige Entwicklung nur einige Monate anhält und sich dann wieder bessert. Und wir wollten natürlich die Mitarbeiter halten, die wir gerade mit vielen Anstrengungen für die Meisterwerke gewonnen hatten. Es ist ja aktuell nicht mehr so einfach, Menschen dazu zu bewegen, im Dreischicht-Betrieb zu arbeiten. Deshalb haben wir so lange wie möglich an ihnen festgehalten und das Instrument der Kurzarbeit genutzt.
Sie haben es eben erwähnt: der Umbau ist jetzt abgeschlossen?
Schulte: Ja, definitiv. Mitte 2022 hatten wir noch fast 730 Mitarbeiter, jetzt sind es 560. Darin sind nicht nur die 80 Arbeitsplätze enthalten, die wir abbauen mussten, sondern auch Stellen, die durch Fluktuation nicht wieder nachbesetzt worden sind.
Stefan Pföhler: Wir waren einer der ersten, die reagiert haben. Die Meisterwerke bauen Stellen ab - das war mit Sicherheit im Markt ein Aha-Erlebnis. Wären wir ein halbes Jahr später dran gewesen, hätten viele der Mitarbeiter nicht so schnell einen neuen Job in der Region gefunden.
Ganz nebenbei haben wir in diesem schlechtesten Geschäftsjahr neben dem Stellenabbau auch die größten Kosteneinsparungen realisiert, die es je im Unternehmen gab. Wir reden hier von zweistelligen Millionenbeträgen - neben dem Personal, wie gesagt.
War dann im Endeffekt das Ergebnis nur blassrot statt tiefrot?
Schulte: Nein, das war schon tiefrot, leider. Denn bei 20 % Umsatzeinbruch ist ein produzierendes, anlagenintensives Unternehmen nicht in der Lage, ad hoc die Kostenstrukturen um 20 % anzupassen. Aber ein gesundes Unternehmen kann auch mal so ein Jahr durchstehen. Die Meisterwerke haben eine gute Grundsubstanz und eine relativ hohe Eigenkapitalquote.
Pföhler: Und dieses Handeln spiegelt sich bereits seit Ende des vergangenen Jahres in unseren Monatsergebnissen wider. Die Maßnahmen fruchten und wir sind mit Blick auf unsere Ertragslage zufriedenstellend in 2024 gestartet.
Noch einen letzten Blick zurück und dann wollen wir dieses unglückliche Jahr 2023 hinter uns lassen. Wie haben sich a) die Märkte entwickelt und b) Ihre verschiedenen Produktgruppen?
Schulte: Mit Blick auf die einzelnen Märkte haben wir den massivsten Einbruch zunächst in Deutschland verzeichnet, die einzelnen Exportmärkte haben sich diesem Trend nach und nach angeschlossen. Es gibt eigentlich keinen Exportmarkt, der sich gegen den Trend entwickelt hat. Auf der Domotex sagte jemand zu mir, "Deutschland ist der Motor von Europa und wenn der stottert, stottern alle anderen auch." Das hat sich so bewahrheitet. Wir haben uns mittlerweile sehr gut in Skandinavien etabliert und dort sind die Absätze genauso weggebrochen wie hier, obwohl es dort völlig andere Gründe gab als die, die in Deutschland herangeführt wurden, wie zum Beispiel die hohen Energiekosten.
Unter den Produktkategorien ist Parkett das Produkt, das am meisten gelitten hat - mit Abstand. Das fing mit den Versorgungsengpässen durch den Ukraine-Krieg an. Aus diesem Loch sind wir nicht wirklich wieder herausgekommen. Hier haben wir also analog zum Gesamtmarkt am meisten Absatz eingebüßt.
Laminatboden war auch deutlich rückläufig, prozentual jedoch weniger, eher um 25 %. Bei Designböden haben wir ebenfalls Rückgänge zu verzeichnen. Paneele sind eine Nische, die für uns gut funktioniert, dort hatten wir nur leichte Rückgänge.
Klarer Lichtblick ist Lindura. Wenn man hier die Entwicklung verfolgt und die überproportional positiven Corona-Jahre 2021 und 2022 aus der Betrachtung herausnimmt, verzeichnen wir eine durchgängige Steigerungsrate. Das ist und bleibt ein Zukunftsprodukt der Meisterwerke, das wir weiter forcieren werden.
Bleiben wir kurz beim Export. Welche sind dort Ihre Zielmärkte? Sie sagten gerade, in Skandinavien seien Sie schon gut aufgestellt...
Pföhler: In Summe haben wir einen Exportanteil von knapp 45%, also gut die Hälfte unseres Umsatzes geht in den Export. Und ja, in Skandinavien haben wir vor fünf Jahren angefangen und sind mittlerweile flächendeckend in Schweden, Norwegen und Finnland präsent. An Dänemark arbeiten wir gerade noch, wobei sich auch dort gerade Strukturen und Kanäle verändern. Benelux läuft sehr gut, in Spanien sind wir sehr gut vertreten, das heißt, die Kernmärkte in Nord- und Westeuropa können wir gut besetzen.
Der Fokus im Export liegt deshalb darauf, in den Märkten, in denen wir schon gut vertreten sind, eine noch bessere Marktdurchdringung zu erzielen. Deshalb wollen wir zum Beispiel in Skandinavien noch stärker wachsen, weil die Märkte sehr holzaffin sind. Norwegen war im letzten Jahr unser stärkster Lindura-Markt, dort werden solche innovativen Produktgattungen gut angenommen.
Was ist mit den großen Überseemärkten wie zum Beispiel China? Dort sind einige Ihrer Kollegen recht erfolgreich.
Schulte: Auch wir sind in China aktiv, für uns ist dieser Markt aber noch deutlich ausbaufähig. "Made in Germany" ist immer noch gefragt, aber der Markt dort ist erzeit ziemlich umkämpt. Wir müssen schauen, wie wir perspektivisch in China stärker Fuß fassen, denn das ist nun mal einer der wichtigsten Fußbodenmärkte überhaupt.
In weiteren großen Überseemärkten wie in Amerika, besonders in Nordamerika, sind wir wenig vertreten. Aber auch damit müssen wir uns in Zukunft vor dem Hintergrund der starken Marktentwicklung intensiv auseinandersetzen.
Pföhler: Wenn man über die Entfernung dort Fuß fassen will, bleibt eigentlich nur, eine eigene Tochtergesellschaft vor Ort zu gründen. Vom Schreibtisch in Meiste aus kann man das nicht steuern. Doch die Möglichkeiten in Europa sind für uns noch so groß, dass es sich momentan nicht lohnt, dort groß zu investieren.
Nach dieser Schleife zurück zu den Produkten. Ist Lindura inzwischen Ihr stärkstes Produkt?
Pföhler: Absatztechnisch nicht, aber im Umsatz. Von der Gesamtmenge her ist immer noch der Laminatboden die stärkste Produktgruppe, obwohl er in den letzten Jahren verloren hat.
Wie groß schätzen Sie den Markt? Sind 4 Mio. m
2 realistisch?
Schulte: Für 2022 ja, letztes Jahr ist er zurückgegangen.
Und sind Sie die Nr. 1?
Schulte: Der größte Einzelanbieter: Ja, mit Sicherheit. Wir sind natürlich auch schon relativ lange am Markt.
Pföhler: In Deutschland sind wir ganz klar die Nr. 1. Und auch wenn wir auf Europa schauen, sind wir der größte Einzelanbieter.
Also Lindura ist ein Zukunftsprodukt. Welche noch? Und welche sehen Sie eher skeptisch?
Schulte: Das Thema Designboden entwickelt sich weiterhin gut. Ich glaube, dass wir hier mit unserer Vielfalt gut aufgestellt sind - auch wenn unsere holzbasierten Produkte mit für uns hoher Wertschöpfungstiefe eher etwas für den deutschsprachigen Raum sind. Im Export stehen die kunststoffträgerbasierten Produkte im Fokus, bei denen unser Sourcing-Anteil deutlich größer ist.
Was ist mit Laminat? Rechnet sich da noch die Eigenfertigung?
Schulte: Der Laminatmarkt ist wettbewerbsintensiv und wir gehören mit Blick auf die Gesamtmenge zu den kleinen Herstellern. Klar haben wir eine gewisse Nische besetzt, unsere Laminatböden qualitativ und im Anspruch im oberen Marktsegment positioniert und ich glaube, das ist uns bis dato auch gut gelungen, doch aktuell gibt es reichlich Überkapazitäten am Markt. Und Überkapazitäten drücken auf die Preise. Da können wir insbesondere im Preiseinstiegsbereich nur bedingt mithalten.
So lange wir mit Laminat auskömmliche Deckungsbeiträge erwirtschaften könnten, werden wir an dieser Produktgattung festhalten, aber, und das sage ich ganz deutlich: das wird hinsichtlich der Wettbewerbssituation mehr und mehr herausfordernd. Wir haben deshalb auch bewusst nicht in die Produktionstiefe beim Laminatboden investiert, zum Beispiel eine eigene Imprägnierung wie andere, um in Richtung Sourcing flexibel reagieren und technisch up to date sein zu können. Diese Strategie verfolgen wir im Kunststoffbereich genauso.
Man muss also nicht alles selber können
Schulte: Nein, bei der Produktvielfalt ist das auch nahezu unmöglich. Wir sehen unsere Kernkompetenz als Hersteller beim Werkstoff Holz und holzträgerbasierten Produkten, z.B. Lindura. Hier investieren wir in Fertigungstechnologie und Wertschöpfungstiefe. In anderen Segmenten wie eben bei kunststoffträgerbasierten Produkten kaufen wir gezielt zu; dafür gibt es genügend Anbieter am Markt,die das können.
Sie setzen auch wieder auf Furnierboden - ein Produkt mit Imageproblemen wie auch Laminat.
Schulte: Und wie beim Laminatboden ist das schwer nachzuvollziehen, denn beide Produkte sind richtig gut. Ein Furnierboden ist strapazierfähig, ressourcenschonend und bietet eine schöne Optik zu einem attraktiven Preis. Deshalb bin ich überzeugt, dass der Boden seinen Markt machen wird. Aktuell tut er sich noch schwer, was meiner Meinung nach auf die generell niedrige Nachfrage zurückzuführen ist.
Pföhler: Mit Lindura und auch einem Furnierboden haben wir den ressourcenschonendsten, strapazierfähigsten, energiesparendsten Holzboden überhaupt. Was braucht der Verbraucher noch mehr? Wenn man das richtig kommuniziert und berät, fällt die Entscheidung für einen solchen Boden in der Regel leicht.
Was auch spannend ist: Im Export ist der Furnierboden gar nicht mit dem schlechten Ruf wie hier behaftet. In Norwegen beispielsweise ist das eine gängige Produktgattung, einfach etwas günstiger als Parkett. Ähnlich in den Beneluxländern. Der Furnierboden ist ja auch ein Top-Produkt mit einem tollen Preis-Leistungsverhältnis. Oft ist aber leider insbesondere der Handwerker kritisch gegenüber Furnierboden eingestellt. Daher muss es uns gelingen, Nachfrage direkt beim Endverbraucher zu erzeugen, so dass auch der Verarbeiter um dieses Produkt nicht mehr herumkommt.
Schulte: In den 90er Jahren ist der Furnierboden an der Frage gescheitert, wie oft man ihn abschleifen kann. Diese Denke ist heute bei der jüngeren Generation gar nicht mehr vorhanden.
Pföhler: Wie viele Böden tauschen wir aus, weil sie durchgelaufen sind? Keine 5 %. 95 % werden ausgetauscht, weil sie optisch nicht mehr gefallen. Dahinter steckt ein Sicherheitsdenken, genau wie hinter der Diskussion um Wasserresistenz. Wenn ich den Boden abschleifen kann, verspricht das eine gewisse Langlebigkeit für meine Investition. Aber die kann ich auch mit einem strapazierfähigen Boden und entsprechendem Lacksystem erreichen.
Schulte: Als großes Problem kristallisiert sich immer mehr heraus, dass beim Verkäufer im Handel der schnelle Abschluss im Vordergrund steht, nicht unbedingt die beste Lösung ür die Problemstellung des Endverbrauchers. In gewisser Weise kann ich das nachvollziehen. Für uns als Hersteller ist das natürlich unbefriedigend - Innovationsprodukte abseits des Mainstreams erfordern nun mal ein Mindestmaß an Beratung. Da kommt uns die rasant voranschreitende Digitalisierung entgegen, denn das Verkaufsgespräch findet heute zum größten Teil zuhause auf dem Sofa statt, zumindest bei der jüngeren Generation.
Auf dieses Thema würde ich gern später nochmal zurückkommen. Herr Schulte, darf ich Ihnen zunächst eine persönliche Frage stellen? Wie ist es jetzt für Sie, Alleinverantwortung zu tragen? Ganz offen gesagt, empfinde ich Sie als entspannter.
Schulte: Ich bin deswegen entspannt, weil wir ein sehr gutes Team haben, eine eingeschworene Truppe, mit der man gut arbeiten kann. Wahrscheinlich haben wir in den letzten Jahren nach außen und innen nicht immer ein homogenes Bild abgegeben, weil wir drei Köpfe waren,die mitunter noch völlig verschieden ticken. Das ist nun anders, wobei wir natürlich immer noch kontrovers diskutieren. Ich habe ein gutes Sparring mit meinen Kollegen in der Geschäftsleitung und ich bin fest davon überzeugt, dass wir vieles richtig gemacht und uns richtig aufgestellt haben, um das Schiff auf Kurs zu halten.
Bringt die Umstrukturierung auch strategische Änderungen mit sich? Sie sind ja generell sehr diversifiziert durch die vielen verschiedenen Produktgruppen, Marken und Vertriebswege. Macht das weiterhin Sinn?
Schulte: Wir sind froh, dass wir so breit aufgestellt sind und so viele Standbeine haben. Genau deshalb kommen wir bisher verhältnismäßig gut durch diese Krise. Ich möchte mit vielen unserer Kollegen nicht tauschen, bzw. gerade kein reiner Parketthersteller sein. Daher werden wir nicht von dieser Strategie abweichen und bleiben Vollsortimenter. Wobei wir schon sehr genau hinschauen und das Produktportfolio in Gänze verschlanken wollen.
Das heißt, die SKUs verringern?
Schulte: Genau. Wir haben vor einigen Jahren bei Parkett damit angefangen und das Programm gestrafft, nachdem wir uns eingestanden haben, dass wir nicht der Parketthersteller Nr. 1 sind - und selbst, wenn wir liefern, sind wir nicht der A-Lieferant. Also brauchen wir auch keine riesige Produktvielfalt, sondern konzentrieren uns auf ein kompaktes, konsumiges Sortiment und auf das, was andere nicht wollen oder können.
Ähnlich war es beim Laminatbodensortiment. Das ist immer noch umfangreich, aber wir haben die Varianten-Vielfalt deutlich reduziert. Das Ziel ist, Komplexität herauszunehmen, sowohl nach außen in Richtung Markt als auch nach innen mit Blick auf Produktion und Prozesse.
Wie teilen sich Eigenproduziertes, Halbfertigfabrikate, die Sie veredeln und Handelsware auf?
Schulte: Reine Handelsware haben wir fast gar nicht. Klar ist die Fertigungstiefe unterschiedlich, je nach Produkt. Für Parkett, Lindura und Laminatboden kaufen wir die Rohstoffe zusammen, einschließlich der Platten, die wir nicht selber herstellen und fertigen daraus das Endprodukt. Das gilt auch für holzbasierte Designböden. Bei den kunststoffbasierten Designböden ist das etwas anders: da kaufen wir beschichtete Platten und verarbeiten diese weiter.
Aktuell gibt es zwei Ausnahmen: ein kleines Produktportfolio bei Meister und ein größeres bei Moderna, für das wir fertig profilierte Ware zukaufen, um unseren Kunden auch im Preiseinstiegsbereich ein Sortiment anbieten zu können. Grundsätzlich sind wir jedoch ein produzierendes Unternehmen und versuchen deshalb, so viele Produktionsschritte wie möglich hier bei uns im Haus zu tätigen.
Es gibt ja Marktbegleiter, die vor dem Hintergrund der aktuellen Situation die Fertigung von Produktgruppen einstellen und komplett zukaufen. Für Sie stellt sich diese Frage "Make or buy" also nicht?
Schulte: Nein. Momentan nicht. Die Produktgruppen, die wir heute in Meiste fertigen, werden wir auch morgen hier noch am Standort produzieren. wir haben einen modernen Maschinenpark und ich persönlich bin zu sehr Techniker. Ich habe Spaß daran, Produkte zu fertigen und darüber hinaus zu überlegen, wie man diese noch besser machen kann.
Da haben Sie mir eine Frage vorweggenommen: Meister galt technisch immer als absolut up to date, das heißt, die Umstrukturierung hat in dieser Hinsicht keinen Investitionsbedarf erzeugt?
Schulte: Nein, wir haben über die Jahre hinweg immer viel in Technik und Infrastruktur investiert. Das heißt, wir sind weit weg von einem Investitionsstau und können uns daher in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten erlauben, Investitionsmittel zu reduzieren. Momentan sehen wir auch keine Notwendigkeit für große Investitionen.
Pföhler: Bis auf die Energieversorgung.
Schulte: Stimmt. Wir wollen uns in der Energieversorgung autark aufstellen. Letztes Jahr haben wir bereits eine große Photovoltaik-Anlage in Betrieb genommen und produzieren Solarstrom. Nun reichen wir einen Bauantrag für zwei große Windanlagen ein. Im Großen und Ganzen werden wir dann mehr nachhaltige Energie produzieren, als wir verbrauchen. Wobei Sonne und nicht Wind nicht immer da sein werden, wenn wir sie brauchen, also werden wir einen gewissen Anteil an Strom verkaufen und einen gewissen Teil noch zukaufen müssen.
Darüber hinaus werden wir in den nächsten Monaten noch eine größere Investition in ein Biomasse-Kraftwerk tätigen, um Wärme zu produzieren.
Stichworte Digitalisierung und Automatisierung: Ist auch in dieser Hinsicht alles aktuell?
Schulte: Nein, die größte Investition, die wir noch in diesem Jahr in Betrieb nehmen werden, ist die Einführung eines neuen ERP-Systems am 1. Mai.
Pföhler: Das ist ein wichtiger Meilenstein, da wir mit dem ERP- und CRM-System signifikante Optimierungspotenziale heben können - in Richtung Prozessautomatisierung, Qualitätsmanagement, Logistik etc. Wie bei jeder größeren Systemumstellung werden wir in der Anfangsphase noch mit Mehraufwand konfrontiert sein, aber nach sechs, acht Wochen erwarten wir die ersten positiven Effekte.
Sie haben also in Meiste Ihre Hausaufgaben gemacht. Was ist eigentlich mit Hain?
Schulte: Hain hat uns in den vergangenen Jahren viel Kraft gekostet, wir haben hier in Richtung Strukturen und Prozesse einiges verändert. Die Hain Naturböden GmbH gibt es inzwischen nicht mehr, stattdessen haben wir die Hain Naturböden GmbH & Co. KG als reine Vertriebsgesellschaft gegründet und der Produktionsstandort in Rott ist nun ein Teil der Meisterwerke. Fertigung und Produktionstiefe sind noch identisch, nur wird der Standort von hier aus gesteuert. Und analog zu Meister war auch der Markt für Hain rückläufig und wir haben ordentlich an Absatz verloren, wenn auch etwas weniger als der Durchschnitt. Trotzdem ist die Produktionsmenge deutlich geschrumpft.
Auf wieviel?
Schulte: Knapp 200.000 m
2.
Von 300.000 m
2?
Schulte: Wir haben sogar an 350.000 m
2 gekratzt. Das war das Ziel und wir waren auf einem sehr guten Weg dorthin, bis der Markt eingebrochen ist. Die Produkte haben grundsätzlich absolutes Marktpotential, deshalb halten wir an dem Thema fest.
Pföhler: Da sind wir in einer Nische unterwegs. Und die Nische funktioniert. Mit dem Sortimentskonzept, das wir letztes Jahr auf der BAU vorgestellt haben, sind wir auch wieder für den Handel interessant geworden, der die Marke vorher vor dem Hintergrund eigener Showrooms und Direktverkäufe eher gemieden hat. Wir mussten erstmal dessen Vertrauen wiedergewinnen. Nur bekommen wir momentan die Drehung nicht hin, weil der Handel keinen Durchsatz hat. Die Weichen sind auf jeden Fall gestellt und sobald der Markt wieder ein bisschen zurückkommt, wird auch das Thema Hain wieder an Fahrt aufnehmen.
Ds ist ja auch eine schöne Abrundung nach oben für Sie...
Schulte: Ja, genau das war die Idee hinter der Übernahme von Hain. Mit Marke und Produkt erreichen wir Kunden, die wir mit Meister so nicht erreichen.
Und Ihre dritte Marke Moderna hat Ihnen Zugang zum Baumarkt verschafft.
Schulte: Ja. Moderna funktioniert wunderbar, damit sind wir sehr gut unterwegs. Das hat uns zusätzlichen Absatz gerade in den Bereichen Paneele und Designböden generiert.
Bieten Sie dem Baumarkt auch ein Vollsortiment?
Pföhler: Nein, keine Echtholzböden, sondern nur Laminatböden, Designböden und Paneele. Wobei wir in diesem Bereich in anderen Preisstellungen unterwegs sind. Was wir bei Meister im Hochpreis-Segment sowohl bei Laminatböden als auch bei Designböden anbieten, bekommen wir auf der Großfläche nicht umgesetzt, weil dort die Preispunkte anders sind.
Wo wir gerade beim Thema Vermarktung sind: Ihr Vorstoß mit dem Online-Konzept hat 2023 die Gemüter erhitzt. Hat sich die Lage inzwischen beruhigt?
Pföhler: Ja, wir haben kontrovers mit unseren Kunden diskutiert, das Thema hat viele bewegt. Auch wenn es zugegebenermaßen in einigen Diskussionsrunden hitzig zugegangen ist, haben wir auch konstruktive Erweiterungs- und Verbesserungsvorschläge erhalten, die wir umgesetzt haben. So besteht nun neben der Option, online zu bestellen, auch die Möglichkeit, den Warenkorb gleichermaßen beim stationären Händler zu platzieren. Und wir sehen, dass seitens des Endkunden beide Optionen im Verhältnis 1:1 genutzt werden, d.h. wir haben ähnlich viele Anfragen Richtung stationärer Handel wie Online-Kauf. Damit haben wir erstmal eine Chancengleichheit für alle Händler geschaffen, egal, ob sie nur stationär oder in beiden Kanälen präsent sind. Alle kann man auch damit nicht abholen, aber diese Variante wird in der Breite akzeptiert und es gibt keine Diskussionen mehr. Für uns als Marke ist es wichtig, dass wir am Ende des Tages sind, wo der Endkunde ist. Und wenn wir Millionen Klicks auf unserer Seite haben und damit einhergehend eine Kaufabsicht für ein Meister-Produkt, müssen wir sicherstellen, dass die Interessenten auch in der Lage sind, das Produkt zu kaufen. Und wenn sie dafür nicht vom Sofa aufstehen, müssen wir sie dort abholen.
Damit kommen wir zu Ihrem Eingangsstatement zurück... Sie sind nicht euphorisch für 2024, aber auch nicht ängstlich?
Schulte: 2023 hat uns wie die gesamte Branche hart getroffen, das muss man ganz klar sagen. Für 2024 erwarten wir das gleiche Absatzniveau wie im vergangenen Jahr. Aber jetzt sind wir so aufgestellt, dass wir damit auskömmlich arbeiten können. Sollte sich die Absatzsituation nochmals gravierend nach unten entwickeln, werden aber auch wir wahrscheinlich noch einmal nachjustieren müssen. Davon ist aber nicht auszugehen. Ich erwarte, dass es dann in 2025 wieder leicht aufwärts geht.
Noch weiter in die Zukunft geblickt: Wo sehen Sie die Meisterwerke langfristig?
Schulte: Da, wo wir jetzt auch stehen: als qualitativer, innovativer Nischenanbieter. Den Markt für uns wird es geben, davon bin ich fest überzeugt. Und ich würde mich freuen, wenn ich irgendwann einmal den Staffelstab an die nachfolgende Generation übergeben kann, die sich für das Familienunternehmen Meisterwerke genauso begeistert wie ich.
Das Gespräch führte Claudia Weidt Anfang Februar.Meisterwerke
Meisterwerke Schulte GmbH
Johannes-Schulte-Allee 5 59602 Rüthen
Tel.: +49 2952 8160 www.meisterwerke.com info@meisterwerke.com
Geschäftsführender Gesellschafter: Guido Schulte
Geschäftsleitung: Georg Kruse (Chief Supply Chain Officer, CSCO), Jörg Peterburs (Chief Strategy Officer, CSO, Leitung Unternehmenskommunikation),
StefanPföhler (Chief Saes & Marketing Officer, CSMO), Dr. Jan Puttfarken,
Chief Operations Officer, COO), Gregor Wallmeier (Chief Financial Officer, CFO)
Umsatz: 199 Mio. EUR (2022), Exportanteil 45 % (in einer Zeile)
Mitarbeiter: 560 (Ende 2023)
Exportanteil: 45 %
Marken: Meister, Hain Naturböden, Moderna
Sortiment: Parkett, Furnierböden, Lindura Woodpowder-Böden, Laminatböden, Designböden, Paneele, Leisten, Wuchshüllen
Vertriebswege: OEM, Kooperationen, Holz-, Bodenbelags-, Baustoffhandel, Baumärkte, Objekteure, Bodenlegendes Handwerk, Möbel- und Einrichtungshäuser, Online-Handel
aus
Parkett Magazin 02/24
(Wirtschaft)