ViS-Jahrestagung 2022
Wärmster Sommer, trotzdem schlechtes Ergebnis
Der ViS, Verband innenliegender Sicht- und Sonnenschutz, traf sich zur diesjährigen Jahrestagung in der Sachsen-Metrople Leipzig. Trotz der allgemein angespannten wirtschaftlichen Situation konnte der Verband einmal mehr über 100 Mitglieder mobilisieren, im Rahmen der Tagung über die Lage der Branche und andere aktuelle Themen zu diskutieren.Der interne Part der Veranstaltung war Themen wie dem Rückblick auf die Verbandsarbeit des zurückliegenden Jahres sowie der strategischen Ausrichtung für das kommende Jahr vorbehalten. Außerdem wurde auch einer der beiden Sprecherposten bei den Lieferanten-Mitgliedern neu gewählt, da sich Klaus Germes (Coulisse) zeitnah in den Ruhestand verabschieden wird. Als sein Nachfolger wurde Mirko Müller-Stüler (Hunter Douglas Components) gewählt.
Im öffentlichen Teil der Mitgliederversammlung wurden die neuen ViS-Mitglieder - der Hersteller Leha sowie die Lieferanten Neher, Sieben Medien GmbH und Kirayteks - offiziell im Verband empfangen. Mit seinem beständigen Wachstum nähert sich der ViS der 60-Mitglieder-Grenze.
Thema Rohstoffengpässe
und Preissteigerungen
Im vergangenen Jahr waren die Informationen zur aktuellen Marktlage noch überwiegend von der Pandemie geprägt, insbesondere von den damit verbundenen Rohstoffengpässen und -Preisanstiegen. Die damals unmittelbar bevorstehende Bundestagswahl sorgte vor einem Jahr für zusätzliche Unsicherheit. Ein Jahr später ist die Situation schwieriger denn je und sieben Monate Krieg in der Ukraine hinterlassen auch bei den deutschen Herstellern von innenliegendem Sicht- und Sonnenschutz ihre Spuren. "Wir blicken durchaus mit Sorge in die Zukunft", formulierte ViS-Vorstand Ingo Fahl denn auch in seiner Begrüßungsrede zum öffentlichen Teil der Jahrestagung. Und ViS-Geschäftsführer Martin Auerbach brachte die Stimmungslage ergänzend mit den Worten auf den Punkt: "Wir wissen einfach nicht, was da auf uns zukommt. Wir werden zwar zunehmend Experten darin, mit dem Unerwarteten umzugehen, aber es ist einfach eine sehr volatile Zeit." Dennoch gab es, wie Fahl betonte, auch Positives zu vermelden wie die Tatsache, dass der ViS vier neue Mitglieder in seinen Reihen begrüßen kann: der Hersteller Leha sowie die Lieferanten Neher, Sieben Medien GmbH und Kirayteks verstärken den Verband, der sich nunmehr der 60-Mitglieder-Marke nähert.
Umsatzverluste und
getrübte Aussichten
Auch bei den ViS-Mitgliedsfirmen sprechen die Zahlen der vergangenen Monate eine deutliche Sprache. Denn obwohl der Sommer 2022 nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes der sonnigste und zugleich einer der wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1951 war, hatte das entgegen aller Erwartungen keinen positiven Einfluss auf die Geschäftsentwicklung bei den Herstellern von innenliegendem Sicht- und Sonnenschutz. Die Auswertung für die Mitglieder des ViS ergaben stattdessen ein "Sommerloch" mit einem Umsatzminus von 3% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Der Absatz (ohne Flächenvorhänge) weist sogar ein Minus von 10% auf.
Diese Ergebnisse zeigen deutlich, wie stark das Konsumverhalten der Verbraucher aktuell von Zurückhaltung und Preissensibilität geprägt ist. Eine bedauerliche und nahezu paradoxe Entwicklung, weil gerade der hochwertige Sicht- und Sonnenschutz nicht nur vor zu großer Wärme im Sommer schützt, sondern mit seinen smarten Lösungen auch in der Lage ist, einen wichtigen Beitrag zum sparsamen Heizen und damit zum Energie sparen zu leisten.
Umsatzentwicklung:
Plissee und Insektenschutz
haben die Nase vorn
Kaum Verschiebungen gibt es 2022 bei den Umsatzanteilen der Produktgruppen in der Maßkonfektion: Plissees (36,7 %) und Wabenplissees (12,3 %) bleiben zusammen nach wie vor die umsatzstärkste Fraktion, wobei die Plissees als einzige Produktgruppe ihren Marktanteil leicht (um einen Prozentpunkt) ausbauen konnten. Trotz minimaler Verluste (-0,4 %) folgt der Insektenschutz mit 19 % Umsatzanteil direkt auf Plissees/Wabenplissees. Rollos haben - wie im Vorjahr - 0,3 % abgegeben, belegen aber weiterhin Platz drei bei den Umsatzanteilen. Alle anderen Produktgruppen bleiben bei den Umsatzanteilen unverändert.
Blitzumfrage verdeutlicht
die Besorgnis der Hersteller
Deutlich gedämpft sind auch die Konjunkturerwartungen der ViS-Mitglieder. Die Unternehmen rechnen in den kommenden Monaten mit steigenden Preisen für Gas, Strom und Rohstoffe. Hier wird vor allem die Entwicklung der Gaspreise äußerst pessimistisch eingeschätzt. Einzelne Firmen gehen von einer Verdreifachung oder gar Vervierfachung der Preise aus, wie zwei Befragungen in den Monaten Juli und September ergaben. (An der aktuellen Blitzumfrage beteiligten sich 22 Unternehmen, an der vorherigen waren es 41 Unternehmen.)
Während im Juli noch 51 % der teilnehmenden Unternehmen daran glaubten, bis zu 25 % ihrer Mehrausgaben in den nächsten Monaten an ihre Kunden weitergeben zu können, hat sich diese Einschätzung im September deutlich eingetrübt: Jetzt hofft die Mehrheit darauf, zumindest noch bis zu 10 % ihrer gestiegenen Kosten weitergeben zu können. 14 % glauben inzwischen gar nicht an eine mögliche Weitergabe der Preissteigerungen (im Juli war lag dieser Wert noch bei 1 %).
Bezeichnend in diesem Kontext ist auch das Antwortergebnis auf die Frage, ob die Unternehmen befürchten, dass die Verbraucher mit Blick auf größere Anschaffungen für die heimischen vier Wände in nächster Zeit eher zurückhaltend sein werden und ob diese Tendenz auch den innenliegenden Sicht- und Sonnenschutz betreffen wird.
Diese Frage wurde unisono mit Ja beantwortet! Die dadurch zu erwartenden Umsatzeinbußen schätzen insgesamt 76 % der Umfrageteilnehmer auf 10-30 %. Mit über 50 % Einbußen rechnen immerhin 6 %.
Bereits in der Juli-Befragung schätzte eine Mehrheit von 58 % die Aussichten für die Umsatzentwicklung bezogen auf das Gesamtjahr 2022 als eher schlecht ein. In diesem Zusammenhang stellen sich die Auswirkungen der anhaltenden Pandemie für die meisten Unternehmen so dar wie erwartet und werden ganz offensichtlich vom Ukraine-Krieg und den damit verbundenen Sanktionen überschattet. Obwohl 37 % der teilnehmenden Unternehmen im Juli angaben, davon betroffen zu sein, glauben 58 % daran, dass die Lieferketten trotz der Krisen unverändert fortbestehen werden.
Verbandsarbeit:
Themen und Projekte
ViS-Geschäftsführer Martin Auerbach warf im Rahmen der Jahrestagung auch einen Blick auf die Verbandsarbeit im zurückliegenden Jahr. Neben dem Neustart seiner Webseite www.vis-online.de, hat der ViS in Zusammenarbeit mit seinen Partnerverbänden, dem Verband der Deutschen Heimtextilien-Industrie (Heimtex) und dem Fachverband Matratzenindustrie (die unter dem Dach der Marke Kompetenz-Zentrum Textil + Sonnenschutz zusammengefasst sind), die neue Verbands-App gelauncht. Sie ersetzt zum einen den Mitgliederbereich, der bisher über die Homepage erreichbar war. Zum anderen ermöglicht die Verbands-App den Mitgliedern, in den direkten Austausch zu gehen, an Umfragen teilzunehmen oder Rundschreiben und Pressemitteilungen jederzeit abzurufen. In separaten Gruppen und Räumen können sich Projektgruppen unkompliziert über die Projektarbeit austauschen, ähnlich wie in den Gruppenchats bekannter Social-Media-Dienste.
Mit der Novellierung der DIN EN 14501 ("Abschlüsse - Thermischer und visueller Komfort - Leistungsanforderungen und Klassifizierung") hat der ViS bereits in den letzten Jahren eine umfassende Broschüre sowie ein Erklärvideo auf den Weg gebracht. In diesem Jahr folgten inhaltliche Anpassungen der "Richtlinie Produkteigenschaften", geplant ist außerdem die Überarbeitung der Bildschirmarbeitsplatzbroschüre.
Auch das Lehr- und Informationsbuch "Sicht- und Sonnenschutz - Verbindung von Design und Funktion" wird aktuell überarbeitet. Das Standard-Werk soll im kommenden Jahr in modernem Outfit auf den Markt kommen, geplant ist ein E-Book.
Megathema Kreislaufwirtschaft
Das Megathema Kreislaufwirtschaft spielt eine immer größere Rolle bei den ViS-Mitgliedern. Um fossile Brennstoffe einzusparen und die Stoffkreisläufe zu schließen, ist es zwingend erforderlich, trotz der aktuellen Krisen, die Themen Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft nicht aus den Augen zu verlieren. Circular Design und die Schaffung einer Rückwärtslogistik sind notwendige Schritte, um Materialien aus Produkten an ihrem Lebensende wieder als Rohstoffe verfügbar zu machen. Weiterhin braucht es angepasste zirkuläre Geschäftsmodelle (Circular Business Models, CBM).
Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (iwd) hat gezeigt, dass Unternehmen mit einer oder mehreren zirkulären Geschäftsstrategien erfolgreicher sind, als Unternehmen, die keine CBM aufweisen können (veröffentlicht in der iwd-Zeitschrift 11/2022).
Vor diesem Hintergrund haben die Mitglieder Verotex (mit Convarox), Benthin und Teba die Möglichkeit wahrgenommen, an einem "CIRCO"-Workshop der Effizienz-Agentur NRW teilzunehmen. Das zu 100 % geförderte Projekt hatte der Verband erfolgreich akquiriert. Ziel war es, die aktuelle, lineare Wertschöpfungskette von Plissees zu betrachten, Wertverluste zu identifizieren (Plissee landet auf dem Müll und wird anschließend verbrannt) und anschließend Möglichkeiten zu erarbeiten, um solche Wertverluste künftig zu vermeiden (Recycling / Ressourcen in den Wertschopfkreislauf zurückführen). Der Fokus des Workshops lag darauf, den ViS-Mitgliedern Möglichkeiten aufzuzeigen und Werkzeuge an die Hand zu geben, um ihre Produkte kreislauffähiger zu gestalten. Den beteiligten Unternehmen ist es in diesem Rahmen gelungen, ein zirkuläres Geschäftsmodell zu entwickeln. "Der ViS hat damit einen großer Schritt nach vorne getan", fasst Martin Auerbach zusammen. "Wir haben bewiesen, dass wir in der Lage sind, solche Themen aufzunehmen und umzusetzen. Das muss jetzt fortgeführt werden." Dazu versucht der Verband laut Auerbach, weitere Fördermittel zu akquirieren, um in die praktische Umsetzung gehen zu können.
Besonders erfreulich sind die Ergebnisse der Untersuchungen von verfärbten Fensterrahmen. Hier kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Reklamationen bei den Mitgliedsunternehmen. Mit der Unterstützung des Bundesverbandes der vereidigten Sachverständigen für Raum und Ausstattung (BSR) hat der ViS verfärbte Rahmen beim Institut für Fenstertechnik in Rosenheim (IFT Rosenheim) untersuchen lassen. Dies mit dem Ergebnis, dass der innenliegende Sicht- und Sonnenschutz allem Anschein nach nicht für die Verfärbungen zuständig ist. Derzeit laufen noch Vergleichsuntersuchungen mit anderen Kunststoffarten, um die ersten Ergebnisse zu bestätigen und eine belastbare Aussage zu erzielen.
Die nächsten
Veranstaltungen
Im kommenden Jahr blickt der ViS auf seine 75-jährige Verbandshistorie zurück. Wo und in welchem Rahmen die Mitgliederversammlung stattfinden wird, ist noch geheim, aber das Datum steht bereits fest: 12. +13. Oktober 2023.
Zusätzlich zur Jahrestagung bietet das 4. Netzwerktreffen des Kompetenz-Zentrums Textil + Sonnenschutz den ViS-Mitgliedern Gelegenheit zum Austausch - auch mit den Mitgliedern des Verbandes der Deutschen Heimtextilien-Industrie (Heimtex) und des Fachverbandes Matratzenindustrie. Das Netzwerktreffen wird am 5. Mai 2023 beim Heimtex-Mitglied Groz-Beckert in Albstadt stattfinden.
aus
BTH Heimtex 11/22
(Wirtschaft)