GHF-Tagung 2022

GHF-Mitglieder trotzen den Herausforderungen

Der Großhandelsverband Heim & Farbe stellte seinen Mitgliedern Lösungsansätze vor, um auch in Zukunft bestehen zu können. Megathemen waren Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Die 260 Mitglieder und Gäste zeigten sich optimistisch und verwiesen auf eine starke Branche.

"Et hätt noch immer jot jejange." Mit kölschem Pragmatismus angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen eröffnete GHF-Geschäftsführer Bert Bergfeld die Jahreshauptversammlung des Bundesverbands Großhandel Heim & Farbe im Kölner Hotel Maritim. Die Teilnahme übertraf alle Erwartungen: 260 ordentliche sowie außerordentliche Mitglieder und Gäste waren zu der zweitägigen Veranstaltung gekommen, um sich persönlich zu begegnen, sich auszutauschen, gemeinsam zu feiern und über das anspruchsvolle Vortragsprogramm wichtige Anregungen insbesondere für die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu bekommen. Dabei war die Stimmung trotz allgemein negativer Prognosen gut. Die Branche ist sich ihrer Stärke bewusst.

Kleines Plus von Januar bis Juli

"Farben- und Bodenbelagsgroßhändler sind wandelbar und krisenerprobt", betonte Bergfeld. Die aktuelle, von Inflation und daraus resultierender Kaufzurückhaltung, Lieferengpässen, dem Krieg in der Ukraine und Fachkräftemangel geprägte Lage konfrontiere sie aber mit erheblichen Unsicherheiten bezüglich der künftigen Entwicklung. Noch zeigen sich die Umsätze bis Juli 2022 im Vergleich zum Vorjahr mit seinen vielen Rekordergebnissen aufgrund der Corona-Pandemie zwar stabil. Nach dem Branchenvergleich, an dem 30 Großhändler teilnehmen, stieg der Umsatz in den ersten sechs Monaten dieses Jahres gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum um 0,8 %, von Januar bis Juli 2022 waren es im Vergleich zu den ersten sieben Monaten des Vorjahres 1,07 %. Doch mahnte Bergfeld, dass diese Steigerungen vor allen von Preiserhöhungen getrieben seien. Er geht für die Zukunft von "eher stagnierenden" Umsätzen aus.

Die Entwicklung der einzelnen Produktsegmente war in den Monaten Januar bis Juli dieses Jahres gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum sehr unterschiedlich. Während Farbengroßhändler mit der insgesamt umsatzstärksten Warengruppe Farben für Wand und Boden sowie Lacken und Lasuren einen Umsatzrückgang von 1,38 % beziehungsweise 0,39 % hinnehmen mussten, legte der Umsatz mit Wärmedämmverbund-Systemen um 5,78 % zu. Auch Wandbeläge sowie Spachtelmassen und Klebstoffe sowohl für die Wand als auch den Boden nahmen zu.

Der Umsatz mit textilen Bodenbelägen ging noch einmal um 4,22 % zurück, während der mit elastischen Bodenbelägen nochmals leicht stieg (+0,21 %). Den stärksten Zuwachs erzielte der Produktbereich Parkett/Laminat mit 12,45 %.

Bergfeld appellierte an die ordentlichen Mitglieder, sich am Branchenvergleich zu beteiligen und Zahlen dafür mitzuteilen. "Sie sorgen damit für Transparenz und können sich selbst bessern einordnen", erläuterte er. Drei weitere Großhändler hätten ihre Teilnahme zugesagt.

Handwerkermangel ein Problem

Der Geschäftsführer bezeichnete die derzeitige Auftragslage im Farben- und Bodenbelagsgroßhandel als stabil, sicherte ihm aber angesichts der derzeitigen Bedrohungslage die volle Unterstützung des Verbands zu: "Wir schauen in die Zukunft, zeigen Perspektiven sowie Lösungsansätze auf und inspirieren. Das ist unsere Aufgabe." Außer Inflation, Lieferengpässe, Krieg und Energieknappheit sieht er als Gefahr für die Branche den Handwerkermangel an. Dieser werde höhere Löhne für Fachkräfte nach sich ziehen. Als positiv bewertete Bergmann, dass seiner Meinung nach der Sanierungsbedarf zunehmen wird. Viele Bestandsbauten müssten renoviert werden. Und das sei schließlich das Kerngeschäft des Großhandels.

Der GHF-Vorstandsvorsitzende Frank A. Kühnel hatte bereits in der Begrüßungsrede angesichts der Herausforderungen die Frage aufgeworfen: "Werden wir das alles schaffen?" Als Megatrends zählte er Energieeinsparungen, die demografische Entwicklung und vor allem den Digitalisierungsdruck auf. Um gewappnet zu sein, habe der GHF mit dem Produktinformationsmanagementsystem XPIM eine eigene Stammdatenplattform als Branchenlösung ins Leben gerufen und unter der Mehrheitsbeteiligung des Verbands die digitale Plattform für das Malerhandwerk Farbfox mit ins Boot geholt. Die Startphase wurde mit 15 Early Birds eingeleitet.

Bergfeld rief sowohl die Industrie als auch den Großhandel auf, sich XPIM anzuschließen, und erläuterte Details: Die Plattform erstellt automatisch Stammdatensätze, die regelmäßig aktualisiert werden. Sie sind die Basis für das B2B E-Commerce-Geschäft. "Das Handwerk steht vor einem Generationswechsel, die Anzahl der Betriebe sinkt", warnte der Geschäftsführer. Die Anforderungen an den Handel und den digitalen Service würden aufgrund des veränderten Nutzungsverhaltens der jungen Handwerker steigen. Sie suchten keine Produkte mehr, sondern Lösungen.

Höchste Zeit für Branchenlösung

"B2B E-Commerce ist die Zukunft", machte Bergfeld deutlich. Die Handwerker diskutierten bereits auf Plattformen. "Aber wir finden da nicht statt." Es sei also höchste Zeit, sich den digitalen Veränderungen zu stellen. Dafür sei XPIM ideal. Es ermöglicht als Branchenlösung allen Teilnehmern, Händlern und Herstellern durch individuelle Lösungen Ressourcen zu schonen, schneller und günstiger zu sein. Allerdings müsse klar sein, dass XPIM kein abgeschlossenes Projekt sei, sondern immer wieder an die aktuellen Entwicklungen angepasst werden müsse. Händler müssen für die Teilnahme bei XPIM zwischen 2.500 und 7.500 EUR pro Jahr zahlen, Hersteller 8.000 EUR.

Ein weiteres Thema, das den GHF-Verantwortlichen auf den Nägeln brennt, ist die Weiterbildung. Auszubildende und Mitarbeiter wünschen sich mehr Seminare und individuelle Förderung, meinte Bergfeld. Darauf müsse reagiert werden, schließlich "wurden noch nie so wenig Ausbildungsplätze besetzt" wie derzeit. Es fehle an Bewerbern. Deshalb sei außer einer sachgerechten und angemessenen Entlohnung auch Weiterbildung ein wichtiger Aspekt, um Mitarbeiter zu binden. Dabei verwies Bergfeld auf das umfangreiche Seminarprogramm des GHF, das auch bei der Digitalisierung unterstütze. Vor allem die Online-Seminare seien gut ausgelastet.

Engagement bewies der GHF zudem beim Thema Klimaschutz. Im Vorfeld der Tagung hatte er angefragt, auf welche Weise die Teilnehmer anreisen würden. Alles in allem wurde eine Co-Emission von 58 t an beiden Veranstaltungstagen berechnet. Der Löwenanteil entfiel mit 44,4 t auf die Mobilität. Um den Klimawandel aufzuhalten, sollte eine Person maximal 0,6 t oder 600 kg Kohlenstoffdioxid pro Jahr verursachen. Bei der Jahreshauptversammlung waren es 0,232 t oder 232 kg pro Person.

Die nächste GHF-Tagung findet am 20. und 21.September 2023 im Tagungshotel Lufthansa Seeheim in Seeheim-Jugenheim bei Frankfurt statt.
Cornelia Küsel


Daten + Fakten GHF
Großhandelsverband
Heim & Farbe (GHF)
Memeler Straße 30
42781 Haan
Tel.: 02129 / 55 70 90
www.ghf-online.de

Geschäftsführer:
Bert Bergfeld
Vorstandsvorsitzender: Frank A. Kühnel
Ordentliche Mitglieder: 83
Filialen insgesamt:
rund 600
Außerordentliche
Mitglieder
(Stand Juni 2022): 80


Vorträge bieten große Themenvielfalt
Harald Rettich ist Bereichsleiter Corporate Partnerships Management bei der gemeinnützigen Klimaschutzorganisation Myclimate Deutschland. In seinem Vortrag "Zukunftsstrategie - Klimafreundliches Unternehmen" machte er deutlich, dass Unternehmen ihr Klimaschutz-Engegement verstärken müssen.

Dr. Eike Wenzel ist Gründer und Leiter des Instituts für Trend und Zukunftsforschung. Digitalisierung betrachtet er als Megatrend: "Sie ersetzt nicht den stationären Handel, definiert aber im Handel die Prozesse neu", sagte er im Rahmen seines Vortrags "Mit dem Green Deal zu mehr Nachhaltigkeit."

Dr. Andreas Rademachers leitet beim Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) die Abteilung Umwelt und Energie. Er ging der Frage nach, inwieweit die Politik mit dem Green Deal die Wirtschaft umkrempelt. Sein Fazit: Alle Branchenteilnehmer müssen sich den Veränderungen stellen.

Die Geschäftsführer der Agentur Brandung, Michael Hacke und Katharina Bülowius, haben XPIM entwickelt und stellten die Wirkungsweise der Plattform vor. "Produktdaten sind die Grundlage für die Zukunft der Digitalisierung", betonten sie.


Volkmar Halbe ist Vorstandsvorsitzender des Fachverbandes der Hersteller elastischer Bodenbeläge (FEB). Er rief Industrie, Handel und Verarbeiter auf, das Thema Nachhaltigkeit ernst zu nehmen: "Die Verpflichtungen werden kommen."


Rüdiger Lugert, Geschäftsführer Keimfarben, und Margarete Sonnen, Geschäftsführerin von Sonnen-Herzog, probierten im Beisein von Moderator Sascha Winkel nicht nur die von Koch Sebastian Lege zubereiteten Speisen, sondern assistierten auch.


Delphi-Studie: Zahl der Malerbetriebe nimmt ab
Die Konsolidierung macht auch vor den Malerbetrieben nicht halt. Sei es aufgrund von Nachwuchsmangel oder Problemen bei der Betriebsnachfolge - die Zahl der Handwerksbetriebe wird deutlich sinken. Mathias Bucksteeg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Farbe, Gestaltung, Bautenschutz, bezifferte den Rückgang auf bis zu 27 %, was auch Auswirkungen auf den Großhandel hätte. Dies ist ein mögliches Szenario, das sich aus der Delphi-Studie "Malerhandwerk 2040: Der Zukunftsdialog über Farbe, Technik, Management" ergibt, die der Verband zusammen mit dem Farbenhersteller Caparol, den Werkzeugherstellern Storch und Graco sowie dem Malerinstitut durchführt.

Durch die Delphi-Studie will der Bundesverband besser einschätzen können, wie sich die Märkte, die Kundenbedürfnisse, die Technik und das Management des Handwerks in Zukunft entwickeln werden. Im Rahmen einer Befragung gaben rund 500 Malerunternehmen Antworten zur ihren Erwartungen bis zum Jahr 2040, auf deren Basis verschiedene Szenarien entwickelt wurden. "Fest steht, dass wir 2040 eine komplett andere Marktsituation haben werden", sagte Bucksteege. Doch wie ausgeprägt die Entwicklung auch immer sein werde: "Es gibt kein Szenario ohne Konsolidierung." Als Lösung sieht der Geschäftsführer die Digitalisierung und damit das Management von Baustellen. Zudem erwarteten die Kunden Transparenz über die Lieferketten. "Die Märkte zeichnen sich durch hohe technische Komplexität und enorme Qualitätserwartungen aus. Produkte ohne lückenlosen Nachweis ihrer Nachhaltigkeit werden nicht mehr akzeptiert", sagte Bucksteeg.

Nach seinen Angaben werden künftig Daten aus Millionen von Immobilien auf Plattformen zusammenlaufen, die von Handwerk, Hersteller und Handel gemeinsam betrieben werden. "Apps und Branchenstandards sichern den Datenzugang."

Der Maler werde Spezialist für nachhaltiges, gesundes Bauen. Profitieren würden vor allem spezialisierte Handwerksbetriebe mit hohen Investitionen in Personal und Digitalisierung. Daraus ergebe sich der Malertroniker als neuer Ausbildungsberuf. Der Malertroniker beherrscht das Management der Robotik und digitaler Tools. Kunden legten außerdem zunehmend Wert auf Leistungen aus einer Hand, gewerkeübergreifendes Arbeiten sei im Kommen. "Erwartet wird der Komplett-Dienstleister."
GHF-Mitglieder trotzen den Herausforderungen
Foto/Grafik: Quelle: GHF
Umsatzanteil der einzelnen Warengruppen Januar bis Juli 2022
GHF-Mitglieder trotzen den Herausforderungen
Foto/Grafik: Quelle: GHF
Umsatzentwicklung der Warengruppen Januar bis Juli 2022 / 2021
aus BTH Heimtex 11/22 (Wirtschaft)