25 Jahre GEV: Interview mit dem Vorsitzenden Stefan Neuberger

"Es geht um bessere Produkte fürs Handwerk"

Die Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte (GEV) feiert 2022 das 25-jährige Jubiläum. FussbodenTechnik nimmt dies zum Anlass, beim Vorsitzenden Stefan Neuberger nach dem aktuellen Stand der Dinge nachzufragen. Er verriet, dass es bald für Putze den Emicode geben wird - und dass sich die GEV mit dem Thema Nachhaltigkeit intensiv auseinandersetzen wird.

FussbodenTechnik: Herr Neuberger, die GEV hat in 25 Jahren die Zahl der Produktsortimente und der zertifizierten Produkte stark steigern können. Worauf führen Sie diese Erfolgsgeschichte zurück?

Stefan Neuberger: Der Erfolg beruht wesentlich darauf, dass die Unternehmen mit dem Emicode ein bewährtes System vorfinden, das einen Marktvorteil bietet. Heute wird allenthalben über Nachhaltigkeit und Umwelt gesprochen. Auf Produktebene ist hierbei die Emission eines Bauprodukts ein entscheidender Aspekt. Das haben auch Gebäude-Zertifizierer und ausschreibende Stellen erkannt, sodass neben dem Verbraucherschutz auch klare Marktvorteile mit dem Emicode verbunden sind - gerade in Deutschland.

FT: Das 25-jährige Jubiläum bietet immer die Gelegenheit, sowohl Bilanz zu ziehen als auch einen Blick in die Zukunft zu wagen. Können Sie bitte beides tun?

Neuberger: Nicht oft ist es von Erfolg gekrönt, wenn viele Unternehmen zusammenkommen, um sich zu einigen. Beim Emicode ist das gelungen: Seit 25 Jahren geben die Mitglieder der GEV dem Handwerk und Verbraucher mit unserem Zertifikat eine Orientierung zum Verbraucherschutz. Seriosität und Integrität sind dabei hohe Prinzipien, sodass keine falschen Versprechungen oder irreführenden Angaben zu den Emissionen gemacht werden dürfen. Bevor das Wort "Greenwashing" erfunden wurde, hatte die GEV schon im Blick, dass sich nur mit Ehrlichkeit und nicht mit unsachlichen Vergleichen Glaubwürdigkeit erhalten lässt. Das ist gelungen.

Heute gibt es den Emicode für viele Produkte der Bauchemie, das Zeichen wirkt weit über Deutschland hinaus. Unternehmen aus 22 Ländern sind mit über 11.300 Produkten dabei. Das ist ein großer Erfolg und hier machen wir weiter und bleiben unseren Prinzipien treu.Mit Blick auf die Zukunft diskutieren wir intensiv darüber, ob es auch andere Aspekte der Nachhaltigkeit gibt, die sich mit dem Emicode oder einem neu zu entwickelnden Label abbilden lassen. Allerdings ist die Nachhaltigkeit im Wesentlichen dadurch geprägt, dass Produkte funktionieren müssen - und zwar gut. Ein gutes Silikon dichtet z. B. ein Fenster gut ab und trägt damit zur Langlebigkeit bei. Ein vollflächig geklebter Teppichboden hält deutlich länger, ein geklebtes Parkett lebt Generationen. Ein Produkt mit minderwertigen Bestandteilen braucht aber in der Herstellung meist weniger Energie und Rohstoffe. Entscheidend ist daher, den Beitrag eines Produkts auf der Gebäudeebene zu bewerten. Dennoch kann es Einzelaspekte geben, bei denen auch das Produkt selbst auf Nachhaltigkeit geprüft werden kann, ähnlich den Emissionen. Darüber sprechen wir gerade.

FT: Kommen wir mal zu den Sortimenten, die die GEV mit dem Emicode abdeckt. Welche sind das aktuell und wäre es denkbar, dass noch weitere hinzukommen?

Neuberger: Mittlerweile gibt es nur wenige Bauchemikalien für den Innenraum, bei denen es keinen Emicode gibt. Sie aufzuzählen würde daher den Rahmen sprengen, zumal die Liste auf unserer Homepage www.emicode.com verfügbar ist und darüber hinaus mit einem Produktfinder-Service Hersteller von Emicode-Produkten gefunden werden können. Es liegt daher viel Arbeit hinter uns, da alle Produktkategorien geprüft und eingestuft werden. Dazu sind meist Orientierungsprüfungen erforderlich, um zu erkennen, wie die Prüfung erfolgen kann. Bei manchen Produkten bedarf es einer Vorkonditionierung, da sonst die Feuchtigkeit in der Prüfkammer die Messergebnisse beeinträchtigt.Eine wichtige Kategorie, mit der wir uns beschäftigen, sind Putze für den Innenraum - also mineralische Putze, organische und Gipsputze. Für diese Produkte wird es bald auch den Emicode geben.

FT: Wir stellen immer gerne die Vorteile und die Grenzen von Produkten dar, damit der Handwerker sich orientieren kann. Wie ist das bei der GEV? Wo sind dort Vorteile und wo würden Sie eine Zertifizierung von weiteren Sortimenten nicht mehr gutheißen?

Neuberger: Handwerk und Verbraucher können sich über den Emicode leicht über die Emissionsqualität eines Produkts orientieren, ohne selbst umständliche und teure Prüfungen durchzuführen. Und je mehr Produkte den Emicode haben, desto besser trägt das System zur allgemeinen Orientierung bei. Das kann aber nicht bedeuten, dass jede Anfrage bedient wird - im Gegenteil: Wir möchten nicht, dass nur wenige Produkte einer Gattung den Emicode tragen, sondern möglichst viele. Bei den Putzen haben wir auch gewartet, bis sich eine größere Anzahl von Herstellern gemeldet hatte, die den Emicode für diese Produkte einsetzen wollte. Ohne dass sich mindestens drei Hersteller einer Produktgattung melden, machen wir uns nicht an die Arbeit. Denn im Kern geht es nicht darum, einzelne Hersteller hervorzuheben, sondern dem Verbraucherschutz zu dienen.

FT: Können Sie sich erinnern, was eine besonders kuriose Anfrage für eine Emicode-Zertifizierung war?

Neuberger: Es gibt schon mal Anfragen von Herstellern von Haushaltsgegenständen. Häufiger sind Reinigungsmittel, aber das ist nicht unser Bereich.

FT: Es gab in der Bodenbranche einige Jahre lang heftige Diskussionen, weil emissionsarme Verlegewerkstoffe auch mit dem Blauen Engel ausgezeichnet wurden. Hersteller fühlten sich genötigt, Produkte doppelt zu zertifizieren. Hat sich dieser Konflikt mittlerweile beruhigt?

Neuberger: Das kann man so sehen. Die Aufregung hat sich gelegt. Manche Hersteller kennzeichnen auch mit dem Blauen Engel, andere sparen sich das Geld.

FT: Warum sollte jemand den Emicode verwenden, wenn er bereits den Blauen Engel benutzt: Ist das Schutzniveau nicht vergleichbar? Wo liegen die Vorteile des Emicodes für Hersteller, Verbraucher und Handwerker?

Neuberger: Ein Großteil der Produkte geht an das Handwerk, wo der Emicode aus unserer Sicht das bessere Renommee hat. Der Blaue Engel hat Bekanntheitsvorteile beim privaten Endverbraucher. Hersteller, die beide Bereiche bedienen wollen, kennzeichnen häufig mit beiden Zeichen. Von den Anforderungen her gibt es Unterschiede im Detail, z. B. hat EC 1 Plus etwas strengere VOC-Werte als Drei-Tages-Wert. Doch das ist keine entscheidende Größe. Uns ist aber in der GEV wichtig, dass wir im Unterschied zum Blauen Engel regelmäßig von unabhängigen Stellen Stichproben vom Markt nehmen und untersuchen. So entsteht Vertrauen.

FT: Auf welche Kriterien legen Sie beim Emicode besonderen Wert?

Neuberger: Die technischen Kriterien werden über die Emicode-Klassen abgebildet, soweit es die Menge an flüchtigen organischen Stoffen betrifft, deren Emission begrenzt wird. Daneben gibt es Verbote zum Einsatz gefährlicher Stoffe, sogenannte KMR- und SVHC-Stoffe. Das betrifft alle Emicode-Produkte in gleicher Weise.

Das sind die technischen Kriterien, doch es sind auch Werte zu beachten: Ehrlichkeit und Integrität.Die Zeit vor dem Emicode war gekennzeichnet durch irreführende Werbung und den Vergleich von Emissionswerten einzelner Stoffe, die ziemlich willkürlich waren. Das hat den Markt verunsichert. Das Gegenteil hat die GEV in den vergangenen 25 Jahren geprägt. Es müssen möglichst viele an einem Strang ziehen, damit das funktionieren kann und sich die Hersteller gemeinsamen Werten und Anforderungen unterwerfen. Und das braucht eine innere Haltung, die die Unternehmen leben müssen. Dies braucht weit mehr als eine Vereinssatzung und lässt Vertrauen entstehen: auf allen Seiten - also auch beim Handwerk, beim Planer und Verbraucher.

FT: Wenn man der GEV unerwartet einen besonders hohen Haushalt zuteilen würde: Was wäre Ihre erste Wunschmaßnahme? Wo gibt es noch Verbesserungspotenzial in der Arbeit der GEV?

Neuberger: Wenn wir etwas verbessern können, dann packen wir das an. So haben wir erst kürzlich für einiges Geld bessere Software gekauft, um Produktlizenzen leichter erstellen zu können und schneller Übersichten zu bekommen. Eine Entlastung durch mehr Mitarbeiter wäre auch schön, doch Geld ist nicht alles. Vor allem wollen wir keinen großen Verwaltungsapparat haben und unsere Beweglichkeit verlieren. Die GEV will nicht um ihrer selbst wachsen, das ist nicht das Ziel. Es geht um bessere Produkte für das Handwerk. Mit übergroßem Budget kann man vielleicht groß feiern, doch verliert auch leicht den Fokus.

FT: Nehmen Sie das 25-jährige Jubiläum der GEV zum Anlass, um zu feiern? Wenn ja wie?

Neuberger: Wir feiern am 1. und 2. Juni 2022 auf dem Landgut Stober in Brandenburg, das für seine Nachhaltigkeit bekannt und preisgekrönt ist. Und wie eingangs erwähnt, treffen wir uns, um zu diskutieren. Wir wollen uns dabei die Sachlichkeit bewahren und das Thema Nachhaltigkeit von vielen Seiten beleuchten. Ob das etwas für die GEV ist, wird sich noch zeigen. Wir wollen jedenfalls keine Werbeschlacht um einen neuen Begriff, der politisch aufgeladen ist. Vielleicht können wir hier zur Aufklärung in irgendeiner Form beitragen. Außerdem haben wir in letzter Zeit einiges für die Kommunikation getan, unsere Homepage und Broschüren überarbeitet. In einer Ausstellung wollen wir den Mitgliedern die neuen Mittel und Möglichkeiten zeigen.

FT: Wie hat die jüngste Debatte zum Klimaschutz mit Demonstrationen wie "Fridays for Future" das Thema Emissionen befeuert? Hat das zu einem gewachsenen Bewusstsein bei den Zertifizierungen geführt?

Neuberger: Natürlich erleben wir alle die Klimaveränderung. Die Endkunden werden durch die Diskussionen immer sensibler und wollen wissen, was bei ihnen verbaut wird. Und genau hier gibt der Emicode Orientierung. Lösemittel sind übrigens wesentlich schädlichere Stoffe als CO2, wenn es um die Erderwärmung geht. Daher erleben wir den Ruf nach Veränderung als weitere Bestätigung.
"Es geht um bessere Produkte fürs Handwerk"
Foto/Grafik: Wakol
Blick in die
Klebstoffproduktion: Heute gibt es den Emicode für viele Produkte der Bauchemie.
"Es geht um bessere Produkte fürs Handwerk"
Foto/Grafik: Uzin Utz
Stefan Neuberger – zur Person
Vorsitzender GEV

Stefan Neuberger ist seit 2014 Vorsitzender der Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte (GEV) mit Sitz in Düsseldorf. Der heute 54-Jährige startete 1994 seine Karriere in der Uzin Utz Group – zunächst als Fachberater für die Marke Uzin im Raum Heilbronn/Mannheim. 1999 wurde er Gebietsverkaufsleiter. 2002 stieg Neuberger zum Verkaufsleiter Deutschland für die Marke Pallmann auf und erhielt Prokura für die Pallmann-Chemie Franz Koller & Sohn Chemische Fabriken, Farben- und Lackchemie, nachdem diese von Uzin Utz gekauft wurde. Im Jahr 2004 übernahm er die Geschäftsführung der JP Coatings, die 2013 zur heutigen Pallmann GmbH wurde. Stefan Neuberger lebt mit seiner Frau und seinen fünf Kindern in der Nähe von Stuttgart.

"Es geht um bessere Produkte fürs Handwerk"
Foto/Grafik: Das ist Bodenhandwerk
Die technischen Kriterien werden über die drei Emicode-Klassen abgebildet,
soweit es die Menge an flüchtigen organischen Stoffen (VOC) betrifft, deren Emission begrenzt wird.
"Es geht um bessere Produkte fürs Handwerk"
Foto/Grafik: Thomsit
Von emissionsarmen Bodenbelagsklebstoffen profitieren das verlegende Handwerk und die späteren Bewohner gleichermaßen.
"Es geht um bessere Produkte fürs Handwerk"
Foto/Grafik: Wakol
Mittlerweile gibt es nur wenige Bauchemikalien für den Innenraum, bei denen es keinen Emicode gibt.
aus FussbodenTechnik 03/22 (Wirtschaft)