Im Interview: Thomas Zipse, Ziro

"Ich will für die Firma in die Zukunft denken"

Als Lothar Zipse im Juni 2020 unerwartet verstarb, sprang sein Bruder Thomas sofort in die Bresche, um dessen Lebenswerk zu sichern - und sah sich anfangs vielen Herausforderungen gegenüber. Inzwischen ist die im Oktober 2020 neu gegründete Zipse GmbH & Co. KG in ruhigerem Fahrwasser und hat Kurs auf die Zukunft genommen. Parkett Magazin sprach mit Thomas Zipse über den Wandel des Unternehmens und des Marktes.

Parkett Magazin: Herr Zipse, Sie hat die Corona-Pandemie ganz persönlich getroffen, weil Ihr Bruder und Unternehmensgründer Lothar Zipse im Juni 2020 an COVID erkrankte und kurz darauf daran verstarb - wenige Monate vor dem 40-jährigen Jubiläums seines Lebenswerks.

Es ist fast ein wenig unheimlich: Ich habe kurz vor seinem Tod das letzte Interview mit ihm geführt, in dem er seine Mitarbeiter lobte und sagte, dass sein Betrieb auch ohne ihn funktionieren würde. Das Unternehmen sei kerngesund und solle nachhaltig und unabhängig weitergeführt werden. So hatte er es auch testamentarisch verfügt, aber ganz so einfach war es dann ja doch nicht, im Gegenteil...

Thomas Zipse: Nein, überhaupt nicht. Ich habe mich damals gleich während der Heimfahrt vom Krankenhaus entschieden, mich um die Firma zu kümmern, so lange nichts klar ist und das Testament nicht eröffnet ist, damit sie keinen Schaden nimmt. Noch am gleichen Tag haben wir bereits die erste Teambesprechung durchgeführt.

Das waren schwierige Zeiten... die Mitarbeiter waren verunsichert, wir wussten nicht, ob wir aufgrund des Corona-Lockdowns schließen müssen, und gleichzeitig erhielten wir anfangs keine Ware mehr, weil die Handelsregister-Nummer mit dem Tod meines Bruders nicht mehr existent war. Das Unternehmen Lothar Zipse e.K. war erloschen, wir befanden uns in einer Grauzone.

Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, wurde ich dann Erbe des Unternehmens und konnte im Oktober 2020 die Aktivitäten in die neu gegründete Zipse GmbH & Co. KG überführen. Von da an lief alles wieder ganz normal. Ich bin nun Mehrheitseigner, alleiniger und verantwortlicher Geschäftsführer. Neben mir gibt es vier weitere Kommanditisten aus dem Führungskreis, die aber keine Entscheidungsgewalt haben, sondern stille Teilhaber sind.

Das heißt, Sie waren mit zahlreichen erbrechtlichen, juristischen und steuerlichen Themen konfrontiert, der Corona-Problematik und dann musste ja auch noch das Tagesgeschäft laufen...

Mit dem normalen Geschäft hatte ich praktisch gar nichts mehr zu tun, dafür blieb keine Zeit. So ganz nebenbei musste ich nämlich auch noch die Auflösung des Fachhandel-Standorts Rust abwickeln, den mein Bruder kurz vor seinem Tod verkauft hatte.

Aber die Mitarbeiter haben mich toll unterstützt, vieles alleine entschieden und erledigt. Auch wichtige Kunden sowie die Kooperationen haben mich in Ruhe gelassen. Genau nach einem Jahr riefen die ersten an und sagten zu mir, sie hätten alles verfolgt, nichts Negatives aus dem Markt über uns gehört, das heißt, wir hätten gute Arbeit geleistet.

Also nach einem Jahr waren die neuen Rahmenbedingungen geklärt und etabliert. Was waren dann Ihre nächsten Schritte, was haben Sie verändert?

Es waren eher kleine Veränderungen, in der Organisation und in den Abläufen. Und personell, vor allem im Vertrieb. Michael Bodemer ist dort in der Zwischenzeit hineingewachsen und trägt deshalb seit dem 1. Januar die komplette Verantwortung für den Außendienst, das Key Account Management und den Objektbereich. René Kopf führt weiterhin den Innendienst. Ich war ja früher Gesamtvertriebsleiter, das ist nun anders gelöst: beide sind auf einer Ebene, tauschen sich aus und sind gemeinsam dafür verantwortlich, dass der Vertrieb funktioniert.

Dann haben wir bereits Ende 2020 zwei neue Mitarbeiter für den Innendienst eingestellt und zwei weitere in der Buchhaltung. Ich wollte frühzeitig reagieren und ihnen genügend Zeit für die Einarbeitung geben, damit sie fit sind, wenn es wieder richtig ernst wird. Und jetzt sind sie alle eine Verstärkung. Das spiegeln uns auch die Kunden wider: Wir werden dafür gelobt, dass wir im Innendienst gut aufgestellt und immer erreichbar sind.

Und parallel haben wir ganz neue Sachen begonnen, zum Beispiel zur "Bau" im letzten Jahr eine neue Website mit unseren Neuheiten aufgesetzt, Webinare durchgeführt. Das waren Projekte meines Sohnes Jan und der Marketingabteilun und auch die haben alle bestens funktioniert.

Was noch dazu kam, war die Preissituation. Auch hier haben wir wieder etwas Neues ausprobiert: keine pauschale Preiserhöhung wie die meisten Marktbegleiter, sondern einen temporären Teuerungszuschlag - mit der Begründung, dass wir diesen variieren können, d.h. erhöhen, aber auch auch wieder zurücknehmen, also mit dem Markt reagieren können. Dafür bekamen wir zuerst heftig Gegenwind. Später mussten auch wir noch unsere Preise anpassen, da hatten viele andere aber schon mehrfach erhöht und zusätzlich einen Frachtkostenzuschlag erhoben.

Alle dachten, die Preise schießen nur vorübergehend nach oben und würden sich wieder normalisieren...

Das haben wir ja auch gedacht - deshalb der temporäre Teuerungszuschlag. Das war damals zu früh und zu weit gedacht - und nun, ein Jahr später, ist es normal. Mir war wichtig, gute Lösungen zu finden, die das Unternehmen nachhaltig stützen. Ich wollte und will für die Firma in die Zukunft denken. Wir sind jetzt wieder in gutem Fahrwasser, wir sind gestärkt, wir können liefern. Wir sind auch sehr flexibel durch unser breites Sortiment, können mal in die eine oder andere Richtung ausweichen. Das ist absolut positiv.

Und wir sind kein Produzent und auch nicht auf einen Lieferanten fixiert, sondern wir sind frei und arbeiten mit mehreren Lieferanten bzw. Produzenten zusammen. Das ist intern ein größerer Aufwand für uns, erfordert mehr Koordination und auch Erklärungen gegenüber den Kunden, wenn ein Produkt eine kleine Nuance anders ist oder ein bisschen anders im Maß ist. Aber wenn jemand ein Projekt in Arbeit hat und Ware braucht, kommt es nicht darauf an, ob die Diele 1 cm kürzer oder schmaler ist, sondern ob wir sie liefern können.

Aber wenn Sie sich bei mehreren Lieferanten bedienen, ist nicht Ihr Stellenwert beim einzelnen dann geringer, als wenn Sie ein Großkunde bei einem oder zwei wären?

Das ist schon richtig, aber was nützt mir ein höherer Stellenwert, wenn ich keine Ware bekomme? Wenn jemand mit einem großen Bedarf, den die eigene Produktion oder der Hauslieferant nicht bedienen kann, zu einem anderen Lieferanten geht, bei dem er jahrelang nicht geordert hat, und dort eine größere Menge bestellen will, wird dieser eher zu fünf kleineren Kunden stehen, die ihm immer treu geblieben sind. Und dann sind manche großen Anbieter eben nicht lieferfähig. Unsere Hauptlieferanten möchten wir weiterhin stärken und das Vertrauensverhältnis bewahren. Gleichermaßen wie bisher jedoch die Geschäftsbeziehung zu unseren kleineren Lieferanten/Produzenten aufrecht erhalten, um weiterhin lieferfähig sein zu können.

In welchem Zeitrahmen denn? Als normale Lieferzeiten für Parkett etwa gelten derzeit drei bis vier Monate...

Ich möchte jetzt nicht pauschal zu 100 % vier Wochen sagen... aber im Schnitt liegen wir bei vier Wochen. Es kann manchmal auch zwei Monate dauern, aber im Schnitt haben wir Lösungen und Möglichkeiten, Lieferungen in vier Wochen zu tätigen.

Und bei Kork, Linoleum-Böden und Ceralan herrscht im Moment auch noch eine zufriedenstellende Situation angesichts der Marktverhältnisse. Wobei diese nicht frei von Beschwerden, Ärger und zusätzlichem Zeitaufwand ist. Aber das geht ja nicht nur uns so, sondern auch anderen. Der Kunde bestellt nicht einfach nur die Ware, sondern ruft erstmal an und fragt, ob sie vorrätig ist. Dann die Koordination mit den Speditionen. Ein Spiel: Wir warten seit sechs Wochen auf eine Dämmkork-Lieferung aus Portugal, weil kein Lkw frei ist. Wir wären lieferbar, die Ware ist fertig - aber sie ist nicht da. Es gibt ja nicht nur Produktionsprobleme, sondern auch Logistikprobleme.

Aus dem Grund haben wir frühzeitig begonnen, Lager aufzubauen. Und noch Lagerfläche hinzugenommen. So haben wir in einem vorher nicht genutzten Lager in Offenburg zusätzliche 100 Palettenstellplätze geschaffen. Regelmäßiger Lkw-Verkehr stellt den internen Warenaustausch sicher. Im Moment verhandeln wir noch mit einer Spedition über Zwischenlager.

Sie haben vorhin "kleinere Veränderungen in der Organisation und den Abläufen" erwähnt. Welche sind das konkret?

Wir müssen immer berücksichtigen, dass die Zipse GmbH & co. KG zwei starke Vertriebsbereiche aufrecht erhält: Ziro, die Bodenmarke des beratenden Fachhandels und regional die drei ZIPSE-Fachhandelsstandorte. Zum Beispiel habe ich die insgesamt elf Abteilungsleiter stärker eingebunden und in die Verantwortung genommen. Unter anderem kümmert sich Michael John als Leiter der Abteilung Service mit seinem Team um Themen wie Qualitätsprüfung, Normen, die Herstellung der Präsenter und auch Reklamationsbearbeitung. Dann gibt es zwei Verantwortliche für den Einkauf samt der Eingangslogistik: Edgar Huber für das Korkthema und Designbeläge und Jürgen Heizmann für Holz und Zubehör. Gerda Wedelich leitet das Marketing, eine große Abteilung. Und mein Sohn Jan ist verantwortlich für den IT-Bereich, der komplett separiert wurde Diese Abteilung soll noch stärker autark werden und Veränderungen durchführen, etwa in Richtung papierloses Büro. Das nächste Ziel ist jetzt zunächst, das Lager zu digitalisieren. Vom jetzigen Fixplatzsystem werden wir mittels LVS-Lagerverwaltungssystem in das ein chaotisches Verfahren wechseln. Mein Bruder Stephan Zipse ist zuständiger Exportleiter.

Wir machen bewusst in dieser schlechten, schwierigen Phase unsere Hausaufgaben, damit wir gut aufgestellt und bereit sind, wenn der Markt wieder anzieht und nicht dann erst damit anfangen müssen. Ich trage ja Verantwortung: Verantwortung gegenüber 130 Mitarbeitern und ihren Familien und auch Verantwortung in der Region. Und dazu gehört, dass man das hält, was vorhanden ist und gleichzeitig vorausdenkt.

Wenn ich etwas mache und in Angriff nehme, hat das immer ein Ziel. Das lasse ich nicht aus den Augen, verfolge es und setze es um. Widerstände spornen mich dabei eher an. Ich habe keine Angst vor den nächsten zwei Jahren. Mir wird erst mulmig mit Blick auf 2024 und danach. Aber auch dann werden wir wieder Lösungen finden.

Warum?

Weil sich der Markt verändern wird, die Baukonjunktur, die Beschaffungssituation. Ich glaube, dass das Volumen im Neubau in ländlichen Regionen zurückgehen wird, d.h. die Branchen, die damit zu tun haben, werden ein Problem bekommen. Deshalb möchte ich jetzt schon auf die Renovierung aufmerksam machen. Wir haben die richtigen Produkte dafür und bedienen damit den Fachhandel, der zukünftig seine Verleger und Subunternehmen noch stärker einbinden muss. Denn ich sehe einen riesigen Bedarf in der Renovierung, vor allem in den ländlichen Regionen. Dort sind unzählige Häuser, die vor 1980 gebaut wurden und nun renoviert und auch energetisch saniert werden müssen. Das wird ein Thema werden. Ebenso in den Städten. Dort wird es zusätzlich noch um den Bau bezahlbarer Mietwohnungen gehen.

Und ein anderes Thema wird die Veränderung des Konsumverhaltens. Ich glaube, der Mensch wird sich wieder mehr disziplinieren und reduzieren müssen, auch einmal Verzicht üben. Im Moment wird dieser Verzicht über den Geldbeutel gesteuert, weil alles teurer wird. Man kauft etwas nicht mehr, weil es teurer geworden ist, aber würde es wieder billiger werden, kaufte man es sofort. So lernt man keinen Verzicht. Ich will dazu ein Beispiel sagen: So lange noch für eine Brezel mit dem Auto 500 m zum Bäcker gefahren wird, sind 2 EUR für den Liter Sprit noch nicht zu viel.

Man könnte es auch anders formulieren, positiver: Dass wir bewusster konsumieren, nachhaltiger und wertiger.

Ja, das wird sich ergeben - und trotzdem wird es Verlierer geben. Europa wollte Wohlstand für alle schaffen, aber nur Deutschland ist das wirklich gelungen. Dafür hinken wir in Deutschland woanders weit hinterher: in der Digitalisierung, in der Infrastruktur. Da sind uns andere Länder voraus. Uns war der Wohlstand wichtiger, alles immer noch billiger zu haben, unser Bestreben. Und das wird uns jetzt vorgeführt. Alles wird teurer und wir meinen, wir könnten uns das nicht mehr erlauben. Aber wir können es immer noch. Nur müssen wir etwas reduzieren, damit der Abstand zu den anderen Ländern wieder etwas geringer wird. Sonst bekommen wir innerhalb Europas ein Problem.

Es wird also Veränderungen geben, Entscheidungen, die etwas vorantreiben. Ich freue mich eigentlich auf die nächste Phase, weil ich sicher bin, dass wir gute Voraussetzungen haben. Und damit komme ich zu unserer Branche: Wir haben einen Wohnungsmangel, der noch größer wird durch die Flüchtlinge aus der Ukraine, die nicht alle zurückkehren werden. Viele werden hier bleiben. Und wir brauchen sie auch, denn wir brauchen Arbeitskräfte, wir brauchen Nachwuchs und unsere eigene Bevölkerung schrumpft. Wir beschäftigen bei uns bereits 16 Nationalitäten und bilden auch aus. Die wollen alle arbeiten, sind zuverlässig und firmentreu, zum Teil nur etwas anders in der Mentalität.

Mir ist auch aufgefallen, dass die Altersgruppen bei Ihnen sehr gemischt sind. Sie richten das Unternehmen gezielt auf die Zukunft aus?

Ja. Meine Zeit ist begrenzt, mit 63 hat man nicht noch 20 Jahre vor sich. Wir könnten genauso weitermachen wie bisher, das würde noch einige Zeit funktionieren und dann wären wir vielleicht in fünf Jahren aus dem Rennen. Das will ich nicht. Ich muss diese zwei Aufgaben meistern: Die Firma organisatorisch verändern, Abläufe anders gestalten und autark werden bzw. bleiben.

Wir haben viele erfahrene, langjährige Mitarbeiter, die weiterhin ihre Erfahrung einbringen und mit den Jungen teilen sollen. Und diese bringen ihrerseits etwas ein. So können wir die Stärken zusammenführen. Ich bin Mannschaftssportler, deshalb denke ich nicht hierarchisch, sondern in Gruppen und versuche, diese zu stärken. Jede Abteilung für sich soll stark sein und wir alle sind eine Mannschaft. Und die Mannschaft muss funktionieren. Die Dreierkette muss mit der Zweierkette zusammenarbeiten können, die Abwehr mit dem Sturm - das ist meine Vorstellung von einem Unternehmen.

Ich habe zwei Söhne, denen ich Zeit geben will, zu überlegen, ob sie das Unternehmen einmal weiterführen wollen. In vier oder fünf Jahren müssen sie diese Entscheidung treffen und dann würde ich beginnen, das zu übertragen. Vorher können sie machen, was sie wollen - hier mitarbeiten oder auch nicht. Und wenn sie sich in fünf Jahren dagegen entscheiden, habe ich immer noch ausreichend Zeit eine alternative Lösung zu finden. In sieben Jahren bin ich 70 Jahre alt und möchte das Unternehmen in guten Händen wissen.

Das ist nachhaltig und in die Zukunft gedacht. Ich möchte gern noch einmal auf Nachhaltigkeit in anderem Kontext zu sprechen kommen. Generell hat das Thema in der Corona-Pandemie einen deutlichen Schub erhalten. Spüren Sie das auch?

Ja, ganz deutlich. Vinyl hat bei uns immer noch einen Anteil von 50 %, aber natürliche Produkte - Holz, Kork, Linoleum, Ceralan - haben pari gezogen, die Nachfrage wird stärker. Wir haben spürbare Steigerungen im Holz und im Kork, auch Linoleum zieht wieder leicht an. Wobei man im Korkbereich unterscheiden muss zwischen bedrucktem Kork und Naturkork, aber in der Summe steigt die Nachfrage nach Kork. Ich freue mich darüber, weil wir ja daher kommen. Wir forcieren das Thema auch und zeigen, was man mit Kork alles machen kann: Wände, Decken, Schallschutz. Das wird spannend und interessant - und wir sind hier die Nr. 1.

Natürlich ist unser Ziel, noch mehr in Richtung Nachhaltigkeit zu gehen. Da sind wir verwurzelt, da verfügen wir über Wissen, Kompetenz und Möglichkeiten. So stellen wir im Unternehmen als nächsten Schritt einen Umweltbeauftragten ein, der sich gezielt um Umwelt, Ökologie und Nachhaltigkeit in unserem Haus kümmert. Und auf Produktseite kommen wir bald mit einer ganz neuen Entwicklung, die wir Naturalan nennen, komplett nachhaltig und rein aus Naturwerkstoffen.

Was heißt das?

Naturalan besteht aus einem HDF-Träger und einer bedruckten Decklage aus Naturfasern sowie Rollenkork als Gegenzug. Wir sind seit zehn Monaten mit dem Hersteller in einer Prüf-, Test- und Optimierungsphase, der extra dafür eine neue Maschine installiert hat. Ende Mai haben wir das Produkt unseren Mitarbeitern vorgestellt, im Juni ist die Anlage in Betrieb genommen worden.

Das klingt nach einer Neuentwicklung, die auch Marktbegleiter so oder so ähnlich angekündigt haben...

Ja, wobei ich kein Problem damit habe. Wir können mit einem neuen Produkt nur gewinnen, wenn Markt geschaffen wird. Und wir alleine können keinen Markt schaffen. Das ist ein komplett neues Thema, das auf die Nachhaltigkeit einzahlt, auch eine Alternative zu Holz und kann für alle eine positive Wirkung haben, wenn man nicht schläft. Nur wäre vielleicht eine konzertierte Aktion zur Markteinführung sinnvoll gewesen.

Wir sind übrigens schon wieder an neuen Themen für 2024 dran. Denn so gerne wir auf Kork setzen: Kork lässt sich ja nicht unendlich hochfahren. Wir können jedes Jahr ein paar Prozente darauflegen, aber es würde nicht funktionieren, wenn wir morgen das Doppelte verkaufen würden. So schnell wäre das Rohmaterial nicht lieferbar. Die Nachfrage muss gut und gesund wachsen.

Wie groß schätzen Sie den Korkmarkt in Deutschland aktuell?

Über 2 Mio. m2 auf jeden Fall, vielleicht sogar knapp 2,25 Mio. m2. Letztes Jahr hat er sich schon positiv entwickelt und dieses Jahr sind die Steigerungen noch deutlicher.

Nochmal zurück zu Naturalan. Das ist eine der interessanten Neuentwicklungen, die zeigen: Es gibt durchaus noch Innovationspotenzial bei Bodenbelägen.

Absolut. Ich glaube, dass irgendwann auch noch mal das Thema Vinyl kritisch diskutiert werden wird. Das ist nun mal ein Kunststoff. Und eins ist sicher: Wir können nicht alles mit Eiche abdecken. Also müssen wir wieder andere Hölzer ins Spiel bringen, vielleicht auch eher schnellwüchsige Bäume. Für micht steht zum Beispiel das Thema Bambus im Fokus, ein Gras, das sehr schnell wächst, auch bei uns wachsen würde, gute Eigenschaften hat, nur gefällt uns die Optik nicht so. Hevea wäre ein weiteres interessantes Produkt. Auch mit dem ganzen Schadholz müsste man etwas anfangen können.

Zur Nachhaltigkeit gehören nicht nur natürliche und nachwachsende Ressourcen, sondern auch geschlossene Produktkreisläufe, das heißt, Recycling und Wiederverwertung. Auch dafür haben Sie ein Konzept, gemeinsam mit Lico: Second Life. Wie funktioniert das, wird es angenommen?

Wenn jemand einen neuen Bodenbelag , der von Lico produziert wird, bei uns bzw. einem unserer Kunden kauft, nehmen wir seinen alten Boden zurück. Voraussetzung ist, dass es ein Klickprodukt mit einer HDF-Trägerplatte, Kork- oder Lino-Deckschicht oder ein mineralischer Designboden und schwimmend verlegt ist. Der Produzent spielt keine Rolle. Wir schicken unserem Kunden oder gegen geringen Kosten dem Endkunden eine Kiste, aus der er seinen neuen Bodenbelag entnimmt und den alten hineinlegt. Die Kisten kommen zu uns zurück und gehen dann ins Werk zu Lico. Lico übernimmt die Sortierung, nicht brauchbare Reste werden thermisch verwertet, das andere wird abgeschliffen, neu bedruckt, neu profiliert, fertig. Mit Vinyldecklagen ist das noch nicht möglich, weil es noch keine Maschine gibt, mit der sie sich vom HDF-Träger trennen lassen, aber auch daran arbeiten wir.

Wir bieten das jetzt seit September 2021 an und das ist schon ein Risiko für uns. Wir müssen das ein, zwei Jahre erproben und können dann ein Fazit ziehen. Jetzt legen wir erst einmal Geld dazu, weil es ein Service ist. Aber in zwei, drei Jahren wird das ohnehin Pflicht werden, also warum probieren wir es nicht schon jetzt? Und wissen dann, was wir noch besser machen können.
Das Interview führte Claudia Weidt Ende Mai.


Thomas Zipse, Jahrgang 1959, absolvierte zunächst Ausbildungen im Einzelhandel und der Versicherungswirtschaft bevor ihn sein älterer Bruder Lothar 1989 in sein Unternehmen holte. Dort leitete er über 30 Jahre lang den Vertrieb. Nach dem plötzlichen Corona-Tod von Lothar Zipse trat Thomas Zipse dessen berufliches Erbe an und überführte die vorherige Einzelgesellschaft in die neugegründete Zipse GmbH & Co. KG, deren Mehrheitseigner und Geschäftsführer er ist. Den zweifachen Familienvater - der ältere Sohn Jan ist für die IT im Unternehmen verantwortlich - zeichnet sein Teamgeist aus, den er als passionierter Fußballer, Vereinsvorstand und als Leiter einer Theatergruppe mitbringt.


Ziro
Zipse GmbH & Co. KG
Tullastr. 26, 79341 Kenzingen
Tel.: +49 (0) 764 91190 www.ziro.de, service@ziro.de

Gründung: 14.10. 2020, als Nachfolgeunternehmen von Lothar Zipse e.K.
(gegründet 1980)
Geschäftsführer: Thomas Zipse
Kommanditisten: Thomas Zipse, Jürgen Heizmann, Edgar Huber, Gerda Wedelich, Peter Zeidl
Vertriebsleitung: Michael Bodemer (Leitung Außendienst, Key Account Management), René Kopf (Leitung Innendienst)
Exportleitung: Stephan Zipse
Marketingleitung: Gerda Wedelich
Einkaufsleitung: Edgar Huber (Kork, Designbeläge), Jürgen Heizmann (Holz)
Verwaltungsleitung: Peter Zeidl
Leitung IT: Jan Zipse
Mitarbeiter (heute): 132, davon 5 Auszubildende
Umsatz (2021): 39 Mio. EUR, davon 75 % mit dem Vertrieb von Bodenbelägen, 25 % mit drei eigenen regionalen Filialen
Absatz (Bodenbeläge): 1,3 Mio. m2
Unternehmensbereiche:
- Ziro - Vertrieb von Bodenbelägen und Manufaktur
- Zipse Ausbau-Fachhandel in Kenzingen, Offenburg, Gundelfingen
Sortiment Ziro: Kork-, Parkett-, Linoleum- und Laminatböden, Vinyl- und mineralische Designböden, Terrassendielen, Korkwandbeläge, Kork-Dämmstoffe, Verlegezubehör
Kunden: Beratender Fachhandel der Branchen Holz, Baustoff, Bodenbeläge, Ökologische Baustoffe und deren Kooperationen und Einkaufsverbände.
aus Parkett Magazin 04/22 (Wirtschaft)