Holger Wiehle

Deckschichtablösungen – was steckt dahinter?

Bodenhandwerker stellen derzeit fest, dass es immer häufiger zu Deckschichtablösungen bei Mehrschicht-Parkett kommt. Schnell behauptet der Kunde, dass dafür Verlegefehler verantwortlich seien. Der Berliner Sachverständige Holger Wiehle geht den Ursachen für dieses Problem auf den Grund. Er gibt dem Verleger wertvolle Tipps, wie er beim Auftreten solcher Schäden später sicher argumentieren kann.

Glücklich sind Auftraggeber und Fachunternehmen, wenn Parkettelemente in dieser von Lieferschwierigkeiten und Materialknappheit geprägten Zeit pünktlich die Baustelle erreichen. Wenn der Parkettboden anschließend verlegt ist, sind alle zufrieden. Ein größeres Entsetzen tritt jedoch ein, wenn es zu Veränderungen am Holzfußboden kommt: Kopfschüttelnd steht der Verleger an einer sich aufschüsselnden Ablösungserscheinung einer Deckschicht-Lamelle - und vermutet oft Probleme mit überhöhten Untergrundtemperaturen. Der Auftraggeber spricht schnell von einem Verlegefehler. Meist hat ein Sachverständiger, der zu solch einem Ortstermin gerufen wird, die Beteiligten erst einmal darauf hinzuweisen, dass die Gefühls- von der Sachebene zu trennen ist.

Problem
Ablösungserscheinungen
an Holzfußböden

Deckschichtablösungen - auch als Delaminierung der Decklage bezeichnet - zeigen sich sehr unterschiedlich. So werden aktuell kurz nach der Verlegung und zu Beginn der bestimmungsgemäßen Benutzung zunächst vereinzelte Ablösungserscheinungen an Holzfußböden aus Mehrschicht-Parkettelementen festgestellt. Aber auch nach einer Nutzungszeit von mehreren Monaten sowie nach der zweiten oder dritten Heizperiode stellen sich derartige Erscheinungen ein.

Hintergrund
Drei Gründe kommen in Betracht

Die beschriebenen Deckschichtablösungen können folgende Ursachen haben:
-Unsachgemäße, permanent einwirkende physikalische Einflüsse, die die Festigkeit des Parkettmaterials schlicht und ergreifend überfordern. Hierzu zählen ungeregelte Fußbodenheizungs- oder Kühlungssysteme, die dauerhaft bei Betrieb unzulässige Temperaturen liefern. Auch deutliche Untertrocknung der Raumluftfeuchte in Verbindung mit kurzzeitigen intensiven Reinigungsmaßnahmen, bei dem der untertrocknete Naturwerkstoff Holz kurzzeitig massiv aufgefeuchtet und infolge wieder zügig rücktrocknet, lassen enorme Holzspannungen entstehen.

-Ermüdungserscheinung der Verbindung zwischen Nutzschicht und Trägerschicht mit Verklebungsversagen nach einer unbestimmten Nutzungszeit ohne schadensprovozierende Feuchte- oder Temperatureinflüsse. Klebstoffe mit Ermüdungserscheinungen, die eigentlich die feste Verbindung zwischen Träger und Nutzschicht langfristig sicherstellen sollen, sind Materialfehler. Diese müssen meist mit aufwendigen und kostenintensiven labortechnischen Untersuchungen festgestellt und bestätigt werden.

-Verklebungsversagen aufgrund von Fehlern im Fertigungsverfahren. Eine fehlerhafte Verklebung der Decklamelle ist meist bei der Verarbeitung auf der Baustelle kaum sichtbar. Ursachen für die hier genannten Fehler können in einer kurzfristig veränderten Rezeptur der Klebstoffmaterialien, aber auch in Fehlern der maschinellen Fertigung zu finden sein.

Mein Tipp
Ergebnisse der Prüfpflichten protokollieren

Genau wie ein Handwerker bei einem Mehrschicht-Fertigparkett nicht sicher die Holzfeuchte zum Lieferzeitpunkt feststellen kann, ist es ihm auch nicht möglich, die Festigkeit der Decklagen-Verklebung zu überprüfen. Er muss auf die Güte des ihm gelieferten Materials vertrauen. Sofern einem schon bei der Verlegung Anzeichen einer Ablösungserscheinung auffallen, ist die Arbeit zu stoppen sowie der Vertriebspartner oder Hersteller mit entsprechenden Bedenken zu kontaktieren.

Die heutige enorme Geschwindigkeit des Bauens bewirkt zumeist, dass auch aus Sicht der Planer versucht wird, die Bauphysik zu überlisten. Dies geschieht mit erhöhten Temperaturen und Feuchtewerten, die ein Funktionieren der Baustoffe nicht nur an ihre Belastungsgrenze, sondern auch darüber hinaus bringt - und somit überbeansprucht.

Um bei späteren Reklamationen sicher argumentieren zu können, sollte der Handwerker die Ergebnisse seiner Prüfpflichten protokollieren. Des Weiteren ist empfehlenswert, dass er vor, während und nach der Erstellung der Werkleistung äußerst genau, wie in einem Bautagebuch, die Umgebungssituation mit allen relevanten festzustellenden Werten nachvollziehbar dokumentiert: dazu zählen Raumtemperatur, relative Luftfeuchtigkeit und Bodentemperatur - aber auch die Baustellensituation.

Da die Häufigkeit von Delaminierung der Decklagen von Mehrschicht-Elementen zugenommen hat, ist es empfehlenswert, seinen Lieferanten oder Hersteller darauf anzusprechen. Die so erhaltenen Auskünfte dürften jedem Handwerksbetrieb die notwendige Entscheidung erleichtern, sein eigenes unternehmerisches Risiko zu minimieren. Dem entgegen steht, gerade in der aktuellen wirtschaftlichen Situation, dass dem Bodenhandwerker in absehbarer Zeit keine besonders große Auswahl an Lieferungsalternativen zur Verfügung stehen wird. Hier ist keine zeitnahe Besserung in Aussicht.
Deckschichtablösungen – was steckt dahinter?
Foto/Grafik: Wiehle
Das Bild zeigt deutlich eine Aufstellungserscheinung der Deckschicht aus Eiche an einer Schmalseite eines dreischichtdicken Fertigparkett-Elements (Landhausdiele).
Deckschichtablösungen – was steckt dahinter?
Foto/Grafik: Wiehle
Im Schadensfall zeigen sich solche Überzahnungen mit einer beweglichen Deckschicht.
Deckschichtablösungen – was steckt dahinter?
Foto/Grafik: Wiehle
In diesem Fall konnte die Deckschicht-Lamelle sogar händisch abgehoben werden.
Deckschichtablösungen – was steckt dahinter?
Foto/Grafik: Wiehle
Schon bei der Verlegung können solch sichtbare Ablösungserscheinungen zwischen Träger- und Nutzschicht auftreten.
Deckschichtablösungen – was steckt dahinter?
Foto/Grafik: Wiehle
Der Autor und
Sachverständige
Holger Wiehle

Parkett Wiehle GbR
Mendelstr. 1
13187 Berlin
Tel.: 0 30 / 47 55 35 93
holger@wiehle.berlin
www.parkett-wiehle.de

Bestellung: von der Handwerkskammer Berlin öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Parkettleger-Handwerk

Vita:
-Tischler und
Parkettlegermeister

-seit 2008: Geschäftsführer Parkett Wiehle in Berlin (zusammen mit seinem Bruder Christian)

-seit Oktober 2021: Obermeister der Innung Parkett und Fußbodentechnik Nordost

-seit Mai 2022: Stellvertretender Bundesinnungsmeister (BVPF)

-Leiter der Meisterschule Berlin

-Mitglied der Bundesfachgruppe Sachverständigenwesen des BVPF und BVS
aus FussbodenTechnik 04/22 (Wirtschaft)