Kügele: Claudius Proll setzt auf eine Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit

"Wir machen Zubehör zu unserer Hauptsache"

Der Wunsch von Objekteurs- und Handwerkskunden führte bei Kügele 2021 zum größten Umbruch in der Unternehmensgeschichte, wie der Geschäftsführende Gesellschafter Claudius Proll im Interview berichtet: Der österreichische Leisten- und Profilehersteller launchte einen modernen B2B-Webshop plus Webseite - mit dem Ergebnis einer permanenten Erreichbarkeit sowie einer Vervielfachung der Kundenkontakte. Warum Kügele während der Corona-Pandemie und trotz gestörter Produktionsketten lieferfähig blieb, verrät der 49-Jährige in FussbodenTechnik.

FussbodenTechnik: Wie beurteilen Sie den Ausblick auf die Baukonjunktur 2023?

Claudius Proll: Wir gehen davon aus, dass es im privaten Wohnungsbau dramatische Rückgänge geben wird, weil es sich zahlreiche Bauherren zur Zeit nicht leisten können zu bauen. Insofern wird es die nächsten Jahre mehr als bisher um das Sanieren und Renovieren von vorhandenen Wohnräumen gehen. Man kann dieser Entwicklung durchaus auch etwas Positives abgewinnen: Für die Nachhaltigkeitsbilanz ist es sicherlich besser, ein altes Gebäude alle 20 Jahre grundlegend zu renovieren als immer gleich neu zu bauen.

FT: Inwieweit beeinträchtigen gestörte Lieferketten Ihr Geschäft?

Proll: Natürlich sind wir auch - wie alle Zubehörlieferanten - von gestörten Lieferketten betroffen. Es ist uns aber in den vergangenen 30 Monaten nahezu durchgehend gelungen, unsere volle Lieferfähigkeit aufrecht zu erhalten, weil wir bereits im Jahr 2017 von Halbfertigprodukten auf ein Fertigwarenlager umgestellt haben. Während der Pandemie hatten wir einen Produkt-Bestand von drei bis sechs Monaten in unserem Fertigwarenlager vorrätig, von dem wir gezehrt haben. Gleichzeitig haben wir Teile unserer Produktionen von China in andere asiatische Länder und nach Europa verlagert. Mittlerweile sind unsere Bestände wieder deutlich aufgefüllt und wir können richtig durchstarten.

Wir haben permanent 1,2 Mio. lfm. Fertigware auf Lager. Da wir zwei große Neukunden gewinnen konnten, haben wir die bisherigen Bestände von 1 Mio. auf 1,2 Mio. lfm. angehoben.

FT: Die Leser von FussbodenTechnik sind vorwiegend im D/A/CH-Markt zuhause. Welche Bedeutung hat dieses Vertriebsgebiet für Kügele?

Proll: Deutschland und Österreich haben für uns eine ganz zentrale Bedeutung, sie sind unsere stärksten Märkte. Dazu kommen noch die angrenzenden Länder Schweiz, Ungarn, Slowakei, Slowenien und Kroatien. Für alle gilt: Überall dort steht für uns der Handwerker im Vordergrund. Das Spektrum reicht vom Ein-Mann-Betrieb bis zum großen Objekteur.

FT: Wie viele Außendienstmitarbeiter hat Kügele?

Proll: Wir beschäftigen fünf Außendienstmitarbeiter, die anders als beim Wettbewerb nach Schwerpunkten bei den Kunden aufgeteilt sind: Der eine Vertriebsmitarbeiter ist spezialisiert auf Parkett, der andere auf Teppichboden und elastische Beläge. Die Zuteilung können wir deshalb so organisieren, weil wir eine enorme Investition in unseren B2B-Webshop und in unsere Webseite www.kuegele.com getätigt haben. Ein Jahr nach dem Start verzeichnet der Webshop heute bereits 500 registrierte Gewerbekunden und deren Anzahl wächst jede Woche weiter.

FT: Was kann der Webshop leisten und welche Vorteile bietet er?

Proll: Das Zusammenspiel aus Webseite und Webshop funktioniert so: Unsere Webseite dient als zentrale Informationsquelle, hier findet der Kunde Informationen zu allen Produkten inklusive technischer Datenblätter und in Kürze auch Ausschreibungstexte, CAD-Files usw. Der Webshop bietet registrierten Kunden die Möglichkeit, Angebote für jeden Artikel einzuholen, den wir bei Kügele führen, und auch gleich online zu bestellen - und zwar dann, wenn sie sich die Zeit dafür nehmen können. Wir registrieren zahlreiche Webshop-Bestellungen am Wochenende. Die Kunden können dabei Verfügbarkeits-Ampeln checken und ihre persönlichen Konditionen einsehen. Sehr praktisch ist auch, dass man innerhalb eines Projekts Lieferadressen und Bestellungen für verschiedene Baustellen verwalten kann. All das hat letztlich dazu geführt, dass der Außendienstbesuch bei Kügele einen neuen Stellenwert erhält, weil online bereits eine umfassende Servicequalität bereitsteht.

FT: Nehmen die Kunden die digitale Bestellmöglichkeit an?

Proll: Wir haben diesen Schritt zu einer digitalen Rund-um-die-Uhr-Bestellmöglichkeit gemeinsam mit unseren 50 größten Objekteurskunden entwickelt - und es ist tatsächlich der größte Umbruch, den ich in den vergangenen 30 Jahren im Zubehörgeschäft begleite. Die Zeit der Pandemie hat die Entwicklung sicherlich beschleunigt. Obwohl wir unser Team von neun auf fünf Außendienstmitarbeiter reduzierten, erreichen wir dank des Onlinegeschäfts eine deutlich höhere Frequenz. Ich bin sicher, dass wir diesen Erfolg selbst mit einer Verdreifachung des Außendienstes nicht geschafft hätten.

FT: Das Geheimnis liegt wahrscheinlich darin, dass ein Objekteur jetzt immer dann bestellen kann, wenn er Zeit hat.

Proll: Ganz egal, ob ein Objekteur in zehn Einfamilienhäusern Bodenbeläge verlegt oder 5.000m2 Büroräume im Objekt - alle Handwerker haben tagtäglich eine Vielzahl von Terminen und können nicht darauf warten, einen Lieferanten zu erreichen. So ist unser B2B-Webshop entstanden, der 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche verfügbar ist. Was ist für einen Objekteur wichtig? Die 1. Frage lautet: Ist das Produkt verfügbar? 2. Ist es in ausreichender Menge verfügbar? 3. Kann ich den Bestellprozess möglichst einfach abwickeln? Bei Kügele kann der registrierte Kunde auf 3.000 Artikel zugreifen. Das funktionierende Produkt und seine hohe Qualität wird vom Kunden vorausgesetzt. Langfristig setzt sich derjenige Anbieter durch, der die höchste Servicequalität bietet. Wir werden in unserem Webshop alle sechs Monate weitere Updates zur Verfügung stellen, damit der Bestellprozess für die Kunden noch einfacher wird. Nach 55 Jahren Kügele kann man festhalten: Früher stand das Produkt selber im Mittelpunkt. Heute ist es das Produkt plus die passende Servicequalität.

Eine Geschichte vielleicht noch Rande: Wir haben in diesem Jahr erstmalig eine Boden-Roadshow gemeinsam mit den Unternehmen Mapei, Meyer Parkett und Gerflor veranstaltet, die wir künftig einmal jährlich etablieren möchten. Der Tenor im Austausch mit unseren Kunden lautete: Für das bodenlegende Handwerk sind Leisten und Profile nur ein Detail am Rande - wir von Kügele machen es zu unserer Hauptsache. Für uns steht ohne Zweifel fest: Ist eine Sockelleiste richtig gewählt, kommt der Boden ganz anders zur Geltung.

FT: In unserer Branche geht es aktuell besonders um nachhaltige Produkte. Was halten Sie davon, wenn bei Aluminium-Profilen auf recycelte Rohstoffe gesetzt wird?

Proll: Das ist natürlich zu begrüßen. Denn bei der Erzeugung von Sekundär-Aluminium werden 90 bis 95 % an Energie im Vergleich zur Erzeugung von Primär-Aluminium eingespart. Es ist mittlerweile keine Seltenheit mehr, dass fertige Pressbolzen bis zu 70 % Sekundär-Aluminium enthalten. Kügele sammelt daher Ausschuss und Aluminiumreste, die bei der Produktion oder beim Bohren und Stanzen anfallen, und führt diese wieder dem Produktionsprozess zu. Das machen aber alle Anbieter so und ist nichts Besonderes. Aluminium-Barren enthalten immer einen gewissen Anteil an recyceltem Aluminium.

FT: Wie entwickeln sich Leisten- und Profile-Trends im Objekt und beim privaten Bauen?

Proll: Im Objektgeschäft steht die schnelle Montage im Mittelpunkt. Je einfacher und schneller eine Schraube sitzt, umso besser. Wichtig sind auch Eigenschaften wie Brandschutz und Feuchtigkeitsresistenz. Architekten wollen im Objekt vielfach unsichtbare Leisten in Edelstahloptik und bevorzugen Unterputz-Leisten. Dafür haben wir gerade ein Produkt entwickelt und zum Europa-Patent angemeldet, das wahlweise auf oder unter dem Putz eingesetzt werden kann. Beim privaten Bauen geht es zunehmend um Opulenz: Bei uns sind es die Manufaktur-Leisten, die bis zu 20 cm hoch sind. Bei den Eloxalfarben der Alu-Profile dominiert Silber mit 85 %, gefolgt von Edelstahl mit 10 % und die letzten 5 % teilen sich Gold und Bronze.

FT: Sie haben vor einem Jahr gesagt, dass Sie in fünf Jahren der Marktführer in D/A/CH für das bodenlegende Handwerk sein wollen. Halten Sie daran fest?

Proll: Daran halten wir fest und wir sind auf Kurs. Wir wollen 2027 Marktführer im bodenverlegenden Handwerk in der D/A/CH/-Region sein. Wir haben 2021 bereits unsere Marktanteile vergrößert und verfolgen eine Reihe von Wachstumsplänen. Wir erwarten im kommenden Jahr einen weiteren Wachstumsschub. Am meisten wachsen möchten wir beim klassischen Objekteur. Für diese Zielgruppe haben wir den Kügele Profikoffer entwickelt, der sechs Einschübe enthält und 315 Artikel zeigt. Rund 200 Koffer haben wir bereits an Objekteure und große Handwerker verkauft. Bei aller Digitalisierung ist der Profikoffer für mich analoges Leben, weil man die Produkte in die Hand nehmen kann. Das ist bei aller Digitalisierung immer noch wichtig. Wir haben zusätzlich noch einen kleineren Trend-Koffer, der die 60 wichtigsten Kügele-Produkte zeigt.

Ich kenne keinen Anbieter, der einen vergleichbaren Webshop mit diesen Servicequalitäten unterhält. Wir freuen uns auf die Messe BAU in München im April 2023, wo wir die Vielzahl unserer digitalen Angebote zeigen werden. Es wird auf 85 m2 ein Messestand besonders für Objekteure und Handwerker sein.
"Wir machen Zubehör zu unserer Hauptsache"
Foto/Grafik: Kügele
Claudius Proll präsentierte den Profikoffer für die Zielgruppe Objekteure und Handwerker, den man als Trolley komfortabel hinter sich herziehen kann.
"Wir machen Zubehör zu unserer Hauptsache"
Foto/Grafik: Kügele
Gemeinsam mit Mapei, Meyer Parkett und Gerflor veranstaltete Kügele 2022 erstmalig eine Boden-Roadshow, die künftig einmal jährlich stattfinden soll.
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Foto/Grafik: Kügele
Claudius Proll – zur Person, Geschäftsführender Gesellschafter

Claudius Proll leitet seit 2018 als alleiniger Geschäftsführender Gesellschafter das 1965 von seinem Großvater Matthias Kügele gegründete Familienunternehmen in dritter Generation. Bis heute befindet sich Kügele zu 100 % in Familienbesitz: Während Claudius Proll aktuell 25 % an dem österreichischen Leisten- und Profilehersteller hält, fungiert seine Mutter Dagmar Gross-Kügele als Hauptanteilseignerin (75 %). An der deutschen Schwestergesellschaft M. A. Kügele im bayerischen Oberschleißheim halten zudem seine beiden jüngeren Schwestern Beteiligungen.

"Wir machen Zubehör zu unserer Hauptsache"
Foto/Grafik: Kügele
Kügele stellte bereits 2017 von Halbfertigprodukten auf ein Fertigwarenlager um. In Zeiten von Lockdown und Corona-Pandemie waren die Österreicher dadurch permanent lieferfähig.
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Foto/Grafik: Kügele
Der Kügele B2B-Webshop bietet registrierten Kunden die Möglichkeit, sich selber Angebote für Profile und Sockelleisten zu erstellen. Die Handwerkskunden können Verfügbarkeits-Ampeln checken und ihre persönlichen Konditionen einsehen – und das rund um die Uhr und sieben Tage die Woche.
"Wir machen Zubehör zu unserer Hauptsache"
Foto/Grafik: Kügele
Der Kügele Profikoffer enthält sechs Einschübe und zeigt 315 Artikel speziell für Objekteure.
aus FussbodenTechnik 06/22 (Wirtschaft)