Paulig Teppiche, Schwarzach

Modernes Familienunternehmen auf fünf Kontinenten

Der Handwebteppich-Spezialist Paulig arbeitet als echte Manufaktur: Er baut eigene Spinnmaschinen, Webstühle, spinnt und webt selbst - und ist bald noch internationaler vertreten. Gleichzeitig sind und bleiben die Franken ein Familienunternehmen, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt und dem sein Team entsprechend treu ist. Seit Juli ist hier eine neue, junge und sehr engagierte Co-Geschäftsführerin am Start: Theresa Paulig. An der Seite ihres Vaters Thomas Paulig führt sie das Unternehmen in eine Zukunft, die Handarbeit mit Digitalisierung vereint, Internationalität mit Nachhaltigkeit, Online-Branding mit Treue zum stationären Handel.

Eine gute Vorbereitung kann Prozesse enorm beschleunigen - durchaus auch mal um zwei Jahre. So weit ist der Handweber Paulig seiner Planung gerade voraus, was den Generationswechsel im Familienunternehmen anbelangt: Dieses Jahr, im Juli 2021, ist Thomas Pauligs Tochter Theresa in die Geschäftsleitung eingestiegen (geplant war 2023); seit 2018 ist sie aktiv im Unternehmen und hat diese Zeit genutzt, alle Bereiche von der Pike auf kennenzulernen. Und jetzt schon macht sich ihre Präsenz im Unternehmen deutlich bemerkbar, gerade in Sachen Branding und Marketing: "Es geht mir darum, die Marke Paulig mit Emotionalität zu transportieren, die Story hinter unseren tollen, fairen Produkten zu erzählen - und damit gerade auch die Endverbraucher zu erreichen", erklärt Theresa Paulig, die bis 2017 in München Markenmanagement studierte, anschließend noch ihren Master in Family Entrepreneurship machte und vor ihrem Einstieg bei Paulig für verschiedene Modeunternehmen tätig war.

Der Einzelhändler steht
weiter im Mittelpunkt

Entsprechend fließen ihre Erfahrungen aus der sehr beweglichen und online-affinen Modebranche ins Familienunternehmen ein. Um die Sozialen Medien zu bespielen, stellte Paulig etwa eine Marketing-Spezialistin aus der Modebranche ein. Ganz wichtig: Bei diesem sogenannten Online-Branding geht es darum, Paulig als starke, begehrliche Marke in den Köpfen der Konsumenten aufzubauen, keinesfalls aber um den Direktverkauf von Teppichen. "Im D/A/CH-Bereich stellen wir weiterhin den Einzelhändler in den Mittelpunkt", so Thomas Paulig. "Mit unseren Internet-Aktivitäten unterstützen wir ihn; wer die Teppiche kaufen will, findet über die Händlersuche auf unserer Website Ansprechpartner in der Nähe." Eine Sonderstellung hat dabei der erste Paulig-Flagshipstore in der Münchner Innenstadt (siehe "Drei-Marken-Strategie").

Pauligs Branding ist erfolgreich und fußt auf einem starken Fundament: Bereits zweimal hintereinander wurden die Handweber von der Tageszeitung FAZ als besonders begehrte und sympathische Teppichmarke ausgezeichnet; dem liegt eine ausführliche Online-Analyse des Verbraucherverhaltens im Internet zugrunde.

Zukunftsstrategie: Paulig agiert global

Die Geschäftsstrategie bis 2025 haben Theresa und Thomas Paulig bereits konkret durchgeplant: International werden Paulig-Produktionsstätten ausgebaut oder entstehen neu; ein die Welt umspannendes Vertriebsnetz mit entsprechenden Verkaufsbüros soll Kunden in drei Wirtschaftszonen marktnah betreuen: erstens in Europa, dem Nahen Osten und Afrika, zweitens in Asien und Australien, drittens in Nord- und Südamerika (siehe Extrakasten).

Die Produktionsstandorte Ungarn und Marokko beliefern dann zukünftig vor allem Europa und Afrika/Nahost. Für den amerikanischen Markt wird derzeit ein weiterer Handweb-Produktionsstandort in Guatemala aufgebaut; das Verkaufsbüro für Nordamerika (im kanadischen Vancouver) eröffnet im Juli 2022. Eine Erweiterung der Produktionskapazitäten in Asien (Nepal, Indien oder Vietnam) ist für 2023 geplant. "Dadurch arbeiten wir viel nachhaltiger, weil wir unsere Teppiche nicht mehr um die halbe Welt schicken müssen", sagt Theresa Paulig. "Gleichzeitig sparen wir Transportkosten und halten die Lieferzeiten kurz. Gerade bei Individual-Anfertigungen ist das wichtig." Die machen zurzeit rund 60 % bei Paulig aus, Tendenz: steigend.

Der Paulig-Handwebteppich:
mit Struktur, flach oder mit Flor

Handwebteppiche stellt Paulig seit Jahrzehnten mit viel Knowhow her. Deutlich über 90% des Umsatzes erzielt man mit dieser Fertigungsart, denn der Schurwoll-Handwebteppich ist das Erfolgsprodukt der Branche. Er wird aus nachhaltigen Materialien handgefertigt und ist dabei immer noch gut bezahlbar. Individualität und Maßanfertigungen stehen weiterhin im Fokus. Und das Produktportfolio ist beachtlich: Die meisten Paulig-Handwebteppiche sind flachgewebt, aber es gibt sie auch mit dickem bis sehr dickem Flor, der an Spaghetti oder gefüllte Lakritzstangen erinnert (Salsa Flor). Die Flachgewebe wiederum zeigen verschiedene Bindungsarten von schlicht bis plastisch. Manche erinnern an eine (angenehm weiche) Fläche aus Kieselsteinen (Salsa Stone); bei anderen bringen schwarze Kettfäden die Farben besonders schön zum Leuchten und unterstreichen gleichzeitig die Webstruktur (Beat Kollektion). Die Paulig Farbpalette wurde deutlich erweitert, besonders im Bereich der Natur- und Grautöne, aber auch viele dezente, farbige Garne sind neu hinzugekommen. Das melierte Wollgarn wirkt in dezenten Sand-, Braun- und Steintönen besonders natürlich - oder besonders ausdrucksstark und frisch in Farben wie Karminrot, Salbeigrün oder Hellgelb. Bei der Qualität Star Swing umhüllt schimmernde Viskose das Wollgarn und lässt die Teppichoberfläche sanft glänzen.

Ein Unternehmen, drei Marken

Mit seinem umfangreichen Teppichportfolio steht Paulig stabil auf drei Beinen: Die Unternehmensbereiche heißen "Paulig since 1750", "Haro Teppiche" und "Private Label".

"Paulig since 1750" ist die vielfältigste Marke. Sie umfasst vor allem die bekannten Paulig-Handwebteppiche aus reiner Schurwolle, darunter die Klassiker und Kernkollektionen Salsa (Naturkette) und Beat (mit schwarzer Kette). Hinzu kommen verschiedene Kapselkollektionen wie die Hochwert-Designerteppiche der Serie Makalu (Nepal-Handknüpf) oder die Berber-Kollektion aus Marokko. Der Markenauftritt der "Paulig since 1750"-Kollektionen wird von Paulig selbst gestaltet; das gilt etwa für Produktbilder und Website. Darüber hinaus werden Teppiche dieser Marke ausschließlich über ausgewählte Händler vertrieben.

Bei der Marke Haro läuft das etwas anders. Mit ihren Kernkollektionen Africa und City stellt sie zwar auch Handwebteppiche aus reiner Schurwolle in den Mittelpunkt, allerdings ist die strategische Ausrichtung eine andere: Einzelhändler können sie individuell in ihre Webshops einbinden und auch das Marketing selbst gestalten (mit Unterstützung durch Paulig); außerdem findet hier kein selektiver Vertrieb statt. Viele Haro-Kunden sind Raumausstatter, aber auch Möbelhäuser und Fachmärkte verkaufen Haro-Teppiche.

Das Private-Label-Programm schließlich wendet sich an größere Möbelhaus- und Fachmarktketten, die Handwebteppiche unter ihrer eigenen Marke verkaufen wollen.

Einen ganz besonderen Auftritt hat die Marke "Paulig since 1750" in München: Im Flagshipstore zwischen Bayerischem Hof und Lenbachplatz verkauft das Ehepaar Katja und Werner Rechenauer ausschließlich Teppiche dieser Marke zur unverbindlichen Preisempfehlung, ohne Rabatte. Und was sagt der Münchner Teppich- und Möbelhandel dazu? "Dem gefällt das", meint Thomas Paulig und erzählt von einem anderen Teppichanbieter, der vor einigen Jahren ebenfalls einen Flagship-Store in München eröffnet hatte. "Vom Teppich-Einkaufsleiter eines großen Hochwert-Möbelhauses bei München habe ich gehört, dass sie genau in dieser Zeit besonders viele Teppiche verkauft haben. Kaum hatte der Flagship-Store wieder geschlossen, sind die Teppich-Verkaufszahlen mit dieser Marke im Möbelhaus zurückgegangen." Da sei ihm bewusst geworden, welche Öffentlichkeitswirksamkeit so ein Geschäft mitten in der Innenstadt habe.

Nachhaltiger Familienbetrieb

Drei große Marken, die international an mehreren Standorten hergestellt und vertrieben werden, das sind beachtliche Pläne. Gleichzeitig will Paulig kein Großkonzern werden, sondern ein Familienunternehmen bleiben - ein "Fair Player mit bodenständigen Werten und eigener Ästhetik."

Das Fairplay setzt sich aus zwei Aspekten zusammen: Da ist erstens die Nachhaltigkeit der Produktion, zweitens die soziale Verantwortung. "Als Material ist Schurwolle schon mal mit das Nachhaltigste, was es gibt - natürlich und nachwachsend", sagt Theresa Paulig. Gefärbt wird schwermetallfrei mit streng kontrollierten Produkten; die Teppiche sind in sehr geringer Dosierung mit geruchsneutralen, als unbedenklich zertifizierten Mitteln vor Mottenbefall geschützt. Mit einer marktnahen, umweltverträglichen Produktion und kurzen Lieferketten will man den ökologischen Fußabdruck weiter verringern.

Soziale Verantwortung übernimmt Paulig für seine Mitarbeiter. "Der Mensch steht im Mittelpunkt. Jeder ist ein wichtiger Teil des Ganzen" - so lautet die Philosophie des Unternehmens. Entsprechend treu sind die Mitarbeiter ihrem Arbeitgeber. "An unseren Produktionsstandorten arbeiten die Menschen zum Teil schon in zweiter Generation", erklärt Thomas Paulig.

In Marokko sorgt das Unternehmen beispielsweise für einen zuverlässigen Transport zur Arbeit und wieder nach Hause - zumal wegen Corona vielerorts der öffentliche Nahverkehr ausgefallen ist. Außerdem ist Paulig langjähriger Partner der Non-Profit-Organisation STEP, die sich für faire Arbeitsbedingungen in der Teppichfertigung einsetzt und die Gegebenheiten regelmäßig vor Ort überprüft. Auch das ist eine Investition in die Zukunft.


Paulig von 1750 bis heute
1750
Gründung der ersten Weberei durch den Tuchwebermeister Johann Christian Paulig; fast zwei Jahrhunderte lang stellt Paulig ausschließlich Stoffe her.

1945
Willi Paulig stellt fünf selbstgebaute Webstühle bei Landwirten auf, die damit in den Wintermonaten Fleckerlteppiche weben - aus alten Fallschirmen aus dem Zweiten Weltkrieg

1972
Willi Pauligs Sohn, der Textilingenieur Wilfried Paulig, übernimmt die Geschäftsleitung eines Unternehmens mit inzwischen 200 Mitarbeitern und baut eine Produktion in Marokko auf

1988
Wilfried Pauligs Söhne Thomas und Christian Paulig treten in das Unternehmen ein. Beginn der Internationalisierung von 10% Exportanteil auf heute 50%

1991
Aufbau der Produktion in Ungarn; immer stärkere Umstellung auf Maßanfertigungen nach Kundenwunsch

1994
Thomas Paulig kauft das Unternehmen von seinem Vater und Onkel

2003
Paulig übernimmt Haro-Teppiche

2004
Christian Paulig wird Mitgesellschafter und die Firma Paulig Marokko Textile (PMT) wird gegründet. Bau des neuen Firmensitzes in Schwarzach am Main

2006
Paulig übernimmt Makalu Design

2018
Theresa Paulig tritt in das Unternehmen ein

2021
Theresa Paulig wird Geschäftsführende Gesellschafterin zusammen mit ihrem Vater Thomas Paulig
Modernes Familienunternehmen auf fünf Kontinenten
Foto/Grafik: Paulig
Beat Dance. Paulig
Modernes Familienunternehmen auf fünf Kontinenten
Foto/Grafik: Paulig
Theresa und Thomas Paulig
Modernes Familienunternehmen auf fünf Kontinenten
Foto/Grafik: Paulig
Paulig – der Vertrieb

Paulig hat den Vertrieb neu organisiert und breiter aufgestellt: weniger hierarchisch, mit größerem Netzwerkcharakter und mehr eigener Gebietsverantwortung für die jeweiligen Bereichsleiter im D/A/CH-Gebiet.

Chief Sales Officer ist Thomas Graf, der in dieser Position vor allem das internationale Geschäft betreut.
Werner Stanelle ist als Geschäftsführer der Paulig Hungarpet Kft. für Osteuropa und internationale Großkunden zuständig. Verkaufsleiter mit Fokus auf Deutschland, Österreich und Skandinavien ist Frank Gossmann. Das Team wird vervollständigt durch Oliver Neubert als Key-Account und Markenmanager Haro/Private Label, Thomas
Kretzler (Vertriebsgebiet Süd-West-Deutschland), Thorsten Stöcker (Vertriebsgebiet Norddeutschland), Christian Maas (Vertriebsgebiet Westdeutschland) und Edith Reisinger (Markenmanagerin Makalu & Vertriebsgebiet Deutschland Mitte).
Modernes Familienunternehmen auf fünf Kontinenten
Foto/Grafik: Paulig
Die Produktion: Vom Schaf zum fertigen Teppich

Paulig ist eine echte Manufaktur und begleitet den Produktionsprozess vom Schaf (bzw. von der Rohwolle) bis zum fertigen Teppich. Auch die Spinnmaschinen und Webstühle baut Paulig selbst. Die Wolle stammt zu rund 95 % aus Neuseeland; für besondere Effekte wird gröbere Karakul-Wolle aus Europa oder Afrika beigemischt.

Derzeit produziert Paulig in Ungarn (Handwebteppiche), Marokko (Handwebteppiche und Berber-Knüpfteppich) und Nepal (hochwertige Designer-Knüpfteppiche). Ab 2022 kommen neue Produktionsstandorte hinzu: zunächst Guatemala, dann auch Indien oder Vietnam. Zusätzlich werden die bestehenden Produktionen erweitert.

Kernkollektionen wie Salsa und Beat (Paulig since 1750) oder Africa und City (Haro) sollen an allen Produktionsstandorten gefertigt werden; standortgebunden sind nur die sogenannten Kapselkollektionen wie etwa das Makalu- oder Berber-Programm. Die Produktion größerer Mengen findet allerdings immer in Ungarn statt; dort verfügt Paulig über entsprechende Kapazitäten.
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Foto/Grafik: Paulig
Salsa Base. Paulig
aus Carpet! 01/22 (Wirtschaft)