Interview des Monats: Fritz Langauer und Christoph Ziereis (Oritop, Österreich)

"Afghanische Teppiche liegen am Puls der Zeit"

Das Portfolio - und die Leidenschaft - des österreichischen Importeurs Oritop für handgeknüpfte Teppiche liegt in Afghanistan. Die Geschäftsführer Fritz Langauer und Christoph Ziereis kennen das Land und das Produkt aus jahrzehntelanger Erfahrung. Carpet Home hat mit beiden gesprochen, wie sich die aktuelle Situation für das Unternehmen und die Knüpfer vor Ort darstellt.

Carpet Home: Wie läuft momentan die Teppichproduktion in Afghanistan? Was hat sich in den letzten achtzehn Monaten verändert?

Christoph Ziereis: Der überwiegende Teil unserer Teppiche und Flachgewebe wird wieder komplett in Afghanistan produziert, diese Entwicklung haben wir in den letzten Jahrzehnten erfolgreich vorangetrieben. Nur noch wenige Kollektionen kommen von noch in Pakistan lebenden afghanischen Flüchtlingen. Aber auch die pflegen letztlich weiterhin ihre eigene afghanische Knüpfkultur.

Fritz Langauer: Die Wolle ist wesentlich teurer geworden, ansonsten läuft alles ziemlich normal; auch die Nachfrage nach handgefertigten afghanischen Teppichen ist weiterhin hoch. Das ist ein Segen für die Knüpfer, da sie so ein geregeltes Auskommen haben. Seit der Machtübernahme der Taliban ist vor allem in den Städten das Leben schwieriger geworden. Die bäuerliche Bevölkerung auf dem Land ist weniger betroffen. Und dort wird der größte Teil unserer Teppiche eigenständig in Hausfleiß geknüpft. Wir kaufen die fertig geknüpften, aber noch unbearbeiteten Teppiche unter anderem auf den Basaren in Kabul, Aqcha, Andkhoy, Mazar und Herat ein. Das Finishing übernehmen dann unsere Partner vor Ort - da haben wir eine gute Infrastruktur. Noch wichtiger als die Basarware sind für Oritop die eigenen Kollektionen. Für diese hochwertigeren Qualitäten vergeben wir Aufträge mit vorgegebenen Mustern und Farbstellungen an unsere Produzenten. Das ist unsere Stärke und hier arbeiten wir mit unseren festen Partnern, die auf die Herstellung der jeweiligen Qualitäten spezialisiert sind.

Carpet Home: Wie sieht es mit der Logistik aus? Wie kommen die Teppiche nach Europa ?

Christoph Ziereis: Im Gegensatz zur recht stabilen Produktion ist da die Situation deutlich anspruchsvoller geworden. Hier sind wir als Großhändler mit unserer Erfahrung derzeit sehr gefragt - und gefordert. Im Moment ist keine Luftfracht aus Afghanistan möglich, nicht einmal Kurierdienste sind sind verfügbar.

Fritz Langauer: Ein möglicher Weg ist der über Pakistan, dort fällt ein allerdings bei der Einfuhr aus Afghanistan ein Zoll von rund fünf Dollar pro Quadratmeter an; auch ist die afghanisch-pakistanische Grenze oft gesperrt. Wie überall im internationalen Warenhandel sind außerdem die Frachtraten extrem angestiegen - zum Teil um mehr als das Doppelte. Das gilt auch für Container aus Pakistan. Stand heute dauert dieser Transportweg gute acht bis zehn Wochen.

Die Alternative ist der Landweg per Lkw. Der verläuft entweder über Herat und den Iran oder aber über Turkmenistan und Aserbaidschan. In beiden Fällen wird die Ware zweimal umgeladen. Im Anschluss geht es über die Türkei bis in unser Lager bei Wien. Die letzten vier Sendungen haben beinahe zwei Monate gedauert.

Carpet Home: Bevor wir konkret auf das Oritop-Sortiment eingehen - was macht eigentlich für Sie den Charakter eines afghanischen Teppichs aus?

Fritz Langauer: Afghanische Teppiche sind etwas für Liebhaber höchster Handwerkskunst. Dass beispielsweise die Wolle in der Regel von Hand versponnen wird, ist eines der wichtigsten -aber oft übersehenen - Details. Denn ganz besonders dadurch erhält der Teppich sein gewisses Flair, seine feine Ästhetik.

Christoph Ziereis: Das handwerkliche Know-How der afghanischen Knüpfer ist extrem hoch, die Designsprache unverwechselbar, das macht ihre Teppiche so authentisch.

Fritz Langauer: Der Knüpfstil in Afghanistan hat eine ganz besondere Entwicklung hinter sich. In den letzten zwei bis drei Jahrzehnten gab es ein großes Interesse an handgeknüpften Teppichen aus dem Land, was die Branche wirtschaftlich gestärkt hat. Von außen kamen neue Muster und Ideen hinzu, die die Knüpfer adaptiert und in ihr überliefertes Repertoire aufgenommen haben. Das Design wurde ausdrucksvoller, farbenfroher und lebendiger - es entstand ein Mix aus Volkskunst und einer neuen, eigenen Handschrift. Diese Besonderheit schwingt selbst bei Auftragsarbeiten immer spürbar mit. Aus unserer Sicht ist das ein einzigartiges Merkmal, auf das wir großen Wert legen.

Carpet Home: Welche Schwerpunkte hat das aktuelle Oritop-Sortiment?

Christoph Ziereis: Neben der unbeeinflussten Basarware bieten wir Kollektionen an, deren Gestaltung bei uns liegt. Über diese sollten wir sprechen. Ohne zu übertreiben, zählt die Oritop hier sicher zu den innovativsten Unternehmen. Deshalb ist es auch unser Steckenpferd, nicht nur zur verkaufen, was gerade gut geht, sondern unsere Kunden auch an die Hand zu nehmen und ihnen die Möglichkeit geben, sich mit ganz neuen Produkten vom Wettbewerb abzuheben. Wir sehen uns als Impulsgeber und wollen Lust auf die interessanten Teppiche mit Charakter machen, die Kompetenz und Kreativität ausstrahlen. Denn unsere Produkte sind am Puls der Zeit.

Fritz Langauer: Kürzlich habe ich mir einige deutsche Teppichabteilungen in der Großfläche angeschaut: alles grau und beige - uniform und total langweilig. Im internationalen Vergleich fehlt gerade in Deutschland offenbar manchen der Mut, Neues zu zeigen. Klar, alle haben einen hohen Verkaufsdruck mit wenig Raum für Experimente. Ich sehe darin aber eine riesige Chance für die Fachgeschäfte, ihr Portfolio zu erweitern und auch mal etwas zu wagen. Wir finden, besser kann man seine Expertise nicht demonstrieren und sich im Markt profilieren.

Christoph Ziereis: Wir bemühen uns um neue Colorits, um vom erwähnten Grau-in-Grau wegzukommen. Wir sehen die Zukunft bei mehr Farbigkeit. Eine besondere Edition ist unsere Kollektion "Treasures of the Future", die nur an ausgesuchte Geschäfte geliefert werden soll. Sie bedient sich jahrhundertealter Muster und Farben und interpretiert sie auf zeitgenössische Art neu. Und mit dem Designbüro, Studio NOV24 arbeiten wir für 2023 gerade an der neuen Kollektion "Ornaments", die supermodern ist - und trotzdem bleibt die Basis immer in der Tradition verwurzelt. Das spiegelt sich auch in Qualität und Struktur wider.

Carpet Home: Thema Serviceleistungen - was wird dem Handel bei Oritop geboten?

Christoph Ziereis: Natürlich haben wir unser gesamtes Warenlager fotografiert und können den Kunden die Bilder kurzfristig zur Verfügung stellen. Aber: Wir haben es bewusst nicht online verfügbar gemacht, da wir den persönlichen Kontakt schätzen und den Austausch mit dem Kunden für fruchtbar halten. Bei näheren Angaben oder Fotos könne wir gezielt auf Kundenwünsche eingehen. Auswahlsendungen sind für uns eine Selbstverständlichkeit.

Fritz Langauer: Immer wichtiger werden Sonderanfertigungen. Sie sind neben der frei eingekauften Basarware und den beauftragten Kollektionen ein festes Serviceangebot von Oritop. Viele Teppiche unserer Kollektionen können wir in nahezu allen Maßen produzieren. Wenn ein Händler seinen eigenen Entwurf mitbringt, lassen wir davon Knüpfvorlagen, die Graphs, erstellen. Damit der Endkunde eine reale Vorstellung vom späteren Teppich bekommt, fertigen wir Knüpfmuster von etwa 60 x 90 cm Größe an. Erst nach Akzeptanz wird der Teppich oder Kelim produziert.


Der überwiegende Teil der Teppiche und Flachgewebe von Oritop wird wieder komplett in Afghanistan produziert. Diese Entwicklung haben Fritz Langauer und Christoph Ziereis in den letzten Jahrzehnten erfolgreich vorangetrieben.
aus Carpet! 04/22 (Wirtschaft)