Interview

"Auch eine Branche hat einen Ruf zu verlieren!

Nachgefragt bei Martin Auerbach, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Heimtextilien-Industrie.

BTH Heimtex: Wie ist Ihr Stimmungsbild
von dieser Heimtextil?

Martin Auerbach: Das Stimmungsbild ist sehr gut und deutlich besser als erwartet. Dies auch vor dem Hintergrund, dass wir überhaupt nicht abschätzen konnten, wie es werden wird. Die Besucher-Frequenz war sehr ordentlich. Bereits der Messe-Dienstag war gut und am Mittwoch sind Begriffe wie "super" und "bombig" gefallen. Ich habe auch von einzelnen Ausstellern gehört, die Leute wegschicken mussten, weil der Stand zu voll war. Auch der Messe-Donnerstag war insgesamt zufriedenstellend.

BTH Heimtex: Wir führen unser Gespräch auf dem Gemeinschaftsstand von Deco Team. Wie gefällt Ihnen das neue Konzept?

Auerbach: Deco Team war ja immer ein Plaza-Konzept, allerdings mit autonomen Ständen. Durch die jetzige Art und Weise, wie die Deco Team Mitglieder eingebunden sind, sieht man, dass es ein Plaza-Konzept ist. Das wird meiner Meinung nach die Blaupause für die Zukunft sein. Denn die Besucher haben kein Problem damit, wenn die Standflächen kleiner werden, aber sie sind verärgert, wenn von - mal angenommen - 20 Unternehmen, die sie besuchen wollen, nur drei da sind.

Das wird jetzt eine ganz wichtige Aufgabe sein und da muss man die Unternehmen in die Pflicht nehmen und überzeugen, dass es Sinn macht, mit kleineren Standflächen auf die Messe zu gehen - aber als Aussteller hinzugehen, um die Branche in ihrer Gesamtheit wieder abzubilden.

BTH Heimtex: Wessen Aufgabe ist es Ihrer Meinung nach, die Unternehmen in die Pflicht zu nehmen? Kommen Sie da als Verband ins Spiel?

Auerbach: Wir spielen als Industrieverband mit Sicherheit auch eine gewisse Rolle. Es ist aber tatsächlich die Aufgabe der Unternehmen, die nicht auf der Messe sind, sich jetzt seriös Gedanken zu machen und nicht alles mit der schlechten wirtschaftlichen Lage zu argumentieren und Budgets zu streichen. Man muss ja weiterdenken.

BTH Heimtex: Was entgegnen Sie Argumenten wie "Ich präsentiere mich doch nicht auf einer gleich großen bzw. kleinen Standfläche wie mein kleinerer Mitbewerber"?

Auerbach: Das ist nicht nachvollziehbar. Den Besuchern ist die Standgröße mittlerweile vollkommen egal. Eine Haltung nach dem Motto, "Wer mit einem kleineren Stand da ist, muss wohl in Schieflage sein" oder den Standpunkt vertreten, "Entweder gehe ich mit einem großen Stand auf die Messe oder gar nicht", entspricht nicht der aktuellen Entwicklung. Das ist von gestern.

Und da ist Corona auch an der Stelle ein echter Katalysator, indem die Pandemie diesen sich schon länger abzeichnenden Prozess deutlich beschleunigt hat. Das muss man erkennen und die Chance jetzt beim Schopf ergreifen. Die Messe steht und fällt mit der Anzahl der Aussteller, und ob die jetzt mit kleinen, großen oder mittleren Ständen kommen, ist nicht relevant, das ist nicht die Zukunft. Die Zukunft ist Kommunikation, Highlights und nochmal Kommunikation.

BTH Heimtex: Man vernimmt ja gerade hier in Halle 8 vielerorts den Ruf nach Solidarität.

Auerbach: Das ist richtig. Deshalb wiederhole ich, dass die Verantwortung auch bei denen liegt, die nicht da sind. Diese Unternehmen müssen sich Gedanken machen.

Was aus meiner Sicht auch einmal ganz klar gesagt werden muss, ist, dass die Messe einen wirklich guten Job gemacht hat. Und jeder, der die Messe permanent kritisiert, sollte sich vergegenwärtigen, welches Tal der Tränen die Messe durchschritten hat und es trotzdem geschafft hat, die Heimtextil am Laufen zu halten - und das, ohne einen Großteil der Belegschaft zu entlassen.

Wir müssen uns auch klarmachen, dass die Heimtextil die Weltleitmesse ist - und die findet in Deutschland statt. Jetzt sollte sich jeder mal in Ruhe überlegen, was das bedeutet und was alles daran hängt.

BTH Heimtex: Können Sie einen Wunsch für die Heimtexil 2024 formulieren?

Auerbach: Mein Wunsch wäre, dass wieder mehr deutsche Aussteller da sind und sich wirklich als Branche präsentieren. Denn auch eine Branche hat einen Ruf zu verlieren.

| Die Fragen stellte Michaela Fischer
aus BTH Heimtex 02/23 (Wirtschaft)