Naturlook, Recyclingfasern und ausgefallene Farben
Teppiche auf der Domotex 2023
Die Domotex 2023 machte eines deutlich: Die "Weltleitmesse für Bodenbeläge" ist vor allem eine Messe für abgepasste Teppiche. Und hier waren es vor allem die Hersteller von Maschinenwebteppichen, die das Rückgrat der Domotex bildeten -und dem interessierten Publikum viele echte Neuheiten und Weiterentwicklungen präsentierten. Das soll nicht heißen, dass es kein Angebot bei handgefertigten Teppichen zu sehen gab. Im Gegenteil. In den Hallen 2 und 4 gab es bei den anwesenden Herstellern und Importeuren einiges Spannendes zu sehen. Über alle Produktgruppen hinweg fiel auf, dass die Aussteller voll auf das Thema Natur und Nachhaltigkeit setzen. Teppiche im Jute-Look oder aus ungefärbter Wolle waren voll im Trend und praktisch alle Maschinenwebteppich-Hersteller haben Kollektionen aus Recyclingfasern im Sortiment. Dazu passend waren sehr viele Grün-Töne zu sehen -und Teppiche in ausgefallenen Farben bzw. mit farbenfrohen Akzenten.
Ganz klar: Die Domotex 2023 war auch im Bereich der abgepassten Teppiche deutlich kleiner, als noch 2020. Trotzdem war die Stimmung in den Teppichhallen überraschend gut. Bei Besuchern wie Ausstellern. Auch war die Qualität der Besucher sehr hoch, denn trotz unsicherer Weltwirtschaftslage kam die oberste Riege der Entscheider nach Hannover. Viele Aussteller berichteten über ein nennenswertes Neukundengeschäft. Für den Besucherrückgang verantwortlich sein dürfte vor allem das Fernbleiben kleinerer Fachhändler und der Mitarbeiter aus dem Verkauf. Die neue Tagesfolge mit dem Sonntag als letztem Messetag war daran bestimmt nicht ganz unschuldig.
Maschinenwebteppiche
Maschinenwebteppiche haben weiter eine große Bedeutung. Sowohl als wirtschaftliches Zugpferd wie auch als Innovationstreiber. Eine Ursache dafür ist mit Sicherheit der weiter wachsende Onlinehandel. Hier setzt man stark auf hochmodische Teppiche mit sehr bezahlbaren Preisen. Ein Grund, warum viel Entwicklungsarbeit in die Einstiegspreisklassen gesteckt wurde. Auch das ebenfalls breiter gewordene Angebot an waschbarer und vor allem faltbarer Ware ist auf die Bedürfnisse des Onlinehandels zugeschnitten.
Beim Flormaterial ist Polyester weiter auf dem Vormarsch und ersetzt immer häufiger Polypropylen- / Heatset-Garne. Ein Grund sind die in der Vergangenheit gestiegenen Preise für PP, aber auch der vermehrte Einsatz von Garnen aus recyceltem PET. Fast jeder Hersteller setzt auf das Thema Nachhaltigkeit als Verkaufsargument. Dazu passen Teppiche im Naturlook, entweder als Flachgewebe - übrigens auch eine Produktgattung, die bei immer mehr Anbietern zu finden ist - oder als besonders weiche oder flauschige Qualität, zum Beispiel im Berber-Style. Bewegte Strukturen durch Frisée- und Schrumpfgarne sowie raffinierte Webtechniken machen die Produkte interessanter. Ebenfalls im Trend sind Indoor-/ Outdoor-Kollektionen. Traditionelle Muster sind weiterhin im Angebot, aber eher rückläufig.
Dass es beim Maschinenwebteppich nicht immer nur um Einstiegspreislagen geht, beweisen seit mehreren Jahren die Teppiche, die mit zwei Millionen Punkten oder mehr gewebt sind und damit dem handgeknüpften Teppich ernsthafte Konkurenz machen. Besonders die Anbieter aus Ägypten und der Türkei zeigten in diesem Jahr hier zahlreiche spannende Neuentwicklungen.
Die großen Namen der Maschinenweb-Branche waren auf der Messe vertreten: Oriental Weavers, Merinos, Balta Home, Ragolle oder Mc Three, um einige der bekanntesten Hersteller zu nennen. Verglichen mit der Domotex 2020 fiel allerdings auf, dass deutlich weniger Anbieter aus der Türkei in Hannover ausgestellt haben und Anbieter aus dem Iran praktisch gänzlich fehlten. Letztes lässt sich mit der politischen Situation und Problemen bei der Visa-Vergabe erklären.
Die stetig wachsende Bedeutung des Maschinenwebteppichs ist auch in den Sortimenten der Importeure von handgefertigten Teppichen zu erkennen. Fast alle Aussteller, die sich auf die Zusammenarbeit mit Großflächen spezialisiert haben, haben auch eine breite Auswahl an maschinell gefertigter Ware im Angebot, um sämtlichen Anforderungen ihrer Kunden gerecht werden zu können.
Handgefertigte Teppiche
Doch auch, wenn die Bandbreite der angebotenen Maschinenwebteppiche immer größer wird: Der handgefertigte Teppich hat eine nicht zu unterschätzende Marktbedeutung. Obwohl die vergleichsweise hochpreisigen feinen Webteppiche im Trend sind, gab es eine spürbare Nachfrage bei Knüpfteppichen. In den Hallen 2 - wo vor allem europäische Importeure ihre Stände hatten - und Halle 4 - hier stellten die Hersteller aus den Urspungsländern aus - war Bewegung. "Wir sind freudig überrascht" - das mit einem Lächeln vorgetragene Statement von Rezas-Vertriebschef Jesper Andersen spiegelt die positive Stimmung von Besuchern und Ausstellern in diesem Bereich wider.
Dabei darf aber nicht verschwiegen werden, dass die Ausstellerzahl bei den Knüpfteppichen deutlich geringer war als noch bei der Domotex 2020. Viele Importeure hatten sich gegen einen Messeauftritt entschieden. Bei den klassischen und modernen Orientteppichen war die Auswahl bei der afghanisch / pakistanischen Ware am größten. Eine Produktgruppe, die mit ihrer hohen Qualität und den verkäuflichen Dessinierungen seit Jahren im Aufwind ist. Die Stände von ABC Italia, Satar Carpet oder Bo-Tepp waren permanent gut besucht. Auch die Flachgewebe aus Afghanistan zählen zu den Bestsellern bei den handgefertigten Teppichen.
Etwas unterrepräsentiert war in diesem Jahr das Angebot aus dem Iran. Besonders die moderne Nomadenware war kaum zu sehen. Etwas besser sah es bei den klassisch gemusterten persischen Teppichen und bei den überfärbten Vintage-Teppichen aus. So hielten vor allem der Hamburger Importeur Ipek und Rezas aus Dänemark hier die Fahne hoch.
Ebenfalls deutlich kleiner war die Auswahl bei Teppichen aus Marokko -in Marrakech wurde erst im Dezember eine Teppichmesse veranstaltet - und der Türkei. Die für Teppichliebhaber spannende Nische der antiken Teppiche war auf nicht mal eine Hand voll Aussteller geschrumpft.
Die meisten der Aussteller in Halle 2 führen Knüpfteppiche zum Absortieren, allerdings weniger in den klassischen, orientalischen Farbstellungen, sondern in eleganten Erdtönen und oft mit einem ausgefallenen Farb-Twist und überraschenden Mustervarianten, wodurch sie eine ganz neue Aktualität erhalten.
Moderne Knüpfteppiche aus Nepal und Indien waren besonders bei den Importeuren und Großhändlern mit Katalogprogramm Theo Keller, OCI oder Barfuss zu finden. Eine Nachfrage nach hochwertigen und ausdrucksstarken Alternativen zu maschinengefertigten Einrichtungsteppichen ist erkennbar. Eine Tatsache, die auch den Handwebteppichen in die Hände spielt und sie zu einem unverzichtbaren Bestandteil eines aktuellen Teppichsortiments macht. Und auch wenn der Platzhirsch Paulig in diesem Jahr nicht auf der Domotex ausstellte, war mit Tisca doch zumindest ein echter Spezialist in dieser Produktgruppe vertreten.
Das Design bei den handgefertigten Teppichen spaltet sich, ähnlich wie bei den Maschinenwebteppichen, in zwei Richtungen auf: auf der einen Seite Unis und dezente Allover-Muster in einem warmen Weiß und in Naturtönen zwischen Beige und Braun, auf der anderen Seite ausdrucksstarke Dessins mit leuchtenden Farben, die spontan ansprechen.
aus
BTH Heimtex 02/23
(Wirtschaft)