36. TKB-Fachtagung

Nachhaltigkeit prägt Klebstoffbranche

An dem Thema Nachhaltigkeit kommt derzeit niemand vorbei: So stand die 36.Fachtagung der Technischen Kommission Bauklebstoffe (TKB) im Kölner Maternushaus ganz im Zeichen dieses Handlungsprinzips. Sechs Fachvorträge und eine Podiumsdiskussion beleuchteten nachhaltige Fragestellungen; der Verband begrüßte 155 Tagungsteilnehmer (2019: 180 Besucher).

Vor vier Jahren konnte die Technische Kommission Bauklebstoffe (TKB) zuletzt die Branche vor Ort begrüßen; danach waren zunächst nur Online-Treffen möglich. Am 28. Februar fand endlich die erste Präsenz-Veranstaltung seit langem statt: 155 Besucher kamen zur 36. Fachtagung ins Kölner Maternushaus. Die Technische Kommission Bauklebstoffe stellte das diesjährige Programm unter das Thema Nachhaltigkeit, "dem man sich nicht entziehen könnte, weil wir ganz stark betroffen sind", betonte der TKB-Vorsitzende Dr. Norbert Arnold. Klebstoffe würden manchmal als nachteilig für die Nachhaltigkeit angesehen, obwohl sie sich auf die Nutzungsdauer einer Belagsverlegung und die technischen Eigenschaften positiv auswirken.
Die diesjährige Podiumsdiskussion machte die Komplexität von Nachhaltigkeit deutlich. Handwerker Udo Herrmann sorgte gleich zu Beginn der Nachhaltigkeitsdiskussion für eine Desillusionierung: "In den 23 Jahren meiner Selbstständigkeit hat ein Kunde bei mir noch nie einen nachhaltigen Parkettboden angefragt." Wichtiger als eine Parkett-Marke sei in der jeweiligen Region die "Marke" des Handwerksbetriebs - in diesem Fall Parkett Herrmann.

Daniel Wiegel, Leiter der Anwendungstechnik beim elastischen Bodenbelagshersteller Gerflor, erhält in seiner täglichen Praxis Anfragen vom Großhandel, von Bodenlegern und von Endverbrauchern. Sie fragen nach Siegeln wie Blauer Engel und Eurofins Gold bei Produkten und seien manchmal überrascht, dass Gerflor "seit den frühen 1990er-Jahren bereits PVC-Beläge in Troisdorf recycelt." Manchmal werden auch Gebäude-Zertifikate wie solche von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) für Produkte angefragt. Er müsse dann erklären, dass es diese nicht gibt: An dieser Stelle wird der Spagat zwischen Produkt und Gebäude deutlich. Hier sah Wiegel Ansatzpunkte für mehr Aufklärungsarbeit.

Einigkeit gab es dazu, dass zwar häufig nachhaltige Produkte gefordert würden, diese aber nicht automatisch ein Gebäude nachhaltig machten. Die Industrie möchte deshalb Gebäudezertifizierer für Bodenprodukte sensibilisieren und auf europäischer Ebene eine Definition von Nachhaltigkeit im Bauwesen einfordern.

Aus dem Publikum kam die Frage, ob Kompensationszahlungen ein sinnvolles Maß für Nachhaltigkeit sein können. Dr. Martin Schäfer, Geschäftsführer beim Verlegewerkstoffhersteller Wakol, vertrat die Ansicht, dass Produkte hierdurch nicht anders würden, da die Aufforstungen und Pflanzungen nicht kausal zu den Produkten seien. Eine weitere Frage aus dem Publikum betraf den Vergleich zwischen geklebtem, mehrfach renovierbarem Parkett und eingeschränkt renovierfähigem, schwimmend verlegtem Parkett. Verleger Udo Herrmann berichtete, dass schwimmend verlegte Beläge in der Regel zum Einsatz kämen, wenn ein Kunde Geld sparen möchte; diese würden häufig im Baumarkt gekauft. Wer wiederum zum Parkettleger komme, wünsche sich einen wertigen Fußboden, der dann auch verklebt werde und schon wegen seiner Langlebigkeit nachhaltig sei.

Dr. Frank Gahlmann knüpfte in diesem Zusammenhang abermals an die Komplexität von Nachhaltigkeit an. "Bei verklebtem Parkett und LVT kann die Vorlauftemperatur von Fußbodenheizungen gesenkt werden. Wenn ich Parkett klebe, brauche ich vielleicht nur 8 mm Parkettdicke, vielleicht auch nur 6 mm. Ist das in Bezug auf Nachhaltigkeit gut oder schlecht?" Oder anders formuliert: "Sollen wir mehr Holz einbauen, weil es CO2 speichert oder weniger Holz, weil es die Ressourcen schont?" Darauf gebe es aktuell keine Antwort. Gahlmann forderte, dass der Mehrwert der Verlegewerkstoffe als Nachhaltigkeitsleistung analysiert werden müsse.

Die kommende TKB-Fachtagung soll am 19. März 2024 im Kölner Maternushaus stattfinden.



Ulrich Weng, Leiter Uzin Anwendungstechnik Innendienst
Sanierung versus Neueinbau -
Möglichkeiten zur "Rettung" alter Fußbodenkonstruktionen
Wer sich mit der Abwägung zwischen Sanierung und Neueinbau beschäftigt, muss verschiedene Entscheidungen treffen, wie der erste Referent Ulrich Weng erklärte: "Die erste Möglichkeit ist, alles muss raus", so der Leiter der Uzin-Anwendungstechnik. In diesem Fall wird ein neuer Estrich samt Bodenaufbau benötigt. Was die grundsätzlich einfachste und sicherste Lösung ist, wirft Fragen auf wie: Ist der komplette Neuaufbau ökologisch und ökonomisch sinnvoll? Aber auch: Ist der Neuaufbau aus technischer Sicht möglich? Im Falle eines geeigneten Altuntergrunds kann es ausreichen, den Bodenaufbau zu erneuern. Geht es nur um den Austausch eines Bodenbelags, muss geklärt werden, ob sich der bestehende Untergrund zur neuen Aufnahme des Belags eignet.

Ein wichtiges Kriterium ist hier die Untergrundprüfung; es folgt die angemessene Untergrundvorbereitung. Verlegewerkstoffhersteller unterstützen Verleger mit Empfehlungen der jeweiligen Anwendungstechnik. Es gibt heutzutage Lösungen, um den Bestand zu erhalten und auf aufwendige Neuaufbauten zu verzichten - alte Fußbodenkonstruktionen können also durchaus "gerettet" werden.



Hartmut Urbath, Leiter Technical Sales Management PCI Gruppe
Nachhaltige Produkte und nachhaltige Fußböden -
heute und in Zukunft
"Jeder Hersteller von Bodenbelägen oder Verlegewerkstoffen muss sein einzelnes Produkt mit möglichst geringem Umwelteinfluss herstellen. Das betrifft unter anderem Energie, Wasser, Abfall und Schadstoffe", so lautete der Ausblick von Referent Hartmut Urbath. Hierzu werde es in der Zukunft mehr CO2-reduzierte Rohstoffe geben, z. B. durch chemisches Recycling. Urbath betonte, dass es für ein nachhaltiges Gebäude zielführender sei, Systeme aus Verlegewerkstoffen und Belag zu betrachten, weil ein System in einer langen Nutzungsphase einen starken Einfluss habe. Der Referent ist überzeugt: "Kleben von Parkett und Bodenbelägen behindert nicht die Kreislaufwirtschaft und die Wiederverwertung der Beläge." Urbath stellte Beispiele vor, wie die Renovierbarkeit durchs Kleben sichergestellt wird und so einen Beitrag zur Ressourcenschonung über den Lebenszyklus des Bodens leistet: So kann geklebtes Parkett geschliffen und neu versiegelt und geölt werden. Das Schleifen von schwimmend verlegtem Parkett wiederum führt wegen der Vibrationen zu einer unebenen Oberfläche. Auch homogene PVC-Beläge und Linoleum können durch entsprechende Maßnahmen in der Oberfläche erneuert werden. Im Vergleich zur Neuverlegung werden bei einer Oberflächenüberarbeitung eines Belags 75 bis 85 % weniger Treibhausgase freigesetzt.



Dr. Antti Senf, Leiter Klebstoffentwicklung Bona Deutschland
Mechanische Eigenschaften von Parkettklebstoffen
und deren Einfluss auf Parkettböden
Spannungen werden primär durch feuchte-abhängiges Quellen und Schwinden des Holzes hervorgerufen. Elastische Klebstoffe reduzieren im Verhältnis zu hartelastischen Klebstoffen die Spannungen an der Estrichoberfläche. In der Fläche bis ungefähr 0,1 m vom Rand sind auch elastische Klebstoffe "schubfest". Weiche Klebstoffe lassen vor allem nicht maßstabile Parkettarten stärker arbeiten.
Kommt es infolge einer falsch ausgeführten Versiegelung zu Seitenverleimung der Parkettelemente, schwindet bei der harten Klebung jeder Stab für sich und eine Blockbildung wird vermieden. Bei einer weichen Klebung kann die Seitenverleimung stärker sein als die Kraftübertragung zum Boden und es können sich Blöcke mit sehr breiten Fugen bilden.



Richard Kille, Sachverständiger IFR
Estrichzusatzmittel - die Wirklichkeit
Der Sachverständige Richard Kille stellte voran, dass das Thema Feuchte zum Tagesgeschäft der Bodenbranche gehört, vor allem auch der Sachverständigen. Fakt sei, dass es feuchteempfindliche Spachtelmassen und Bodenbelagskleber gebe.

Kille, der Fälle aus seiner Sachverständigen-Tätigkeit vortrug, formulierte Anforderungen an eine funktionierende Boden-Konstruktion wie folgt: "Ich brauche eine Grundierung, die bei erhöhter Feuchte nicht mehr weich wird und die Spachtelmasse trotzdem festhält." Weitere Kille-Empfehlungen lauteten: "Die Spachtelmasse bleibt auch bei ein bisschen mehr Feuchte hart und fest. Es gibt Klebstoffe, die behalten ihre Schäl- und Scherfestigkeit, sie bleiben fest und druckstabil auch bei einem feuchten Milieu - das muss nicht gleich ein 1K-PU-Klebstoff sein. Wenn sich dann noch der Bodenbelag nicht zwingend von Feuchte beeinflussen lässt, entsteht ein Bodenaufbau, der die eine oder andere Unregelmäßigkeit des Baustellenalltags verkraftet." Killes Fazit, mit dem von ihm häufig zitierten "gesunden Menschenverstand" lautete: "Diese Unregelmäßigkeiten sind für jeden Boden- und Parkettleger - ich möchte fast sagen - unvermeidbar in der heutigen Zeit."




Dr. Frank Gahlmann, Technischer Geschäftsführer Stauf
Belegreife - Definition eines weit gefassten Begriffs
"Die Belegreife ist der Zustand eines Untergrunds, in dem er für die schadens- und mangelfreie, dauerhafte Aufnahme eines Bodenbelags geeignet ist." Dies schlug Dr. Frank Gahlmann als Basisdefinition für das Wort "Belegreife" vor. Der Referent unterschied bei den Belegreife-Eigenschaften zwischen den zeitunabhängigen und den zeitabhängigen: Zu den weitestgehend zeitunabhängigen Eigenschaften zählte er Höhenlage, Ebenheit, Rissfreiheit, Rauigkeit, Sauberkeit, überstehende Randdämmstreifen und bei der Fußbodenheizung Messstellen, Aufheizprotokoll und Oberflächentemperatur. Zeitabhängige Eigenschaften sind bei mineralischen Estrichen der Feuchtezustand, die Festigkeit und das Schwindverhalten. Der Feuchtezustand des Untergrunds, zusammengesetzt aus Feuchtgehalt und Feuchtepotenzial, habe direkten Einfluss auf die Auswahl von Verlegewerkstoffen und Bodenbelägen.

Die CM- und KRL-Werte geben unterschiedliche, ergänzende Informationen. Vor allem bei Altuntergründen könne die Prüfung und Bewertung der Belegreife von der ehemaligen und der geplanten Nutzung abhängig gemacht werden. Die Bewertung der Belegreife für die geplante Nutzung erfolgt idealerweise durch Abstimmung zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber.




Dr. Klaus Kersting, Referent Gefahrstoffe BG Bau
Reaktive Verlegewerkstoffe - Aktuelle Entwicklungen
Zu den reaktiven Systemen zählen Diisocyanate (reagieren zu Polyurethanen), Epoxidharze und Methoxysilanhaltige Polymere (wie Silan-Parkettkleber), die bei Parkett- und Bodenverlegearbeiten eingesetzt werden. Dr. Klaus Kersting sensibilisierte dafür, dass die drei Systeme bei unsachgemäßer Anwendung Erkrankungen auslösen können.

Epoxidharze können zu Reizungen der Haut und zu allergischen Reaktionen auf der Haut führen. Deshalb muss ihr Einsatz auf technisch erforderliche Anwendungen beschränkt bleiben. Diisocyanate hingegen führen nur sehr selten zu Erkrankungen, sodass ihre Verwendung weiterhin grundsätzlich empfohlen wird. Silanmodifizierte Produkte sind in die Gefahrklassen Giscode RS10 und RS20 klassifiziert. Sie sind kennzeichnungsfrei und setzen bei und nach der Verarbeitung Methanol frei. Der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) wird bei Klebstoffen eingehalten, bei Grundierungen hingegen überschritten.


TKB-Aktivitäten: Corona
als "Merkblatt-Beschleuniger"
Die Technische Kommission Bauklebstoffe gibt mittlerweile 21 Merkblätter heraus (kostenloser Download unter www.klebstoffe.com). Durch eine inhaltliche Straffung konnten vier Merkblätter eingespart werden, was auch dem Ziel der Initiative Praxisgerechte Regelwerke im Fußbodenbau (PRIF) entspricht, das die TKB unterstützt. Die Zeit der Corona-Beschränkungen habe viele Aktualisierungen der TKB-Merkblätter durch Videokonferenzen begünstigt.
aus BTH Heimtex 05/23 (Wirtschaft)