Industrievereinigung Chemiefaser
Belebung des Marktes in Sicht
Frankfurt - Auf der diesjährigen Mitgliederversammlung (22. Juni) der Industrievereinigung Chemiefaser e.V. (IVC) wurden die offiziellen Daten über das abgelaufene Geschäftsjahr sowie Ausblicke auf das laufende Jahr bekannt gegeben. Nach vielen Jahren der Stagnation und teilweise auch des Rückgangs der Produktionsmengen konnte die Chemiefaserindustrie in Deutschland wieder eine Belebung des Marktes verzeichnen. Wenngleich die Produktionssteigerung mit 1,1 Prozent noch sehr moderat ausfällt, scheint sie eine Trendwende einzuleiten. Dieses ist auch notwendig, um die zunehmend ungünstiger werdenden Rahmenbedingungen des Produktionsstandortes, die sich z.B. in Form eines hohen Fixkostenanteils auswirken, einigermaßen ausgleichen zu können.
Obwohl die Tendenz der Verlagerung der Textilproduktion aus Deutschland heraus ungebrochen ist, konnte die Menge der in Deutschland verarbeiteten Chemiefasern auch im Jahr 2006 weiter ausgeweitet werden, was vor allem auf technische und medizinisch-hygienische Anwendungen zurückzuführen ist. Dieses ist ein klares Signal dafür, dass die Weiterverarbeitung von Chemiefasern auch an deutschen und österreichischen Verarbeitungsstandorten zukunftsfähig ist, wenn die Chemiefasern qualitativ hochwertig sind.
Kuriositäten fanden sich auf dem Markt in Form von "Bambus"-Textilien. Im Jahr 2006 wurde der deutsche Markt mit zahlreichen Textilien nahezu überschwemmt, die angeblich aus Bambus-Fasern hergestellt und entsprechend gekennzeichnet wurden. Recherchen ergaben, dass es sich hierbei um Viskose-Fasern handelte, die aber von chinesischen Produzenten als Bambus-Fasern verkauft wurden, weil die zur Viskosefaserherstellung notwendige Cellulose aus Bambusgewächsen stammte. Zusätzlich wurde ein Teil dieser Textilien noch als antibakteriell ausgelobt.
Eine Steigerung dieser Art der Innovationsfähigkeit erlaubten sich einige asiatische Hersteller auf der diesjährigen TechTextil. Dort wurden erstmals so genannte "bamboo charcoal staple fibres" sowie daraus hergestellte Produkte angeboten, die recht exotisch anmutende Eigenschaften aufweisen sollen, wie z.B. Schutz gegen Radioaktivität usw. Hierbei handelt es sich lediglich um Polyesterfasern, denen bei der Herstellung in der Schmelze zuvor carbonisierte Bambusgewächse als pulverförmiger Füllstoff zugefügt wurde.
Die IVC machte die Verarbeiter und Händler darauf aufmerksam, dass diese Form der im chinesischen Kulturkreis üblichen und dort wohl akzeptierten "Innovation" in Europa schlichtweg einen Verstoß gegen das Textilkennzeichnungsgesetz sowie das Biozidgesetz darstellt, der zudem die Verbraucher zum Schaden der Reputation einer ganzen Branche täuscht. Es steht zu befürchten, dass die offenkundig gewordenen Verstöße importierter Ware gegen EU-Recht nur die Ouvertüre darstellen. Mit Inkrafttreten von REACH am 1. Juni 2007 unterliegen auch Stoffe in importierten Erzeugnissen - und damit in Chemiefasern - unmittelbar dieser EU-Verordnung. Die IVC wird ein wachsames Auge auf Chemiefaserimporte werfen und Verstöße gegen REACH aufzeigen.
Nach einigen Jahren in Folge konnte die deutsche Chemiefaserindustrie erstmals wieder eine Erhöhung ihres Umsatzes verzeichnen. Einhergehend mit einer moderaten Produktionssteigerung von 1,1 Prozent auf 936.000 t wuchs der Umsatz um 3,6 Prozent auf 2,9 Mrd. Euro. Dieser zunächst augenscheinlich hohe Wert relativiert sich allerdings sowohl vor dem Hintergrund gestiegener Rohstoffkosten als auch unter Beachtung der Tatsache, dass damit lediglich das Umsatzniveau der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts erreicht wurde. Zum Produktionsergebnis maßgeblich beigetragen haben die Polyester- und Polyacrylnitrilfasern.
Der Weltmarktanteil Deutschlands liegt auf vergleichbarem Niveau wie im Vorjahr und beträgt etwas mehr als 2 Prozent. Deutlich angewachsen ist die Rolle Chinas als Chemiefaserhersteller. Beinahe die Hälfte aller weltweit produzierten Chemiefasern (49 Prozent) stammen nunmehr aus chinesischer Produktion. Dies geht vor allem zu Lasten der USA (-1 Prozent), Taiwans (-1 Prozent) sowie Produzenten aus sonstigen Staaten (-6 Prozent). Es sollte in Erinnerung gerufen werden, dass Chinas Chemiefaserproduktion im Jahr 1995 "nur" einen globalen Anteil von 12 Prozent hatte, der seinerzeit schon als beachtlich gewertet wurde.
Bemerkenswert ist die seit Jahren mäßige, aber doch kontinuierliche Steigerung der Gesamtmenge der in Deutschland verarbeiteten Chemiefasern. Diese wuchs im Vergleich zum Jahr 2005 um 2,5 Prozent auf 716.700 t. Ungebrochen ist der Trend des vermehrten Einsatzes in technischen, medizinischen und hygienischen Anwendungen. Dieses ist sowohl auf eine insgesamt geringere Verarbeitung aller Faserarten zu Bekleidungszwecken zurückzuführen, als auch auf die Tatsache, dass im Jahr 2006 Chemiefasern in diesem sowie im Sektor der Heimtextilien einem verstärkten Einsatz von Wolle weichen mussten.
aus
Haustex 08/07
(Wirtschaft)