Witex und Pergo

Viel Wirbel um die Urväter des Laminatbodens


Wie kein anderer Hersteller haben Pergo und Witex die Laminatbranche geprägt: Während die Schweden unwidersprochen als Erfinder dieses Belagstypus in so genannter HPL-Qualität (Hochdruck-Schichtpressstoff) gelten, blieb es den Ostwestfalen vorbehalten, das inzwischen dominierende direkt verpresste Laminat (DPL) zur Marktreife zu führen. Aber das war gestern. Nicht zuletzt unternehmerische Fehlentscheidungen sorgten dafür, dass beide Firmen ihren Zenit überschritten haben. Jetzt stehen sie wieder im Blickpunkt der Branche.

Als Bear Stearns im Mai signalisierte, alle Anteile der seit 2003 insolventen Witex International Flooring GmbH zu übernehmen, fragte sich die Branche nach den Beweggründen der US-amerikanischen Investmentbank. Immerhin war der Fußbodenbodenhersteller vier Jahre lang wie Sauerbier angeboten worden.

Investiert wurde in dieser Zeit gerade das Nötigste, so dass der Anschluss an Neuentwicklungen im Laminatbereich immer schwieriger zu halten war. "Ceraclic" sorgte für einen kurzen Lichtblick. Das Produkt mit der mineralischen Trägerplatte sollte als Alternative zu Natursteinböden positioniert werden, wurde jedoch verfrüht eingeführt und nicht mit der erforderlichen Konsequenz weiterentwickelt, so dass man nachbessern musste. Was also macht Witex für Bear Sterns so interessant?

Nach Einschätzung von Experten deuten die Konditionen des Kaufs auf den Fortbestand der Produktionsstätte hin, denn neben dem operativen Geschäft wurden auch sämtliche Vermögensgegenstände (Maschinen, Immobilien etc.) erworben - aus rechtlicher Sicht übrigens auch die Mitarbeiter. Wenn es aber zur Strategie der traditionsreichen Investmentgesellschaft gehört, Beteiligungen und Firmen in einem Zeitfenster von drei bis fünf Jahren gewinnbringend abzustoßen, dann ist das in diesem Fall nur mit erheblichen Investitionen in die betriebliche Infrastruktur möglich.

Um im internationalen Wettbewerb zu bestehen, wäre auch der Aufbau einer größeren Unternehmenseinheit denkbar, vielleicht unter Einbindung eines Plattenproduzenten. Dass es auch Skeptiker gibt, die ein ganz anderes Szenarium beschreiben, soll nicht verschwiegen werden, auch wenn wir uns an derartigen Spekulationen nicht beteiligen wollen.

Trotz aller rechtlichen Beschränkungen, die eine Insolvenzverwaltung mit sich bringt, hat sich Witex positiv entwickelt. Wie es heißt, lagen die jährlichen Zuwachsraten stets über dem Branchendurchschnitt. Für 2006 wird das Umsatzplus mit 23% beziffert.

Von solchen Zuwachsraten im Laminatboden-Geschäft träumt die ansonsten erfolgsverwöhnte Vorstandsriege der Pfleiderer AG vorerst noch. Seit der Übernahme von Pergo im Mai dieses Jahres tritt der Konzern, zumindest in Europa, auf der Stelle.

Macht der 300 Mio. EUR-Deal überhaupt einen Sinn? Schließlich gehört das Fußbodengeschäft bei Pfleiderer nicht gerade zu den Kernkompetenzen. Und dazu gibt es schon jetzt in Europa gewaltige Überkapazitäten.

Die Übernahme-Entscheidung ist richtig. Denn: Global betrachtet, ist das Vermarktungspotenzial von Laminatfußböden noch lange nicht ausgeschöpft. Kein anderer Hersteller als Pergo wäre in der Lage gewesen, für Pfleiderer den Brancheneinstieg in Europa zu beschleunigen und die Marktposition des Konzerns in Nordamerika ausbauen. Dazu eröffnen sich für Pfleiderer Synergien in den Bereichen Einkauf und Logistik sowie bei der Nutzung vorhandener Patente und Lizenzen.

Erst 2005 hatte das Unternehmen die Holzwerkstoff-Aktivitäten der Kunz Gruppe in Deutschland und Nordamerika übernommen. Seitdem ist Pfleiderer in Nordamerika im Laminatfußboden-Geschäft tätig und rangiert mit einem Marktanteil von 15% an erster Stelle.

Dass Pergo nach wie vor zu den ganz Großen am Weltmarkt gehört, wird hierzulande verkannt: Allein mit Laminatböden realisierte der Hersteller 2006 einen Jahresumsatz von 330 Mio. EUR. Allenfalls die österreichische Industrieellenfamilie Kaindl dürfte hier mit ihrem Firmenkonglomerat mehr zu bieten haben.

Ulrich Baumert
aus BTH Heimtex 09/07 (Wirtschaft)